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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764.

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V. Hauptstück.
Endung von der vierten durchaus nicht. Es ist dem-
nach weder das Metaphysische noch das Charakteristi-
sche in den Fallendungen der Nennwörter genau ge-
troffen, und öfters gehen verschiedene Sprachen bey ei-
nerley Redensarten von einander ab, daß sie ganz ande-
re Endungen erfordern. Dieses macht, daß man bey
jeder Sprache besonders erlernen muß, was ihre Zeit-
wörter und Vorwörter für Endungen erfordern.

§. 181. Judessen hat die zweyte Fallendung oder
Genitiuus das besonders, daß er von einem andern
Hauptwort regiert oder erfordert wird, und diese Con-
struction zeigt verschiedene Arten von Verhältnissen
an, deren Anzahl und Beschaffenheit sich nicht leicht be-
stimmen läßt. Man sieht den Unterschied besonders
in denen Fällen, wo sich die Construction umkehren
läßt. So sind z. E. das Land des Königs und
der König des Landes, imgleichen die Lehre der
Vollkommenheit
und die Vollkommenheit der
Lehre,
ganz verschiedene Dinge, ungeacht nichts als
die Ordnung der Construction in den Worten verschie-
den ist. Zuweilen, und besonders im Hebräischen, wird
das Wort, welches im Genitiuo ist, statt eines Bey-
worts gebraucht, und auch in andern Sprachen geschieht
es öfters mit einem gewissen Nachdruck, z. E. im Phae-
dro
mit Aenderung beyder Wörter,

Gulaeque credens colli longitudinem,

an statt collum longum, welches minder nachdrücklich
gewesen wäre. Es ist aber bey solchen Verwechslun-
gen immer etwas Metaphorisches, und jeder Ausdruck
seinem eigentlichen Sinn nach von den übrigen verschie-
den. Z. E. Man kann sagen: das Maaß der Län-
ge, das Längenmaaß, die Länge des Maaßes,
das lange Maaß etc.,
aber jeder dieser Ausdrücke hat
etwas ihm eigenes. Ueberhaupt liegt in solchen Con-

structionen

V. Hauptſtuͤck.
Endung von der vierten durchaus nicht. Es iſt dem-
nach weder das Metaphyſiſche noch das Charakteriſti-
ſche in den Fallendungen der Nennwoͤrter genau ge-
troffen, und oͤfters gehen verſchiedene Sprachen bey ei-
nerley Redensarten von einander ab, daß ſie ganz ande-
re Endungen erfordern. Dieſes macht, daß man bey
jeder Sprache beſonders erlernen muß, was ihre Zeit-
woͤrter und Vorwoͤrter fuͤr Endungen erfordern.

§. 181. Judeſſen hat die zweyte Fallendung oder
Genitiuus das beſonders, daß er von einem andern
Hauptwort regiert oder erfordert wird, und dieſe Con-
ſtruction zeigt verſchiedene Arten von Verhaͤltniſſen
an, deren Anzahl und Beſchaffenheit ſich nicht leicht be-
ſtimmen laͤßt. Man ſieht den Unterſchied beſonders
in denen Faͤllen, wo ſich die Conſtruction umkehren
laͤßt. So ſind z. E. das Land des Koͤnigs und
der Koͤnig des Landes, imgleichen die Lehre der
Vollkommenheit
und die Vollkommenheit der
Lehre,
ganz verſchiedene Dinge, ungeacht nichts als
die Ordnung der Conſtruction in den Worten verſchie-
den iſt. Zuweilen, und beſonders im Hebraͤiſchen, wird
das Wort, welches im Genitiuo iſt, ſtatt eines Bey-
worts gebraucht, und auch in andern Sprachen geſchieht
es oͤfters mit einem gewiſſen Nachdruck, z. E. im Phae-
dro
mit Aenderung beyder Woͤrter,

Gulaeque credens colli longitudinem,

an ſtatt collum longum, welches minder nachdruͤcklich
geweſen waͤre. Es iſt aber bey ſolchen Verwechslun-
gen immer etwas Metaphoriſches, und jeder Ausdruck
ſeinem eigentlichen Sinn nach von den uͤbrigen verſchie-
den. Z. E. Man kann ſagen: das Maaß der Laͤn-
ge, das Laͤngenmaaß, die Laͤnge des Maaßes,
das lange Maaß ꝛc.,
aber jeder dieſer Ausdruͤcke hat
etwas ihm eigenes. Ueberhaupt liegt in ſolchen Con-

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[106/0112] V. Hauptſtuͤck. Endung von der vierten durchaus nicht. Es iſt dem- nach weder das Metaphyſiſche noch das Charakteriſti- ſche in den Fallendungen der Nennwoͤrter genau ge- troffen, und oͤfters gehen verſchiedene Sprachen bey ei- nerley Redensarten von einander ab, daß ſie ganz ande- re Endungen erfordern. Dieſes macht, daß man bey jeder Sprache beſonders erlernen muß, was ihre Zeit- woͤrter und Vorwoͤrter fuͤr Endungen erfordern. §. 181. Judeſſen hat die zweyte Fallendung oder Genitiuus das beſonders, daß er von einem andern Hauptwort regiert oder erfordert wird, und dieſe Con- ſtruction zeigt verſchiedene Arten von Verhaͤltniſſen an, deren Anzahl und Beſchaffenheit ſich nicht leicht be- ſtimmen laͤßt. Man ſieht den Unterſchied beſonders in denen Faͤllen, wo ſich die Conſtruction umkehren laͤßt. So ſind z. E. das Land des Koͤnigs und der Koͤnig des Landes, imgleichen die Lehre der Vollkommenheit und die Vollkommenheit der Lehre, ganz verſchiedene Dinge, ungeacht nichts als die Ordnung der Conſtruction in den Worten verſchie- den iſt. Zuweilen, und beſonders im Hebraͤiſchen, wird das Wort, welches im Genitiuo iſt, ſtatt eines Bey- worts gebraucht, und auch in andern Sprachen geſchieht es oͤfters mit einem gewiſſen Nachdruck, z. E. im Phae- dro mit Aenderung beyder Woͤrter, Gulaeque credens colli longitudinem, an ſtatt collum longum, welches minder nachdruͤcklich geweſen waͤre. Es iſt aber bey ſolchen Verwechslun- gen immer etwas Metaphoriſches, und jeder Ausdruck ſeinem eigentlichen Sinn nach von den uͤbrigen verſchie- den. Z. E. Man kann ſagen: das Maaß der Laͤn- ge, das Laͤngenmaaß, die Laͤnge des Maaßes, das lange Maaß ꝛc., aber jeder dieſer Ausdruͤcke hat etwas ihm eigenes. Ueberhaupt liegt in ſolchen Con- ſtructionen

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/112>, abgerufen am 21.11.2024.