Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764.

Bild:
<< vorherige Seite

Von dem Wahrscheinlichen.
satzes ganz zukomme, oder ob das Subject alle Merk-
male des Prädicats habe. Dieses macht den Schluß-
satz, so weit wir es wissen, wahrscheinlich, so weit wir es
nicht wissen, oder das Gegentheil finden, unbestimmt.
4. Haben wir eben diesen Anstand in Ansehung des
Obersatzes; wenn wir denselben bejahend nehmen, so
fällt der Zweifel auch ganz auf den Schlußsatz, weil,
wenn das Subject auch nur ein Merkmal des Prädi-
cats nicht hat, dadurch der Obersatz, und mit demselben
der Schlußsatz, verneinend wird.

§. 224. Dieses sind nun die vier unmittelbaren
Quellen, aus welchen das Unzureichende der Gründe
fließt, wenn wir sie in der ersten Figur vortragen. Je-
de hat auf den Schlußsatz einen besondern Einfluß.
Es geschieht aber öfters, daß wir die Vordersätze als
noch eines Beweises bedürftig ansehen, ohne so gleich
zu wissen, an welchem von den ersterwähnten 4 Stücken
es ihnen fehle (§. 217. seqq.). Werden sie ebenfalls durch
Schlüsse der ersten Figur erwiesen, so sieht man leicht,
daß diese 4 Quellen wiederum vorkommen, und einen
entferntern Einfluß in den Schlußsatz haben können.

§. 224 a. Wir gebrauchen die zweyte Figur, um die
Verschiedenheit der Begriffe und Dinge zu bewei-
sen. Der Zweifel an der Allgemeinheit des Obersatzes
geht auf die Gültigkeit des Schlußsatzes, so wie hin-
gegen der Anstand über die Allgemeinheit des Untersat-
zes sich auf die Allgemeinheit des Schlußsatzes er-
streckt. Steht man an, ob das Subject des bejahen-
den Vordersatzes alle Merkmale des Prädicats habe,
so wird der Schlußsatz, so weit man es gewiß weiß,
wahrscheinlich, so weit man es nicht weiß, unbestimmt.
Steht man hingegen an, ob der verneinende Vordersatz
wirklich verneine, so wird auch die Gültigkeit des Ver-
neinens im Schlußsatze zweifelhaft, und öfters kömmt
hiebey der oben (§. 168.) betrachtete Fall vor.

§. 225.
Lamb. Organon II B. B b

Von dem Wahrſcheinlichen.
ſatzes ganz zukomme, oder ob das Subject alle Merk-
male des Praͤdicats habe. Dieſes macht den Schluß-
ſatz, ſo weit wir es wiſſen, wahrſcheinlich, ſo weit wir es
nicht wiſſen, oder das Gegentheil finden, unbeſtimmt.
4. Haben wir eben dieſen Anſtand in Anſehung des
Oberſatzes; wenn wir denſelben bejahend nehmen, ſo
faͤllt der Zweifel auch ganz auf den Schlußſatz, weil,
wenn das Subject auch nur ein Merkmal des Praͤdi-
cats nicht hat, dadurch der Oberſatz, und mit demſelben
der Schlußſatz, verneinend wird.

§. 224. Dieſes ſind nun die vier unmittelbaren
Quellen, aus welchen das Unzureichende der Gruͤnde
fließt, wenn wir ſie in der erſten Figur vortragen. Je-
de hat auf den Schlußſatz einen beſondern Einfluß.
Es geſchieht aber oͤfters, daß wir die Vorderſaͤtze als
noch eines Beweiſes beduͤrftig anſehen, ohne ſo gleich
zu wiſſen, an welchem von den erſterwaͤhnten 4 Stuͤcken
es ihnen fehle (§. 217. ſeqq.). Werden ſie ebenfalls durch
Schluͤſſe der erſten Figur erwieſen, ſo ſieht man leicht,
daß dieſe 4 Quellen wiederum vorkommen, und einen
entferntern Einfluß in den Schlußſatz haben koͤnnen.

§. 224 a. Wir gebrauchen die zweyte Figur, um die
Verſchiedenheit der Begriffe und Dinge zu bewei-
ſen. Der Zweifel an der Allgemeinheit des Oberſatzes
geht auf die Guͤltigkeit des Schlußſatzes, ſo wie hin-
gegen der Anſtand uͤber die Allgemeinheit des Unterſat-
zes ſich auf die Allgemeinheit des Schlußſatzes er-
ſtreckt. Steht man an, ob das Subject des bejahen-
den Vorderſatzes alle Merkmale des Praͤdicats habe,
ſo wird der Schlußſatz, ſo weit man es gewiß weiß,
wahrſcheinlich, ſo weit man es nicht weiß, unbeſtimmt.
Steht man hingegen an, ob der verneinende Vorderſatz
wirklich verneine, ſo wird auch die Guͤltigkeit des Ver-
neinens im Schlußſatze zweifelhaft, und oͤfters koͤmmt
hiebey der oben (§. 168.) betrachtete Fall vor.

§. 225.
Lamb. Organon II B. B b
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0391" n="385"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Von dem Wahr&#x017F;cheinlichen.</hi></fw><lb/>
&#x017F;atzes ganz zukomme, oder ob das Subject alle Merk-<lb/>
male des Pra&#x0364;dicats habe. Die&#x017F;es macht den Schluß-<lb/>
&#x017F;atz, &#x017F;o weit wir es wi&#x017F;&#x017F;en, wahr&#x017F;cheinlich, &#x017F;o weit wir es<lb/>
nicht wi&#x017F;&#x017F;en, oder das Gegentheil finden, unbe&#x017F;timmt.<lb/>
4. Haben wir eben die&#x017F;en An&#x017F;tand in An&#x017F;ehung des<lb/>
Ober&#x017F;atzes; wenn wir den&#x017F;elben bejahend nehmen, &#x017F;o<lb/>
fa&#x0364;llt der Zweifel auch ganz auf den Schluß&#x017F;atz, weil,<lb/>
wenn das Subject auch nur ein Merkmal des Pra&#x0364;di-<lb/>
cats nicht hat, dadurch der Ober&#x017F;atz, und mit dem&#x017F;elben<lb/>
der Schluß&#x017F;atz, verneinend wird.</p><lb/>
          <p>§. 224. Die&#x017F;es &#x017F;ind nun die vier <hi rendition="#fr">unmittelbaren</hi><lb/>
Quellen, aus welchen das Unzureichende der <hi rendition="#fr">Gru&#x0364;nde</hi><lb/>
fließt, wenn wir &#x017F;ie in der er&#x017F;ten Figur vortragen. Je-<lb/>
de hat auf den Schluß&#x017F;atz einen be&#x017F;ondern Einfluß.<lb/>
Es ge&#x017F;chieht aber o&#x0364;fters, daß wir die Vorder&#x017F;a&#x0364;tze als<lb/>
noch eines Bewei&#x017F;es bedu&#x0364;rftig an&#x017F;ehen, ohne &#x017F;o gleich<lb/>
zu wi&#x017F;&#x017F;en, an welchem von den er&#x017F;terwa&#x0364;hnten 4 Stu&#x0364;cken<lb/>
es ihnen fehle (§. 217. <hi rendition="#aq">&#x017F;eqq.</hi>). Werden &#x017F;ie ebenfalls durch<lb/>
Schlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e der er&#x017F;ten Figur erwie&#x017F;en, &#x017F;o &#x017F;ieht man leicht,<lb/>
daß die&#x017F;e 4 Quellen wiederum vorkommen, und einen<lb/>
entferntern Einfluß in den Schluß&#x017F;atz haben ko&#x0364;nnen.</p><lb/>
          <p>§. 224 <hi rendition="#aq">a.</hi> Wir gebrauchen die zweyte Figur, um die<lb/><hi rendition="#fr">Ver&#x017F;chiedenheit</hi> der Begriffe und Dinge zu bewei-<lb/>
&#x017F;en. Der Zweifel an der Allgemeinheit des Ober&#x017F;atzes<lb/>
geht auf die <hi rendition="#fr">Gu&#x0364;ltigkeit</hi> des Schluß&#x017F;atzes, &#x017F;o wie hin-<lb/>
gegen der An&#x017F;tand u&#x0364;ber die Allgemeinheit des Unter&#x017F;at-<lb/>
zes &#x017F;ich auf die <hi rendition="#fr">Allgemeinheit</hi> des Schluß&#x017F;atzes er-<lb/>
&#x017F;treckt. Steht man an, ob das Subject des bejahen-<lb/>
den Vorder&#x017F;atzes alle Merkmale des Pra&#x0364;dicats habe,<lb/>
&#x017F;o wird der Schluß&#x017F;atz, &#x017F;o weit man es gewiß weiß,<lb/>
wahr&#x017F;cheinlich, &#x017F;o weit man es nicht weiß, unbe&#x017F;timmt.<lb/>
Steht man hingegen an, ob der verneinende Vorder&#x017F;atz<lb/>
wirklich verneine, &#x017F;o wird auch die Gu&#x0364;ltigkeit des Ver-<lb/>
neinens im Schluß&#x017F;atze zweifelhaft, und o&#x0364;fters ko&#x0364;mmt<lb/>
hiebey der oben (§. 168.) betrachtete Fall vor.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">Lamb. Organon <hi rendition="#aq">II</hi> B. B b</fw>
          <fw place="bottom" type="catch">§. 225.</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[385/0391] Von dem Wahrſcheinlichen. ſatzes ganz zukomme, oder ob das Subject alle Merk- male des Praͤdicats habe. Dieſes macht den Schluß- ſatz, ſo weit wir es wiſſen, wahrſcheinlich, ſo weit wir es nicht wiſſen, oder das Gegentheil finden, unbeſtimmt. 4. Haben wir eben dieſen Anſtand in Anſehung des Oberſatzes; wenn wir denſelben bejahend nehmen, ſo faͤllt der Zweifel auch ganz auf den Schlußſatz, weil, wenn das Subject auch nur ein Merkmal des Praͤdi- cats nicht hat, dadurch der Oberſatz, und mit demſelben der Schlußſatz, verneinend wird. §. 224. Dieſes ſind nun die vier unmittelbaren Quellen, aus welchen das Unzureichende der Gruͤnde fließt, wenn wir ſie in der erſten Figur vortragen. Je- de hat auf den Schlußſatz einen beſondern Einfluß. Es geſchieht aber oͤfters, daß wir die Vorderſaͤtze als noch eines Beweiſes beduͤrftig anſehen, ohne ſo gleich zu wiſſen, an welchem von den erſterwaͤhnten 4 Stuͤcken es ihnen fehle (§. 217. ſeqq.). Werden ſie ebenfalls durch Schluͤſſe der erſten Figur erwieſen, ſo ſieht man leicht, daß dieſe 4 Quellen wiederum vorkommen, und einen entferntern Einfluß in den Schlußſatz haben koͤnnen. §. 224 a. Wir gebrauchen die zweyte Figur, um die Verſchiedenheit der Begriffe und Dinge zu bewei- ſen. Der Zweifel an der Allgemeinheit des Oberſatzes geht auf die Guͤltigkeit des Schlußſatzes, ſo wie hin- gegen der Anſtand uͤber die Allgemeinheit des Unterſat- zes ſich auf die Allgemeinheit des Schlußſatzes er- ſtreckt. Steht man an, ob das Subject des bejahen- den Vorderſatzes alle Merkmale des Praͤdicats habe, ſo wird der Schlußſatz, ſo weit man es gewiß weiß, wahrſcheinlich, ſo weit man es nicht weiß, unbeſtimmt. Steht man hingegen an, ob der verneinende Vorderſatz wirklich verneine, ſo wird auch die Guͤltigkeit des Ver- neinens im Schlußſatze zweifelhaft, und oͤfters koͤmmt hiebey der oben (§. 168.) betrachtete Fall vor. §. 225. Lamb. Organon II B. B b

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/391
Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764, S. 385. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/391>, abgerufen am 21.11.2024.