Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764.

Bild:
<< vorherige Seite

VI. Hauptstück.
stehen, weil man im Affect die Sachen zu übertreiben
gewohnt ist.

§. 222. Es haben auch die Jnterjectionen, so fern
sie Ausdrücke der Affecten sind, ihren Verstand für sich,
und lassen sich daher auch ohne Zuziehung anderer
Wörter gebrauchen. Daher regieren sie eigentlich auch
keine Fallendung. Jndessen hat man doch zur Anrede
die fünfte Fallendung oder den Vocatiuum in die Spra-
chen eingeführt, welcher aber von dem Nominatiuo
mehrentheils nicht verschieden ist, und auch nicht noth-
wendig verschieden seyn muß. Jn andern Fällen, und
besonders bey den Jnterjectionen von abgeleiteter Be-
deutung, ist entweder ein Zeitwort oder ein Vorwort da-
bey, oder darunter verstanden, welches eine gewisse Fall-
endung erfordert: z. E. Wohl mir! Heil mir! fort
mit dem!
etc. anstatt: wohl seye mir etc.

§. 223. Die dritte Classe der unveränderlichen Re-
detheile, welche die Zuwörter oder Aduerbia begreift,
ist ungemein weitläuftig, weil sie bald alles enthält, was
bey den Zeitwörtern und Nennwörtern von Bestimmun-
gen in den Sprachen zurücke geblieben. Die Sprach-
lehrer haben sich die Mühe gegeben, sie aus einander
zu lesen, und ihrer Bedeutung und Gebrauche nach in
besondere Classen oder Arten einzutheilen, deren Anzahl
sich über dreyßig beläuft, und wenn man specialer ge-
hen will, noch leicht vergrößert werden kann. Wir ha-
ben im vorhergehenden schon angemerkt, daß die Um-
stände des Ortes und der Zeit (§. 203. seqq.), imglei-
chen die genauere Bestimmung der Grade (§. 187.) in
den wirklichen Sprachen durch Aduerbia ausgedrückt
werden, und daß diese den Abgang genugsamer Ablei-
tungstheilchen bey den Zeitwörtern ersetzen (§. 158.).
Dadurch erreicht nun wiederum die Sprache eine ge-
wisse Kürze und Geschmeidigkeit, und die Anzahl der
Wurzelwörter wird durch die Aduerbia eben so, wie

durch

VI. Hauptſtuͤck.
ſtehen, weil man im Affect die Sachen zu uͤbertreiben
gewohnt iſt.

§. 222. Es haben auch die Jnterjectionen, ſo fern
ſie Ausdruͤcke der Affecten ſind, ihren Verſtand fuͤr ſich,
und laſſen ſich daher auch ohne Zuziehung anderer
Woͤrter gebrauchen. Daher regieren ſie eigentlich auch
keine Fallendung. Jndeſſen hat man doch zur Anrede
die fuͤnfte Fallendung oder den Vocatiuum in die Spra-
chen eingefuͤhrt, welcher aber von dem Nominatiuo
mehrentheils nicht verſchieden iſt, und auch nicht noth-
wendig verſchieden ſeyn muß. Jn andern Faͤllen, und
beſonders bey den Jnterjectionen von abgeleiteter Be-
deutung, iſt entweder ein Zeitwort oder ein Vorwort da-
bey, oder darunter verſtanden, welches eine gewiſſe Fall-
endung erfordert: z. E. Wohl mir! Heil mir! fort
mit dem!
ꝛc. anſtatt: wohl ſeye mir ꝛc.

§. 223. Die dritte Claſſe der unveraͤnderlichen Re-
detheile, welche die Zuwoͤrter oder Aduerbia begreift,
iſt ungemein weitlaͤuftig, weil ſie bald alles enthaͤlt, was
bey den Zeitwoͤrtern und Nennwoͤrtern von Beſtimmun-
gen in den Sprachen zuruͤcke geblieben. Die Sprach-
lehrer haben ſich die Muͤhe gegeben, ſie aus einander
zu leſen, und ihrer Bedeutung und Gebrauche nach in
beſondere Claſſen oder Arten einzutheilen, deren Anzahl
ſich uͤber dreyßig belaͤuft, und wenn man ſpecialer ge-
hen will, noch leicht vergroͤßert werden kann. Wir ha-
ben im vorhergehenden ſchon angemerkt, daß die Um-
ſtaͤnde des Ortes und der Zeit (§. 203. ſeqq.), imglei-
chen die genauere Beſtimmung der Grade (§. 187.) in
den wirklichen Sprachen durch Aduerbia ausgedruͤckt
werden, und daß dieſe den Abgang genugſamer Ablei-
tungstheilchen bey den Zeitwoͤrtern erſetzen (§. 158.).
Dadurch erreicht nun wiederum die Sprache eine ge-
wiſſe Kuͤrze und Geſchmeidigkeit, und die Anzahl der
Wurzelwoͤrter wird durch die Aduerbia eben ſo, wie

durch
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0138" n="132"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">VI.</hi> Haupt&#x017F;tu&#x0364;ck.</hi></fw><lb/>
&#x017F;tehen, weil man im Affect die Sachen zu u&#x0364;bertreiben<lb/>
gewohnt i&#x017F;t.</p><lb/>
          <p>§. 222. Es haben auch die Jnterjectionen, &#x017F;o fern<lb/>
&#x017F;ie Ausdru&#x0364;cke der Affecten &#x017F;ind, ihren Ver&#x017F;tand fu&#x0364;r &#x017F;ich,<lb/>
und la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich daher auch ohne Zuziehung anderer<lb/>
Wo&#x0364;rter gebrauchen. Daher regieren &#x017F;ie eigentlich auch<lb/>
keine Fallendung. Jnde&#x017F;&#x017F;en hat man doch zur Anrede<lb/>
die fu&#x0364;nfte Fallendung oder den <hi rendition="#aq">Vocatiuum</hi> in die Spra-<lb/>
chen eingefu&#x0364;hrt, welcher aber von dem <hi rendition="#aq">Nominatiuo</hi><lb/>
mehrentheils nicht ver&#x017F;chieden i&#x017F;t, und auch nicht noth-<lb/>
wendig ver&#x017F;chieden &#x017F;eyn muß. Jn andern Fa&#x0364;llen, und<lb/>
be&#x017F;onders bey den Jnterjectionen von abgeleiteter Be-<lb/>
deutung, i&#x017F;t entweder ein Zeitwort oder ein Vorwort da-<lb/>
bey, oder darunter ver&#x017F;tanden, welches eine gewi&#x017F;&#x017F;e Fall-<lb/>
endung erfordert: z. E. <hi rendition="#fr">Wohl mir! Heil mir! fort<lb/>
mit dem!</hi> &#xA75B;c. an&#x017F;tatt: <hi rendition="#fr">wohl &#x017F;eye mir</hi> &#xA75B;c.</p><lb/>
          <p>§. 223. Die dritte Cla&#x017F;&#x017F;e der unvera&#x0364;nderlichen Re-<lb/>
detheile, welche die <hi rendition="#fr">Zuwo&#x0364;rter</hi> oder <hi rendition="#aq">Aduerbia</hi> begreift,<lb/>
i&#x017F;t ungemein weitla&#x0364;uftig, weil &#x017F;ie bald alles entha&#x0364;lt, was<lb/>
bey den Zeitwo&#x0364;rtern und Nennwo&#x0364;rtern von Be&#x017F;timmun-<lb/>
gen in den Sprachen zuru&#x0364;cke geblieben. Die Sprach-<lb/>
lehrer haben &#x017F;ich die Mu&#x0364;he gegeben, &#x017F;ie aus einander<lb/>
zu le&#x017F;en, und ihrer Bedeutung und Gebrauche nach in<lb/>
be&#x017F;ondere Cla&#x017F;&#x017F;en oder Arten einzutheilen, deren Anzahl<lb/>
&#x017F;ich u&#x0364;ber dreyßig bela&#x0364;uft, und wenn man &#x017F;pecialer ge-<lb/>
hen will, noch leicht vergro&#x0364;ßert werden kann. Wir ha-<lb/>
ben im vorhergehenden &#x017F;chon angemerkt, daß die Um-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;nde des Ortes und der Zeit (§. 203. <hi rendition="#aq">&#x017F;eqq.</hi>), imglei-<lb/>
chen die genauere Be&#x017F;timmung der Grade (§. 187.) in<lb/>
den wirklichen Sprachen durch <hi rendition="#aq">Aduerbia</hi> ausgedru&#x0364;ckt<lb/>
werden, und daß die&#x017F;e den Abgang genug&#x017F;amer Ablei-<lb/>
tungstheilchen bey den Zeitwo&#x0364;rtern er&#x017F;etzen (§. 158.).<lb/>
Dadurch erreicht nun wiederum die Sprache eine ge-<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;e Ku&#x0364;rze und Ge&#x017F;chmeidigkeit, und die Anzahl der<lb/>
Wurzelwo&#x0364;rter wird durch die <hi rendition="#aq">Aduerbia</hi> eben &#x017F;o, wie<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">durch</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[132/0138] VI. Hauptſtuͤck. ſtehen, weil man im Affect die Sachen zu uͤbertreiben gewohnt iſt. §. 222. Es haben auch die Jnterjectionen, ſo fern ſie Ausdruͤcke der Affecten ſind, ihren Verſtand fuͤr ſich, und laſſen ſich daher auch ohne Zuziehung anderer Woͤrter gebrauchen. Daher regieren ſie eigentlich auch keine Fallendung. Jndeſſen hat man doch zur Anrede die fuͤnfte Fallendung oder den Vocatiuum in die Spra- chen eingefuͤhrt, welcher aber von dem Nominatiuo mehrentheils nicht verſchieden iſt, und auch nicht noth- wendig verſchieden ſeyn muß. Jn andern Faͤllen, und beſonders bey den Jnterjectionen von abgeleiteter Be- deutung, iſt entweder ein Zeitwort oder ein Vorwort da- bey, oder darunter verſtanden, welches eine gewiſſe Fall- endung erfordert: z. E. Wohl mir! Heil mir! fort mit dem! ꝛc. anſtatt: wohl ſeye mir ꝛc. §. 223. Die dritte Claſſe der unveraͤnderlichen Re- detheile, welche die Zuwoͤrter oder Aduerbia begreift, iſt ungemein weitlaͤuftig, weil ſie bald alles enthaͤlt, was bey den Zeitwoͤrtern und Nennwoͤrtern von Beſtimmun- gen in den Sprachen zuruͤcke geblieben. Die Sprach- lehrer haben ſich die Muͤhe gegeben, ſie aus einander zu leſen, und ihrer Bedeutung und Gebrauche nach in beſondere Claſſen oder Arten einzutheilen, deren Anzahl ſich uͤber dreyßig belaͤuft, und wenn man ſpecialer ge- hen will, noch leicht vergroͤßert werden kann. Wir ha- ben im vorhergehenden ſchon angemerkt, daß die Um- ſtaͤnde des Ortes und der Zeit (§. 203. ſeqq.), imglei- chen die genauere Beſtimmung der Grade (§. 187.) in den wirklichen Sprachen durch Aduerbia ausgedruͤckt werden, und daß dieſe den Abgang genugſamer Ablei- tungstheilchen bey den Zeitwoͤrtern erſetzen (§. 158.). Dadurch erreicht nun wiederum die Sprache eine ge- wiſſe Kuͤrze und Geſchmeidigkeit, und die Anzahl der Wurzelwoͤrter wird durch die Aduerbia eben ſo, wie durch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/138
Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/138>, abgerufen am 10.05.2024.