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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764.

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II. Hauptst. von den Grundsätzen u. Forder.
an demselben solid ist, betrachten müsse. So
fern nämlich das Solide in dem Körper, durch wel-
che Kräfte es auch seyn mag, zusammenhängt, sofern
reißt ein Theil desselben, der in Bewegung gesetzt
wird, die übrigen Theile mit, und die Geschwindig-
keit theilt sich durch den ganzen Körper aus, und
wird demnach in Verhältniß der Masse vermindert.
Hängen aber die Theile nicht so veste zusammen, so
wird auch der in Bewegung gesetzte Theil nicht den
ganzen Körper mit sich fortreißen, sondern die nächst
anliegenden mehr als die entferntern. Dadurch ent-
steht eine Aenderung der Figur. Und die Kraft, die
auf diese Aenderung verwendet wird, geht in Absicht
auf den ganzen Körper gleichsam verlohren. Hängen
aber die Theile des Körpers so zusammen, daß durch
die Kräfte, die seine Theile zusammenhängen, die
geänderte Figur wieder hergestellt wird, so wird auch
die Kraft, so auf die Aenderung der Figur verwen-
det worden, wieder hergestellt, nur daß der Körper
dadurch zurück wirket. Der Unterschied der flüßigen,
weichen, harten, elastischen Körper, die wir in der
Natur finden, und deren unzählige Stufen man sich
gar wohl vorstellen kann, macht diese Anmerkung
nothwendig. Man wird auch dadurch, daß eine
Flintenkugel, so man gegen eine offenstehende Thür
schießt, dieselbe eher durchbohrt als zuschlägt, finden,
daß man sich nicht so vest die Bewegung ganzer Kör-
per, als aber die Bewegung ihrer einzelnen soliden
Theile und deren Cohäsionskräfte vorzustellen hat,
und daß in dieser Absicht bald jede Körper mehr
oder minder als flüßig und weich müssen betrachtet
werden, sofern nämlich die Cohäsionskräfte in seine
Bewegung einen Einfluß haben.

§. 100.

II. Hauptſt. von den Grundſaͤtzen u. Forder.
an demſelben ſolid iſt, betrachten muͤſſe. So
fern naͤmlich das Solide in dem Koͤrper, durch wel-
che Kraͤfte es auch ſeyn mag, zuſammenhaͤngt, ſofern
reißt ein Theil deſſelben, der in Bewegung geſetzt
wird, die uͤbrigen Theile mit, und die Geſchwindig-
keit theilt ſich durch den ganzen Koͤrper aus, und
wird demnach in Verhaͤltniß der Maſſe vermindert.
Haͤngen aber die Theile nicht ſo veſte zuſammen, ſo
wird auch der in Bewegung geſetzte Theil nicht den
ganzen Koͤrper mit ſich fortreißen, ſondern die naͤchſt
anliegenden mehr als die entferntern. Dadurch ent-
ſteht eine Aenderung der Figur. Und die Kraft, die
auf dieſe Aenderung verwendet wird, geht in Abſicht
auf den ganzen Koͤrper gleichſam verlohren. Haͤngen
aber die Theile des Koͤrpers ſo zuſammen, daß durch
die Kraͤfte, die ſeine Theile zuſammenhaͤngen, die
geaͤnderte Figur wieder hergeſtellt wird, ſo wird auch
die Kraft, ſo auf die Aenderung der Figur verwen-
det worden, wieder hergeſtellt, nur daß der Koͤrper
dadurch zuruͤck wirket. Der Unterſchied der fluͤßigen,
weichen, harten, elaſtiſchen Koͤrper, die wir in der
Natur finden, und deren unzaͤhlige Stufen man ſich
gar wohl vorſtellen kann, macht dieſe Anmerkung
nothwendig. Man wird auch dadurch, daß eine
Flintenkugel, ſo man gegen eine offenſtehende Thuͤr
ſchießt, dieſelbe eher durchbohrt als zuſchlaͤgt, finden,
daß man ſich nicht ſo veſt die Bewegung ganzer Koͤr-
per, als aber die Bewegung ihrer einzelnen ſoliden
Theile und deren Cohaͤſionskraͤfte vorzuſtellen hat,
und daß in dieſer Abſicht bald jede Koͤrper mehr
oder minder als fluͤßig und weich muͤſſen betrachtet
werden, ſofern naͤmlich die Cohaͤſionskraͤfte in ſeine
Bewegung einen Einfluß haben.

§. 100.
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[508/0530] II. Hauptſt. von den Grundſaͤtzen u. Forder. an demſelben ſolid iſt, betrachten muͤſſe. So fern naͤmlich das Solide in dem Koͤrper, durch wel- che Kraͤfte es auch ſeyn mag, zuſammenhaͤngt, ſofern reißt ein Theil deſſelben, der in Bewegung geſetzt wird, die uͤbrigen Theile mit, und die Geſchwindig- keit theilt ſich durch den ganzen Koͤrper aus, und wird demnach in Verhaͤltniß der Maſſe vermindert. Haͤngen aber die Theile nicht ſo veſte zuſammen, ſo wird auch der in Bewegung geſetzte Theil nicht den ganzen Koͤrper mit ſich fortreißen, ſondern die naͤchſt anliegenden mehr als die entferntern. Dadurch ent- ſteht eine Aenderung der Figur. Und die Kraft, die auf dieſe Aenderung verwendet wird, geht in Abſicht auf den ganzen Koͤrper gleichſam verlohren. Haͤngen aber die Theile des Koͤrpers ſo zuſammen, daß durch die Kraͤfte, die ſeine Theile zuſammenhaͤngen, die geaͤnderte Figur wieder hergeſtellt wird, ſo wird auch die Kraft, ſo auf die Aenderung der Figur verwen- det worden, wieder hergeſtellt, nur daß der Koͤrper dadurch zuruͤck wirket. Der Unterſchied der fluͤßigen, weichen, harten, elaſtiſchen Koͤrper, die wir in der Natur finden, und deren unzaͤhlige Stufen man ſich gar wohl vorſtellen kann, macht dieſe Anmerkung nothwendig. Man wird auch dadurch, daß eine Flintenkugel, ſo man gegen eine offenſtehende Thuͤr ſchießt, dieſelbe eher durchbohrt als zuſchlaͤgt, finden, daß man ſich nicht ſo veſt die Bewegung ganzer Koͤr- per, als aber die Bewegung ihrer einzelnen ſoliden Theile und deren Cohaͤſionskraͤfte vorzuſtellen hat, und daß in dieſer Abſicht bald jede Koͤrper mehr oder minder als fluͤßig und weich muͤſſen betrachtet werden, ſofern naͤmlich die Cohaͤſionskraͤfte in ſeine Bewegung einen Einfluß haben. §. 100.

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 508. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/530>, abgerufen am 22.11.2024.