Semiotik. Erstes Hauptstück. Von der symbolischen Erkenntniß überhaupt.
§. 1.
Die genauere Betrachtung der Wörter und überhaupt jeder Zeichen, wodurch wir Begriffe und Sachen vorstellen, macht sich einem Weltweisen, der das Wahre vom Falschen zu trennen sucht, aus vielen Gründen nothwendig, und kann daher auch aus der Grundwissenschaft nicht weg- bleiben. Jede Sprache beut uns eine gewisse Anzahl Wörter an, mit deren mannichfaltigen Verbindung wir uns lebenslang beschäfftigen, theils um unsere Gedan- ken auszudrücken, theils um durch neue Verbindungen oder Combinationen der Wörter neue Wahrheiten zu suchen. Diese ziemlich bestimmte Anzahl der Wörter einer Sprache setzet unserer Erkenntniß, in Absicht auf ihre Ausdehnung, gewissermaßen Schranken, und giebt derselben eine ihr eigene Form oder Gestalt, welche al- lerdings in die Wahrheit selbst einen Einfluß hat, und in allewege die Untersuchung eines Weltweisen ver-
dienet.
A 3
Semiotik. Erſtes Hauptſtuͤck. Von der ſymboliſchen Erkenntniß uͤberhaupt.
§. 1.
Die genauere Betrachtung der Woͤrter und uͤberhaupt jeder Zeichen, wodurch wir Begriffe und Sachen vorſtellen, macht ſich einem Weltweiſen, der das Wahre vom Falſchen zu trennen ſucht, aus vielen Gruͤnden nothwendig, und kann daher auch aus der Grundwiſſenſchaft nicht weg- bleiben. Jede Sprache beut uns eine gewiſſe Anzahl Woͤrter an, mit deren mannichfaltigen Verbindung wir uns lebenslang beſchaͤfftigen, theils um unſere Gedan- ken auszudruͤcken, theils um durch neue Verbindungen oder Combinationen der Woͤrter neue Wahrheiten zu ſuchen. Dieſe ziemlich beſtimmte Anzahl der Woͤrter einer Sprache ſetzet unſerer Erkenntniß, in Abſicht auf ihre Ausdehnung, gewiſſermaßen Schranken, und giebt derſelben eine ihr eigene Form oder Geſtalt, welche al- lerdings in die Wahrheit ſelbſt einen Einfluß hat, und in allewege die Unterſuchung eines Weltweiſen ver-
dienet.
A 3
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0011"n="[5]"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><divn="2"><head><hirendition="#b"><hirendition="#g">Semiotik</hi>.<lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
Erſtes Hauptſtuͤck.</hi><lb/>
Von der<lb/><hirendition="#b">ſymboliſchen Erkenntniß uͤberhaupt.</hi></head><lb/><p><hirendition="#c">§. 1.</hi></p><lb/><p><hirendition="#in">D</hi>ie genauere Betrachtung der Woͤrter und<lb/>
uͤberhaupt jeder Zeichen, wodurch wir<lb/>
Begriffe und Sachen vorſtellen, macht<lb/>ſich einem Weltweiſen, der das Wahre vom Falſchen zu<lb/>
trennen ſucht, aus vielen Gruͤnden nothwendig, und<lb/>
kann daher auch aus der Grundwiſſenſchaft nicht weg-<lb/>
bleiben. Jede Sprache beut uns eine gewiſſe Anzahl<lb/>
Woͤrter an, mit deren mannichfaltigen Verbindung wir<lb/>
uns lebenslang beſchaͤfftigen, theils um unſere Gedan-<lb/>
ken auszudruͤcken, theils um durch neue Verbindungen<lb/>
oder Combinationen der Woͤrter neue Wahrheiten zu<lb/>ſuchen. Dieſe ziemlich beſtimmte Anzahl der Woͤrter<lb/>
einer Sprache ſetzet unſerer Erkenntniß, in Abſicht auf<lb/>
ihre Ausdehnung, gewiſſermaßen Schranken, und giebt<lb/>
derſelben eine ihr eigene Form oder Geſtalt, welche al-<lb/>
lerdings in die Wahrheit ſelbſt einen Einfluß hat, und<lb/>
in allewege die Unterſuchung eines Weltweiſen ver-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">A 3</fw><fwplace="bottom"type="catch">dienet.</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[[5]/0011]
Semiotik.
Erſtes Hauptſtuͤck.
Von der
ſymboliſchen Erkenntniß uͤberhaupt.
§. 1.
Die genauere Betrachtung der Woͤrter und
uͤberhaupt jeder Zeichen, wodurch wir
Begriffe und Sachen vorſtellen, macht
ſich einem Weltweiſen, der das Wahre vom Falſchen zu
trennen ſucht, aus vielen Gruͤnden nothwendig, und
kann daher auch aus der Grundwiſſenſchaft nicht weg-
bleiben. Jede Sprache beut uns eine gewiſſe Anzahl
Woͤrter an, mit deren mannichfaltigen Verbindung wir
uns lebenslang beſchaͤfftigen, theils um unſere Gedan-
ken auszudruͤcken, theils um durch neue Verbindungen
oder Combinationen der Woͤrter neue Wahrheiten zu
ſuchen. Dieſe ziemlich beſtimmte Anzahl der Woͤrter
einer Sprache ſetzet unſerer Erkenntniß, in Abſicht auf
ihre Ausdehnung, gewiſſermaßen Schranken, und giebt
derſelben eine ihr eigene Form oder Geſtalt, welche al-
lerdings in die Wahrheit ſelbſt einen Einfluß hat, und
in allewege die Unterſuchung eines Weltweiſen ver-
dienet.
A 3
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764, S. [5]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/11>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.