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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764.

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VIII. Hauptstück,
ganz finster wird, ist eine Erfahrung; daß aber
der Mond vor die Sonne trete, und dadurch diese
Verfinsterung verursache, ist ein Schluß, der aus
andern Erfahrungen hergeleitet wird. Man hat
solche Schlüsse von den Erfahrungen selbsten wohl zu
unterscheiden, theils weil es eben nicht so selten ist,
irrige Schlüße zu machen, theils auch, weil die Erfah-
rungen selbsten uns statt des Wahren nur den
Schein angeben. So z. E. sieht ein Object in der
Entfernung klein aus, man kann aber nicht sogleich
den Schluß daraus ziehen, daß es wirklich so klein
sey. Man sieht eine Sache in einem Spiegel, als
wenn sie hinter demselben wäre. Es wäre aber un-
gereimt, daraus zu schließen, daß sie wirklich hinter
demselben sey. Da demnach bey Erfahrungen vorerst
verschiedene Fragen auszumachen sind, ehe man
Schlüße daraus zicht, so ist klar, daß, wenn man die
Ordnung umkehrt, und diese Schlüße zuerst macht,
man sich dabey leicht irren könne. Noch ärger ist es,
wenn man solche Schlüße mit der Erfahrung ver-
mengt, und als empfunden ausgiebt, was man nur
geschlossen hatte. Diesen Fehler nennt man den
Fehler des Erschleichens, Vitium subreptionis, und
es gebraucht viele Behutsamkeit, ihn durchaus zu
vermeiden.

§. 555.

Jndessen müssen wir doch anmerken, daß es nicht
immer an sich ein Fehler ist, weil der Schluß, den
man für eine Erfahrung ausgiebt, dessen unerachtet
wahr seyn kann. Jst dieses, so fehlt man eigentlich
nur in der Benennung, und man ist nicht genau
genug, weil es in der That nützlich ist, Schlüße und
Erfahrungen zu unterscheiden, und anzuzeigen, wie
man erstere aus den letztern folgert.

§. 556.

VIII. Hauptſtuͤck,
ganz finſter wird, iſt eine Erfahrung; daß aber
der Mond vor die Sonne trete, und dadurch dieſe
Verfinſterung verurſache, iſt ein Schluß, der aus
andern Erfahrungen hergeleitet wird. Man hat
ſolche Schluͤſſe von den Erfahrungen ſelbſten wohl zu
unterſcheiden, theils weil es eben nicht ſo ſelten iſt,
irrige Schluͤße zu machen, theils auch, weil die Erfah-
rungen ſelbſten uns ſtatt des Wahren nur den
Schein angeben. So z. E. ſieht ein Object in der
Entfernung klein aus, man kann aber nicht ſogleich
den Schluß daraus ziehen, daß es wirklich ſo klein
ſey. Man ſieht eine Sache in einem Spiegel, als
wenn ſie hinter demſelben waͤre. Es waͤre aber un-
gereimt, daraus zu ſchließen, daß ſie wirklich hinter
demſelben ſey. Da demnach bey Erfahrungen vorerſt
verſchiedene Fragen auszumachen ſind, ehe man
Schluͤße daraus zicht, ſo iſt klar, daß, wenn man die
Ordnung umkehrt, und dieſe Schluͤße zuerſt macht,
man ſich dabey leicht irren koͤnne. Noch aͤrger iſt es,
wenn man ſolche Schluͤße mit der Erfahrung ver-
mengt, und als empfunden ausgiebt, was man nur
geſchloſſen hatte. Dieſen Fehler nennt man den
Fehler des Erſchleichens, Vitium ſubreptionis, und
es gebraucht viele Behutſamkeit, ihn durchaus zu
vermeiden.

§. 555.

Jndeſſen muͤſſen wir doch anmerken, daß es nicht
immer an ſich ein Fehler iſt, weil der Schluß, den
man fuͤr eine Erfahrung ausgiebt, deſſen unerachtet
wahr ſeyn kann. Jſt dieſes, ſo fehlt man eigentlich
nur in der Benennung, und man iſt nicht genau
genug, weil es in der That nuͤtzlich iſt, Schluͤße und
Erfahrungen zu unterſcheiden, und anzuzeigen, wie
man erſtere aus den letztern folgert.

§. 556.
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[350/0372] VIII. Hauptſtuͤck, ganz finſter wird, iſt eine Erfahrung; daß aber der Mond vor die Sonne trete, und dadurch dieſe Verfinſterung verurſache, iſt ein Schluß, der aus andern Erfahrungen hergeleitet wird. Man hat ſolche Schluͤſſe von den Erfahrungen ſelbſten wohl zu unterſcheiden, theils weil es eben nicht ſo ſelten iſt, irrige Schluͤße zu machen, theils auch, weil die Erfah- rungen ſelbſten uns ſtatt des Wahren nur den Schein angeben. So z. E. ſieht ein Object in der Entfernung klein aus, man kann aber nicht ſogleich den Schluß daraus ziehen, daß es wirklich ſo klein ſey. Man ſieht eine Sache in einem Spiegel, als wenn ſie hinter demſelben waͤre. Es waͤre aber un- gereimt, daraus zu ſchließen, daß ſie wirklich hinter demſelben ſey. Da demnach bey Erfahrungen vorerſt verſchiedene Fragen auszumachen ſind, ehe man Schluͤße daraus zicht, ſo iſt klar, daß, wenn man die Ordnung umkehrt, und dieſe Schluͤße zuerſt macht, man ſich dabey leicht irren koͤnne. Noch aͤrger iſt es, wenn man ſolche Schluͤße mit der Erfahrung ver- mengt, und als empfunden ausgiebt, was man nur geſchloſſen hatte. Dieſen Fehler nennt man den Fehler des Erſchleichens, Vitium ſubreptionis, und es gebraucht viele Behutſamkeit, ihn durchaus zu vermeiden. §. 555. Jndeſſen muͤſſen wir doch anmerken, daß es nicht immer an ſich ein Fehler iſt, weil der Schluß, den man fuͤr eine Erfahrung ausgiebt, deſſen unerachtet wahr ſeyn kann. Jſt dieſes, ſo fehlt man eigentlich nur in der Benennung, und man iſt nicht genau genug, weil es in der That nuͤtzlich iſt, Schluͤße und Erfahrungen zu unterſcheiden, und anzuzeigen, wie man erſtere aus den letztern folgert. §. 556.

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 350. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/372>, abgerufen am 24.11.2024.