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Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.

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Cap. 7, v. 6-9. an die Römer.
[Spaltenumbruch] Ubelthaten wegen gefangen gehalten wird, in
der beständigen Furcht des Urtheils zum Tode
stehet Galat. 3, 23. 4, 3. Hebr. 2, 14. 15.) also
daß wir
(in der neuen Ehe unter der Gnade
des Evangelii) dienen sollen (und können)
im neuen Wesen des Geistes, (nach dem
Geiste, der uns lebendig machet 2 Cor. 3, 17. in
einem neuen Leben cap. 6, 4. und nach der Be-
schneidung des Hertzens c. 2, 29. Da denn das
Moral-Gesetz so gar nicht aufgehoben ist, daß
es vielmehr aufgerichtet und uns ins Hertze ge-
schrieben wird Jer. 31, 33. Hebr. 9, 16. 17. Rom.
3, 31.) und nicht im alten Wesen des Buch-
stabens,
(im verderbten Stande der Natur
unter dem Gesetz.)

Anmerckungen.

1. Weil das Gesetz in Buchstaben ver-
fasset und mit Worten ausgedrucket ist, und
ausser dem, was wir am Gesetze der Natur da-
von schon in uns haben, es nur ausser uns im
Buchstaben bleibet, und sich selbst zum völli-
gen Gehorsam in unser Hertz nicht einschreiben
kan, sondern uns nur unser Unvermögen und
geistlichen Tod anzeiget, welches der Apostel
2 Cor. 3, 6. tödten nennet, wenn er saget, daß
der Buchstabe tödtet,
der Geist aber mache
lebendig; so wird alhier der Zustand unter dem
Gesetze das alte Wesen des Buchstabens
genennet. Siehe fast dergleichen Rom. 2, 27.
29.

2. Es stehet zwar in etlichen Codicibus
apothanontos; welches denn ginge auf das vor-
hergehende Wort nomou, und wäre der Verstand,
daß wir vom Gesetz dergestalt los worden, daß
es in Ansehung der strengen Forderung und der
harten Drohung, gleichsam selbst gestorben sey,
und sich damit gegen uns so wenig rege, als sich
ein Todter regen kan: allein die meisten und
besten alten Codices haben apothanontes; damit
auch die Syrische Version überein kömmt: und
ist dabey das pronomen auto, ei, scilicet no-
mo, demselben nemlich Gesetze, zu verstehen.
Und dieser Verstand kömmt auch überein mit
der protasi v. 1. 2. da das leben und sterben nicht
vom Gesetze, sondern von dem Menschen, der
unter dem Gesetze ist, gesagt wird: nicht we-
niger mit der apodosi v. 3. da das getödtet seyn
auch von uns Menschen stehet, und aufs Gese-
tze appliciret wird, daß wir ihm abgestorben,
welchen der sel. Lutherus gefolget.

V. 7.

Was wollen wir denn nun sagen?
(nemlich dazu, daß nach c. 5. durch das Gesetz
die Lüste erreget werden, und man unter dem
Gesetze im Fleische und im alten Wesen der
Sünde bleibe:) Jst denn das Gesetze Sün-
de?
(auch selbst sündlich und sträflich?) Das
sey ferne. Aber
(also verhält sichs: nemlich)
die Sünde erkannte ich nicht, ohne durchs
Gesetze,
(und also ist es keine Ursache der
Sünde, sondern es giebt die Sünde nur zu er-
kennen, und nimt sie doch nicht weg. c. 3, 20.
4, 15.) denn ich wuste (von mir selbst, nach
dem Stande meiner verderbten Natur, da man
[Spaltenumbruch] sich selbst nicht kennet,) nichts von der Lust,
(und von dem, was mit der Lust verknüpfet ist,
daß sie Sünde wäre,) wo das Gesetz nicht
gesaget hätte: Laß dich nicht gelüsten.

(Exod. 20, 17. Deut. 5, 21. Siehe auch Rom.
5, 20. Das Gesetz ist dazu neben einkommen,
auf das die Sünde mächtiger würde.)

Anmerckungen.
1. Jst die Lust nach dem Fall schon an sich
Sünde, also daß sie nicht erst durch gröbere
Ausbrüche zur Sünde wird; wo wollen denn
die Spieler, Tänzer und dergleichen eiteln
Welt-Kinder mit der vorgegebenen Indisse-
ren
tz, ja Erlaubniß, ihrer sündlichen Spiel-
Tantz-
und and anderer Lüste bleiben?
2. Es ist demnach der Jrrthum, nach wel-
chem man die Lust und Lusthandlungen für in-
difserent
oder unsündlich hält, ein solcher Ver-
stoß, der wider den kleinen Kinder-Catechismum
von den Geboten GOttes läuft. Und gleich-
wie er bey allen unbekehrten Menschen aus ih-
rem bösen Willen, der noch gantz in der sünd-
lichen Lust lieget, herrühret; also wird er bey
den Gelehrten, aber dabey Verkehrten, aus
der Aristotelischen Philosophie damit unterstü-
tzet, daß man die Sünde nur setzet in dem gro-
ben Excess oder Ausbruch der Lüste.
3. Ein anders sind die facultates der See-
len, sonderlich des Willens: ein anders die
darinn nach dem Fall befindliche Lust-Be-
gierde.
Denn da jene an sich gut ist, so ist
diese böse, oder sündlich. Es muß demnach ei-
nes mit dem andern nicht confundiret wer-
den.
V. 8.

Da nahm aber die Sünde Ursache am
Gebot, und erregte in mir allerley Lust,

(das Gebot von der verbotenen Lust machte
durch seinen Unterricht, daß die Erb-Sünde in
den wircklichen Lüsten in mir erst recht zum Ge-
fühle kam; und da hieß es: nitimur in vetitum,
die Lust gehet auf das, was verboten ist.)
denn ohne das Gesetz (oder desselben eigent-
lichen Verstand) war die Sünde (gleichsam)
todt, (eine unkräftige, unfühlbare Sache,
die nicht einmal für Sünde erkannt wurde, viel-
weniger das Gewissen beunruhigte. Siehe
Joh. 15, 22. Wenn ich nicht gekommen wä-
re, und hätte es ihnen gesaget, so hätten
sie keine
(so grosse) Sünde: nun aber kön-
nen sie nichts vorwenden, ihre Sünde zu
entschuldigen.
Siehe auch c. 5, 13.

V. 9.

Jch aber lebte etwa (vor meiner Be-
kehrung eine Zeitlang im Stande der Sicher-
heit) ohne Gesetz, (ohne mich darinn durch
das Gesetz stöhren zu lassen, und war, als hät-
te ich kein Gesetz,) da aber das (besondere)
Gebot (des Gesetzes von der Lust, darinnen
sie zur Sünde gemachet wurde,) kam, (zu
meiner Notiz und meinem Gefühle an das Ge-
wissen,) da ward die Sünde wieder leben-
dig,
(regete sich wieder, also, daß ich sie

nicht

Cap. 7, v. 6-9. an die Roͤmer.
[Spaltenumbruch] Ubelthaten wegen gefangen gehalten wird, in
der beſtaͤndigen Furcht des Urtheils zum Tode
ſtehet Galat. 3, 23. 4, 3. Hebr. 2, 14. 15.) alſo
daß wir
(in der neuen Ehe unter der Gnade
des Evangelii) dienen ſollen (und koͤnnen)
im neuen Weſen des Geiſtes, (nach dem
Geiſte, der uns lebendig machet 2 Cor. 3, 17. in
einem neuen Leben cap. 6, 4. und nach der Be-
ſchneidung des Hertzens c. 2, 29. Da denn das
Moral-Geſetz ſo gar nicht aufgehoben iſt, daß
es vielmehr aufgerichtet und uns ins Hertze ge-
ſchrieben wird Jer. 31, 33. Hebr. 9, 16. 17. Rom.
3, 31.) und nicht im alten Weſen des Buch-
ſtabens,
(im verderbten Stande der Natur
unter dem Geſetz.)

Anmerckungen.

1. Weil das Geſetz in Buchſtaben ver-
faſſet und mit Worten ausgedrucket iſt, und
auſſer dem, was wir am Geſetze der Natur da-
von ſchon in uns haben, es nur auſſer uns im
Buchſtaben bleibet, und ſich ſelbſt zum voͤlli-
gen Gehorſam in unſer Hertz nicht einſchreiben
kan, ſondern uns nur unſer Unvermoͤgen und
geiſtlichen Tod anzeiget, welches der Apoſtel
2 Cor. 3, 6. toͤdten nennet, wenn er ſaget, daß
der Buchſtabe toͤdtet,
der Geiſt aber mache
lebendig; ſo wird alhier der Zuſtand unter dem
Geſetze das alte Weſen des Buchſtabens
genennet. Siehe faſt dergleichen Rom. 2, 27.
29.

2. Es ſtehet zwar in etlichen Codicibus
ἀποϑανόντος; welches denn ginge auf das vor-
hergehende Wort νόμου, und waͤre der Verſtand,
daß wir vom Geſetz dergeſtalt los worden, daß
es in Anſehung der ſtrengen Forderung und der
harten Drohung, gleichſam ſelbſt geſtorben ſey,
und ſich damit gegen uns ſo wenig rege, als ſich
ein Todter regen kan: allein die meiſten und
beſten alten Codices haben ἀποϑανόντες; damit
auch die Syriſche Verſion uͤberein koͤmmt: und
iſt dabey das pronomen ἀυτῷ, ei, ſcilicet νό-
μῳ, demſelben nemlich Geſetze, zu verſtehen.
Und dieſer Verſtand koͤmmt auch uͤberein mit
der protaſi v. 1. 2. da das leben und ſterben nicht
vom Geſetze, ſondern von dem Menſchen, der
unter dem Geſetze iſt, geſagt wird: nicht we-
niger mit der apodoſi v. 3. da das getoͤdtet ſeyn
auch von uns Menſchen ſtehet, und aufs Geſe-
tze appliciret wird, daß wir ihm abgeſtorben,
welchen der ſel. Lutherus gefolget.

V. 7.

Was wollen wir denn nun ſagen?
(nemlich dazu, daß nach c. 5. durch das Geſetz
die Luͤſte erreget werden, und man unter dem
Geſetze im Fleiſche und im alten Weſen der
Suͤnde bleibe:) Jſt denn das Geſetze Suͤn-
de?
(auch ſelbſt ſuͤndlich und ſtraͤflich?) Das
ſey ferne. Aber
(alſo verhaͤlt ſichs: nemlich)
die Suͤnde erkannte ich nicht, ohne durchs
Geſetze,
(und alſo iſt es keine Urſache der
Suͤnde, ſondern es giebt die Suͤnde nur zu er-
kennen, und nimt ſie doch nicht weg. c. 3, 20.
4, 15.) denn ich wuſte (von mir ſelbſt, nach
dem Stande meiner verderbten Natur, da man
[Spaltenumbruch] ſich ſelbſt nicht kennet,) nichts von der Luſt,
(und von dem, was mit der Luſt verknuͤpfet iſt,
daß ſie Suͤnde waͤre,) wo das Geſetz nicht
geſaget haͤtte: Laß dich nicht geluͤſten.

(Exod. 20, 17. Deut. 5, 21. Siehe auch Rom.
5, 20. Das Geſetz iſt dazu neben einkommen,
auf das die Suͤnde maͤchtiger wuͤrde.)

Anmerckungen.
1. Jſt die Luſt nach dem Fall ſchon an ſich
Suͤnde, alſo daß ſie nicht erſt durch groͤbere
Ausbruͤche zur Suͤnde wird; wo wollen denn
die Spieler, Taͤnzer und dergleichen eiteln
Welt-Kinder mit der vorgegebenen Indiſſe-
ren
tz, ja Erlaubniß, ihrer ſuͤndlichen Spiel-
Tantz-
und and anderer Luͤſte bleiben?
2. Es iſt demnach der Jrrthum, nach wel-
chem man die Luſt und Luſthandlungen fuͤr in-
difſerent
oder unſuͤndlich haͤlt, ein ſolcher Ver-
ſtoß, der wider den kleinen Kinder-Catechiſmum
von den Geboten GOttes laͤuft. Und gleich-
wie er bey allen unbekehrten Menſchen aus ih-
rem boͤſen Willen, der noch gantz in der ſuͤnd-
lichen Luſt lieget, herruͤhret; alſo wird er bey
den Gelehrten, aber dabey Verkehrten, aus
der Ariſtoteliſchen Philoſophie damit unterſtuͤ-
tzet, daß man die Suͤnde nur ſetzet in dem gro-
ben Excesſ oder Ausbruch der Luͤſte.
3. Ein anders ſind die facultates der See-
len, ſonderlich des Willens: ein anders die
darinn nach dem Fall befindliche Luſt-Be-
gierde.
Denn da jene an ſich gut iſt, ſo iſt
dieſe boͤſe, oder ſuͤndlich. Es muß demnach ei-
nes mit dem andern nicht confundiret wer-
den.
V. 8.

Da nahm aber die Suͤnde Urſache am
Gebot, und erregte in mir allerley Luſt,

(das Gebot von der verbotenen Luſt machte
durch ſeinen Unterricht, daß die Erb-Suͤnde in
den wircklichen Luͤſten in mir erſt recht zum Ge-
fuͤhle kam; und da hieß es: nitimur in vetitum,
die Luſt gehet auf das, was verboten iſt.)
denn ohne das Geſetz (oder deſſelben eigent-
lichen Verſtand) war die Suͤnde (gleichſam)
todt, (eine unkraͤftige, unfuͤhlbare Sache,
die nicht einmal fuͤr Suͤnde erkannt wurde, viel-
weniger das Gewiſſen beunruhigte. Siehe
Joh. 15, 22. Wenn ich nicht gekommen waͤ-
re, und haͤtte es ihnen geſaget, ſo haͤtten
ſie keine
(ſo groſſe) Suͤnde: nun aber koͤn-
nen ſie nichts vorwenden, ihre Suͤnde zu
entſchuldigen.
Siehe auch c. 5, 13.

V. 9.

Jch aber lebte etwa (vor meiner Be-
kehrung eine Zeitlang im Stande der Sicher-
heit) ohne Geſetz, (ohne mich darinn durch
das Geſetz ſtoͤhren zu laſſen, und war, als haͤt-
te ich kein Geſetz,) da aber das (beſondere)
Gebot (des Geſetzes von der Luſt, darinnen
ſie zur Suͤnde gemachet wurde,) kam, (zu
meiner Notiz und meinem Gefuͤhle an das Ge-
wiſſen,) da ward die Suͤnde wieder leben-
dig,
(regete ſich wieder, alſo, daß ich ſie

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[87/0115] Cap. 7, v. 6-9. an die Roͤmer. Ubelthaten wegen gefangen gehalten wird, in der beſtaͤndigen Furcht des Urtheils zum Tode ſtehet Galat. 3, 23. 4, 3. Hebr. 2, 14. 15.) alſo daß wir (in der neuen Ehe unter der Gnade des Evangelii) dienen ſollen (und koͤnnen) im neuen Weſen des Geiſtes, (nach dem Geiſte, der uns lebendig machet 2 Cor. 3, 17. in einem neuen Leben cap. 6, 4. und nach der Be- ſchneidung des Hertzens c. 2, 29. Da denn das Moral-Geſetz ſo gar nicht aufgehoben iſt, daß es vielmehr aufgerichtet und uns ins Hertze ge- ſchrieben wird Jer. 31, 33. Hebr. 9, 16. 17. Rom. 3, 31.) und nicht im alten Weſen des Buch- ſtabens, (im verderbten Stande der Natur unter dem Geſetz.) Anmerckungen. 1. Weil das Geſetz in Buchſtaben ver- faſſet und mit Worten ausgedrucket iſt, und auſſer dem, was wir am Geſetze der Natur da- von ſchon in uns haben, es nur auſſer uns im Buchſtaben bleibet, und ſich ſelbſt zum voͤlli- gen Gehorſam in unſer Hertz nicht einſchreiben kan, ſondern uns nur unſer Unvermoͤgen und geiſtlichen Tod anzeiget, welches der Apoſtel 2 Cor. 3, 6. toͤdten nennet, wenn er ſaget, daß der Buchſtabe toͤdtet, der Geiſt aber mache lebendig; ſo wird alhier der Zuſtand unter dem Geſetze das alte Weſen des Buchſtabens genennet. Siehe faſt dergleichen Rom. 2, 27. 29. 2. Es ſtehet zwar in etlichen Codicibus ἀποϑανόντος; welches denn ginge auf das vor- hergehende Wort νόμου, und waͤre der Verſtand, daß wir vom Geſetz dergeſtalt los worden, daß es in Anſehung der ſtrengen Forderung und der harten Drohung, gleichſam ſelbſt geſtorben ſey, und ſich damit gegen uns ſo wenig rege, als ſich ein Todter regen kan: allein die meiſten und beſten alten Codices haben ἀποϑανόντες; damit auch die Syriſche Verſion uͤberein koͤmmt: und iſt dabey das pronomen ἀυτῷ, ei, ſcilicet νό- μῳ, demſelben nemlich Geſetze, zu verſtehen. Und dieſer Verſtand koͤmmt auch uͤberein mit der protaſi v. 1. 2. da das leben und ſterben nicht vom Geſetze, ſondern von dem Menſchen, der unter dem Geſetze iſt, geſagt wird: nicht we- niger mit der apodoſi v. 3. da das getoͤdtet ſeyn auch von uns Menſchen ſtehet, und aufs Geſe- tze appliciret wird, daß wir ihm abgeſtorben, welchen der ſel. Lutherus gefolget. V. 7. Was wollen wir denn nun ſagen? (nemlich dazu, daß nach c. 5. durch das Geſetz die Luͤſte erreget werden, und man unter dem Geſetze im Fleiſche und im alten Weſen der Suͤnde bleibe:) Jſt denn das Geſetze Suͤn- de? (auch ſelbſt ſuͤndlich und ſtraͤflich?) Das ſey ferne. Aber (alſo verhaͤlt ſichs: nemlich) die Suͤnde erkannte ich nicht, ohne durchs Geſetze, (und alſo iſt es keine Urſache der Suͤnde, ſondern es giebt die Suͤnde nur zu er- kennen, und nimt ſie doch nicht weg. c. 3, 20. 4, 15.) denn ich wuſte (von mir ſelbſt, nach dem Stande meiner verderbten Natur, da man ſich ſelbſt nicht kennet,) nichts von der Luſt, (und von dem, was mit der Luſt verknuͤpfet iſt, daß ſie Suͤnde waͤre,) wo das Geſetz nicht geſaget haͤtte: Laß dich nicht geluͤſten. (Exod. 20, 17. Deut. 5, 21. Siehe auch Rom. 5, 20. Das Geſetz iſt dazu neben einkommen, auf das die Suͤnde maͤchtiger wuͤrde.) Anmerckungen. 1. Jſt die Luſt nach dem Fall ſchon an ſich Suͤnde, alſo daß ſie nicht erſt durch groͤbere Ausbruͤche zur Suͤnde wird; wo wollen denn die Spieler, Taͤnzer und dergleichen eiteln Welt-Kinder mit der vorgegebenen Indiſſe- rentz, ja Erlaubniß, ihrer ſuͤndlichen Spiel- Tantz- und and anderer Luͤſte bleiben? 2. Es iſt demnach der Jrrthum, nach wel- chem man die Luſt und Luſthandlungen fuͤr in- difſerent oder unſuͤndlich haͤlt, ein ſolcher Ver- ſtoß, der wider den kleinen Kinder-Catechiſmum von den Geboten GOttes laͤuft. Und gleich- wie er bey allen unbekehrten Menſchen aus ih- rem boͤſen Willen, der noch gantz in der ſuͤnd- lichen Luſt lieget, herruͤhret; alſo wird er bey den Gelehrten, aber dabey Verkehrten, aus der Ariſtoteliſchen Philoſophie damit unterſtuͤ- tzet, daß man die Suͤnde nur ſetzet in dem gro- ben Excesſ oder Ausbruch der Luͤſte. 3. Ein anders ſind die facultates der See- len, ſonderlich des Willens: ein anders die darinn nach dem Fall befindliche Luſt-Be- gierde. Denn da jene an ſich gut iſt, ſo iſt dieſe boͤſe, oder ſuͤndlich. Es muß demnach ei- nes mit dem andern nicht confundiret wer- den. V. 8. Da nahm aber die Suͤnde Urſache am Gebot, und erregte in mir allerley Luſt, (das Gebot von der verbotenen Luſt machte durch ſeinen Unterricht, daß die Erb-Suͤnde in den wircklichen Luͤſten in mir erſt recht zum Ge- fuͤhle kam; und da hieß es: nitimur in vetitum, die Luſt gehet auf das, was verboten iſt.) denn ohne das Geſetz (oder deſſelben eigent- lichen Verſtand) war die Suͤnde (gleichſam) todt, (eine unkraͤftige, unfuͤhlbare Sache, die nicht einmal fuͤr Suͤnde erkannt wurde, viel- weniger das Gewiſſen beunruhigte. Siehe Joh. 15, 22. Wenn ich nicht gekommen waͤ- re, und haͤtte es ihnen geſaget, ſo haͤtten ſie keine (ſo groſſe) Suͤnde: nun aber koͤn- nen ſie nichts vorwenden, ihre Suͤnde zu entſchuldigen. Siehe auch c. 5, 13. V. 9. Jch aber lebte etwa (vor meiner Be- kehrung eine Zeitlang im Stande der Sicher- heit) ohne Geſetz, (ohne mich darinn durch das Geſetz ſtoͤhren zu laſſen, und war, als haͤt- te ich kein Geſetz,) da aber das (beſondere) Gebot (des Geſetzes von der Luſt, darinnen ſie zur Suͤnde gemachet wurde,) kam, (zu meiner Notiz und meinem Gefuͤhle an das Ge- wiſſen,) da ward die Suͤnde wieder leben- dig, (regete ſich wieder, alſo, daß ich ſie nicht

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht01_1729/115>, abgerufen am 27.11.2024.