hafte Hindernisse, z. E. Krankheit, Abwesenheit etc. ihn abhalten. Jn beyden Fällen aber kann das Bewußt- seyn des öftern Umganges zur Erörterung anderer Fra- gen dienen.
§. 161. Es kann ferner die wirkliche Abzählung der Fälle auch nur da gebraucht und vorgenommen werden, wo die durch einander laufenden Ursachen in ihren Ver- änderungen etwas Beständiges und Bestimmtes haben. Denn sonst würde man zwischen den zu jeder Classe ge- hörenden Fällen keine beständige oder bestimmte Ver- hältniß finden können, wenn sich immer neue Ursachen äußerten, oder einige auf hörten, ohne durch gleichgel- tende ersetzt zu werden, oder wenn sie nur für eine kurze Zeit dauern, wie es bey sehr vielen Verrichtungen eines Menschen geschieht. Jn solchen Fällen muß man demnach ganz andere Gründe gebrauchen, und die in- dividualen Umstände mit in Betrachtung ziehen, wenn man wahrscheinlich oder vollends gewiß bestimmen will, was wirklich seyn wird.
§. 162. Dieses leitet uns nun zu der dritten allge- meinen Art der Wahrscheinlichkeit. Wir können uns nämlich von geschehenen Dingen unmittelbar versichern, daß sie geschehen sind, wenn wir sie entweder selbst ge- than, oder gesehen haben, oder wenn wir Folgen davon sehen, aus denen sie sich nothwendig schließen lassen. Sind aber die Folgen, die wir finden, unzureichend, das Geschehene daraus zu erkennen, so gelangen wir dadurch auch nur zu einem gewissen Grade der Wahr- scheinlichkeit. Wir reichen ebenfalls nicht weiter, wenn wir aus den Umständen, Anläßen, Ursachen und Be- weggründen schließen müssen, ob die Sache geschehen sey, oder geschehen werde, zumal wenn sie Hindernissen unterworfen seyn kann. Die Folgen sind unzuverläßig, wenn sie sämtlich, oder jede für sich, von andern Ursa- chen herrühren können. Jndessen je mehr und je ver-
schiedener
V. Hauptſtuͤck.
hafte Hinderniſſe, z. E. Krankheit, Abweſenheit ꝛc. ihn abhalten. Jn beyden Faͤllen aber kann das Bewußt- ſeyn des oͤftern Umganges zur Eroͤrterung anderer Fra- gen dienen.
§. 161. Es kann ferner die wirkliche Abzaͤhlung der Faͤlle auch nur da gebraucht und vorgenommen werden, wo die durch einander laufenden Urſachen in ihren Ver- aͤnderungen etwas Beſtaͤndiges und Beſtimmtes haben. Denn ſonſt wuͤrde man zwiſchen den zu jeder Claſſe ge- hoͤrenden Faͤllen keine beſtaͤndige oder beſtimmte Ver- haͤltniß finden koͤnnen, wenn ſich immer neue Urſachen aͤußerten, oder einige auf hoͤrten, ohne durch gleichgel- tende erſetzt zu werden, oder wenn ſie nur fuͤr eine kurze Zeit dauern, wie es bey ſehr vielen Verrichtungen eines Menſchen geſchieht. Jn ſolchen Faͤllen muß man demnach ganz andere Gruͤnde gebrauchen, und die in- dividualen Umſtaͤnde mit in Betrachtung ziehen, wenn man wahrſcheinlich oder vollends gewiß beſtimmen will, was wirklich ſeyn wird.
§. 162. Dieſes leitet uns nun zu der dritten allge- meinen Art der Wahrſcheinlichkeit. Wir koͤnnen uns naͤmlich von geſchehenen Dingen unmittelbar verſichern, daß ſie geſchehen ſind, wenn wir ſie entweder ſelbſt ge- than, oder geſehen haben, oder wenn wir Folgen davon ſehen, aus denen ſie ſich nothwendig ſchließen laſſen. Sind aber die Folgen, die wir finden, unzureichend, das Geſchehene daraus zu erkennen, ſo gelangen wir dadurch auch nur zu einem gewiſſen Grade der Wahr- ſcheinlichkeit. Wir reichen ebenfalls nicht weiter, wenn wir aus den Umſtaͤnden, Anlaͤßen, Urſachen und Be- weggruͤnden ſchließen muͤſſen, ob die Sache geſchehen ſey, oder geſchehen werde, zumal wenn ſie Hinderniſſen unterworfen ſeyn kann. Die Folgen ſind unzuverlaͤßig, wenn ſie ſaͤmtlich, oder jede fuͤr ſich, von andern Urſa- chen herruͤhren koͤnnen. Jndeſſen je mehr und je ver-
ſchiedener
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V. Hauptſtuͤck.
hafte Hinderniſſe, z. E. Krankheit, Abweſenheit ꝛc. ihn
abhalten. Jn beyden Faͤllen aber kann das Bewußt-
ſeyn des oͤftern Umganges zur Eroͤrterung anderer Fra-
gen dienen.
§. 161. Es kann ferner die wirkliche Abzaͤhlung der
Faͤlle auch nur da gebraucht und vorgenommen werden,
wo die durch einander laufenden Urſachen in ihren Ver-
aͤnderungen etwas Beſtaͤndiges und Beſtimmtes haben.
Denn ſonſt wuͤrde man zwiſchen den zu jeder Claſſe ge-
hoͤrenden Faͤllen keine beſtaͤndige oder beſtimmte Ver-
haͤltniß finden koͤnnen, wenn ſich immer neue Urſachen
aͤußerten, oder einige auf hoͤrten, ohne durch gleichgel-
tende erſetzt zu werden, oder wenn ſie nur fuͤr eine kurze
Zeit dauern, wie es bey ſehr vielen Verrichtungen eines
Menſchen geſchieht. Jn ſolchen Faͤllen muß man
demnach ganz andere Gruͤnde gebrauchen, und die in-
dividualen Umſtaͤnde mit in Betrachtung ziehen, wenn
man wahrſcheinlich oder vollends gewiß beſtimmen will,
was wirklich ſeyn wird.
§. 162. Dieſes leitet uns nun zu der dritten allge-
meinen Art der Wahrſcheinlichkeit. Wir koͤnnen uns
naͤmlich von geſchehenen Dingen unmittelbar verſichern,
daß ſie geſchehen ſind, wenn wir ſie entweder ſelbſt ge-
than, oder geſehen haben, oder wenn wir Folgen davon
ſehen, aus denen ſie ſich nothwendig ſchließen laſſen.
Sind aber die Folgen, die wir finden, unzureichend,
das Geſchehene daraus zu erkennen, ſo gelangen wir
dadurch auch nur zu einem gewiſſen Grade der Wahr-
ſcheinlichkeit. Wir reichen ebenfalls nicht weiter, wenn
wir aus den Umſtaͤnden, Anlaͤßen, Urſachen und Be-
weggruͤnden ſchließen muͤſſen, ob die Sache geſchehen
ſey, oder geſchehen werde, zumal wenn ſie Hinderniſſen
unterworfen ſeyn kann. Die Folgen ſind unzuverlaͤßig,
wenn ſie ſaͤmtlich, oder jede fuͤr ſich, von andern Urſa-
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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764, S. 328. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/334>, abgerufen am 24.11.2024.
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