Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.Cap. 11, v. 32. 33. an die Römer. [Spaltenumbruch]
schlossen unter die Sünde, auf daß dieVerheissung käme durch den Glauben an JEsum CHristum, gegeben denen, die da gläuben. Mit welchen letztern Worten zu- gleich gar fein erläutert wird, was es gesaget sey, sich aller erbarmen, nemlich ihnen einen freyen Zugang geben zu den Verheissungen in Christo: und wie man der Erbarmung theilhaf- tig werde, nemlich durch den Glauben; wo- durch denn zugleich die Allgemeinheit der Erbar- mung an eine gewisse Ordnung gebunden wird. Und also wird durch beyde Oerter gar wohl de- clariret, was es c. 9, v. 18. gesaget sey mit den Worten: GOTT erbarmet sich, welches er will. 3. Jm übrigen dienen zur noch mehrern Erläuterung dieser Worte die oben bereits be- trachteten Stellen; nemlich cap. 3, 9. Juden und Griechen liegen alle unter der Sünde etc. v. 19. Auf daß aller Mund verstopfet werde, und alle Welt GOTT schuldig sey; v. 23. Sie haben alle gesündiget etc. c. 5, 12. Durch einen Menschen ist die Sünde in die Welt kommen etc. V. 33. O welch eine Tiefe des Reichthums Anmerckungen. 1. Hiemit beschliesset der Apostel die sämt- lichen Materien, welche er bisher im gantzen ersten Theile des Briefes, sonderlich in den drey letztern Capiteln vorgetragen hat. Und zeiget er mit diesem so gar nachdrücklichen Beschlusse an, wie hoch und wichtig sie sind; wie viel dar- innen zurück bleibe, welches über allen unsern Begriff gehet; und wie billig und nöthig es sey, solche grosse Glaubens-Geheimnisse mit heiliger und demüthiger Ehr-Furcht vor GOtt zu be- trachten. 2. Die ersten Worte können auch also übersetzet werden: O welch eine Tiefe des Reichthums, und der Weisheit und der Erkäntniß GOttes; daß nemlich so wol dem Reichthum, welcher aus GOTTes Grund und Erbarmung gehet, als der Weisheit und Erkäntniß GOttes eine Tiefe, oder ein unergründlicher Abgrund, (1 Cor. 2, 10.) zuge- schrieben wird. Siehe auch Psalm. 38, 7. Hiob 10, 6. seqq. 3. Wenn man das Wort Reichthum, dessen Tiefe, oder Fülle, der Apostel bewundert, auf GOttes Gnade und Erbarmung gegen alle Sünder aus Juden und Heiden ziehet, so hat man dahin zu rechnen a. die allernechsten vor- hergehenden Worte, in welchen der Apostel dem allgemeinen Verderben des menschlichen Ge- schlechts die allgemeine Erbarmung GOTT es entgegen setzet: b. Den weiter vorhergehen- den Context, da er diese an Juden und Heiden gepriesen hat: c. das achte Capitel, darinnen er uns die Erbarmung GOttes unter dem Na- men der Liebe GOttes mit den nachdrücklichsten [Spaltenumbruch] Worten gleichsam vor Augen gemahlet hat; in- sonderheit in desselben letzteren Theil: d. die im dritten, vierten und fünften Capitel vorgetra- gene Lehre von der Gnade der Erlösung und der Rechtfertigung: Ja e. endlich auch aus dem andern Capitel den vierten Vers, da der Gü- te, Geduld und Langmuth GOttes aus- drücklich ein Reichthum zugeschrieben wird, wenn es heißt: Oder verachtest du den Reichthum seiner Güte, Geduld und Lang- muth etc. 4. Will man aber Lutheri gar nicht un- fügliche Version behalten, also daß die Tiefe des Reichthums auf die Weisheit und Er- käntniß GOttes gehet; so dienet zu dieses Ver- standes Erläuterung, daß, was der Apostel v. 34. 35. zur Bekräftigung des v. 33. ausgedruck- ten Satzes, anführet, eigentlich nur auf die Weisheit und Erkäntniß GOttes gehet. 5. Es gehet die Weisheit und Erkänt- niß GOttes auf die Einrichtung der göttlichen Oeconomie, sonderlich der letztern unter dem Evangelio und dem Reiche des Meßiä: als in welche mit heiliger Verwunderung und Begier- de auch die Engel gelüstet zu schauen 1 Pet. 1, 12. da die mannigfaltige Weisheit GOt- tes an der Kirche des Neuen Testaments auch den Engeln selbst erst kund wird Eph. 3, 10. 6. Will man unter der Weisheit und der Erkäntniß GOttes einen Unterschied machen, so kan man die Weisheit dergestalt auf die Einrichtung der gantzen Oeconomie des Heils ziehen, daß man die Erkäntniß dabey zum Grunde setze: als nach welcher GOtt nicht al- lein den Sünden-Fall, sondern auch alles ü- brige, was sich nur begiebet, sonderlich in An- nehmung und Verwerfung der Heils-Oecono- mie, vorhergesehen, und darnach diese und je- ne zur voluntate consequenti gehörige Verord- nung gemachet hat. 7. Die Gerichte GOttes gehen auf die gerechte Verwerfung der Jüden und aller übri- gen Ungläubigen unter den Heiden. Siehe auch Sap. 17, 1. 8. Die Wege GOttes sind die Hand- lungen GOttes in Regierung seiner Kirche, als seines Reichs: nach welcher alles, auch das böse, zum besten dienen, und endlich zur Ver- herrlichung des Namens GOttes, sonderlich in der Offenbarung seiner Straf-Gerechtigkeit, auch wol zur Veranlassung, daß von andern die Gnade so viel williger angenommen und so viel getreulicher angeleget werde, gereichen muß. 9. Gleichwie nun die Erklärung dieser Worte gantz ungezwungen, auch dem gantzen Contexte gemäß ist; so siehet man wol, daß sie mit den folgenden auf kein absolutum decretum der Erwehlung und Verwerfung gezogen wer- den können; und zwar so viel weniger, so viel weniger davon in den vorhergehenden sämtlichen Capituln zu finden ist. 10. Dabey ist aber doch nicht zu leugnen, daß die Gerichte und Wege GOttes in vielen Stücken seiner Oeconomie gantz unerforschlich und unbegreiflich sind, und darinnen eine un- endliche S 3
Cap. 11, v. 32. 33. an die Roͤmer. [Spaltenumbruch]
ſchloſſen unter die Suͤnde, auf daß dieVerheiſſung kaͤme durch den Glauben an JEſum CHriſtum, gegeben denen, die da glaͤuben. Mit welchen letztern Worten zu- gleich gar fein erlaͤutert wird, was es geſaget ſey, ſich aller erbarmen, nemlich ihnen einen freyen Zugang geben zu den Verheiſſungen in Chriſto: und wie man der Erbarmung theilhaf- tig werde, nemlich durch den Glauben; wo- durch denn zugleich die Allgemeinheit der Erbar- mung an eine gewiſſe Ordnung gebunden wird. Und alſo wird durch beyde Oerter gar wohl de- clariret, was es c. 9, v. 18. geſaget ſey mit den Worten: GOTT erbarmet ſich, welches er will. 3. Jm uͤbrigen dienen zur noch mehrern Erlaͤuterung dieſer Worte die oben bereits be- trachteten Stellen; nemlich cap. 3, 9. Juden und Griechen liegen alle unter der Suͤnde ꝛc. v. 19. Auf daß aller Mund verſtopfet werde, und alle Welt GOTT ſchuldig ſey; v. 23. Sie haben alle geſuͤndiget ꝛc. c. 5, 12. Durch einen Menſchen iſt die Suͤnde in die Welt kommen ꝛc. V. 33. O welch eine Tiefe des Reichthums Anmerckungen. 1. Hiemit beſchlieſſet der Apoſtel die ſaͤmt- lichen Materien, welche er bisher im gantzen erſten Theile des Briefes, ſonderlich in den drey letztern Capiteln vorgetragen hat. Und zeiget er mit dieſem ſo gar nachdruͤcklichen Beſchluſſe an, wie hoch und wichtig ſie ſind; wie viel dar- innen zuruͤck bleibe, welches uͤber allen unſern Begriff gehet; und wie billig und noͤthig es ſey, ſolche groſſe Glaubens-Geheimniſſe mit heiliger und demuͤthiger Ehr-Furcht vor GOtt zu be- trachten. 2. Die erſten Worte koͤnnen auch alſo uͤberſetzet werden: O welch eine Tiefe des Reichthums, und der Weisheit und der Erkaͤntniß GOttes; daß nemlich ſo wol dem Reichthum, welcher aus GOTTes Grund und Erbarmung gehet, als der Weisheit und Erkaͤntniß GOttes eine Tiefe, oder ein unergruͤndlicher Abgrund, (1 Cor. 2, 10.) zuge- ſchrieben wird. Siehe auch Pſalm. 38, 7. Hiob 10, 6. ſeqq. 3. Wenn man das Wort Reichthum, deſſen Tiefe, oder Fuͤlle, der Apoſtel bewundert, auf GOttes Gnade und Erbarmung gegen alle Suͤnder aus Juden und Heiden ziehet, ſo hat man dahin zu rechnen a. die allernechſten vor- hergehenden Worte, in welchen der Apoſtel dem allgemeinen Verderben des menſchlichen Ge- ſchlechts die allgemeine Erbarmung GOTT es entgegen ſetzet: b. Den weiter vorhergehen- den Context, da er dieſe an Juden und Heiden geprieſen hat: c. das achte Capitel, darinnen er uns die Erbarmung GOttes unter dem Na- men der Liebe GOttes mit den nachdruͤcklichſten [Spaltenumbruch] Worten gleichſam vor Augen gemahlet hat; in- ſonderheit in deſſelben letzteren Theil: d. die im dritten, vierten und fuͤnften Capitel vorgetra- gene Lehre von der Gnade der Erloͤſung und der Rechtfertigung: Ja e. endlich auch aus dem andern Capitel den vierten Vers, da der Guͤ- te, Geduld und Langmuth GOttes aus- druͤcklich ein Reichthum zugeſchrieben wird, wenn es heißt: Oder verachteſt du den Reichthum ſeiner Guͤte, Geduld und Lang- muth ꝛc. 4. Will man aber Lutheri gar nicht un- fuͤgliche Verſion behalten, alſo daß die Tiefe des Reichthums auf die Weisheit und Er- kaͤntniß GOttes gehet; ſo dienet zu dieſes Ver- ſtandes Erlaͤuterung, daß, was der Apoſtel v. 34. 35. zur Bekraͤftigung des v. 33. ausgedruck- ten Satzes, anfuͤhret, eigentlich nur auf die Weisheit und Erkaͤntniß GOttes gehet. 5. Es gehet die Weisheit und Erkaͤnt- niß GOttes auf die Einrichtung der goͤttlichen Oeconomie, ſonderlich der letztern unter dem Evangelio und dem Reiche des Meßiaͤ: als in welche mit heiliger Verwunderung und Begier- de auch die Engel geluͤſtet zu ſchauen 1 Pet. 1, 12. da die mannigfaltige Weisheit GOt- tes an der Kirche des Neuen Teſtaments auch den Engeln ſelbſt erſt kund wird Eph. 3, 10. 6. Will man unter der Weisheit und der Erkaͤntniß GOttes einen Unterſchied machen, ſo kan man die Weisheit dergeſtalt auf die Einrichtung der gantzen Oeconomie des Heils ziehen, daß man die Erkaͤntniß dabey zum Grunde ſetze: als nach welcher GOtt nicht al- lein den Suͤnden-Fall, ſondern auch alles uͤ- brige, was ſich nur begiebet, ſonderlich in An- nehmung und Verwerfung der Heils-Oecono- mie, vorhergeſehen, und darnach dieſe und je- ne zur voluntate conſequenti gehoͤrige Verord- nung gemachet hat. 7. Die Gerichte GOttes gehen auf die gerechte Verwerfung der Juͤden und aller uͤbri- gen Unglaͤubigen unter den Heiden. Siehe auch Sap. 17, 1. 8. Die Wege GOttes ſind die Hand- lungen GOttes in Regierung ſeiner Kirche, als ſeines Reichs: nach welcher alles, auch das boͤſe, zum beſten dienen, und endlich zur Ver- herrlichung des Namens GOttes, ſonderlich in der Offenbarung ſeiner Straf-Gerechtigkeit, auch wol zur Veranlaſſung, daß von andern die Gnade ſo viel williger angenommen und ſo viel getreulicher angeleget werde, gereichen muß. 9. Gleichwie nun die Erklaͤrung dieſer Worte gantz ungezwungen, auch dem gantzen Contexte gemaͤß iſt; ſo ſiehet man wol, daß ſie mit den folgenden auf kein abſolutum decretum der Erwehlung und Verwerfung gezogen wer- den koͤnnen; und zwar ſo viel weniger, ſo viel weniger davon in den vorhergehenden ſaͤmtlichen Capituln zu finden iſt. 10. Dabey iſt aber doch nicht zu leugnen, daß die Gerichte und Wege GOttes in vielen Stuͤcken ſeiner Oeconomie gantz unerforſchlich und unbegreiflich ſind, und darinnen eine un- endliche S 3
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Cap. 11, v. 32. 33. an die Roͤmer.
ſchloſſen unter die Suͤnde, auf daß die
Verheiſſung kaͤme durch den Glauben an
JEſum CHriſtum, gegeben denen, die
da glaͤuben. Mit welchen letztern Worten zu-
gleich gar fein erlaͤutert wird, was es geſaget
ſey, ſich aller erbarmen, nemlich ihnen einen
freyen Zugang geben zu den Verheiſſungen in
Chriſto: und wie man der Erbarmung theilhaf-
tig werde, nemlich durch den Glauben; wo-
durch denn zugleich die Allgemeinheit der Erbar-
mung an eine gewiſſe Ordnung gebunden wird.
Und alſo wird durch beyde Oerter gar wohl de-
clariret, was es c. 9, v. 18. geſaget ſey mit den
Worten: GOTT erbarmet ſich, welches
er will.
3. Jm uͤbrigen dienen zur noch mehrern
Erlaͤuterung dieſer Worte die oben bereits be-
trachteten Stellen; nemlich cap. 3, 9. Juden
und Griechen liegen alle unter der Suͤnde
ꝛc. v. 19. Auf daß aller Mund verſtopfet
werde, und alle Welt GOTT ſchuldig
ſey; v. 23. Sie haben alle geſuͤndiget ꝛc. c.
5, 12. Durch einen Menſchen iſt die Suͤnde
in die Welt kommen ꝛc.
V. 33.
O welch eine Tiefe des Reichthums
beyde der Weisheit und der Erkaͤntniß
GOttes! wie gar unbegreiflich ſind ſeine
Gerichte und unerforſchlich ſeine Wege!
Anmerckungen.
1. Hiemit beſchlieſſet der Apoſtel die ſaͤmt-
lichen Materien, welche er bisher im gantzen
erſten Theile des Briefes, ſonderlich in den drey
letztern Capiteln vorgetragen hat. Und zeiget
er mit dieſem ſo gar nachdruͤcklichen Beſchluſſe
an, wie hoch und wichtig ſie ſind; wie viel dar-
innen zuruͤck bleibe, welches uͤber allen unſern
Begriff gehet; und wie billig und noͤthig es ſey,
ſolche groſſe Glaubens-Geheimniſſe mit heiliger
und demuͤthiger Ehr-Furcht vor GOtt zu be-
trachten.
2. Die erſten Worte koͤnnen auch alſo
uͤberſetzet werden: O welch eine Tiefe des
Reichthums, und der Weisheit und der
Erkaͤntniß GOttes; daß nemlich ſo wol dem
Reichthum, welcher aus GOTTes Grund
und Erbarmung gehet, als der Weisheit
und Erkaͤntniß GOttes eine Tiefe, oder ein
unergruͤndlicher Abgrund, (1 Cor. 2, 10.) zuge-
ſchrieben wird. Siehe auch Pſalm. 38, 7. Hiob
10, 6. ſeqq.
3. Wenn man das Wort Reichthum,
deſſen Tiefe, oder Fuͤlle, der Apoſtel bewundert,
auf GOttes Gnade und Erbarmung gegen alle
Suͤnder aus Juden und Heiden ziehet, ſo hat
man dahin zu rechnen a. die allernechſten vor-
hergehenden Worte, in welchen der Apoſtel dem
allgemeinen Verderben des menſchlichen Ge-
ſchlechts die allgemeine Erbarmung GOTT es
entgegen ſetzet: b. Den weiter vorhergehen-
den Context, da er dieſe an Juden und Heiden
geprieſen hat: c. das achte Capitel, darinnen
er uns die Erbarmung GOttes unter dem Na-
men der Liebe GOttes mit den nachdruͤcklichſten
Worten gleichſam vor Augen gemahlet hat; in-
ſonderheit in deſſelben letzteren Theil: d. die im
dritten, vierten und fuͤnften Capitel vorgetra-
gene Lehre von der Gnade der Erloͤſung und der
Rechtfertigung: Ja e. endlich auch aus dem
andern Capitel den vierten Vers, da der Guͤ-
te, Geduld und Langmuth GOttes aus-
druͤcklich ein Reichthum zugeſchrieben wird,
wenn es heißt: Oder verachteſt du den
Reichthum ſeiner Guͤte, Geduld und Lang-
muth ꝛc.
4. Will man aber Lutheri gar nicht un-
fuͤgliche Verſion behalten, alſo daß die Tiefe
des Reichthums auf die Weisheit und Er-
kaͤntniß GOttes gehet; ſo dienet zu dieſes Ver-
ſtandes Erlaͤuterung, daß, was der Apoſtel v.
34. 35. zur Bekraͤftigung des v. 33. ausgedruck-
ten Satzes, anfuͤhret, eigentlich nur auf die
Weisheit und Erkaͤntniß GOttes gehet.
5. Es gehet die Weisheit und Erkaͤnt-
niß GOttes auf die Einrichtung der goͤttlichen
Oeconomie, ſonderlich der letztern unter dem
Evangelio und dem Reiche des Meßiaͤ: als in
welche mit heiliger Verwunderung und Begier-
de auch die Engel geluͤſtet zu ſchauen 1 Pet.
1, 12. da die mannigfaltige Weisheit GOt-
tes an der Kirche des Neuen Teſtaments auch
den Engeln ſelbſt erſt kund wird Eph. 3, 10.
6. Will man unter der Weisheit und der
Erkaͤntniß GOttes einen Unterſchied machen,
ſo kan man die Weisheit dergeſtalt auf die
Einrichtung der gantzen Oeconomie des Heils
ziehen, daß man die Erkaͤntniß dabey zum
Grunde ſetze: als nach welcher GOtt nicht al-
lein den Suͤnden-Fall, ſondern auch alles uͤ-
brige, was ſich nur begiebet, ſonderlich in An-
nehmung und Verwerfung der Heils-Oecono-
mie, vorhergeſehen, und darnach dieſe und je-
ne zur voluntate conſequenti gehoͤrige Verord-
nung gemachet hat.
7. Die Gerichte GOttes gehen auf die
gerechte Verwerfung der Juͤden und aller uͤbri-
gen Unglaͤubigen unter den Heiden. Siehe
auch Sap. 17, 1.
8. Die Wege GOttes ſind die Hand-
lungen GOttes in Regierung ſeiner Kirche,
als ſeines Reichs: nach welcher alles, auch das
boͤſe, zum beſten dienen, und endlich zur Ver-
herrlichung des Namens GOttes, ſonderlich in
der Offenbarung ſeiner Straf-Gerechtigkeit,
auch wol zur Veranlaſſung, daß von andern
die Gnade ſo viel williger angenommen und ſo
viel getreulicher angeleget werde, gereichen
muß.
9. Gleichwie nun die Erklaͤrung dieſer
Worte gantz ungezwungen, auch dem gantzen
Contexte gemaͤß iſt; ſo ſiehet man wol, daß ſie
mit den folgenden auf kein abſolutum decretum
der Erwehlung und Verwerfung gezogen wer-
den koͤnnen; und zwar ſo viel weniger, ſo viel
weniger davon in den vorhergehenden ſaͤmtlichen
Capituln zu finden iſt.
10. Dabey iſt aber doch nicht zu leugnen,
daß die Gerichte und Wege GOttes in vielen
Stuͤcken ſeiner Oeconomie gantz unerforſchlich
und unbegreiflich ſind, und darinnen eine un-
endliche
S 3
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