Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764.Von dem Hypothetischen der Sprache. eine Definition den eigentlichen Umfang seines Begrif-fes bestimme, und dabey nicht nur die Möglichkeit des- selben erweise, sondern auch durch tüchtige Gründe zeige, daß man nicht Ursache habe, diesen Umfang weder wei- ter noch enger zu nehmen, und daß der Begriff an sich ein nettes und erhebliches Ganzes vorstelle. Auf diese Art wird der Name in so ferne gleichgültig, daß die Leser sich an seiner buchstäblichen Bedeutung nicht so strenge auf- halten, wie es geschehen kann, wenn der Umfang des Be- griffes willkührlicher ist, oder wenigstens zu seyn scheint. §. 347. Der andere Fall, wo man nämlich den Be- §. 348. O 2
Von dem Hypothetiſchen der Sprache. eine Definition den eigentlichen Umfang ſeines Begrif-fes beſtimme, und dabey nicht nur die Moͤglichkeit deſ- ſelben erweiſe, ſondern auch durch tuͤchtige Gruͤnde zeige, daß man nicht Urſache habe, dieſen Umfang weder wei- ter noch enger zu nehmen, und daß der Begriff an ſich ein nettes und erhebliches Ganzes vorſtelle. Auf dieſe Art wird der Name in ſo ferne gleichguͤltig, daß die Leſer ſich an ſeiner buchſtaͤblichen Bedeutung nicht ſo ſtrenge auf- halten, wie es geſchehen kann, wenn der Umfang des Be- griffes willkuͤhrlicher iſt, oder wenigſtens zu ſeyn ſcheint. §. 347. Der andere Fall, wo man naͤmlich den Be- §. 348. O 2
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0217" n="211"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Von dem Hypothetiſchen der Sprache.</hi></fw><lb/> eine Definition den eigentlichen Umfang ſeines Begrif-<lb/> fes beſtimme, und dabey nicht nur die Moͤglichkeit deſ-<lb/> ſelben erweiſe, ſondern auch durch tuͤchtige Gruͤnde zeige,<lb/> daß man nicht Urſache habe, dieſen Umfang weder wei-<lb/> ter noch enger zu nehmen, und daß der Begriff an ſich<lb/> ein nettes und erhebliches Ganzes vorſtelle. Auf dieſe Art<lb/> wird der Name in ſo ferne gleichguͤltig, daß die Leſer ſich<lb/> an ſeiner buchſtaͤblichen Bedeutung nicht ſo ſtrenge auf-<lb/> halten, wie es geſchehen kann, wenn der Umfang des Be-<lb/> griffes willkuͤhrlicher iſt, oder wenigſtens zu ſeyn ſcheint.</p><lb/> <p>§. 347. Der andere Fall, wo man naͤmlich den Be-<lb/> griff nach dem Wort richtet, koͤmmt mehrentheils vor,<lb/> wo man ſich noch an keine Definition des Wortes ge-<lb/> woͤhnt hat. Denn da entſteht der Begriff aus den<lb/> Faͤllen und Redensarten, in welchen man das Wort<lb/> gehoͤrt hat. Und in der gemeinen Erkenntniß, ſo ferne<lb/> naͤmlich dieſe der wiſſenſchaftlichen Erkenntniß entgegen-<lb/> geſetzt iſt, laͤßt man es bey dieſer Art, zu den abſtracten<lb/> Begriffen zu gelangen, bewenden, (§. 310. <hi rendition="#aq">ſeqq.</hi> und<lb/> Dianoiol. §. 601.). Es iſt fuͤr ſich klar, daß nicht je-<lb/> dem fuͤr jedes Wort einerley Faͤlle und Redensarten<lb/> vorkommen, und daß folglich auch nichts leichters und<lb/> nichts haͤufiger iſt, als daß man in Abſicht auf den Um-<lb/> fang abſtracter Begriffe uneins ſey. Man wird hiebey<lb/> eine der vornehmſten Quellen der Vorurtheile finden,<lb/> die von der Auferziehung und Umſtaͤnden jeder einzel-<lb/> ner Menſchen herruͤhren, und die ſodann in ganze phi-<lb/> loſophiſche Syſtemen einen augenſcheinlichen Einfluß<lb/> haben. Die tiefer verſteckte Wortſtreite ruͤhren bey<lb/> ganzen Syſtemen ebenfalls daher, daß man ſchon fuͤr<lb/> die Woͤrter, welche, andere zu definiren, gebraucht wer-<lb/> den, Begriffe von verſchiedenem Umfange annimmt,<lb/> und nicht ſelten die erſten Definitionen ſo einrichtet, da-<lb/> mit man im Folgenden andere darauf bauen, und ge-<lb/> wiſſe beliebte Saͤtze daraus herleiten koͤnne.</p><lb/> <fw place="bottom" type="sig">O 2</fw> <fw place="bottom" type="catch">§. 348.</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [211/0217]
Von dem Hypothetiſchen der Sprache.
eine Definition den eigentlichen Umfang ſeines Begrif-
fes beſtimme, und dabey nicht nur die Moͤglichkeit deſ-
ſelben erweiſe, ſondern auch durch tuͤchtige Gruͤnde zeige,
daß man nicht Urſache habe, dieſen Umfang weder wei-
ter noch enger zu nehmen, und daß der Begriff an ſich
ein nettes und erhebliches Ganzes vorſtelle. Auf dieſe Art
wird der Name in ſo ferne gleichguͤltig, daß die Leſer ſich
an ſeiner buchſtaͤblichen Bedeutung nicht ſo ſtrenge auf-
halten, wie es geſchehen kann, wenn der Umfang des Be-
griffes willkuͤhrlicher iſt, oder wenigſtens zu ſeyn ſcheint.
§. 347. Der andere Fall, wo man naͤmlich den Be-
griff nach dem Wort richtet, koͤmmt mehrentheils vor,
wo man ſich noch an keine Definition des Wortes ge-
woͤhnt hat. Denn da entſteht der Begriff aus den
Faͤllen und Redensarten, in welchen man das Wort
gehoͤrt hat. Und in der gemeinen Erkenntniß, ſo ferne
naͤmlich dieſe der wiſſenſchaftlichen Erkenntniß entgegen-
geſetzt iſt, laͤßt man es bey dieſer Art, zu den abſtracten
Begriffen zu gelangen, bewenden, (§. 310. ſeqq. und
Dianoiol. §. 601.). Es iſt fuͤr ſich klar, daß nicht je-
dem fuͤr jedes Wort einerley Faͤlle und Redensarten
vorkommen, und daß folglich auch nichts leichters und
nichts haͤufiger iſt, als daß man in Abſicht auf den Um-
fang abſtracter Begriffe uneins ſey. Man wird hiebey
eine der vornehmſten Quellen der Vorurtheile finden,
die von der Auferziehung und Umſtaͤnden jeder einzel-
ner Menſchen herruͤhren, und die ſodann in ganze phi-
loſophiſche Syſtemen einen augenſcheinlichen Einfluß
haben. Die tiefer verſteckte Wortſtreite ruͤhren bey
ganzen Syſtemen ebenfalls daher, daß man ſchon fuͤr
die Woͤrter, welche, andere zu definiren, gebraucht wer-
den, Begriffe von verſchiedenem Umfange annimmt,
und nicht ſelten die erſten Definitionen ſo einrichtet, da-
mit man im Folgenden andere darauf bauen, und ge-
wiſſe beliebte Saͤtze daraus herleiten koͤnne.
§. 348.
O 2
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |