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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764.

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Von dem sinnlichen Schein.
Hingegen fällt mit dem Licht die Farbe, mit der Luft
der Schall und Geruch weg. Der Geschmack ist auch
nicht bey allen, und die Wärme ebenfalls zufällig etc.
Demnach sind alle diese Begriffe den Körpern nicht
wesentlich, sondern bloße Modificationen und Möglich-
keiten. Auch die Veränderungen in den Körpern las-
sen sich ohne die Begriffe der Ausdehnung, Solidität
und Beweglichkeit nicht gedenken, und der Eindruck,
den sie in die Sinnen machen, muß ebenfalls sich dar-
aus begreiflich machen. Demnach beruht die wahre
physische Sprache auch da noch auf diesen Begriffen,
wo sie am nächsten an die Sprache des Scheins grenzt.
Wir werden nun noch untersuchen, wie ferne wir in
Ansehung der Empfindungen die wahre Sprache errei-
chen können.

§. 68. Aus dem bisher gesagten erhellet, daß diese
Sprache in der Erklärung des Mechanismi bestehe,
nach welchem die Objecte einen Eindruck in die Sin-
nen machen, und sie dehnt sich auf jede Ausmessung der
Grade aus, die dabey vorkommen, es sey, daß wir die
Grade der Empfindung unmittelbar mit den Graden
der wirkenden Ursache, oder wenigstens mit den Graden
einer andern Wirkung vergleichen, die diese Ursache in
dem Körper selbst äußert, und die ausmeßbar ist. Je
umständlicher und vollständiger wir alles dieses in Ab-
sicht auf jede Sinnen und Empfindungen erreichen kön-
nen, desto vollständiger und brauchbarer wird auch die
wahre Sprache, und ihre Uebersetzung in die Sprache
des Scheins. Wir wollen die bereits vorhandenen
Beyspiele nach diesem Leitfaden durchgehen.

§. 69. Hiebey hat nun das Auge beträchtliche Vor-
züge, weil die Wege des Lichtes und die Theorie des
Sehens in der Optik bereits auf Gründe gebracht sind.
Man konnte am Rande des Schattens den Weg des
Lichtes sehen, wie er gerade fortgeht, oder nach gewissen

Ge-
Lamb. Organon II B. R

Von dem ſinnlichen Schein.
Hingegen faͤllt mit dem Licht die Farbe, mit der Luft
der Schall und Geruch weg. Der Geſchmack iſt auch
nicht bey allen, und die Waͤrme ebenfalls zufaͤllig ꝛc.
Demnach ſind alle dieſe Begriffe den Koͤrpern nicht
weſentlich, ſondern bloße Modificationen und Moͤglich-
keiten. Auch die Veraͤnderungen in den Koͤrpern laſ-
ſen ſich ohne die Begriffe der Ausdehnung, Soliditaͤt
und Beweglichkeit nicht gedenken, und der Eindruck,
den ſie in die Sinnen machen, muß ebenfalls ſich dar-
aus begreiflich machen. Demnach beruht die wahre
phyſiſche Sprache auch da noch auf dieſen Begriffen,
wo ſie am naͤchſten an die Sprache des Scheins grenzt.
Wir werden nun noch unterſuchen, wie ferne wir in
Anſehung der Empfindungen die wahre Sprache errei-
chen koͤnnen.

§. 68. Aus dem bisher geſagten erhellet, daß dieſe
Sprache in der Erklaͤrung des Mechaniſmi beſtehe,
nach welchem die Objecte einen Eindruck in die Sin-
nen machen, und ſie dehnt ſich auf jede Ausmeſſung der
Grade aus, die dabey vorkommen, es ſey, daß wir die
Grade der Empfindung unmittelbar mit den Graden
der wirkenden Urſache, oder wenigſtens mit den Graden
einer andern Wirkung vergleichen, die dieſe Urſache in
dem Koͤrper ſelbſt aͤußert, und die ausmeßbar iſt. Je
umſtaͤndlicher und vollſtaͤndiger wir alles dieſes in Ab-
ſicht auf jede Sinnen und Empfindungen erreichen koͤn-
nen, deſto vollſtaͤndiger und brauchbarer wird auch die
wahre Sprache, und ihre Ueberſetzung in die Sprache
des Scheins. Wir wollen die bereits vorhandenen
Beyſpiele nach dieſem Leitfaden durchgehen.

§. 69. Hiebey hat nun das Auge betraͤchtliche Vor-
zuͤge, weil die Wege des Lichtes und die Theorie des
Sehens in der Optik bereits auf Gruͤnde gebracht ſind.
Man konnte am Rande des Schattens den Weg des
Lichtes ſehen, wie er gerade fortgeht, oder nach gewiſſen

Ge-
Lamb. Organon II B. R
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[257/0263] Von dem ſinnlichen Schein. Hingegen faͤllt mit dem Licht die Farbe, mit der Luft der Schall und Geruch weg. Der Geſchmack iſt auch nicht bey allen, und die Waͤrme ebenfalls zufaͤllig ꝛc. Demnach ſind alle dieſe Begriffe den Koͤrpern nicht weſentlich, ſondern bloße Modificationen und Moͤglich- keiten. Auch die Veraͤnderungen in den Koͤrpern laſ- ſen ſich ohne die Begriffe der Ausdehnung, Soliditaͤt und Beweglichkeit nicht gedenken, und der Eindruck, den ſie in die Sinnen machen, muß ebenfalls ſich dar- aus begreiflich machen. Demnach beruht die wahre phyſiſche Sprache auch da noch auf dieſen Begriffen, wo ſie am naͤchſten an die Sprache des Scheins grenzt. Wir werden nun noch unterſuchen, wie ferne wir in Anſehung der Empfindungen die wahre Sprache errei- chen koͤnnen. §. 68. Aus dem bisher geſagten erhellet, daß dieſe Sprache in der Erklaͤrung des Mechaniſmi beſtehe, nach welchem die Objecte einen Eindruck in die Sin- nen machen, und ſie dehnt ſich auf jede Ausmeſſung der Grade aus, die dabey vorkommen, es ſey, daß wir die Grade der Empfindung unmittelbar mit den Graden der wirkenden Urſache, oder wenigſtens mit den Graden einer andern Wirkung vergleichen, die dieſe Urſache in dem Koͤrper ſelbſt aͤußert, und die ausmeßbar iſt. Je umſtaͤndlicher und vollſtaͤndiger wir alles dieſes in Ab- ſicht auf jede Sinnen und Empfindungen erreichen koͤn- nen, deſto vollſtaͤndiger und brauchbarer wird auch die wahre Sprache, und ihre Ueberſetzung in die Sprache des Scheins. Wir wollen die bereits vorhandenen Beyſpiele nach dieſem Leitfaden durchgehen. §. 69. Hiebey hat nun das Auge betraͤchtliche Vor- zuͤge, weil die Wege des Lichtes und die Theorie des Sehens in der Optik bereits auf Gruͤnde gebracht ſind. Man konnte am Rande des Schattens den Weg des Lichtes ſehen, wie er gerade fortgeht, oder nach gewiſſen Ge- Lamb. Organon II B. R

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/263>, abgerufen am 24.11.2024.