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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764.

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Erkenntniß überhaupt.
weil Dissonanzen, falsche Gänge und Sprünge, eben so
wie die wahren, gezeichnet werden können. Man ist
daher dabey genöthigt, nach den Regeln der Composi-
tion das Gute und Harmonische zu wählen. Die Noten
selbst geben es nicht an.

§. 26. Von der Choreographie des Feuillet
läßt sich eben dieses sagen, doch mit dem Zusatze, daß, in-
dem er bey Erfindung eines neuen Tanzes die Figur
derselben zeichnet, die Zeichnung selbst mehr Geometri-
sches hat, und durch die Größe, Zeit und Anzahl jeder
Schritte mit dem Takte proportionirt werden muß.
Diese Bedingung, nebst der, daß die Figur schließen, und
nach Abspielung eines jeden Theils der Contredanse ein
neuer Theil der Figur des Tanzes anfangen muß,
schränkt das Willkührliche dabey mehr ein, und die Zeich-
nung selbst verräth die Fehler, und nöthigt, sie zu ver-
meiden. Die Engländer haben Contredanses, wofür
sie zwar keine Zeichnung gebrauchen: aber weil dieselben
aus einer gewissen Anzahl von Figuren besteht, deren
jede eine gewisse Anzahl von Takten dauert, so können
sie durch bloße Combination dieser Figuren unzählig
vielerley Abwechslungen und verschiedene Tänze fast oh-
ne Mühe erfinden. Und da diese Figuren ihre Namen
haben, z. E. Le pas, monter, tourner, la Chaine, le
moulinet, Castof, le huit &c.
so lassen sich alle diese
Tänze mit wenigen Worten schriftlich verfassen, und
ohne Schwierigkeit begreifen und bewerkstelligen. Uebri-
gens, da die Tänze selbst Figuren und Bewegungen sind,
so ist auch die Zeichnung derselben in einem viel einfa-
chern Verstande figürlich, als die Zeichnung der Töne in
der Musik vermittelst der Noten.

§. 27. Man giebt ferner die Wörter Barbara, Ce-
larent &c.
wodurch man in der Vernunftlehre die
Structur der zuläßigen einfachen Schlüsse vorstellt, als
Meisterstücke einer Zeichenkunst aus. Sie sind aber in

der
Lamb. Orgenon II B. B

Erkenntniß uͤberhaupt.
weil Diſſonanzen, falſche Gaͤnge und Spruͤnge, eben ſo
wie die wahren, gezeichnet werden koͤnnen. Man iſt
daher dabey genoͤthigt, nach den Regeln der Compoſi-
tion das Gute und Harmoniſche zu waͤhlen. Die Noten
ſelbſt geben es nicht an.

§. 26. Von der Choreographie des Feuillet
laͤßt ſich eben dieſes ſagen, doch mit dem Zuſatze, daß, in-
dem er bey Erfindung eines neuen Tanzes die Figur
derſelben zeichnet, die Zeichnung ſelbſt mehr Geometri-
ſches hat, und durch die Groͤße, Zeit und Anzahl jeder
Schritte mit dem Takte proportionirt werden muß.
Dieſe Bedingung, nebſt der, daß die Figur ſchließen, und
nach Abſpielung eines jeden Theils der Contredanſe ein
neuer Theil der Figur des Tanzes anfangen muß,
ſchraͤnkt das Willkuͤhrliche dabey mehr ein, und die Zeich-
nung ſelbſt verraͤth die Fehler, und noͤthigt, ſie zu ver-
meiden. Die Englaͤnder haben Contredanſes, wofuͤr
ſie zwar keine Zeichnung gebrauchen: aber weil dieſelben
aus einer gewiſſen Anzahl von Figuren beſteht, deren
jede eine gewiſſe Anzahl von Takten dauert, ſo koͤnnen
ſie durch bloße Combination dieſer Figuren unzaͤhlig
vielerley Abwechslungen und verſchiedene Taͤnze faſt oh-
ne Muͤhe erfinden. Und da dieſe Figuren ihre Namen
haben, z. E. Le pas, monter, tourner, la Chaine, le
moulinet, Caſtof, le huit &c.
ſo laſſen ſich alle dieſe
Taͤnze mit wenigen Worten ſchriftlich verfaſſen, und
ohne Schwierigkeit begreifen und bewerkſtelligen. Uebri-
gens, da die Taͤnze ſelbſt Figuren und Bewegungen ſind,
ſo iſt auch die Zeichnung derſelben in einem viel einfa-
chern Verſtande figuͤrlich, als die Zeichnung der Toͤne in
der Muſik vermittelſt der Noten.

§. 27. Man giebt ferner die Woͤrter Barbara, Ce-
larent &c.
wodurch man in der Vernunftlehre die
Structur der zulaͤßigen einfachen Schluͤſſe vorſtellt, als
Meiſterſtuͤcke einer Zeichenkunſt aus. Sie ſind aber in

der
Lamb. Orgenon II B. B
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[17/0023] Erkenntniß uͤberhaupt. weil Diſſonanzen, falſche Gaͤnge und Spruͤnge, eben ſo wie die wahren, gezeichnet werden koͤnnen. Man iſt daher dabey genoͤthigt, nach den Regeln der Compoſi- tion das Gute und Harmoniſche zu waͤhlen. Die Noten ſelbſt geben es nicht an. §. 26. Von der Choreographie des Feuillet laͤßt ſich eben dieſes ſagen, doch mit dem Zuſatze, daß, in- dem er bey Erfindung eines neuen Tanzes die Figur derſelben zeichnet, die Zeichnung ſelbſt mehr Geometri- ſches hat, und durch die Groͤße, Zeit und Anzahl jeder Schritte mit dem Takte proportionirt werden muß. Dieſe Bedingung, nebſt der, daß die Figur ſchließen, und nach Abſpielung eines jeden Theils der Contredanſe ein neuer Theil der Figur des Tanzes anfangen muß, ſchraͤnkt das Willkuͤhrliche dabey mehr ein, und die Zeich- nung ſelbſt verraͤth die Fehler, und noͤthigt, ſie zu ver- meiden. Die Englaͤnder haben Contredanſes, wofuͤr ſie zwar keine Zeichnung gebrauchen: aber weil dieſelben aus einer gewiſſen Anzahl von Figuren beſteht, deren jede eine gewiſſe Anzahl von Takten dauert, ſo koͤnnen ſie durch bloße Combination dieſer Figuren unzaͤhlig vielerley Abwechslungen und verſchiedene Taͤnze faſt oh- ne Muͤhe erfinden. Und da dieſe Figuren ihre Namen haben, z. E. Le pas, monter, tourner, la Chaine, le moulinet, Caſtof, le huit &c. ſo laſſen ſich alle dieſe Taͤnze mit wenigen Worten ſchriftlich verfaſſen, und ohne Schwierigkeit begreifen und bewerkſtelligen. Uebri- gens, da die Taͤnze ſelbſt Figuren und Bewegungen ſind, ſo iſt auch die Zeichnung derſelben in einem viel einfa- chern Verſtande figuͤrlich, als die Zeichnung der Toͤne in der Muſik vermittelſt der Noten. §. 27. Man giebt ferner die Woͤrter Barbara, Ce- larent &c. wodurch man in der Vernunftlehre die Structur der zulaͤßigen einfachen Schluͤſſe vorſtellt, als Meiſterſtuͤcke einer Zeichenkunſt aus. Sie ſind aber in der Lamb. Orgenon II B. B

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/23>, abgerufen am 28.04.2024.