lichkeit (§. 62.) mit ihren Bestimmungen, Modifica- tionen und Verhältnissen. Jn Ansehung dieser Be- griffe ist der Schein von dem Wahren nicht der Art nach, sondern höchstens nur den Graden nach ver- schieden, und daher geht auch die Sprache des Scheins von der wahren Sprache bey dieser zweyten Classe nicht in den Worten, sondern nur in dem Gebrauch der Worte ab. Z. E. Was uns ausgedehnt zu seyn scheint, ist auch in der That ausgedehnt; wo eine scheinbare Bewegung ist, da ist auch in der That eine Bewegung etc.
§. 86. Man sieht leicht, daß sich die Uebersetzung aus der Sprache des Scheins in die wahre, und hin- wiederum aus dieser in jene, nach dem erst angezeigten Unterschiede beyder Classen richten muß. So ferne die scheinbare Ausdehnung und Bewegung, daher auch die scheinbare Figur, Größe, Lage, Ort, Entfernung, etc. mit der wahren, nach dem Urtheil des Auges muß vergli- chen werden, dafür hat man in der Optik längst schon Gründe festgesetzt, sowohl um aus dem Wahren den Schein, als auch hinwiederum aus dem Schein das Wahre zu bestimmen. Wir haben schon oben (§. 69.) angemerkt, daß die Bestimmung des scheinbaren Orts der Dinge und ihrer Entfernung noch etwas zurück- bleibe, und aus gleichen Gründen ist auch die Bestim- mung der scheinbaren Wölbung des Himmels noch ei- ner vollständigern Theorie bedürftig. Uebrigens haben sich die Astronomen die optischen Lehrsätze bisher noch am meisten zu Nutze gemacht, aus der scheinbaren Lage und Bewegung der Sterne die wahre zu finden, und hinwiederum aus dieser jene vorauszusagen.
§. 87. Hingegen ist die Uebersetzung aus der Spra- che des Scheins in die wahre, und hinwiederum aus dieser in jene, in Ansehung der Begriffe der ersten Classe ganz anders beschaffen, und bleibt noch in den meisten Fällen weit zurücke. Wir haben oben (§. 69.
seqq.)
II. Hauptſtuͤck.
lichkeit (§. 62.) mit ihren Beſtimmungen, Modifica- tionen und Verhaͤltniſſen. Jn Anſehung dieſer Be- griffe iſt der Schein von dem Wahren nicht der Art nach, ſondern hoͤchſtens nur den Graden nach ver- ſchieden, und daher geht auch die Sprache des Scheins von der wahren Sprache bey dieſer zweyten Claſſe nicht in den Worten, ſondern nur in dem Gebrauch der Worte ab. Z. E. Was uns ausgedehnt zu ſeyn ſcheint, iſt auch in der That ausgedehnt; wo eine ſcheinbare Bewegung iſt, da iſt auch in der That eine Bewegung ꝛc.
§. 86. Man ſieht leicht, daß ſich die Ueberſetzung aus der Sprache des Scheins in die wahre, und hin- wiederum aus dieſer in jene, nach dem erſt angezeigten Unterſchiede beyder Claſſen richten muß. So ferne die ſcheinbare Ausdehnung und Bewegung, daher auch die ſcheinbare Figur, Groͤße, Lage, Ort, Entfernung, ꝛc. mit der wahren, nach dem Urtheil des Auges muß vergli- chen werden, dafuͤr hat man in der Optik laͤngſt ſchon Gruͤnde feſtgeſetzt, ſowohl um aus dem Wahren den Schein, als auch hinwiederum aus dem Schein das Wahre zu beſtimmen. Wir haben ſchon oben (§. 69.) angemerkt, daß die Beſtimmung des ſcheinbaren Orts der Dinge und ihrer Entfernung noch etwas zuruͤck- bleibe, und aus gleichen Gruͤnden iſt auch die Beſtim- mung der ſcheinbaren Woͤlbung des Himmels noch ei- ner vollſtaͤndigern Theorie beduͤrftig. Uebrigens haben ſich die Aſtronomen die optiſchen Lehrſaͤtze bisher noch am meiſten zu Nutze gemacht, aus der ſcheinbaren Lage und Bewegung der Sterne die wahre zu finden, und hinwiederum aus dieſer jene vorauszuſagen.
§. 87. Hingegen iſt die Ueberſetzung aus der Spra- che des Scheins in die wahre, und hinwiederum aus dieſer in jene, in Anſehung der Begriffe der erſten Claſſe ganz anders beſchaffen, und bleibt noch in den meiſten Faͤllen weit zuruͤcke. Wir haben oben (§. 69.
ſeqq.)
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II. Hauptſtuͤck.
lichkeit (§. 62.) mit ihren Beſtimmungen, Modifica-
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griffe iſt der Schein von dem Wahren nicht der Art
nach, ſondern hoͤchſtens nur den Graden nach ver-
ſchieden, und daher geht auch die Sprache des Scheins
von der wahren Sprache bey dieſer zweyten Claſſe nicht
in den Worten, ſondern nur in dem Gebrauch der Worte
ab. Z. E. Was uns ausgedehnt zu ſeyn ſcheint, iſt auch
in der That ausgedehnt; wo eine ſcheinbare Bewegung
iſt, da iſt auch in der That eine Bewegung ꝛc.
§. 86. Man ſieht leicht, daß ſich die Ueberſetzung
aus der Sprache des Scheins in die wahre, und hin-
wiederum aus dieſer in jene, nach dem erſt angezeigten
Unterſchiede beyder Claſſen richten muß. So ferne die
ſcheinbare Ausdehnung und Bewegung, daher auch die
ſcheinbare Figur, Groͤße, Lage, Ort, Entfernung, ꝛc. mit
der wahren, nach dem Urtheil des Auges muß vergli-
chen werden, dafuͤr hat man in der Optik laͤngſt ſchon
Gruͤnde feſtgeſetzt, ſowohl um aus dem Wahren den
Schein, als auch hinwiederum aus dem Schein das
Wahre zu beſtimmen. Wir haben ſchon oben (§. 69.)
angemerkt, daß die Beſtimmung des ſcheinbaren Orts
der Dinge und ihrer Entfernung noch etwas zuruͤck-
bleibe, und aus gleichen Gruͤnden iſt auch die Beſtim-
mung der ſcheinbaren Woͤlbung des Himmels noch ei-
ner vollſtaͤndigern Theorie beduͤrftig. Uebrigens haben
ſich die Aſtronomen die optiſchen Lehrſaͤtze bisher noch
am meiſten zu Nutze gemacht, aus der ſcheinbaren Lage
und Bewegung der Sterne die wahre zu finden, und
hinwiederum aus dieſer jene vorauszuſagen.
§. 87. Hingegen iſt die Ueberſetzung aus der Spra-
che des Scheins in die wahre, und hinwiederum aus
dieſer in jene, in Anſehung der Begriffe der erſten
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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/276>, abgerufen am 18.07.2024.
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