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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764.

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I. Hauptstück. Von der symbolischen
und da etwas Allgemeines und durchaus Wissenschaft-
liches dabey möglich bleibt, so haben wir uns bey sol-
chen einzelnen Stücken nicht aufhalten wollen. Denn
da die Zeichen von der Art seyn müssen, daß ihre Theo-
rie statt der Theorie der Sache selbst dienen soll, so ist
unstreitig, daß man erst letztere vollständig vor sich ha-
ben müsse, wenn man die Zeichen ganz dazu will einge-
richtet haben. So weit waren wir aber an angeführ-
ten Orten noch nicht gekommen. Jndessen kann die
für die Schlüsse angegebene Zeichnung zur Probe der
Möglichkeit dienen.

§. 44. Außer den bisher angeführten Arten der Zei-
chen (§. 25. seqq.) haben wir in der Dichtkunst einige,
wodurch die Form der Verse vorgestellet wird, z. E.
die Hexameter

[Tabelle]

wo das -- eine lange, das Breve aber eine kurze Sylbe
vorstellet. Diese Zeichen haben keine andere Theorie,
als daß sie sich combiniren lassen, um dadurch alle mög-
liche Versarten herauszubringen. Welche aber sich zu
jeder Art von Gedichten schicken, muß aus andern Grün-
den bestimmt werden. Wir haben eben dieses von den
Noten in der Musik angemerket (§. 25.). Man könn-
te statt dieser zwey Zeichen der kurzen und langen Syl-
ben, wirklich Noten gebrauchen, wenn man zugleich auch
auf die Abwechselung der Vocalen in den Worten se-
hen wollte, weil dieselben eben so gut, als die Länge der
Sylben, etwas musikalisches haben, worauf allem Anse-
hen nach der Ersinder der Namen ut, re, mi, fa etc. ge-
sehen. Es haben aber die lateinische, und besonders
die griechische Sprache, mehr Abwechselungen in den
Vocalen, und schicken sich daher zu dieser Art von Mu-
sik ungleich besser, und überhaupt kömmt es dabey mehr

auf

I. Hauptſtuͤck. Von der ſymboliſchen
und da etwas Allgemeines und durchaus Wiſſenſchaft-
liches dabey moͤglich bleibt, ſo haben wir uns bey ſol-
chen einzelnen Stuͤcken nicht aufhalten wollen. Denn
da die Zeichen von der Art ſeyn muͤſſen, daß ihre Theo-
rie ſtatt der Theorie der Sache ſelbſt dienen ſoll, ſo iſt
unſtreitig, daß man erſt letztere vollſtaͤndig vor ſich ha-
ben muͤſſe, wenn man die Zeichen ganz dazu will einge-
richtet haben. So weit waren wir aber an angefuͤhr-
ten Orten noch nicht gekommen. Jndeſſen kann die
fuͤr die Schluͤſſe angegebene Zeichnung zur Probe der
Moͤglichkeit dienen.

§. 44. Außer den bisher angefuͤhrten Arten der Zei-
chen (§. 25. ſeqq.) haben wir in der Dichtkunſt einige,
wodurch die Form der Verſe vorgeſtellet wird, z. E.
die Hexameter

[Tabelle]

wo das — eine lange, das ⏑ aber eine kurze Sylbe
vorſtellet. Dieſe Zeichen haben keine andere Theorie,
als daß ſie ſich combiniren laſſen, um dadurch alle moͤg-
liche Versarten herauszubringen. Welche aber ſich zu
jeder Art von Gedichten ſchicken, muß aus andern Gruͤn-
den beſtimmt werden. Wir haben eben dieſes von den
Noten in der Muſik angemerket (§. 25.). Man koͤnn-
te ſtatt dieſer zwey Zeichen der kurzen und langen Syl-
ben, wirklich Noten gebrauchen, wenn man zugleich auch
auf die Abwechſelung der Vocalen in den Worten ſe-
hen wollte, weil dieſelben eben ſo gut, als die Laͤnge der
Sylben, etwas muſikaliſches haben, worauf allem Anſe-
hen nach der Erſinder der Namen ut, re, mi, fa ꝛc. ge-
ſehen. Es haben aber die lateiniſche, und beſonders
die griechiſche Sprache, mehr Abwechſelungen in den
Vocalen, und ſchicken ſich daher zu dieſer Art von Mu-
ſik ungleich beſſer, und uͤberhaupt koͤmmt es dabey mehr

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[28/0034] I. Hauptſtuͤck. Von der ſymboliſchen und da etwas Allgemeines und durchaus Wiſſenſchaft- liches dabey moͤglich bleibt, ſo haben wir uns bey ſol- chen einzelnen Stuͤcken nicht aufhalten wollen. Denn da die Zeichen von der Art ſeyn muͤſſen, daß ihre Theo- rie ſtatt der Theorie der Sache ſelbſt dienen ſoll, ſo iſt unſtreitig, daß man erſt letztere vollſtaͤndig vor ſich ha- ben muͤſſe, wenn man die Zeichen ganz dazu will einge- richtet haben. So weit waren wir aber an angefuͤhr- ten Orten noch nicht gekommen. Jndeſſen kann die fuͤr die Schluͤſſe angegebene Zeichnung zur Probe der Moͤglichkeit dienen. §. 44. Außer den bisher angefuͤhrten Arten der Zei- chen (§. 25. ſeqq.) haben wir in der Dichtkunſt einige, wodurch die Form der Verſe vorgeſtellet wird, z. E. die Hexameter wo das — eine lange, das ⏑ aber eine kurze Sylbe vorſtellet. Dieſe Zeichen haben keine andere Theorie, als daß ſie ſich combiniren laſſen, um dadurch alle moͤg- liche Versarten herauszubringen. Welche aber ſich zu jeder Art von Gedichten ſchicken, muß aus andern Gruͤn- den beſtimmt werden. Wir haben eben dieſes von den Noten in der Muſik angemerket (§. 25.). Man koͤnn- te ſtatt dieſer zwey Zeichen der kurzen und langen Syl- ben, wirklich Noten gebrauchen, wenn man zugleich auch auf die Abwechſelung der Vocalen in den Worten ſe- hen wollte, weil dieſelben eben ſo gut, als die Laͤnge der Sylben, etwas muſikaliſches haben, worauf allem Anſe- hen nach der Erſinder der Namen ut, re, mi, fa ꝛc. ge- ſehen. Es haben aber die lateiniſche, und beſonders die griechiſche Sprache, mehr Abwechſelungen in den Vocalen, und ſchicken ſich daher zu dieſer Art von Mu- ſik ungleich beſſer, und uͤberhaupt koͤmmt es dabey mehr auf

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/34>, abgerufen am 28.04.2024.