Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.Cap. 11, v. 7-10. an die Römer. [Spaltenumbruch]
nicht Verdienst (oder Werck kein verdienstli-ches Werck mehr. Siehe auch oben c. 3, 28. 4, 5. 6.) Anmerckung. Wenn Gnade und Verdienst einander V. 7. Wie denn nun? (wie ist dieses anzuse- V. 8. Wie (Jes. 6, 10. c. 29, 9. 10. von dem, Anmerckungen. 1. Jn der Redens-Art: GOtt hat ih- nen einen erbitterten Geist gegeben, ist dreyerley zu mercken: Das Wort Geist, das Wort von der Erbitterung, und denn, wie GOtt einen solchen Geist gegeben habe. 2. Durch das Wort Geist wird alhier verstanden der Affect und Trieb der Seele, wo- von sich einer regieren läßt. Wie es sonst öfter gebrauchet wird. Und also wird das der unsterb- lichen Seele zukommende Wort von einer ge- wissen Eigenschaft derselben, davon sie gantz eingenommen ist, gebrauchet. 3. Für das Griechische Wort katanuxeos stehet im Hebräischen Jes. 29, 10. das Wort [fremdsprachliches Material - fehlt] welches einen harten Schlaf, dadurch man gantz unempfindlich wird, und daraus man nicht leicht erwecket werden kan, bedeutet. Und also schicket sich dieses Wort gar wohl auf die Verstockung der Jüden; als durch welche sie in einen so tiefen Sünden-Schlaf gerathen, daß sie daraus nicht wieder zu erwecken waren. 4. Die Griechischen Interpretes haben diß Wort gegeben mit dem Worte katanuxis, wel- ches eigentlich heißt compunctio, eine Zerste- chung, Durchstechung, welches Wort, wenn es vom Leibe auf die Seele appliciret wird, eine solche Gemüths-Verwundung bedeutet, wodurch man in die heftigsten Empfindungen gesetzet wird: und zwar entweder zum Guten oder zum Bösen; nachdem die Sache, welche also ins Hertze eindringet, aufgenommen wird. Wird sie wohl aufgenommen, so entstehet daher eine heilsame Zerknirschung: dergleichen wir se- hen an den Zuhörern Petri Ap. Gesch. 2, 37. da es heißt: da sie das höreten, katenugesan te kardia, compungebantur corde, da gings ihnen durchs Hertz. Wird sie aber übel auf- genommen, so bricht es in einer Erbitterung zum Grimm aus: wie wir finden an den Zu- hörern Stephani c. 7, 54. da es heißt: da sie das höreten, dieprionto tai~s kardiais auton, da gings ihnen durchs Hertz u. s. f. Und ei- ne solche, katanuxis ist alhier Röm. 11, 8. zu verstehen. Und ob nun gleich das unglaubige und widerspenstige Hertz zum Guten unempfind- lich, und also nach dem Hebräischen Worte im [fremdsprachliches Material - fehlt] in einem vesten Todes-Schlafe bleibet; so ist es doch zum Bösen mit Widerspenstigkeit empfindlich, und äussert sich in allerhand Ver- bitterung. 5. Wenn es nun von diesem Geist der Erbitterung heist, daß ihn GOtt gegeben habe, so ist solches eben also zu verstehen, wie das, was oben c. 1, 24. und c. 9, 18. von dem Dahingeben in einen verkehrten Sinn und von der Verstockung gesaget worden: nemlich, es geschiehet mit einer richterlichen Handlung GOttes, da mit gedachter Entziehung der ver- worfenen Gnade Sünden mit verhengten Sün- den gestrafet werden. V. 9. 10. Und David spricht (in der Person des ner
Cap. 11, v. 7-10. an die Roͤmer. [Spaltenumbruch]
nicht Verdienſt (oder Werck kein verdienſtli-ches Werck mehr. Siehe auch oben c. 3, 28. 4, 5. 6.) Anmerckung. Wenn Gnade und Verdienſt einander V. 7. Wie denn nun? (wie iſt dieſes anzuſe- V. 8. Wie (Jeſ. 6, 10. c. 29, 9. 10. von dem, Anmerckungen. 1. Jn der Redens-Art: GOtt hat ih- nen einen erbitterten Geiſt gegeben, iſt dreyerley zu mercken: Das Wort Geiſt, das Wort von der Erbitterung, und denn, wie GOtt einen ſolchen Geiſt gegeben habe. 2. Durch das Wort Geiſt wird alhier verſtanden der Affect und Trieb der Seele, wo- von ſich einer regieren laͤßt. Wie es ſonſt oͤfter gebrauchet wird. Und alſo wird das der unſterb- lichen Seele zukommende Wort von einer ge- wiſſen Eigenſchaft derſelben, davon ſie gantz eingenommen iſt, gebrauchet. 3. Fuͤr das Griechiſche Wort κατανύξεως ſtehet im Hebraͤiſchen Jeſ. 29, 10. das Wort [fremdsprachliches Material – fehlt] welches einen harten Schlaf, dadurch man gantz unempfindlich wird, und daraus man nicht leicht erwecket werden kan, bedeutet. Und alſo ſchicket ſich dieſes Wort gar wohl auf die Verſtockung der Juͤden; als durch welche ſie in einen ſo tiefen Suͤnden-Schlaf gerathen, daß ſie daraus nicht wieder zu erwecken waren. 4. Die Griechiſchen Interpretes haben diß Wort gegeben mit dem Worte κατάνυξις, wel- ches eigentlich heißt compunctio, eine Zerſte- chung, Durchſtechung, welches Wort, wenn es vom Leibe auf die Seele appliciret wird, eine ſolche Gemuͤths-Verwundung bedeutet, wodurch man in die heftigſten Empfindungen geſetzet wird: und zwar entweder zum Guten oder zum Boͤſen; nachdem die Sache, welche alſo ins Hertze eindringet, aufgenommen wird. Wird ſie wohl aufgenommen, ſo entſtehet daher eine heilſame Zerknirſchung: dergleichen wir ſe- hen an den Zuhoͤrern Petri Ap. Geſch. 2, 37. da es heißt: da ſie das hoͤreten, κατενύγησαν τῇ καρδίᾳ, compungebantur corde, da gings ihnen durchs Hertz. Wird ſie aber uͤbel auf- genommen, ſo bricht es in einer Erbitterung zum Grimm aus: wie wir finden an den Zu- hoͤrern Stephani c. 7, 54. da es heißt: da ſie das hoͤreten, διεπρίοντο ται῀ς καρδίαις ἀυτῶν, da gings ihnen durchs Hertz u. ſ. f. Und ei- ne ſolche, κατάνυξις iſt alhier Roͤm. 11, 8. zu verſtehen. Und ob nun gleich das unglaubige und widerſpenſtige Hertz zum Guten unempfind- lich, und alſo nach dem Hebraͤiſchen Worte im [fremdsprachliches Material – fehlt] in einem veſten Todes-Schlafe bleibet; ſo iſt es doch zum Boͤſen mit Widerſpenſtigkeit empfindlich, und aͤuſſert ſich in allerhand Ver- bitterung. 5. Wenn es nun von dieſem Geiſt der Erbitterung heiſt, daß ihn GOtt gegeben habe, ſo iſt ſolches eben alſo zu verſtehen, wie das, was oben c. 1, 24. und c. 9, 18. von dem Dahingeben in einen verkehrten Sinn und von der Verſtockung geſaget worden: nemlich, es geſchiehet mit einer richterlichen Handlung GOttes, da mit gedachter Entziehung der ver- worfenen Gnade Suͤnden mit verhengten Suͤn- den geſtrafet werden. V. 9. 10. Und David ſpricht (in der Perſon des ner
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Cap. 11, v. 7-10. an die Roͤmer.
nicht Verdienſt (oder Werck kein verdienſtli-
ches Werck mehr. Siehe auch oben c. 3, 28.
4, 5. 6.)
Anmerckung.
Wenn Gnade und Verdienſt einander
entgegen geſetzet werden, ſo wird unſer eignes
Verdienſt verſtanden; keines weges aber das
Verdienſt Chriſti, welches in ſeiner Erloͤſung
lieget, als damit die Gnade aufs allerbeſte be-
ſtehet, und ein ſolches weiſes Temperament aus-
machet, dadurch auch zugleich der unwandelba-
ren richterlichen Gerechtigkeit GOttes ein Ge-
nuͤgen geſchiehet. Darum, mit Ausſchlieſſung
unſeres Verdienſtes, beydes zuſammen geſetzet
wird Rom. 3, 24. Wir werden ohne Ver-
dienſt gerecht aus ſeiner (GOttes) Gnade
durch die Erloͤſung, ſo durch Chriſtum
JEſum geſchehen iſt.
V. 7.
Wie denn nun? (wie iſt dieſes anzuſe-
hen und auf die Juͤdiſche Nation zu appliciren?
auf folgende Art) das (was das unglaubige)
Jſrael (auf eine ſolche verdienſtliche Art, mit
Verwerfung der im Meßia angebotenen Gnade)
ſuchet (nemlich in eigner Gerechtigkeit vor
GOtt zu beſtehen und ſelig zu werden) das er-
langet es nicht, die Wahl aber (diejenigen,
welche in Anſehung ihres Glaubens an den
Meßiam, da ſie die Gerechtigkeit und das ewi-
ge Leben in ihm, als ein Gnaden-Geſchenck an-
nehmen) erlanget es (ſiehe auch 2 Theſſ. 2, 13.
2 Cor. 3, 14.) die andern ſind (aus ihrer eignen
Schuld) verſtockt (wie Pharao.)
V. 8.
Wie (Jeſ. 6, 10. c. 29, 9. 10. von dem,
wie ſich die Juͤden gegen den geſandten Meßiam
verhalten wuͤrden) geſchrieben ſtehet, (und
von Chriſto ſelbſt wider ſie angezogen iſt Matth.
13, 13. 14. Macr. 4, 12. Luc. 8, 10. Joh. 12, 40.
deßgleichen von Paulo Act. 28, 16.) GOTT
hat ihnen (nach der aus gerechtem Gerichte
entzogenen Gnade) gegeben einen erbitter-
ten Geiſt, (Gemuͤth) Augen, daß ſie nicht
ſehen, und Ohren, daß ſie nicht hoͤren (er
hat ſie aus ihrer eignen Schuld dahin verfallen
laſſen, daß ſie in geiſtlichen Dingen blind und
taub worden) bis auf den heutigen Tag (wel-
che Worte Paulus der Application wegen dazu
ſetzet; die alſo, da der Spruch Jeſaiaͤ in pa-
rentheſi war geſetzet worden, zu verbinden ſind
mit den Worten Pauli v. 7. die andern ſind
verſtockt (wie geſchrieben ſtehet ꝛc.) bis auf
den heutigen Tag. (Siehe auch 2 Cor. 3, 15.
da es heißt: bis auf den heutigen Tag,
wenn Moſes geleſen wird, haͤnget die De-
cke vor ihrem Hertzen.)
Anmerckungen.
1. Jn der Redens-Art: GOtt hat ih-
nen einen erbitterten Geiſt gegeben, iſt
dreyerley zu mercken: Das Wort Geiſt, das
Wort von der Erbitterung, und denn, wie
GOtt einen ſolchen Geiſt gegeben habe.
2. Durch das Wort Geiſt wird alhier
verſtanden der Affect und Trieb der Seele, wo-
von ſich einer regieren laͤßt. Wie es ſonſt oͤfter
gebrauchet wird. Und alſo wird das der unſterb-
lichen Seele zukommende Wort von einer ge-
wiſſen Eigenſchaft derſelben, davon ſie gantz
eingenommen iſt, gebrauchet.
3. Fuͤr das Griechiſche Wort κατανύξεως
ſtehet im Hebraͤiſchen Jeſ. 29, 10. das Wort
_ welches einen harten Schlaf, dadurch
man gantz unempfindlich wird, und daraus man
nicht leicht erwecket werden kan, bedeutet. Und
alſo ſchicket ſich dieſes Wort gar wohl auf die
Verſtockung der Juͤden; als durch welche ſie
in einen ſo tiefen Suͤnden-Schlaf gerathen, daß
ſie daraus nicht wieder zu erwecken waren.
4. Die Griechiſchen Interpretes haben diß
Wort gegeben mit dem Worte κατάνυξις, wel-
ches eigentlich heißt compunctio, eine Zerſte-
chung, Durchſtechung, welches Wort,
wenn es vom Leibe auf die Seele appliciret wird,
eine ſolche Gemuͤths-Verwundung bedeutet,
wodurch man in die heftigſten Empfindungen
geſetzet wird: und zwar entweder zum Guten
oder zum Boͤſen; nachdem die Sache, welche
alſo ins Hertze eindringet, aufgenommen wird.
Wird ſie wohl aufgenommen, ſo entſtehet daher
eine heilſame Zerknirſchung: dergleichen wir ſe-
hen an den Zuhoͤrern Petri Ap. Geſch. 2, 37.
da es heißt: da ſie das hoͤreten, κατενύγησαν
τῇ καρδίᾳ, compungebantur corde, da gings
ihnen durchs Hertz. Wird ſie aber uͤbel auf-
genommen, ſo bricht es in einer Erbitterung
zum Grimm aus: wie wir finden an den Zu-
hoͤrern Stephani c. 7, 54. da es heißt: da ſie
das hoͤreten, διεπρίοντο ται῀ς καρδίαις ἀυτῶν,
da gings ihnen durchs Hertz u. ſ. f. Und ei-
ne ſolche, κατάνυξις iſt alhier Roͤm. 11, 8. zu
verſtehen. Und ob nun gleich das unglaubige
und widerſpenſtige Hertz zum Guten unempfind-
lich, und alſo nach dem Hebraͤiſchen Worte im
_ in einem veſten Todes-Schlafe bleibet;
ſo iſt es doch zum Boͤſen mit Widerſpenſtigkeit
empfindlich, und aͤuſſert ſich in allerhand Ver-
bitterung.
5. Wenn es nun von dieſem Geiſt der
Erbitterung heiſt, daß ihn GOtt gegeben
habe, ſo iſt ſolches eben alſo zu verſtehen, wie
das, was oben c. 1, 24. und c. 9, 18. von dem
Dahingeben in einen verkehrten Sinn und
von der Verſtockung geſaget worden: nemlich,
es geſchiehet mit einer richterlichen Handlung
GOttes, da mit gedachter Entziehung der ver-
worfenen Gnade Suͤnden mit verhengten Suͤn-
den geſtrafet werden.
V. 9. 10.
Und David ſpricht (in der Perſon des
Meßiaͤ Pſ. 59, 23. von eben ſolchen Zeiten und
Leuten:) laß ihren Tiſch (ihren guten Vor-
rath von leiblichen Guͤtern, welche ſie zu ihrem
Wohlleben nur mißbrauchen, auch alle ihre
Vorrrechte, davon ſie gleichſam einen gedeckten
und vollgeſetzten Tiſch hatten, die laß zur gerech-
ten Strafe uͤber ihre Schuld, da ſie mir in mei-
ner
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