Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764.

Bild:
<< vorherige Seite

Von dem Wahrscheinlichen.
der Merkmale des A, daß sie einigen B zukommen, da
man es doch von dem ganzen Begriffe A weiß. Wir
machen hier diese Anmerkung von der Umkehrung der
Sätze, weil man dieselbe gebraucht, wo Schlüsse aus
einer Figur in eine andere gebracht werden. Uebrigens
wenn bey einem Satze das Bindwörtgen einen Bruch
hat, so bleibt derselbe auch bey dem Bindwörtgen des
umgekehrten Satzes, weil die Wahrscheinlichkeit, die
sich auf den ganzen Satz ausbreitet, bey der Umkehrung
nicht verändert wird.

§. 212. Die Grade der Wahrscheinlichkeit, die man
für das Bejahen und für das Verneinen der Schluß-
sätze herausbringt, machen zusammengenommen, nicht
immer ein Ganzes, weil öfters noch ein beträchtlicher
Theil unbestimmt bleibt, wie wir es in dem (§. 200. 201.)
angebrachten Beyspiel der Schlußketten sehen. Man
hat demnach allerdings dieses unbestimmten Theils
Rechnung zu tragen, wenn man aus dem Grade der
Wahrscheinlichkeit auf den Grad der Unwahrscheinlich-
keit schließen will. Wir wollen die einfachern Fälle,
wie sich eine Unbestimmtheit in das Bindwörtgen zie-
hen kann, noch kürzlich anzeigen.

§. 213. Man habe demnach

1/4 A sind B.
alle C sind A.

Weiß man hier nur, daß 3/4 A, B sind, ohne zu wissen,
ob die übrigen es sind oder nicht; so ist der Schlußsatz

alle C 1/4 sind B

nur für die positive Wahrscheinlichkeit, und es folgt nicht
daraus, daß kein C 3/4 nicht B sey, sondern die Wahr-
scheinlichkeit des Verneinens bleibt ganz unbestimmt.
Daher zeigt die gefundene Wahrscheinlichkeit des Be-
jahens auch nur den Theil an, den wir gewiß wissen.
Demnach ist der Schlußsatz

[Formel 1]


§. 214.
A a 5

Von dem Wahrſcheinlichen.
der Merkmale des A, daß ſie einigen B zukommen, da
man es doch von dem ganzen Begriffe A weiß. Wir
machen hier dieſe Anmerkung von der Umkehrung der
Saͤtze, weil man dieſelbe gebraucht, wo Schluͤſſe aus
einer Figur in eine andere gebracht werden. Uebrigens
wenn bey einem Satze das Bindwoͤrtgen einen Bruch
hat, ſo bleibt derſelbe auch bey dem Bindwoͤrtgen des
umgekehrten Satzes, weil die Wahrſcheinlichkeit, die
ſich auf den ganzen Satz ausbreitet, bey der Umkehrung
nicht veraͤndert wird.

§. 212. Die Grade der Wahrſcheinlichkeit, die man
fuͤr das Bejahen und fuͤr das Verneinen der Schluß-
ſaͤtze herausbringt, machen zuſammengenommen, nicht
immer ein Ganzes, weil oͤfters noch ein betraͤchtlicher
Theil unbeſtimmt bleibt, wie wir es in dem (§. 200. 201.)
angebrachten Beyſpiel der Schlußketten ſehen. Man
hat demnach allerdings dieſes unbeſtimmten Theils
Rechnung zu tragen, wenn man aus dem Grade der
Wahrſcheinlichkeit auf den Grad der Unwahrſcheinlich-
keit ſchließen will. Wir wollen die einfachern Faͤlle,
wie ſich eine Unbeſtimmtheit in das Bindwoͤrtgen zie-
hen kann, noch kuͤrzlich anzeigen.

§. 213. Man habe demnach

¼ A ſind B.
alle C ſind A.

Weiß man hier nur, daß ¾ A, B ſind, ohne zu wiſſen,
ob die uͤbrigen es ſind oder nicht; ſo iſt der Schlußſatz

alle C ¼ ſind B

nur fuͤr die poſitive Wahrſcheinlichkeit, und es folgt nicht
daraus, daß kein C ¾ nicht B ſey, ſondern die Wahr-
ſcheinlichkeit des Verneinens bleibt ganz unbeſtimmt.
Daher zeigt die gefundene Wahrſcheinlichkeit des Be-
jahens auch nur den Theil an, den wir gewiß wiſſen.
Demnach iſt der Schlußſatz

[Formel 1]


§. 214.
A a 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0383" n="377"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Von dem Wahr&#x017F;cheinlichen.</hi></fw><lb/>
der Merkmale des <hi rendition="#aq">A,</hi> daß &#x017F;ie einigen <hi rendition="#aq">B</hi> zukommen, da<lb/>
man es doch von dem ganzen Begriffe <hi rendition="#aq">A</hi> weiß. Wir<lb/>
machen hier die&#x017F;e Anmerkung von der Umkehrung der<lb/>
Sa&#x0364;tze, weil man die&#x017F;elbe gebraucht, wo Schlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e aus<lb/>
einer Figur in eine andere gebracht werden. Uebrigens<lb/>
wenn bey einem Satze das Bindwo&#x0364;rtgen einen Bruch<lb/>
hat, &#x017F;o bleibt der&#x017F;elbe auch bey dem Bindwo&#x0364;rtgen des<lb/>
umgekehrten Satzes, weil die Wahr&#x017F;cheinlichkeit, die<lb/>
&#x017F;ich auf den ganzen Satz ausbreitet, bey der Umkehrung<lb/>
nicht vera&#x0364;ndert wird.</p><lb/>
          <p>§. 212. Die Grade der Wahr&#x017F;cheinlichkeit, die man<lb/>
fu&#x0364;r das Bejahen und fu&#x0364;r das Verneinen der Schluß-<lb/>
&#x017F;a&#x0364;tze herausbringt, machen zu&#x017F;ammengenommen, nicht<lb/>
immer ein Ganzes, weil o&#x0364;fters noch ein betra&#x0364;chtlicher<lb/>
Theil unbe&#x017F;timmt bleibt, wie wir es in dem (§. 200. 201.)<lb/>
angebrachten Bey&#x017F;piel der Schlußketten &#x017F;ehen. Man<lb/>
hat demnach allerdings die&#x017F;es unbe&#x017F;timmten Theils<lb/>
Rechnung zu tragen, wenn man aus dem Grade der<lb/>
Wahr&#x017F;cheinlichkeit auf den Grad der Unwahr&#x017F;cheinlich-<lb/>
keit &#x017F;chließen will. Wir wollen die einfachern Fa&#x0364;lle,<lb/>
wie &#x017F;ich eine Unbe&#x017F;timmtheit in das Bindwo&#x0364;rtgen zie-<lb/>
hen kann, noch ku&#x0364;rzlich anzeigen.</p><lb/>
          <p>§. 213. Man habe demnach</p><lb/>
          <list>
            <item>¼ <hi rendition="#aq">A</hi> &#x017F;ind <hi rendition="#aq">B.</hi></item><lb/>
            <item>alle <hi rendition="#aq">C</hi> &#x017F;ind <hi rendition="#aq">A.</hi></item>
          </list><lb/>
          <p>Weiß man hier nur, daß ¾ <hi rendition="#aq">A, B</hi> &#x017F;ind, ohne zu wi&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
ob die u&#x0364;brigen es &#x017F;ind oder nicht; &#x017F;o i&#x017F;t der Schluß&#x017F;atz</p><lb/>
          <list>
            <item>alle <hi rendition="#aq">C</hi> ¼ &#x017F;ind <hi rendition="#aq">B</hi></item>
          </list><lb/>
          <p>nur fu&#x0364;r die po&#x017F;itive Wahr&#x017F;cheinlichkeit, und es folgt nicht<lb/>
daraus, daß kein <hi rendition="#aq">C</hi> ¾ nicht <hi rendition="#aq">B</hi> &#x017F;ey, &#x017F;ondern die Wahr-<lb/>
&#x017F;cheinlichkeit des Verneinens bleibt ganz unbe&#x017F;timmt.<lb/>
Daher zeigt die gefundene Wahr&#x017F;cheinlichkeit des Be-<lb/>
jahens auch nur den Theil an, den wir gewiß wi&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Demnach i&#x017F;t der Schluß&#x017F;atz</p><lb/>
          <p>
            <formula/>
          </p>
          <fw place="bottom" type="sig">A a 5</fw>
          <fw place="bottom" type="catch">§. 214.</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[377/0383] Von dem Wahrſcheinlichen. der Merkmale des A, daß ſie einigen B zukommen, da man es doch von dem ganzen Begriffe A weiß. Wir machen hier dieſe Anmerkung von der Umkehrung der Saͤtze, weil man dieſelbe gebraucht, wo Schluͤſſe aus einer Figur in eine andere gebracht werden. Uebrigens wenn bey einem Satze das Bindwoͤrtgen einen Bruch hat, ſo bleibt derſelbe auch bey dem Bindwoͤrtgen des umgekehrten Satzes, weil die Wahrſcheinlichkeit, die ſich auf den ganzen Satz ausbreitet, bey der Umkehrung nicht veraͤndert wird. §. 212. Die Grade der Wahrſcheinlichkeit, die man fuͤr das Bejahen und fuͤr das Verneinen der Schluß- ſaͤtze herausbringt, machen zuſammengenommen, nicht immer ein Ganzes, weil oͤfters noch ein betraͤchtlicher Theil unbeſtimmt bleibt, wie wir es in dem (§. 200. 201.) angebrachten Beyſpiel der Schlußketten ſehen. Man hat demnach allerdings dieſes unbeſtimmten Theils Rechnung zu tragen, wenn man aus dem Grade der Wahrſcheinlichkeit auf den Grad der Unwahrſcheinlich- keit ſchließen will. Wir wollen die einfachern Faͤlle, wie ſich eine Unbeſtimmtheit in das Bindwoͤrtgen zie- hen kann, noch kuͤrzlich anzeigen. §. 213. Man habe demnach ¼ A ſind B. alle C ſind A. Weiß man hier nur, daß ¾ A, B ſind, ohne zu wiſſen, ob die uͤbrigen es ſind oder nicht; ſo iſt der Schlußſatz alle C ¼ ſind B nur fuͤr die poſitive Wahrſcheinlichkeit, und es folgt nicht daraus, daß kein C ¾ nicht B ſey, ſondern die Wahr- ſcheinlichkeit des Verneinens bleibt ganz unbeſtimmt. Daher zeigt die gefundene Wahrſcheinlichkeit des Be- jahens auch nur den Theil an, den wir gewiß wiſſen. Demnach iſt der Schlußſatz [FORMEL] §. 214. A a 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/383
Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764, S. 377. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/383>, abgerufen am 21.11.2024.