Lange, Helene: Frauenwahlrecht. In: Cosmopolis – an international monthly review, hrsg. v. F. Ortmans, Heft III. London u. a., 1896, S. 539–554.Zu dieser Auffassung kann sich der Durchschnittsphilister, Dieses Beispiel möge genügen. Dem konsequenten Denker Zu dieser Auffassung kann sich der Durchschnittsphilister, Dieses Beispiel möge genügen. Dem konsequenten Denker <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0004" n="541"/> <p>Zu dieser Auffassung kann sich der Durchschnittsphilister,<lb/> dessen kleinster Fehler konsequentes Denken ist, eben nicht<lb/> aufschwingen. Otto Henne am Rhyn trifft ungefähr dessen<lb/> Meinung in seinem Buche „die Frau in der Kulturgeschichte,"<lb/> mit der hübschen Phrase, der Schutz der Frau müsse zu einer<lb/> allgemeinen <hi rendition="#i">Pflicht</hi> des Mannes gemacht werden. Er äussert<lb/> sich nicht darüber, ob er sich die Durchführung dieser Pflicht<lb/> etwa auf Polizeiwege geregelt denkt. Er merkt auch nicht,<lb/> welch' hübsche Illustration zu dieser freundlich-naiven Anschauung<lb/> die Stelle seines Werkes bildet: „Zu allen Zeiten<lb/> sind Frauen in Menge systematisch den Lüsten der Männer<lb/> dienstbar gemacht worden.“ Was zu allen Zeiten geschehen<lb/> ist, wird vermutlich bei gleicher Machtstellung auch fernerhin<lb/> geschehen. Ein anderes Verhalten wird eben nicht als zu den<lb/> Pflichten der Männer gehörig empfunden, die sich im<lb/> Gegenteil die Theorie einer Pflicht gegen sich selbst konstruirt<lb/> haben, um solche skandalösen Zustände bestehen lassen zu<lb/> dürfen. Und Pflichten gegen sich selbst gehen ihnen<lb/> natürlich vor. Da hilft nur die Frau der Frau. Die einzige<lb/> Josefine Butler wiegt in dieser Beziehung schwerer als alle<lb/> geistig hochstehenden Männer zusammengenommen — es sei<lb/> denn, dass diesen etwa die Ueberzeugung komme, dass solche<lb/> Zustände auch für die <hi rendition="#i">Männer</hi> zu schweren Bedenken Anlass<lb/> geben.</p><lb/> <p>Dieses Beispiel möge genügen. Dem konsequenten Denker<lb/> leuchtet auch ohne Beispiel ein, dass, so wenig ein Stand für<lb/> den andern, so wenig auch ein Geschlecht für das andere<lb/> eintreten kann, ja, dass ein solches Vikariren zwischen den<lb/> Geschlechtern noch viel unmöglicher ist, als zwischen<lb/> verschiedenen Ständen und selbst Rassen. <hi rendition="#i">Thomas Higginson</hi><lb/> schreibt in seinem höchst lesenswerten „Common Sense<lb/> about Women“ (London, Swan Sonnenschein & Co., S. 230):<lb/> „Were there no such thing as sexual difference, the wrong done<lb/> to woman by disfranchisement would be far less. It is<lb/> precisely because her traits, habits, needs, and probable demands<lb/> are distinct from those of man, that she is not, never was,<lb/> never can, and never will be, justly represented by him.... The<lb/> more you emphasize the fact of sex, the more you strengthen<lb/> our argument. If the white man cannot justly represent the<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [541/0004]
Zu dieser Auffassung kann sich der Durchschnittsphilister,
dessen kleinster Fehler konsequentes Denken ist, eben nicht
aufschwingen. Otto Henne am Rhyn trifft ungefähr dessen
Meinung in seinem Buche „die Frau in der Kulturgeschichte,"
mit der hübschen Phrase, der Schutz der Frau müsse zu einer
allgemeinen Pflicht des Mannes gemacht werden. Er äussert
sich nicht darüber, ob er sich die Durchführung dieser Pflicht
etwa auf Polizeiwege geregelt denkt. Er merkt auch nicht,
welch' hübsche Illustration zu dieser freundlich-naiven Anschauung
die Stelle seines Werkes bildet: „Zu allen Zeiten
sind Frauen in Menge systematisch den Lüsten der Männer
dienstbar gemacht worden.“ Was zu allen Zeiten geschehen
ist, wird vermutlich bei gleicher Machtstellung auch fernerhin
geschehen. Ein anderes Verhalten wird eben nicht als zu den
Pflichten der Männer gehörig empfunden, die sich im
Gegenteil die Theorie einer Pflicht gegen sich selbst konstruirt
haben, um solche skandalösen Zustände bestehen lassen zu
dürfen. Und Pflichten gegen sich selbst gehen ihnen
natürlich vor. Da hilft nur die Frau der Frau. Die einzige
Josefine Butler wiegt in dieser Beziehung schwerer als alle
geistig hochstehenden Männer zusammengenommen — es sei
denn, dass diesen etwa die Ueberzeugung komme, dass solche
Zustände auch für die Männer zu schweren Bedenken Anlass
geben.
Dieses Beispiel möge genügen. Dem konsequenten Denker
leuchtet auch ohne Beispiel ein, dass, so wenig ein Stand für
den andern, so wenig auch ein Geschlecht für das andere
eintreten kann, ja, dass ein solches Vikariren zwischen den
Geschlechtern noch viel unmöglicher ist, als zwischen
verschiedenen Ständen und selbst Rassen. Thomas Higginson
schreibt in seinem höchst lesenswerten „Common Sense
about Women“ (London, Swan Sonnenschein & Co., S. 230):
„Were there no such thing as sexual difference, the wrong done
to woman by disfranchisement would be far less. It is
precisely because her traits, habits, needs, and probable demands
are distinct from those of man, that she is not, never was,
never can, and never will be, justly represented by him.... The
more you emphasize the fact of sex, the more you strengthen
our argument. If the white man cannot justly represent the
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