net werden, theils ohne Beweis oder dahin gestellt bleiben, (§. 260.) je allgemeiner sie sind, oder je häu- figer sie als Obersätze vorkommen.
§. 269.
Uebrigens müssen wir hiebey allerdings den Un- terschied machen, ob man einen Gegner vor sich hat oder nicht, weil ein Gegner die Auswahl behält, ob er in den erst angegebenen Schlüssen den Untersatz, oder die durch den falschen Schlußsatz umgestoßene Wahr- heit läugnen, oder ob er durch solche apogogische Be- weise von seinem Läugnen abstehen will, nachdem man sie ihm vorzeigt. Diese dreyfache Auswahl macht, daß man ihm nicht jede Folgen, die sich aus dem Läug- nen des Satzes ziehen lassen, schlechthin aufbürden oder zur Last legen kann, weil es gar wohl möglich ist, daß er weder alle weis, noch auf dem Läugnen beharret, wenn er sie anfängt einzusehen.
§. 270.
Die Wahrheiten hängen nicht so zusammen, daß, wenn man eine läugnet, dadurch alle übrigen zugleich mit geläugnet werden müßten. Man läugne eine Wahrheit A. Soll man nun zei- gen können, daß dadurch jede Wahrheit B zugleich auch geläugnet werde, so muß man zu diesem Beweise andre Wahrheiten C gebrauchen, welche angeben, daß B nothwendig von A abhänge, und zugleich mit A gesetzt und gehoben werde. Nun geht dieser Schluß nicht an, wenn man nicht C als wahr gelten läßt. Demnach muß man bey dem Läugnen einer Wahrheit andre Wahrheiten gelten lassen, wenn man zeigen will, daß dieses Läugnen das Läugnen einer andern Wahrheit nach sich ziehe. Will man aber C auch läugnen, so läugnet man nicht eine Wahrheit, sondern zwo, und der Schluß, den man für das Läugnen der Wahrheit B machen wollte, wird dadurch ent-
kräftet,
IV. Hauptſtuͤck, von dem Unterſchiede
net werden, theils ohne Beweis oder dahin geſtellt bleiben, (§. 260.) je allgemeiner ſie ſind, oder je haͤu- figer ſie als Oberſaͤtze vorkommen.
§. 269.
Uebrigens muͤſſen wir hiebey allerdings den Un- terſchied machen, ob man einen Gegner vor ſich hat oder nicht, weil ein Gegner die Auswahl behaͤlt, ob er in den erſt angegebenen Schluͤſſen den Unterſatz, oder die durch den falſchen Schlußſatz umgeſtoßene Wahr- heit laͤugnen, oder ob er durch ſolche apogogiſche Be- weiſe von ſeinem Laͤugnen abſtehen will, nachdem man ſie ihm vorzeigt. Dieſe dreyfache Auswahl macht, daß man ihm nicht jede Folgen, die ſich aus dem Laͤug- nen des Satzes ziehen laſſen, ſchlechthin aufbuͤrden oder zur Laſt legen kann, weil es gar wohl moͤglich iſt, daß er weder alle weis, noch auf dem Laͤugnen beharret, wenn er ſie anfaͤngt einzuſehen.
§. 270.
Die Wahrheiten haͤngen nicht ſo zuſammen, daß, wenn man eine laͤugnet, dadurch alle uͤbrigen zugleich mit gelaͤugnet werden muͤßten. Man laͤugne eine Wahrheit A. Soll man nun zei- gen koͤnnen, daß dadurch jede Wahrheit B zugleich auch gelaͤugnet werde, ſo muß man zu dieſem Beweiſe andre Wahrheiten C gebrauchen, welche angeben, daß B nothwendig von A abhaͤnge, und zugleich mit A geſetzt und gehoben werde. Nun geht dieſer Schluß nicht an, wenn man nicht C als wahr gelten laͤßt. Demnach muß man bey dem Laͤugnen einer Wahrheit andre Wahrheiten gelten laſſen, wenn man zeigen will, daß dieſes Laͤugnen das Laͤugnen einer andern Wahrheit nach ſich ziehe. Will man aber C auch laͤugnen, ſo laͤugnet man nicht eine Wahrheit, ſondern zwo, und der Schluß, den man fuͤr das Laͤugnen der Wahrheit B machen wollte, wird dadurch ent-
kraͤftet,
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[590/0612]
IV. Hauptſtuͤck, von dem Unterſchiede
net werden, theils ohne Beweis oder dahin geſtellt
bleiben, (§. 260.) je allgemeiner ſie ſind, oder je haͤu-
figer ſie als Oberſaͤtze vorkommen.
§. 269.
Uebrigens muͤſſen wir hiebey allerdings den Un-
terſchied machen, ob man einen Gegner vor ſich hat
oder nicht, weil ein Gegner die Auswahl behaͤlt, ob
er in den erſt angegebenen Schluͤſſen den Unterſatz, oder
die durch den falſchen Schlußſatz umgeſtoßene Wahr-
heit laͤugnen, oder ob er durch ſolche apogogiſche Be-
weiſe von ſeinem Laͤugnen abſtehen will, nachdem man
ſie ihm vorzeigt. Dieſe dreyfache Auswahl macht,
daß man ihm nicht jede Folgen, die ſich aus dem Laͤug-
nen des Satzes ziehen laſſen, ſchlechthin aufbuͤrden
oder zur Laſt legen kann, weil es gar wohl moͤglich
iſt, daß er weder alle weis, noch auf dem Laͤugnen
beharret, wenn er ſie anfaͤngt einzuſehen.
§. 270.
Die Wahrheiten haͤngen nicht ſo zuſammen,
daß, wenn man eine laͤugnet, dadurch alle
uͤbrigen zugleich mit gelaͤugnet werden muͤßten.
Man laͤugne eine Wahrheit A. Soll man nun zei-
gen koͤnnen, daß dadurch jede Wahrheit B zugleich
auch gelaͤugnet werde, ſo muß man zu dieſem Beweiſe
andre Wahrheiten C gebrauchen, welche angeben, daß
B nothwendig von A abhaͤnge, und zugleich mit A
geſetzt und gehoben werde. Nun geht dieſer Schluß
nicht an, wenn man nicht C als wahr gelten laͤßt.
Demnach muß man bey dem Laͤugnen einer Wahrheit
andre Wahrheiten gelten laſſen, wenn man zeigen
will, daß dieſes Laͤugnen das Laͤugnen einer andern
Wahrheit nach ſich ziehe. Will man aber C auch
laͤugnen, ſo laͤugnet man nicht eine Wahrheit, ſondern
zwo, und der Schluß, den man fuͤr das Laͤugnen
der Wahrheit B machen wollte, wird dadurch ent-
kraͤftet,
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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 590. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/612>, abgerufen am 23.11.2024.
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