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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764.

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V. Hauptstück.
dig habe? oder wieferne die vorhandenen Thei-
ie der einen Jnduction die Lücken der andern
ausfüllen können?
Denn man sieht leicht, daß, so
ferne dieses angeht, dadurch die Aufhäufung überflüßi-
ger Argumente erspart, und der Anstand über ihre Voll-
ständigkeit gehoben wird. Man sieht aber zugleich auch
überhaupt ein, daß zu dieser Absicht nicht jede Argu-
mente dienen, und daß man auch hiebey wiederum
mehr auf ihre Beschaffenheit als auf ihre Men-
ge
zu sehen habe. Wir wollen nun, um zu zeigen, daß
diese Frage zuweilen angehe, ein Beyspiel anführen,
woraus zugleich erhellen wird, welche Vortheile wir von
richtigen Eintheilungen der Gattungen in Arten zu er-
warten hätten, wenn sie in Menge vorräthig wären.

§. 177. Es sey demnach, wie oben (§. 170.) C eine
Gattung, B, P, Q, R etc. ihre nächsten Arten. Jst nun
die Eintheilung richtig gemacht, so hat jede Art, z. E.
B nothwendig nur zweyerley Merkmale. Einmal alle,
die die Gattung C hat, und diese finden sich in jeder der
übrigen Arten P, Q, R etc. Sodann solche, die die
Gattung C nicht hat, und diese finden sich auch noth-
wendig in den Arten P, Q, R etc. nicht. Dieses folgt
aus der Voraussetzung, daß die Eintheilung richtig, und
C die nächst höhere Gattung von B, P, Q, R etc. sey.
als welche außer den Merkmalen des C keine haben sol-
len, die mehr als einer dieser Arten zukämen. Man
habe nun den Satz: alle B sind D; so giebt es fol-
gende Fälle:

1. Findet man, daß alle C ebenfalls D sind; so kömmt
D nicht nur allen B, sondern auch allen P, Q, R etc.
zu. Denn in diesem Fall gehört D unter die ge-
meinsamen Merkmale von diesen Arten.
2. Findet man aber, daß etliche C nicht D, hingegen
alle B, D sind; so gehört D nothwendig nicht un-
ter die Prädicate der übrigen Arten P, Q, R etc.
weil

V. Hauptſtuͤck.
dig habe? oder wieferne die vorhandenen Thei-
ie der einen Jnduction die Luͤcken der andern
ausfuͤllen koͤnnen?
Denn man ſieht leicht, daß, ſo
ferne dieſes angeht, dadurch die Aufhaͤufung uͤberfluͤßi-
ger Argumente erſpart, und der Anſtand uͤber ihre Voll-
ſtaͤndigkeit gehoben wird. Man ſieht aber zugleich auch
uͤberhaupt ein, daß zu dieſer Abſicht nicht jede Argu-
mente dienen, und daß man auch hiebey wiederum
mehr auf ihre Beſchaffenheit als auf ihre Men-
ge
zu ſehen habe. Wir wollen nun, um zu zeigen, daß
dieſe Frage zuweilen angehe, ein Beyſpiel anfuͤhren,
woraus zugleich erhellen wird, welche Vortheile wir von
richtigen Eintheilungen der Gattungen in Arten zu er-
warten haͤtten, wenn ſie in Menge vorraͤthig waͤren.

§. 177. Es ſey demnach, wie oben (§. 170.) C eine
Gattung, B, P, Q, R ꝛc. ihre naͤchſten Arten. Jſt nun
die Eintheilung richtig gemacht, ſo hat jede Art, z. E.
B nothwendig nur zweyerley Merkmale. Einmal alle,
die die Gattung C hat, und dieſe finden ſich in jeder der
uͤbrigen Arten P, Q, R ꝛc. Sodann ſolche, die die
Gattung C nicht hat, und dieſe finden ſich auch noth-
wendig in den Arten P, Q, R ꝛc. nicht. Dieſes folgt
aus der Vorausſetzung, daß die Eintheilung richtig, und
C die naͤchſt hoͤhere Gattung von B, P, Q, R ꝛc. ſey.
als welche außer den Merkmalen des C keine haben ſol-
len, die mehr als einer dieſer Arten zukaͤmen. Man
habe nun den Satz: alle B ſind D; ſo giebt es fol-
gende Faͤlle:

1. Findet man, daß alle C ebenfalls D ſind; ſo koͤmmt
D nicht nur allen B, ſondern auch allen P, Q, R ꝛc.
zu. Denn in dieſem Fall gehoͤrt D unter die ge-
meinſamen Merkmale von dieſen Arten.
2. Findet man aber, daß etliche C nicht D, hingegen
alle B, D ſind; ſo gehoͤrt D nothwendig nicht un-
ter die Praͤdicate der uͤbrigen Arten P, Q, R ꝛc.
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[346/0352] V. Hauptſtuͤck. dig habe? oder wieferne die vorhandenen Thei- ie der einen Jnduction die Luͤcken der andern ausfuͤllen koͤnnen? Denn man ſieht leicht, daß, ſo ferne dieſes angeht, dadurch die Aufhaͤufung uͤberfluͤßi- ger Argumente erſpart, und der Anſtand uͤber ihre Voll- ſtaͤndigkeit gehoben wird. Man ſieht aber zugleich auch uͤberhaupt ein, daß zu dieſer Abſicht nicht jede Argu- mente dienen, und daß man auch hiebey wiederum mehr auf ihre Beſchaffenheit als auf ihre Men- ge zu ſehen habe. Wir wollen nun, um zu zeigen, daß dieſe Frage zuweilen angehe, ein Beyſpiel anfuͤhren, woraus zugleich erhellen wird, welche Vortheile wir von richtigen Eintheilungen der Gattungen in Arten zu er- warten haͤtten, wenn ſie in Menge vorraͤthig waͤren. §. 177. Es ſey demnach, wie oben (§. 170.) C eine Gattung, B, P, Q, R ꝛc. ihre naͤchſten Arten. Jſt nun die Eintheilung richtig gemacht, ſo hat jede Art, z. E. B nothwendig nur zweyerley Merkmale. Einmal alle, die die Gattung C hat, und dieſe finden ſich in jeder der uͤbrigen Arten P, Q, R ꝛc. Sodann ſolche, die die Gattung C nicht hat, und dieſe finden ſich auch noth- wendig in den Arten P, Q, R ꝛc. nicht. Dieſes folgt aus der Vorausſetzung, daß die Eintheilung richtig, und C die naͤchſt hoͤhere Gattung von B, P, Q, R ꝛc. ſey. als welche außer den Merkmalen des C keine haben ſol- len, die mehr als einer dieſer Arten zukaͤmen. Man habe nun den Satz: alle B ſind D; ſo giebt es fol- gende Faͤlle: 1. Findet man, daß alle C ebenfalls D ſind; ſo koͤmmt D nicht nur allen B, ſondern auch allen P, Q, R ꝛc. zu. Denn in dieſem Fall gehoͤrt D unter die ge- meinſamen Merkmale von dieſen Arten. 2. Findet man aber, daß etliche C nicht D, hingegen alle B, D ſind; ſo gehoͤrt D nothwendig nicht un- ter die Praͤdicate der uͤbrigen Arten P, Q, R ꝛc. weil

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764, S. 346. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/352>, abgerufen am 22.11.2024.