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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764.

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Erkenntniß überhaupt.
phorische Verstand aber den Fall selbst vor-
stellt.
Diese Schicklichkeit findet sich in der Theorie
der Sätze und Schlüsse, und veranlaßte die bereits oben
erwähnte Zeichnung derselben (§. 29.). Sie würde
sich auch bey der Algeber einfinden, wenn ihre Zeichen
etwas mehr von den sinnlichen Bildern hätten, unter
welchen sich ihre Aufgaben vorstellen lassen. Nämlich,
die Uebersetzung derselben in die figürliche Sprache,
könnte mit Worten geschehen, die von dem Bilde her-
genommen sind, und so ließen sie sich von Wort zu
Wort zeichnen. So aber fordern die willkührlichen
Zeichen + -- · : etc. eine vorläufige Theorie, die nicht
von irgend einem Bilde, sondern unmittelbar von der
Sache selbst hergenommen ist, und wodurch man aus-
macht, wenn diese Zeichen, und welche mit einander
verwechselt werden müssen. Man sieht hieraus zu-
gleich, daß die Theorie ersetzen muß, was das
Willkührliche der Zeichen zurück läßt, und daß
hingegen die Zeichen vollkommener sind, wenn
sie das Kennzeichen ihrer Bedeutung mit sich
führen, oder wenn die Beschreibung der Zei-
chen, von Wort zu Wort genommen, die Be-
schreibung der Sache figürlich angiebt.

§. 59. Die zweyte vorhin (§. 57.) erwähnte Ueber-
setzung geht den Rückweg der ersten. Beyde müssen
von gleichem Umfange seyn, wenn anders unsere gewöhn-
liche Sprachen hiebey nicht zu unvollkommen sind.
Denn so läßt man es unterbleiben, alle algebraische
Formeln mit Worten auszudrücken, weil es bey vielen,
wo nicht unmöglich, doch wenigstens so weitläuftig wä-
re, daß man es nie enden würde. Jndessen können wir
hier gelegentlich anmerken, daß man sich von der Ue-
bersetzung algebraischer Formeln in die gemeine Spra-
che, nicht immer durch ihre Weitläuftigkeit oder schein-
bare Unschicklichkeit müsse abschrecken lassen. Denn sie

können
C 3

Erkenntniß uͤberhaupt.
phoriſche Verſtand aber den Fall ſelbſt vor-
ſtellt.
Dieſe Schicklichkeit findet ſich in der Theorie
der Saͤtze und Schluͤſſe, und veranlaßte die bereits oben
erwaͤhnte Zeichnung derſelben (§. 29.). Sie wuͤrde
ſich auch bey der Algeber einfinden, wenn ihre Zeichen
etwas mehr von den ſinnlichen Bildern haͤtten, unter
welchen ſich ihre Aufgaben vorſtellen laſſen. Naͤmlich,
die Ueberſetzung derſelben in die figuͤrliche Sprache,
koͤnnte mit Worten geſchehen, die von dem Bilde her-
genommen ſind, und ſo ließen ſie ſich von Wort zu
Wort zeichnen. So aber fordern die willkuͤhrlichen
Zeichen + — · : ꝛc. eine vorlaͤufige Theorie, die nicht
von irgend einem Bilde, ſondern unmittelbar von der
Sache ſelbſt hergenommen iſt, und wodurch man aus-
macht, wenn dieſe Zeichen, und welche mit einander
verwechſelt werden muͤſſen. Man ſieht hieraus zu-
gleich, daß die Theorie erſetzen muß, was das
Willkuͤhrliche der Zeichen zuruͤck laͤßt, und daß
hingegen die Zeichen vollkommener ſind, wenn
ſie das Kennzeichen ihrer Bedeutung mit ſich
fuͤhren, oder wenn die Beſchreibung der Zei-
chen, von Wort zu Wort genommen, die Be-
ſchreibung der Sache figuͤrlich angiebt.

§. 59. Die zweyte vorhin (§. 57.) erwaͤhnte Ueber-
ſetzung geht den Ruͤckweg der erſten. Beyde muͤſſen
von gleichem Umfange ſeyn, wenn anders unſere gewoͤhn-
liche Sprachen hiebey nicht zu unvollkommen ſind.
Denn ſo laͤßt man es unterbleiben, alle algebraiſche
Formeln mit Worten auszudruͤcken, weil es bey vielen,
wo nicht unmoͤglich, doch wenigſtens ſo weitlaͤuftig waͤ-
re, daß man es nie enden wuͤrde. Jndeſſen koͤnnen wir
hier gelegentlich anmerken, daß man ſich von der Ue-
berſetzung algebraiſcher Formeln in die gemeine Spra-
che, nicht immer durch ihre Weitlaͤuftigkeit oder ſchein-
bare Unſchicklichkeit muͤſſe abſchrecken laſſen. Denn ſie

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[37/0043] Erkenntniß uͤberhaupt. phoriſche Verſtand aber den Fall ſelbſt vor- ſtellt. Dieſe Schicklichkeit findet ſich in der Theorie der Saͤtze und Schluͤſſe, und veranlaßte die bereits oben erwaͤhnte Zeichnung derſelben (§. 29.). Sie wuͤrde ſich auch bey der Algeber einfinden, wenn ihre Zeichen etwas mehr von den ſinnlichen Bildern haͤtten, unter welchen ſich ihre Aufgaben vorſtellen laſſen. Naͤmlich, die Ueberſetzung derſelben in die figuͤrliche Sprache, koͤnnte mit Worten geſchehen, die von dem Bilde her- genommen ſind, und ſo ließen ſie ſich von Wort zu Wort zeichnen. So aber fordern die willkuͤhrlichen Zeichen + — · : ꝛc. eine vorlaͤufige Theorie, die nicht von irgend einem Bilde, ſondern unmittelbar von der Sache ſelbſt hergenommen iſt, und wodurch man aus- macht, wenn dieſe Zeichen, und welche mit einander verwechſelt werden muͤſſen. Man ſieht hieraus zu- gleich, daß die Theorie erſetzen muß, was das Willkuͤhrliche der Zeichen zuruͤck laͤßt, und daß hingegen die Zeichen vollkommener ſind, wenn ſie das Kennzeichen ihrer Bedeutung mit ſich fuͤhren, oder wenn die Beſchreibung der Zei- chen, von Wort zu Wort genommen, die Be- ſchreibung der Sache figuͤrlich angiebt. §. 59. Die zweyte vorhin (§. 57.) erwaͤhnte Ueber- ſetzung geht den Ruͤckweg der erſten. Beyde muͤſſen von gleichem Umfange ſeyn, wenn anders unſere gewoͤhn- liche Sprachen hiebey nicht zu unvollkommen ſind. Denn ſo laͤßt man es unterbleiben, alle algebraiſche Formeln mit Worten auszudruͤcken, weil es bey vielen, wo nicht unmoͤglich, doch wenigſtens ſo weitlaͤuftig waͤ- re, daß man es nie enden wuͤrde. Jndeſſen koͤnnen wir hier gelegentlich anmerken, daß man ſich von der Ue- berſetzung algebraiſcher Formeln in die gemeine Spra- che, nicht immer durch ihre Weitlaͤuftigkeit oder ſchein- bare Unſchicklichkeit muͤſſe abſchrecken laſſen. Denn ſie koͤnnen C 3

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/43>, abgerufen am 28.04.2024.