Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764.

Bild:
<< vorherige Seite

Von den unveränderlichen Redetheilen.
stehen müßte. So z. Z. sind im Deutschen die Wör-
ter: anlaufen, innstehen, beyfallen, zusetzen,
hinterlegen, vorgehen, durchdenken, fürbitten,
widerstreben, ausgehen, mitlaufen, aufzeich-
nen, überschicken,
etc. Der Unterschied der Redens-
arten: etwas aufstellen, auf etwas stellen; ei-
nem vorgehen, vor einem gehen; etwas an-
stoßen, an etwas stoßen
etc. zeigt in Beyspielen,
daß es nicht gleichgültig ist, ob ein Vorwort als Vor-
wort oder als Ableitungstheilchen gebraucht werde, und
daß folglich die Bedeutung der Vorwörter dadurch viel-
fältiger geworden, daß man sie zu Ableitungstheilchen
gemacht hat. Denn dadurch wird ihre Bedeutung
absoluter, weil sie aus Verhältnißbegriffen der
Dinge, zu Bestimmungsbegriffen der Handlun-
gen
werden. Man wird übrigens aus dem §. 159.
sehen, daß die Zeitwörter noch andere Ableitungstheil-
chen zu sich nehmen, die keine Vorwörter sind, ungeacht
es vielleicht einige seyn könnten. Hingegen rechnet man
im Lateinischen die Wörter: Aduer sus, circiter, juxta,
prope, propter, secundum, secus, versus, versum, usque

und clam, palam, procul, simul, lieber zu den Aduer-
biis,
als zu den Präpositionen, weil man eine ausgelas-
sene Präposition darunter verstehen kann, die sich wirk-
lich bey einigen Schriststellern ausgedrückt findet. Man
sieht aber leicht, daß diese Anmerkung bloß grammatisch
ist. Denn so könnte prope nicht nur eine Präposition
seyn, sondern sowohl den Ablatiuum, als den Accusati-
uum
und noch den Datiuum regieren, je nachdem ein
Entfernen, oder Annähern oder Bleiben dadurch
ausgedrückt werden müßte, und diese Bedeutung wäre
der Art der Sprache, und zugleich auch der Natur der
Fallendungen, so gut diese nämlich in den wirklichen
Sprachen getroffen worden, gemäß (§. 178. 209.).

§. 217.

Von den unveraͤnderlichen Redetheilen.
ſtehen muͤßte. So z. Z. ſind im Deutſchen die Woͤr-
ter: anlaufen, innſtehen, beyfallen, zuſetzen,
hinterlegen, vorgehen, durchdenken, fuͤrbitten,
widerſtreben, ausgehen, mitlaufen, aufzeich-
nen, uͤberſchicken,
ꝛc. Der Unterſchied der Redens-
arten: etwas aufſtellen, auf etwas ſtellen; ei-
nem vorgehen, vor einem gehen; etwas an-
ſtoßen, an etwas ſtoßen
ꝛc. zeigt in Beyſpielen,
daß es nicht gleichguͤltig iſt, ob ein Vorwort als Vor-
wort oder als Ableitungstheilchen gebraucht werde, und
daß folglich die Bedeutung der Vorwoͤrter dadurch viel-
faͤltiger geworden, daß man ſie zu Ableitungstheilchen
gemacht hat. Denn dadurch wird ihre Bedeutung
abſoluter, weil ſie aus Verhaͤltnißbegriffen der
Dinge, zu Beſtimmungsbegriffen der Handlun-
gen
werden. Man wird uͤbrigens aus dem §. 159.
ſehen, daß die Zeitwoͤrter noch andere Ableitungstheil-
chen zu ſich nehmen, die keine Vorwoͤrter ſind, ungeacht
es vielleicht einige ſeyn koͤnnten. Hingegen rechnet man
im Lateiniſchen die Woͤrter: Aduer ſus, circiter, juxta,
prope, propter, ſecundum, ſecus, verſus, verſum, usque

und clam, palam, procul, ſimul, lieber zu den Aduer-
biis,
als zu den Praͤpoſitionen, weil man eine ausgelaſ-
ſene Praͤpoſition darunter verſtehen kann, die ſich wirk-
lich bey einigen Schriſtſtellern ausgedruͤckt findet. Man
ſieht aber leicht, daß dieſe Anmerkung bloß grammatiſch
iſt. Denn ſo koͤnnte prope nicht nur eine Praͤpoſition
ſeyn, ſondern ſowohl den Ablatiuum, als den Accuſati-
uum
und noch den Datiuum regieren, je nachdem ein
Entfernen, oder Annaͤhern oder Bleiben dadurch
ausgedruͤckt werden muͤßte, und dieſe Bedeutung waͤre
der Art der Sprache, und zugleich auch der Natur der
Fallendungen, ſo gut dieſe naͤmlich in den wirklichen
Sprachen getroffen worden, gemaͤß (§. 178. 209.).

§. 217.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0133" n="127"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Von den unvera&#x0364;nderlichen Redetheilen.</hi></fw><lb/>
&#x017F;tehen mu&#x0364;ßte. So z. Z. &#x017F;ind im Deut&#x017F;chen die Wo&#x0364;r-<lb/>
ter: <hi rendition="#fr">anlaufen, inn&#x017F;tehen, beyfallen, zu&#x017F;etzen,<lb/>
hinterlegen, vorgehen, durchdenken, fu&#x0364;rbitten,<lb/>
wider&#x017F;treben, ausgehen, mitlaufen, aufzeich-<lb/>
nen, u&#x0364;ber&#x017F;chicken,</hi> &#xA75B;c. Der Unter&#x017F;chied der Redens-<lb/>
arten: <hi rendition="#fr">etwas auf&#x017F;tellen, auf etwas &#x017F;tellen; ei-<lb/>
nem vorgehen, vor einem gehen; etwas an-<lb/>
&#x017F;toßen, an etwas &#x017F;toßen</hi> &#xA75B;c. zeigt in Bey&#x017F;pielen,<lb/>
daß es nicht gleichgu&#x0364;ltig i&#x017F;t, ob ein Vorwort als Vor-<lb/>
wort oder als Ableitungstheilchen gebraucht werde, und<lb/>
daß folglich die Bedeutung der Vorwo&#x0364;rter dadurch viel-<lb/>
fa&#x0364;ltiger geworden, daß man &#x017F;ie zu Ableitungstheilchen<lb/>
gemacht hat. Denn dadurch wird ihre Bedeutung<lb/>
ab&#x017F;oluter, weil &#x017F;ie aus <hi rendition="#fr">Verha&#x0364;ltnißbegriffen der<lb/>
Dinge, zu Be&#x017F;timmungsbegriffen der Handlun-<lb/>
gen</hi> werden. Man wird u&#x0364;brigens aus dem §. 159.<lb/>
&#x017F;ehen, daß die Zeitwo&#x0364;rter noch andere Ableitungstheil-<lb/>
chen zu &#x017F;ich nehmen, die keine Vorwo&#x0364;rter &#x017F;ind, ungeacht<lb/>
es vielleicht einige &#x017F;eyn ko&#x0364;nnten. Hingegen rechnet man<lb/>
im Lateini&#x017F;chen die Wo&#x0364;rter: <hi rendition="#aq">Aduer &#x017F;us, circiter, juxta,<lb/>
prope, propter, &#x017F;ecundum, &#x017F;ecus, ver&#x017F;us, ver&#x017F;um, usque</hi><lb/>
und <hi rendition="#aq">clam, palam, procul, &#x017F;imul,</hi> lieber zu den <hi rendition="#aq">Aduer-<lb/>
biis,</hi> als zu den Pra&#x0364;po&#x017F;itionen, weil man eine ausgela&#x017F;-<lb/>
&#x017F;ene Pra&#x0364;po&#x017F;ition darunter ver&#x017F;tehen kann, die &#x017F;ich wirk-<lb/>
lich bey einigen Schri&#x017F;t&#x017F;tellern ausgedru&#x0364;ckt findet. Man<lb/>
&#x017F;ieht aber leicht, daß die&#x017F;e Anmerkung bloß grammati&#x017F;ch<lb/>
i&#x017F;t. Denn &#x017F;o ko&#x0364;nnte <hi rendition="#aq">prope</hi> nicht nur eine Pra&#x0364;po&#x017F;ition<lb/>
&#x017F;eyn, &#x017F;ondern &#x017F;owohl den <hi rendition="#aq">Ablatiuum,</hi> als den <hi rendition="#aq">Accu&#x017F;ati-<lb/>
uum</hi> und noch den <hi rendition="#aq">Datiuum</hi> regieren, je nachdem ein<lb/><hi rendition="#fr">Entfernen,</hi> oder <hi rendition="#fr">Anna&#x0364;hern</hi> oder <hi rendition="#fr">Bleiben</hi> dadurch<lb/>
ausgedru&#x0364;ckt werden mu&#x0364;ßte, und die&#x017F;e Bedeutung wa&#x0364;re<lb/>
der Art der Sprache, und zugleich auch der Natur der<lb/>
Fallendungen, &#x017F;o gut die&#x017F;e na&#x0364;mlich in den wirklichen<lb/>
Sprachen getroffen worden, gema&#x0364;ß (§. 178. 209.).</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">§. 217.</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[127/0133] Von den unveraͤnderlichen Redetheilen. ſtehen muͤßte. So z. Z. ſind im Deutſchen die Woͤr- ter: anlaufen, innſtehen, beyfallen, zuſetzen, hinterlegen, vorgehen, durchdenken, fuͤrbitten, widerſtreben, ausgehen, mitlaufen, aufzeich- nen, uͤberſchicken, ꝛc. Der Unterſchied der Redens- arten: etwas aufſtellen, auf etwas ſtellen; ei- nem vorgehen, vor einem gehen; etwas an- ſtoßen, an etwas ſtoßen ꝛc. zeigt in Beyſpielen, daß es nicht gleichguͤltig iſt, ob ein Vorwort als Vor- wort oder als Ableitungstheilchen gebraucht werde, und daß folglich die Bedeutung der Vorwoͤrter dadurch viel- faͤltiger geworden, daß man ſie zu Ableitungstheilchen gemacht hat. Denn dadurch wird ihre Bedeutung abſoluter, weil ſie aus Verhaͤltnißbegriffen der Dinge, zu Beſtimmungsbegriffen der Handlun- gen werden. Man wird uͤbrigens aus dem §. 159. ſehen, daß die Zeitwoͤrter noch andere Ableitungstheil- chen zu ſich nehmen, die keine Vorwoͤrter ſind, ungeacht es vielleicht einige ſeyn koͤnnten. Hingegen rechnet man im Lateiniſchen die Woͤrter: Aduer ſus, circiter, juxta, prope, propter, ſecundum, ſecus, verſus, verſum, usque und clam, palam, procul, ſimul, lieber zu den Aduer- biis, als zu den Praͤpoſitionen, weil man eine ausgelaſ- ſene Praͤpoſition darunter verſtehen kann, die ſich wirk- lich bey einigen Schriſtſtellern ausgedruͤckt findet. Man ſieht aber leicht, daß dieſe Anmerkung bloß grammatiſch iſt. Denn ſo koͤnnte prope nicht nur eine Praͤpoſition ſeyn, ſondern ſowohl den Ablatiuum, als den Accuſati- uum und noch den Datiuum regieren, je nachdem ein Entfernen, oder Annaͤhern oder Bleiben dadurch ausgedruͤckt werden muͤßte, und dieſe Bedeutung waͤre der Art der Sprache, und zugleich auch der Natur der Fallendungen, ſo gut dieſe naͤmlich in den wirklichen Sprachen getroffen worden, gemaͤß (§. 178. 209.). §. 217.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/133
Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/133>, abgerufen am 10.05.2024.