Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764.

Bild:
<< vorherige Seite

V. Hauptstück.
und Pflanzen sind, würde ein abgeleiteter Name höch-
stens nur einige etwan mehr in die Sinne fallende
Merkmale angeben. Man muß immer zur Anatomie,
zu chymischen und andern Versuchen schreiten, wenn
man alles, was solche Ganze enthalten, entdecken will.
(§. 123.).

§. 198. Wenn aber eine Sprache schon ihren
Schwung genommen, und mit Wörtern versehen ist, so
kommen darinn selten neue Wurzelwörter auf, und es
ist an sich natürlicher, daß man neue und noch unbe-
nennte Sachen durch abgeleitete, zusammengesetzte oder
auch metaphorische Wörter benenne. Was in dieser
Absicht für die Dinge, die von fremden Ländern herkom-
men, wirklich geschieht, ist, daß man mit der Sache zu-
gleich auch den Namen in die Sprache einsührt, den sie
in ihrem Stammorte hat.

§. 199. Jn Ansehung der Beywörter giebt es in
jeden Sprachen ebenfalls eine gute Menge, die ein für
allemal ihre bestimmte Bedeutung haben. Dahin ge-
hören diejenigen, welche einfache Begriffe und Verhält-
nisse vorstellen, und unmittelbare Gegenstände der
Sinnen sind; die Namen der Farben, roth, gelb, weiß etc.
der Zahlen und Figuren etc. und sehr viele, die von den
Namen der Substanzen hergeleitet werden, z. E. höl-
zern, eisern, wässericht, etc. Jndessen sind bey vielen von
solchen Beywörtern die Grenzen des Umfanges ihrer
Bedeutung schwerer zu bestimmen, wo sie nur dem
Grade nach von einander verschieden sind: So giebt es
zwischen roth, gelb, grün, blau, schwarz etc. Mittel-
stuffen, wo sich die eine dieser an sich sehr kenntlichen
Farben in die andere verliert. Man sieht leicht, daß es
hiebey um die eigentlichen Mittelstuffen zu thun ist,
und daß die übrigen durch Verhältnisse bestimmt wer-
den müssen, und eine Ausmessung fordern, wenn sie
nach aller Schärfe bestimmt werden sollen.

§. 200.

V. Hauptſtuͤck.
und Pflanzen ſind, wuͤrde ein abgeleiteter Name hoͤch-
ſtens nur einige etwan mehr in die Sinne fallende
Merkmale angeben. Man muß immer zur Anatomie,
zu chymiſchen und andern Verſuchen ſchreiten, wenn
man alles, was ſolche Ganze enthalten, entdecken will.
(§. 123.).

§. 198. Wenn aber eine Sprache ſchon ihren
Schwung genommen, und mit Woͤrtern verſehen iſt, ſo
kommen darinn ſelten neue Wurzelwoͤrter auf, und es
iſt an ſich natuͤrlicher, daß man neue und noch unbe-
nennte Sachen durch abgeleitete, zuſammengeſetzte oder
auch metaphoriſche Woͤrter benenne. Was in dieſer
Abſicht fuͤr die Dinge, die von fremden Laͤndern herkom-
men, wirklich geſchieht, iſt, daß man mit der Sache zu-
gleich auch den Namen in die Sprache einſuͤhrt, den ſie
in ihrem Stammorte hat.

§. 199. Jn Anſehung der Beywoͤrter giebt es in
jeden Sprachen ebenfalls eine gute Menge, die ein fuͤr
allemal ihre beſtimmte Bedeutung haben. Dahin ge-
hoͤren diejenigen, welche einfache Begriffe und Verhaͤlt-
niſſe vorſtellen, und unmittelbare Gegenſtaͤnde der
Sinnen ſind; die Namen der Farben, roth, gelb, weiß ꝛc.
der Zahlen und Figuren ꝛc. und ſehr viele, die von den
Namen der Subſtanzen hergeleitet werden, z. E. hoͤl-
zern, eiſern, waͤſſericht, ꝛc. Jndeſſen ſind bey vielen von
ſolchen Beywoͤrtern die Grenzen des Umfanges ihrer
Bedeutung ſchwerer zu beſtimmen, wo ſie nur dem
Grade nach von einander verſchieden ſind: So giebt es
zwiſchen roth, gelb, gruͤn, blau, ſchwarz ꝛc. Mittel-
ſtuffen, wo ſich die eine dieſer an ſich ſehr kenntlichen
Farben in die andere verliert. Man ſieht leicht, daß es
hiebey um die eigentlichen Mittelſtuffen zu thun iſt,
und daß die uͤbrigen durch Verhaͤltniſſe beſtimmt wer-
den muͤſſen, und eine Ausmeſſung fordern, wenn ſie
nach aller Schaͤrfe beſtimmt werden ſollen.

§. 200.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0122" n="116"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">V.</hi> Haupt&#x017F;tu&#x0364;ck.</hi></fw><lb/>
und Pflanzen &#x017F;ind, wu&#x0364;rde ein abgeleiteter Name ho&#x0364;ch-<lb/>
&#x017F;tens nur einige etwan mehr in die Sinne fallende<lb/>
Merkmale angeben. Man muß immer zur Anatomie,<lb/>
zu chymi&#x017F;chen und andern Ver&#x017F;uchen &#x017F;chreiten, wenn<lb/>
man alles, was &#x017F;olche Ganze enthalten, entdecken will.<lb/>
(§. 123.).</p><lb/>
          <p>§. 198. Wenn aber eine Sprache &#x017F;chon ihren<lb/>
Schwung genommen, und mit Wo&#x0364;rtern ver&#x017F;ehen i&#x017F;t, &#x017F;o<lb/>
kommen darinn &#x017F;elten neue Wurzelwo&#x0364;rter auf, und es<lb/>
i&#x017F;t an &#x017F;ich natu&#x0364;rlicher, daß man neue und noch unbe-<lb/>
nennte Sachen durch abgeleitete, zu&#x017F;ammenge&#x017F;etzte oder<lb/>
auch metaphori&#x017F;che Wo&#x0364;rter benenne. Was in die&#x017F;er<lb/>
Ab&#x017F;icht fu&#x0364;r die Dinge, die von fremden La&#x0364;ndern herkom-<lb/>
men, wirklich ge&#x017F;chieht, i&#x017F;t, daß man mit der Sache zu-<lb/>
gleich auch den Namen in die Sprache ein&#x017F;u&#x0364;hrt, den &#x017F;ie<lb/>
in ihrem Stammorte hat.</p><lb/>
          <p>§. 199. Jn An&#x017F;ehung der Beywo&#x0364;rter giebt es in<lb/>
jeden Sprachen ebenfalls eine gute Menge, die ein fu&#x0364;r<lb/>
allemal ihre be&#x017F;timmte Bedeutung haben. Dahin ge-<lb/>
ho&#x0364;ren diejenigen, welche einfache Begriffe und Verha&#x0364;lt-<lb/>
ni&#x017F;&#x017F;e vor&#x017F;tellen, und unmittelbare Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde der<lb/>
Sinnen &#x017F;ind; die Namen der Farben, roth, gelb, weiß &#xA75B;c.<lb/>
der Zahlen und Figuren &#xA75B;c. und &#x017F;ehr viele, die von den<lb/>
Namen der Sub&#x017F;tanzen hergeleitet werden, z. E. ho&#x0364;l-<lb/>
zern, ei&#x017F;ern, wa&#x0364;&#x017F;&#x017F;ericht, &#xA75B;c. Jnde&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ind bey vielen von<lb/>
&#x017F;olchen Beywo&#x0364;rtern die Grenzen des Umfanges ihrer<lb/>
Bedeutung &#x017F;chwerer zu be&#x017F;timmen, wo &#x017F;ie nur dem<lb/>
Grade nach von einander ver&#x017F;chieden &#x017F;ind: So giebt es<lb/>
zwi&#x017F;chen roth, gelb, gru&#x0364;n, blau, &#x017F;chwarz &#xA75B;c. Mittel-<lb/>
&#x017F;tuffen, wo &#x017F;ich die eine die&#x017F;er an &#x017F;ich &#x017F;ehr kenntlichen<lb/>
Farben in die andere verliert. Man &#x017F;ieht leicht, daß es<lb/>
hiebey um die eigentlichen <hi rendition="#fr">Mittel&#x017F;tuffen</hi> zu thun i&#x017F;t,<lb/>
und daß die u&#x0364;brigen durch Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e be&#x017F;timmt wer-<lb/>
den mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, und eine Ausme&#x017F;&#x017F;ung fordern, wenn &#x017F;ie<lb/>
nach aller Scha&#x0364;rfe be&#x017F;timmt werden &#x017F;ollen.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">§. 200.</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[116/0122] V. Hauptſtuͤck. und Pflanzen ſind, wuͤrde ein abgeleiteter Name hoͤch- ſtens nur einige etwan mehr in die Sinne fallende Merkmale angeben. Man muß immer zur Anatomie, zu chymiſchen und andern Verſuchen ſchreiten, wenn man alles, was ſolche Ganze enthalten, entdecken will. (§. 123.). §. 198. Wenn aber eine Sprache ſchon ihren Schwung genommen, und mit Woͤrtern verſehen iſt, ſo kommen darinn ſelten neue Wurzelwoͤrter auf, und es iſt an ſich natuͤrlicher, daß man neue und noch unbe- nennte Sachen durch abgeleitete, zuſammengeſetzte oder auch metaphoriſche Woͤrter benenne. Was in dieſer Abſicht fuͤr die Dinge, die von fremden Laͤndern herkom- men, wirklich geſchieht, iſt, daß man mit der Sache zu- gleich auch den Namen in die Sprache einſuͤhrt, den ſie in ihrem Stammorte hat. §. 199. Jn Anſehung der Beywoͤrter giebt es in jeden Sprachen ebenfalls eine gute Menge, die ein fuͤr allemal ihre beſtimmte Bedeutung haben. Dahin ge- hoͤren diejenigen, welche einfache Begriffe und Verhaͤlt- niſſe vorſtellen, und unmittelbare Gegenſtaͤnde der Sinnen ſind; die Namen der Farben, roth, gelb, weiß ꝛc. der Zahlen und Figuren ꝛc. und ſehr viele, die von den Namen der Subſtanzen hergeleitet werden, z. E. hoͤl- zern, eiſern, waͤſſericht, ꝛc. Jndeſſen ſind bey vielen von ſolchen Beywoͤrtern die Grenzen des Umfanges ihrer Bedeutung ſchwerer zu beſtimmen, wo ſie nur dem Grade nach von einander verſchieden ſind: So giebt es zwiſchen roth, gelb, gruͤn, blau, ſchwarz ꝛc. Mittel- ſtuffen, wo ſich die eine dieſer an ſich ſehr kenntlichen Farben in die andere verliert. Man ſieht leicht, daß es hiebey um die eigentlichen Mittelſtuffen zu thun iſt, und daß die uͤbrigen durch Verhaͤltniſſe beſtimmt wer- den muͤſſen, und eine Ausmeſſung fordern, wenn ſie nach aller Schaͤrfe beſtimmt werden ſollen. §. 200.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/122
Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/122>, abgerufen am 21.11.2024.