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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764.

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von der Erfahrung.
§. 556.

Es läßt sich öfters leicht beurtheilen, ob ein Vor-
geben eine Erfahrung ist oder nicht. Denn soll es
eine Erfahrung seyn, so muß sich die Sache empfin-
den
lassen, und zwar mit demjenigen Sinn, welchen
das Vorgeben angiebt. So z. E. wird wohl nie-
mand sagen, man habe einen Schall gesehen, weil der
Schall eigentlich das Object des Gehörs ist. Wenn
man sagt, man habe gesehen, wie unter der Luftpumpe
Luftbläschen aus dem Wasser steigen. Daß es Luft-
bläschen seyn, ist nur ein Schluß, und nicht eine un-
mittelbare Erfahrung. Auf diese Art empfinden wir
unzählige Wirkungen von Ursachen, die theils
unsichtbar, theils auch und vermuthlich aus Ermange-
lung mehrerer Sinnen, unempfindbar sind. Man
kann den Begriff des Aether zum Beyspiel nehmen,
den die Naturlehrer aus häufigen Gründen in
der Natur nothwendig glauben, und den man immer
deswegen, weil er sich nicht unmittelbar empfinden
läßt, wiederum in Zweifel zieht, und strengere Be-
weise fordert.

§. 557.

Zu den Erfahrungen gebraucht man entweder Vor-
bereitungen oder nicht. Jm letzten Fall läßt man die Sa-
chen wie sie an sich sind, und sie werden entweder schlecht-
hin nur empfunden, oder aber mit Aufmerksamkeit
beobachtet. Die bloße Empfindung dessen, was ohne
weiteres Zuthun in die Sinnen fällt, macht eine ge-
meine Erfahrung
aus, und durch solche gelangen
wir zu unfern meisten Begriffen von Kindheit auf. Und
wenn wir uns auf die gemeine Erfahrung berufen, so
sind es solche Sachen, die jedermann und fast noth-
wendig in die Sinne fallen, und auch, ohne es eben
zu wollen, das Bewußtseyn, daß man sie erfahre,

(§. 552.)
von der Erfahrung.
§. 556.

Es laͤßt ſich oͤfters leicht beurtheilen, ob ein Vor-
geben eine Erfahrung iſt oder nicht. Denn ſoll es
eine Erfahrung ſeyn, ſo muß ſich die Sache empfin-
den
laſſen, und zwar mit demjenigen Sinn, welchen
das Vorgeben angiebt. So z. E. wird wohl nie-
mand ſagen, man habe einen Schall geſehen, weil der
Schall eigentlich das Object des Gehoͤrs iſt. Wenn
man ſagt, man habe geſehen, wie unter der Luftpumpe
Luftblaͤschen aus dem Waſſer ſteigen. Daß es Luft-
blaͤschen ſeyn, iſt nur ein Schluß, und nicht eine un-
mittelbare Erfahrung. Auf dieſe Art empfinden wir
unzaͤhlige Wirkungen von Urſachen, die theils
unſichtbar, theils auch und vermuthlich aus Ermange-
lung mehrerer Sinnen, unempfindbar ſind. Man
kann den Begriff des Aether zum Beyſpiel nehmen,
den die Naturlehrer aus haͤufigen Gruͤnden in
der Natur nothwendig glauben, und den man immer
deswegen, weil er ſich nicht unmittelbar empfinden
laͤßt, wiederum in Zweifel zieht, und ſtrengere Be-
weiſe fordert.

§. 557.

Zu den Erfahrungen gebraucht man entweder Vor-
bereitungen oder nicht. Jm letzten Fall laͤßt man die Sa-
chen wie ſie an ſich ſind, und ſie werden entweder ſchlecht-
hin nur empfunden, oder aber mit Aufmerkſamkeit
beobachtet. Die bloße Empfindung deſſen, was ohne
weiteres Zuthun in die Sinnen faͤllt, macht eine ge-
meine Erfahrung
aus, und durch ſolche gelangen
wir zu unfern meiſten Begriffen von Kindheit auf. Und
wenn wir uns auf die gemeine Erfahrung berufen, ſo
ſind es ſolche Sachen, die jedermann und faſt noth-
wendig in die Sinne fallen, und auch, ohne es eben
zu wollen, das Bewußtſeyn, daß man ſie erfahre,

(§. 552.)
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[351/0373] von der Erfahrung. §. 556. Es laͤßt ſich oͤfters leicht beurtheilen, ob ein Vor- geben eine Erfahrung iſt oder nicht. Denn ſoll es eine Erfahrung ſeyn, ſo muß ſich die Sache empfin- den laſſen, und zwar mit demjenigen Sinn, welchen das Vorgeben angiebt. So z. E. wird wohl nie- mand ſagen, man habe einen Schall geſehen, weil der Schall eigentlich das Object des Gehoͤrs iſt. Wenn man ſagt, man habe geſehen, wie unter der Luftpumpe Luftblaͤschen aus dem Waſſer ſteigen. Daß es Luft- blaͤschen ſeyn, iſt nur ein Schluß, und nicht eine un- mittelbare Erfahrung. Auf dieſe Art empfinden wir unzaͤhlige Wirkungen von Urſachen, die theils unſichtbar, theils auch und vermuthlich aus Ermange- lung mehrerer Sinnen, unempfindbar ſind. Man kann den Begriff des Aether zum Beyſpiel nehmen, den die Naturlehrer aus haͤufigen Gruͤnden in der Natur nothwendig glauben, und den man immer deswegen, weil er ſich nicht unmittelbar empfinden laͤßt, wiederum in Zweifel zieht, und ſtrengere Be- weiſe fordert. §. 557. Zu den Erfahrungen gebraucht man entweder Vor- bereitungen oder nicht. Jm letzten Fall laͤßt man die Sa- chen wie ſie an ſich ſind, und ſie werden entweder ſchlecht- hin nur empfunden, oder aber mit Aufmerkſamkeit beobachtet. Die bloße Empfindung deſſen, was ohne weiteres Zuthun in die Sinnen faͤllt, macht eine ge- meine Erfahrung aus, und durch ſolche gelangen wir zu unfern meiſten Begriffen von Kindheit auf. Und wenn wir uns auf die gemeine Erfahrung berufen, ſo ſind es ſolche Sachen, die jedermann und faſt noth- wendig in die Sinne fallen, und auch, ohne es eben zu wollen, das Bewußtſeyn, daß man ſie erfahre, (§. 552.)

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 351. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/373>, abgerufen am 24.11.2024.