Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764.

Bild:
<< vorherige Seite

Von dem sinnlichen Schein.
nicht unmittelbar und nach aller Schärfe gemacht wer-
den kann. Es ist aber an sich sehr unwahrscheinlich,
daß alle Objecte zu gleicher Zeit und mit einem male
einerley oder wenigstens ähnliche Veränderungen sollten
gehabt haben, ohne daß die Ursache davon anzugeben
wäre, wie es z. E. bey den Erdbeben, bey der täglichen
und jährlichen Erleuchtung und Erwärmung der Erd-
fläche etc. geschieht. Jndessen läßt sich dieser Schluß
als eine Veranlassung ansehen, aus andern Gründen zu
untersuchen, ob nicht in dem Sinne oder in seiner Lage
eine Veränderung vorgegangen, welche die in dem
Schein der Objecte beobachtete Veränderung verursa-
chen kann. Findet sich dieses, so ist die Sache durch-
aus erörtert. Sie ist es ebenfalls, wenn man von den
Objecten aus andern Gründen weiß, daß sie unverän-
dert geblieben, oder in ihren Veränderungen bey der
dermaligen Einrichtung der Natur eines solchen Iso-
chronisini
nicht fähig sind.

§. 58. Der relative Theil des Scheins läßt sich
an solchen Veränderungen erkennen, die in dem Schein
eines Objectes vorgehen, ohne daß weder das Object
noch der Sinn eine Veränderung erlitten, von welcher
jene herrühren könnten. Es kömmt derselbe demnach
von der Lage der Sache und des Sinnes, besonders
aber auch von den Ursachen her, die die Empfindung
erwecken, oder ihre Modificationen ändern können.
Da solche Aenderungen stuffenweise verschieden seyn
können, so wird auch eine von solchen Stuffen gleich-
sam zum Modell oder Maaßstabe der übrigen genom-
men. Wir wollen es durch Beyspiele erläutern. Die
Farbe der Körper hängt von dem Lichte ab, welches sie
beleuchtet. Des Nachts läßt sich Scharlack und
Schwarz kaum unterscheiden. Bey dem Lampenlich-
te scheint blau und grün fast einerley Farbe zu haben.
Eine gleiche Mauer an der Sonne oder am Schatten,

ist

Von dem ſinnlichen Schein.
nicht unmittelbar und nach aller Schaͤrfe gemacht wer-
den kann. Es iſt aber an ſich ſehr unwahrſcheinlich,
daß alle Objecte zu gleicher Zeit und mit einem male
einerley oder wenigſtens aͤhnliche Veraͤnderungen ſollten
gehabt haben, ohne daß die Urſache davon anzugeben
waͤre, wie es z. E. bey den Erdbeben, bey der taͤglichen
und jaͤhrlichen Erleuchtung und Erwaͤrmung der Erd-
flaͤche ꝛc. geſchieht. Jndeſſen laͤßt ſich dieſer Schluß
als eine Veranlaſſung anſehen, aus andern Gruͤnden zu
unterſuchen, ob nicht in dem Sinne oder in ſeiner Lage
eine Veraͤnderung vorgegangen, welche die in dem
Schein der Objecte beobachtete Veraͤnderung verurſa-
chen kann. Findet ſich dieſes, ſo iſt die Sache durch-
aus eroͤrtert. Sie iſt es ebenfalls, wenn man von den
Objecten aus andern Gruͤnden weiß, daß ſie unveraͤn-
dert geblieben, oder in ihren Veraͤnderungen bey der
dermaligen Einrichtung der Natur eines ſolchen Iſo-
chroniſini
nicht faͤhig ſind.

§. 58. Der relative Theil des Scheins laͤßt ſich
an ſolchen Veraͤnderungen erkennen, die in dem Schein
eines Objectes vorgehen, ohne daß weder das Object
noch der Sinn eine Veraͤnderung erlitten, von welcher
jene herruͤhren koͤnnten. Es koͤmmt derſelbe demnach
von der Lage der Sache und des Sinnes, beſonders
aber auch von den Urſachen her, die die Empfindung
erwecken, oder ihre Modificationen aͤndern koͤnnen.
Da ſolche Aenderungen ſtuffenweiſe verſchieden ſeyn
koͤnnen, ſo wird auch eine von ſolchen Stuffen gleich-
ſam zum Modell oder Maaßſtabe der uͤbrigen genom-
men. Wir wollen es durch Beyſpiele erlaͤutern. Die
Farbe der Koͤrper haͤngt von dem Lichte ab, welches ſie
beleuchtet. Des Nachts laͤßt ſich Scharlack und
Schwarz kaum unterſcheiden. Bey dem Lampenlich-
te ſcheint blau und gruͤn faſt einerley Farbe zu haben.
Eine gleiche Mauer an der Sonne oder am Schatten,

iſt
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0257" n="251"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Von dem &#x017F;innlichen Schein.</hi></fw><lb/>
nicht unmittelbar und nach aller Scha&#x0364;rfe gemacht wer-<lb/>
den kann. Es i&#x017F;t aber an &#x017F;ich &#x017F;ehr unwahr&#x017F;cheinlich,<lb/>
daß alle Objecte zu gleicher Zeit und mit einem male<lb/>
einerley oder wenig&#x017F;tens a&#x0364;hnliche Vera&#x0364;nderungen &#x017F;ollten<lb/>
gehabt haben, ohne daß die Ur&#x017F;ache davon anzugeben<lb/>
wa&#x0364;re, wie es z. E. bey den Erdbeben, bey der ta&#x0364;glichen<lb/>
und ja&#x0364;hrlichen Erleuchtung und Erwa&#x0364;rmung der Erd-<lb/>
fla&#x0364;che &#xA75B;c. ge&#x017F;chieht. Jnde&#x017F;&#x017F;en la&#x0364;ßt &#x017F;ich die&#x017F;er Schluß<lb/>
als eine Veranla&#x017F;&#x017F;ung an&#x017F;ehen, aus andern Gru&#x0364;nden zu<lb/>
unter&#x017F;uchen, ob nicht in dem Sinne oder in &#x017F;einer Lage<lb/>
eine Vera&#x0364;nderung vorgegangen, welche die in dem<lb/>
Schein der Objecte beobachtete Vera&#x0364;nderung verur&#x017F;a-<lb/>
chen kann. Findet &#x017F;ich die&#x017F;es, &#x017F;o i&#x017F;t die Sache durch-<lb/>
aus ero&#x0364;rtert. Sie i&#x017F;t es ebenfalls, wenn man von den<lb/>
Objecten aus andern Gru&#x0364;nden weiß, daß &#x017F;ie unvera&#x0364;n-<lb/>
dert geblieben, oder in ihren Vera&#x0364;nderungen bey der<lb/>
dermaligen Einrichtung der Natur eines &#x017F;olchen <hi rendition="#aq">I&#x017F;o-<lb/>
chroni&#x017F;ini</hi> nicht fa&#x0364;hig &#x017F;ind.</p><lb/>
          <p>§. 58. Der <hi rendition="#fr">relative</hi> Theil des Scheins la&#x0364;ßt &#x017F;ich<lb/>
an &#x017F;olchen Vera&#x0364;nderungen erkennen, die in dem Schein<lb/>
eines Objectes vorgehen, ohne daß weder das Object<lb/>
noch der Sinn eine Vera&#x0364;nderung erlitten, von welcher<lb/>
jene herru&#x0364;hren ko&#x0364;nnten. Es ko&#x0364;mmt der&#x017F;elbe demnach<lb/>
von der Lage der Sache und des Sinnes, be&#x017F;onders<lb/>
aber auch von den Ur&#x017F;achen her, die die Empfindung<lb/>
erwecken, oder ihre Modificationen a&#x0364;ndern ko&#x0364;nnen.<lb/>
Da &#x017F;olche Aenderungen &#x017F;tuffenwei&#x017F;e ver&#x017F;chieden &#x017F;eyn<lb/>
ko&#x0364;nnen, &#x017F;o wird auch eine von &#x017F;olchen Stuffen gleich-<lb/>
&#x017F;am zum Modell oder Maaß&#x017F;tabe der u&#x0364;brigen genom-<lb/>
men. Wir wollen es durch Bey&#x017F;piele erla&#x0364;utern. Die<lb/>
Farbe der Ko&#x0364;rper ha&#x0364;ngt von dem Lichte ab, welches &#x017F;ie<lb/>
beleuchtet. Des Nachts la&#x0364;ßt &#x017F;ich Scharlack und<lb/>
Schwarz kaum unter&#x017F;cheiden. Bey dem Lampenlich-<lb/>
te &#x017F;cheint blau und gru&#x0364;n fa&#x017F;t einerley Farbe zu haben.<lb/>
Eine gleiche Mauer an der Sonne oder am Schatten,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">i&#x017F;t</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[251/0257] Von dem ſinnlichen Schein. nicht unmittelbar und nach aller Schaͤrfe gemacht wer- den kann. Es iſt aber an ſich ſehr unwahrſcheinlich, daß alle Objecte zu gleicher Zeit und mit einem male einerley oder wenigſtens aͤhnliche Veraͤnderungen ſollten gehabt haben, ohne daß die Urſache davon anzugeben waͤre, wie es z. E. bey den Erdbeben, bey der taͤglichen und jaͤhrlichen Erleuchtung und Erwaͤrmung der Erd- flaͤche ꝛc. geſchieht. Jndeſſen laͤßt ſich dieſer Schluß als eine Veranlaſſung anſehen, aus andern Gruͤnden zu unterſuchen, ob nicht in dem Sinne oder in ſeiner Lage eine Veraͤnderung vorgegangen, welche die in dem Schein der Objecte beobachtete Veraͤnderung verurſa- chen kann. Findet ſich dieſes, ſo iſt die Sache durch- aus eroͤrtert. Sie iſt es ebenfalls, wenn man von den Objecten aus andern Gruͤnden weiß, daß ſie unveraͤn- dert geblieben, oder in ihren Veraͤnderungen bey der dermaligen Einrichtung der Natur eines ſolchen Iſo- chroniſini nicht faͤhig ſind. §. 58. Der relative Theil des Scheins laͤßt ſich an ſolchen Veraͤnderungen erkennen, die in dem Schein eines Objectes vorgehen, ohne daß weder das Object noch der Sinn eine Veraͤnderung erlitten, von welcher jene herruͤhren koͤnnten. Es koͤmmt derſelbe demnach von der Lage der Sache und des Sinnes, beſonders aber auch von den Urſachen her, die die Empfindung erwecken, oder ihre Modificationen aͤndern koͤnnen. Da ſolche Aenderungen ſtuffenweiſe verſchieden ſeyn koͤnnen, ſo wird auch eine von ſolchen Stuffen gleich- ſam zum Modell oder Maaßſtabe der uͤbrigen genom- men. Wir wollen es durch Beyſpiele erlaͤutern. Die Farbe der Koͤrper haͤngt von dem Lichte ab, welches ſie beleuchtet. Des Nachts laͤßt ſich Scharlack und Schwarz kaum unterſcheiden. Bey dem Lampenlich- te ſcheint blau und gruͤn faſt einerley Farbe zu haben. Eine gleiche Mauer an der Sonne oder am Schatten, iſt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/257
Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/257>, abgerufen am 20.05.2024.