von denen Fällen weis, welche zeigen, daß der Be- griff einen weitern Umfang hat. Es ist mir ein Bey- spiel bekannt, da sich jemand verwunderte, als er hörte, daß es Kaufleute giebt, die keine Läden haben. Er sah die Krambuden für ein wesentliches Stück eines Kaufmanns an, weil ihm bis dahin kein ander Beyspiel bekannt war.
§. 29.
Die schwerste Frage bey der Auswahl solcher Bey- spiele und einzelnen Fälle ist, woran man erkennen kön- ne, daß sie unter den Begriff der Gattung gehören, den man deutlich machen will? Der Umfang dieses Begriffes beruht auf der Aehnlichkeit der Arten, und überhaupt auf der Aehnlichkeit aller Fälle, die er unter sich begreift. Nimmt man den Begriff an, so wie man ihn allmählich erlangt hat, so stellt man sich seine Merkmaale nur noch confus vor, und zwar noch keine andren, als diejenigen, so man in denen Fällen gefunden, die vorgekommen sind. Finden sich unter diesen solche, die ganz nichts gemeinsames haben, als was unter den Begriff der Gattung gehört, so wird man aus diesen allerdings den wahren Umfang des Begriffes finden. Allein hievon ist man nicht versi- chert, weil man noch nicht alle Fälle vor sich gehabt hat. Man kann eben so auch nicht immer bey diesen anfangen, weil eben die Versicherung, ob man alle Fälle werde vorzählen können, dabey fehlen kann. Das erst vorhin gegebene Beyspiel von dem Begriff eines Kaufmanns mag auch hier zur Erläuterung die- nen, oder man sehe nur nach, ob nicht die neulich entdeckten Polypen den Begriff eines Thiers über- haupt in vielen Stücken erweitert haben? Und wie lange gieng es, bis man den Mond und die Sonne aus der Zahl der Planeten ausschloße, und diese zum
Fir-
I. Hauptſtuͤck,
von denen Faͤllen weis, welche zeigen, daß der Be- griff einen weitern Umfang hat. Es iſt mir ein Bey- ſpiel bekannt, da ſich jemand verwunderte, als er hoͤrte, daß es Kaufleute giebt, die keine Laͤden haben. Er ſah die Krambuden fuͤr ein weſentliches Stuͤck eines Kaufmanns an, weil ihm bis dahin kein ander Beyſpiel bekannt war.
§. 29.
Die ſchwerſte Frage bey der Auswahl ſolcher Bey- ſpiele und einzelnen Faͤlle iſt, woran man erkennen koͤn- ne, daß ſie unter den Begriff der Gattung gehoͤren, den man deutlich machen will? Der Umfang dieſes Begriffes beruht auf der Aehnlichkeit der Arten, und uͤberhaupt auf der Aehnlichkeit aller Faͤlle, die er unter ſich begreift. Nimmt man den Begriff an, ſo wie man ihn allmaͤhlich erlangt hat, ſo ſtellt man ſich ſeine Merkmaale nur noch confus vor, und zwar noch keine andren, als diejenigen, ſo man in denen Faͤllen gefunden, die vorgekommen ſind. Finden ſich unter dieſen ſolche, die ganz nichts gemeinſames haben, als was unter den Begriff der Gattung gehoͤrt, ſo wird man aus dieſen allerdings den wahren Umfang des Begriffes finden. Allein hievon iſt man nicht verſi- chert, weil man noch nicht alle Faͤlle vor ſich gehabt hat. Man kann eben ſo auch nicht immer bey dieſen anfangen, weil eben die Verſicherung, ob man alle Faͤlle werde vorzaͤhlen koͤnnen, dabey fehlen kann. Das erſt vorhin gegebene Beyſpiel von dem Begriff eines Kaufmanns mag auch hier zur Erlaͤuterung die- nen, oder man ſehe nur nach, ob nicht die neulich entdeckten Polypen den Begriff eines Thiers uͤber- haupt in vielen Stuͤcken erweitert haben? Und wie lange gieng es, bis man den Mond und die Sonne aus der Zahl der Planeten ausſchloße, und dieſe zum
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I. Hauptſtuͤck,
von denen Faͤllen weis, welche zeigen, daß der Be-
griff einen weitern Umfang hat. Es iſt mir ein Bey-
ſpiel bekannt, da ſich jemand verwunderte, als er
hoͤrte, daß es Kaufleute giebt, die keine Laͤden haben.
Er ſah die Krambuden fuͤr ein weſentliches Stuͤck
eines Kaufmanns an, weil ihm bis dahin kein ander
Beyſpiel bekannt war.
§. 29.
Die ſchwerſte Frage bey der Auswahl ſolcher Bey-
ſpiele und einzelnen Faͤlle iſt, woran man erkennen koͤn-
ne, daß ſie unter den Begriff der Gattung gehoͤren,
den man deutlich machen will? Der Umfang dieſes
Begriffes beruht auf der Aehnlichkeit der Arten, und
uͤberhaupt auf der Aehnlichkeit aller Faͤlle, die er
unter ſich begreift. Nimmt man den Begriff an, ſo
wie man ihn allmaͤhlich erlangt hat, ſo ſtellt man ſich
ſeine Merkmaale nur noch confus vor, und zwar noch
keine andren, als diejenigen, ſo man in denen Faͤllen
gefunden, die vorgekommen ſind. Finden ſich unter
dieſen ſolche, die ganz nichts gemeinſames haben, als
was unter den Begriff der Gattung gehoͤrt, ſo wird
man aus dieſen allerdings den wahren Umfang des
Begriffes finden. Allein hievon iſt man nicht verſi-
chert, weil man noch nicht alle Faͤlle vor ſich gehabt
hat. Man kann eben ſo auch nicht immer bey dieſen
anfangen, weil eben die Verſicherung, ob man alle
Faͤlle werde vorzaͤhlen koͤnnen, dabey fehlen kann.
Das erſt vorhin gegebene Beyſpiel von dem Begriff
eines Kaufmanns mag auch hier zur Erlaͤuterung die-
nen, oder man ſehe nur nach, ob nicht die neulich
entdeckten Polypen den Begriff eines Thiers uͤber-
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lange gieng es, bis man den Mond und die Sonne
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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/40>, abgerufen am 23.11.2024.
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