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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764.

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Von den Zeitwörtern.
nen eigenen Nachdruck. Einige davon sind angenom-
mene Amtsnamen und Titel, und in so ferne bedeuten
sie nicht mehr. Hingegen werden sie bedeutender, wo
sie in ihrem eigentlichen Verstande vorkommen, z. E.
die Vernunft ist eine Richterin in Zweifeln, eine
Führerin auf den Wegen der Wahrheit etc. Es ist
nicht zu zweifeln, daß die Endungen, ig, isch, z. E. in
den Wörtern: stutzig, gläubig, eiferig, etc. nei-
disch, zänkisch, kriegerisch, etc.
noch ungleich meh-
rern, wo nicht allen Zeitwörtern angehängt werden könn-
ten. Sie scheinen aber mehr als den bloßen Begriff
des Thuns und Lassens zu enthalten, und würden da-
her den Begriff eines Mittelworts allgemeiner machen,
als es nöthig zu seyn scheint. Es gehört aber diese
Untersuchung in die schon öfters erwähnte Theorie der
deutschen Sprache. Daher ist es genug, sie hier be-
rührt zu haben.

§. 171. Die Zeitwörter sind bey dem Anfang der
Sprachen, so wie jede andere Redetheile, von sinnlichen
Dingen hergenommen worden, und haben sich nach
Aehnlichkeit des Eindruckes der Vorstellungen, nach
und nach auch auf Dinge der Jntellectualwelt erstreckt,
indem man sie metaphorisch gemacht hat. Damit
geht es nun in den lebenden Sprachen immer weiter.
Denn eine Metapher hört gleichsam auf, eine Meta-
pher zu seyn, so bald man sich von Jugend auf daran
gewöhnt. So glaubt man z. E. in der Vernunftleh-
re, Metaphysik, Moral etc. jede Wörter nach ihrem ei-
gentlichen Verstande zu definiren; es ist aber nur nach
dem Verstande, den sie in jeder dieser Wissenschaften
haben, wo sie fast alle schon metaphorisch sind, wenn
man auf ihre ursprüngliche und buchstäbliche Bedeu-
tung zurücke sieht. Es geschieht selten, daß man in ei-
ner Sprache ganz neue Wurzelwörter einführt. Da
man aber zu ganz neuen Sachen Wörter gebraucht, so

nimmt
G 2

Von den Zeitwoͤrtern.
nen eigenen Nachdruck. Einige davon ſind angenom-
mene Amtsnamen und Titel, und in ſo ferne bedeuten
ſie nicht mehr. Hingegen werden ſie bedeutender, wo
ſie in ihrem eigentlichen Verſtande vorkommen, z. E.
die Vernunft iſt eine Richterin in Zweifeln, eine
Fuͤhrerin auf den Wegen der Wahrheit ꝛc. Es iſt
nicht zu zweifeln, daß die Endungen, ig, iſch, z. E. in
den Woͤrtern: ſtutzig, glaͤubig, eiferig, ꝛc. nei-
diſch, zaͤnkiſch, kriegeriſch, ꝛc.
noch ungleich meh-
rern, wo nicht allen Zeitwoͤrtern angehaͤngt werden koͤnn-
ten. Sie ſcheinen aber mehr als den bloßen Begriff
des Thuns und Laſſens zu enthalten, und wuͤrden da-
her den Begriff eines Mittelworts allgemeiner machen,
als es noͤthig zu ſeyn ſcheint. Es gehoͤrt aber dieſe
Unterſuchung in die ſchon oͤfters erwaͤhnte Theorie der
deutſchen Sprache. Daher iſt es genug, ſie hier be-
ruͤhrt zu haben.

§. 171. Die Zeitwoͤrter ſind bey dem Anfang der
Sprachen, ſo wie jede andere Redetheile, von ſinnlichen
Dingen hergenommen worden, und haben ſich nach
Aehnlichkeit des Eindruckes der Vorſtellungen, nach
und nach auch auf Dinge der Jntellectualwelt erſtreckt,
indem man ſie metaphoriſch gemacht hat. Damit
geht es nun in den lebenden Sprachen immer weiter.
Denn eine Metapher hoͤrt gleichſam auf, eine Meta-
pher zu ſeyn, ſo bald man ſich von Jugend auf daran
gewoͤhnt. So glaubt man z. E. in der Vernunftleh-
re, Metaphyſik, Moral ꝛc. jede Woͤrter nach ihrem ei-
gentlichen Verſtande zu definiren; es iſt aber nur nach
dem Verſtande, den ſie in jeder dieſer Wiſſenſchaften
haben, wo ſie faſt alle ſchon metaphoriſch ſind, wenn
man auf ihre urſpruͤngliche und buchſtaͤbliche Bedeu-
tung zuruͤcke ſieht. Es geſchieht ſelten, daß man in ei-
ner Sprache ganz neue Wurzelwoͤrter einfuͤhrt. Da
man aber zu ganz neuen Sachen Woͤrter gebraucht, ſo

nimmt
G 2
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[99/0105] Von den Zeitwoͤrtern. nen eigenen Nachdruck. Einige davon ſind angenom- mene Amtsnamen und Titel, und in ſo ferne bedeuten ſie nicht mehr. Hingegen werden ſie bedeutender, wo ſie in ihrem eigentlichen Verſtande vorkommen, z. E. die Vernunft iſt eine Richterin in Zweifeln, eine Fuͤhrerin auf den Wegen der Wahrheit ꝛc. Es iſt nicht zu zweifeln, daß die Endungen, ig, iſch, z. E. in den Woͤrtern: ſtutzig, glaͤubig, eiferig, ꝛc. nei- diſch, zaͤnkiſch, kriegeriſch, ꝛc. noch ungleich meh- rern, wo nicht allen Zeitwoͤrtern angehaͤngt werden koͤnn- ten. Sie ſcheinen aber mehr als den bloßen Begriff des Thuns und Laſſens zu enthalten, und wuͤrden da- her den Begriff eines Mittelworts allgemeiner machen, als es noͤthig zu ſeyn ſcheint. Es gehoͤrt aber dieſe Unterſuchung in die ſchon oͤfters erwaͤhnte Theorie der deutſchen Sprache. Daher iſt es genug, ſie hier be- ruͤhrt zu haben. §. 171. Die Zeitwoͤrter ſind bey dem Anfang der Sprachen, ſo wie jede andere Redetheile, von ſinnlichen Dingen hergenommen worden, und haben ſich nach Aehnlichkeit des Eindruckes der Vorſtellungen, nach und nach auch auf Dinge der Jntellectualwelt erſtreckt, indem man ſie metaphoriſch gemacht hat. Damit geht es nun in den lebenden Sprachen immer weiter. Denn eine Metapher hoͤrt gleichſam auf, eine Meta- pher zu ſeyn, ſo bald man ſich von Jugend auf daran gewoͤhnt. So glaubt man z. E. in der Vernunftleh- re, Metaphyſik, Moral ꝛc. jede Woͤrter nach ihrem ei- gentlichen Verſtande zu definiren; es iſt aber nur nach dem Verſtande, den ſie in jeder dieſer Wiſſenſchaften haben, wo ſie faſt alle ſchon metaphoriſch ſind, wenn man auf ihre urſpruͤngliche und buchſtaͤbliche Bedeu- tung zuruͤcke ſieht. Es geſchieht ſelten, daß man in ei- ner Sprache ganz neue Wurzelwoͤrter einfuͤhrt. Da man aber zu ganz neuen Sachen Woͤrter gebraucht, ſo nimmt G 2

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/105>, abgerufen am 21.11.2024.