Hier hat man nun in der ersten Wagschal das kleine- re Gewicht doppelt, in der andern ein bekanntes Ge- wicht, demnach wird y die Hälfte desselben seyn, die- ses heißt
y = a -- b/2
So weitläuftig aber raisonirt ein Algebraiste nicht. Denn da er weiß, daß in der Gleichung
2 y + b = a
das y auf der einen Seite allein bleiben soll, so fängt er an, das b auf die andere Seite zu bringen, und die ersten Gründe der Algeber geben ihm ein für allemal an, es müsse mit Verwechselung des Zeichens + in -- geschehen. Demnach macht er ohne viel Besinnens
2 y = a -- b
Nun ist noch das 2 auf die andere Seite zu brin- gen, und da giebt die Algeber gleich an, es müsse zum Theiler gemacht werden. Demnach setzet er sogleich
y = a -- b/2
und damit ist die kleinere Zahl gefunden etc. Alles die- ses ist local.
§. 55. Es liegt demnach auch bey den algebraischen Gleichungen ein sinnliches Bild, nämlich das von der Wage, zum Grunde, weil man sich jede Gleichungen und ihre Verwandelungen unter diesem Bilde vorstel- len kann. Das Hauptwerk aber dabey ist, daß da- durch die schwersten Rechnungen auf bloße Verwechse- lungen des Ortes reducirt werden, und dieses macht, daß die ganze Einrichtung der Buchstabenrechnung me- chanisch wird, ungeachtet man bis dermalen noch nicht, wie für die Zahlenrechnungen, Maschinen dazu erfun- den hat.
§. 56.
C 2
Erkenntniß uͤberhaupt.
Hier hat man nun in der erſten Wagſchal das kleine- re Gewicht doppelt, in der andern ein bekanntes Ge- wicht, demnach wird y die Haͤlfte deſſelben ſeyn, die- ſes heißt
y = a — b/2
So weitlaͤuftig aber raiſonirt ein Algebraiſte nicht. Denn da er weiß, daß in der Gleichung
2 y + b = a
das y auf der einen Seite allein bleiben ſoll, ſo faͤngt er an, das b auf die andere Seite zu bringen, und die erſten Gruͤnde der Algeber geben ihm ein fuͤr allemal an, es muͤſſe mit Verwechſelung des Zeichens + in — geſchehen. Demnach macht er ohne viel Beſinnens
2 y = a — b
Nun iſt noch das 2 auf die andere Seite zu brin- gen, und da giebt die Algeber gleich an, es muͤſſe zum Theiler gemacht werden. Demnach ſetzet er ſogleich
y = a — b/2
und damit iſt die kleinere Zahl gefunden ꝛc. Alles die- ſes iſt local.
§. 55. Es liegt demnach auch bey den algebraiſchen Gleichungen ein ſinnliches Bild, naͤmlich das von der Wage, zum Grunde, weil man ſich jede Gleichungen und ihre Verwandelungen unter dieſem Bilde vorſtel- len kann. Das Hauptwerk aber dabey iſt, daß da- durch die ſchwerſten Rechnungen auf bloße Verwechſe- lungen des Ortes reducirt werden, und dieſes macht, daß die ganze Einrichtung der Buchſtabenrechnung me- chaniſch wird, ungeachtet man bis dermalen noch nicht, wie fuͤr die Zahlenrechnungen, Maſchinen dazu erfun- den hat.
§. 56.
C 2
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Erkenntniß uͤberhaupt.
Hier hat man nun in der erſten Wagſchal das kleine-
re Gewicht doppelt, in der andern ein bekanntes Ge-
wicht, demnach wird y die Haͤlfte deſſelben ſeyn, die-
ſes heißt
y = a — b/2
So weitlaͤuftig aber raiſonirt ein Algebraiſte nicht.
Denn da er weiß, daß in der Gleichung
2 y + b = a
das y auf der einen Seite allein bleiben ſoll, ſo faͤngt
er an, das b auf die andere Seite zu bringen, und die
erſten Gruͤnde der Algeber geben ihm ein fuͤr allemal
an, es muͤſſe mit Verwechſelung des Zeichens + in —
geſchehen. Demnach macht er ohne viel Beſinnens
2 y = a — b
Nun iſt noch das 2 auf die andere Seite zu brin-
gen, und da giebt die Algeber gleich an, es muͤſſe zum
Theiler gemacht werden. Demnach ſetzet er ſogleich
y = a — b/2
und damit iſt die kleinere Zahl gefunden ꝛc. Alles die-
ſes iſt local.
§. 55. Es liegt demnach auch bey den algebraiſchen
Gleichungen ein ſinnliches Bild, naͤmlich das von der
Wage, zum Grunde, weil man ſich jede Gleichungen
und ihre Verwandelungen unter dieſem Bilde vorſtel-
len kann. Das Hauptwerk aber dabey iſt, daß da-
durch die ſchwerſten Rechnungen auf bloße Verwechſe-
lungen des Ortes reducirt werden, und dieſes macht,
daß die ganze Einrichtung der Buchſtabenrechnung me-
chaniſch wird, ungeachtet man bis dermalen noch nicht,
wie fuͤr die Zahlenrechnungen, Maſchinen dazu erfun-
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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/41>, abgerufen am 16.07.2024.
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