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Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.

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Cap. 14, v. 1-3. an die Römer.
[Spaltenumbruch] hatten, ziemlich gleich waren. Andere aber
waren darinnen zum wenigsten noch sehr schwach,
daß sie noch gar sehr an dem Levitischen Sa-
tzungs-Wesen hingen: nicht zwar als hätten sie
ihre Seligkeit darauf gebauet, sondern in An-
sehung dessen, daß doch gleichwol das Ceremo-
nial-Gesetz von GOtt so ernstlich geboten und
so ausführlich vorgeschrieben war, und sie wie
in beständiger Gewohnheit von ihren Vor-El-
tern her, also auch in grosser Ehrerbietung und
Hochachtung gegen dasselbe stunden: und es
daher bey ihrem sonst wahren Glauben an Chri-
stum noch immer suchten beyzubehalten, und sich
darnach zu richten. Und diese waren es, wel-
che sich an dem Exempel der Starcken, die sich
an keine Levitische Satzungen mehr kehreten,
gar leicht stiessen, und durch solchen Anstoß so
betrübet und verunruhiget werden konten, daß
ihr Abfall von CHristo und dem Christenthum,
zu besorgen stunde; und dannenhero ihrer zu
schonen war. Die dritte Gattung war derer,
welche bey dem Christenthum auf das Gesetze
Moses dergestalt drungen, daß sie auch ihre
Seligkeit darauf baueten, und die aus den Hei-
den bekehreten zu gleicher Haltung des Gesetzes
Mosis, insonderheit zu der Beschneidung an-
gehalten wissen wolten. Welche denn damit
bezeugeten, wie sie CHristum noch gar nicht
erkennen gelernet, es auch um ihre Bekehrung
selbst noch gar schlecht stehe.

2. Von dieser letzten Gattung handelt
Lucas in der Apostel-Geschicht c. 15, 1. seqq. da
es heißt: Es kamen etliche herab von Ju-
däa,
(nemlich nach Antiochiam,) die spra-
chen: Wo ihr euch nicht beschneiden las-
set nach der Weise Mose, so könnet ihr
nicht selig werden.
Darüber Paulus und
Barnabas, und noch etliche andere von der An-
tiochischen zu der Jerusalemschen Gemeine und
dero Vorstehern, darunter auch einige Apostel
waren, sonderlich Petrus und Jacobus, abge-
ordnet wurden mit dem Erfolg einer richtigen
Entscheidung. Beyläufig habe ich alhier zu er-
innern, daß, wenn daselbst v. 2. gesaget wird,
es habe sich ein Aufruhr erhoben, dieses kein
eigentlicher Aufruhr gewesen, sondern nur ei-
ne solche dissension, da von zwey Parteyen eine
iede auf ihrer Meinung bestanden, ohne das ei-
ne der andern gewichen wäre, nemlich über der
Frage: Ob die aus den Heyden zu Christo
bekehrete sich müsten beschneiden lassen?

So ist auch das Wort suzetesis, welches der
sel. Lutherus Zanck gegeben hat, v. 2. und 7.
besser mit dem Wort Unterredung zu überse-
tzen, zumal v. 7. Ferner handelt der Brief
an die Galater von dieser Art Leute; wie auch
der Ort Phil. 3, 2. 3. und Col. 2, 20 21.

3. Von der ersten und mittlern Gattung
aber ist nebst noch unterschiedlichen andern Or-
ten sonderlich dieses 14te Capitel des Briefes an
die Römer zu verstehen: als darinnen es der
Apostel mit den Stärckern und Schwächern
zu thun hat, und zeiget, wie sie sich gegen ein-
ander verhalten, die Stärckern die Schwachen
nicht verachten, und diese jene nicht lieblos be-
urtheilen, sondern sie sich unter einander tra-
[Spaltenumbruch] gen sollen. Welches also zum Voraus wohl
zu mercken ist.

V. 1.

Den Schwachen im Glauben (der aus
denen von den Jüden bekehreten noch nicht zu der
Glaubens-Kraft gekommen ist, daß er sein Ge-
wissen vom Joche Mosaischer Satzungen frey
findet, sondern noch daran hanget, es doch a-
ber sonst mit CHristo aufrichtig meinet,) neh-
met
(ihr Stärckere) auf, (also, daß ihr euch
von dem brüderlichen Umgange mit ihm gar
nicht entziehet, viel weniger ihn verachtet und
gar verwerfet, sondern im Umgange aller Liebe
geniessen lasset, ja sie an euch haltet, oder euch
liebreich zu ihnen thut, sie traget und zu stärcken
suchet,) und verwirret die Gewissen nicht,
(me eis diakriseis ton dialogismon. nicht also,
daß es bey ihnen noch zu einem mehrern Zwei-
fel in ihren Gedancken und Meinungen aus-
schläget.)

Anmerckung.

Dialogismoi sind Gedancken, damit aller-
hand Meinungen geheget und Schlüsse gema-
chet werden. Matth. 15, 19. Luc. 2, 35. 5, 22.
Rom. 1, 21. u. s. w. Diakrisis heißt eigentlich
eine Beurtheilung, und wird alhier eine sol-
che Dijudication verstanden, da man über den
andern eine solche Censur führet, welche wider
die Wahrheit und Liebe läuft, sonderlich wider
die Liebe; da man sich unterstehet, den Grund
seines Hertzens aus solchen Dingen zu beurthei-
len, die dazu keinen richtigen Beweis und
Schluß an die Hand geben. Wodurch denn
der Schwächere, an statt der Erbauung und
Stärckung, noch immer mehr geschwächet und
irre gemachet, oder, dahin Lutheri Version ge-
het, verwirret wird. Wie denn das verbum
diakrinesthai auch vom Zweifel gebrauchet wird
Matth. 21, 21. Rom. 4, 20. Jac. 1, 6.

V. 2.

Einer (der Stärckere) meinet, er mö-
ge allerley essen,
(es sey im Gesetze verboten,
oder nicht, oder ohne auf den im Gesetze Mo-
sis Lev. 1. Deut. 14. gegebnen Unterscheid von
reinen und unreinen Thieren und Speisen zu
sehen:) Welcher aber schwach ist, der is-
set
(lieber) Kraut, (als daß er solte diese und
jene von denen den Juden verbotenen gewissen
Speisen essen.)

V. 3.

Welcher isset (allerley Speise,) der
verachte den nicht, welcher
(solche) nicht
isset,
(als wäre er deßwegen kein Christe:)
und welcher nicht isset, der richte den
nicht, der da isset,
(als versündigte er sich
wider das Gesetz GOttes und sein Gewissen.)
Denn GOtt hat ihn (den Stärckern so wol,
als den Schwächern, oder einen wie den an-
dern,) aufgenommen, (sonderlich aus dem
Heidenthum, und läßt sich seine Gewissens-

Frey-

Cap. 14, v. 1-3. an die Roͤmer.
[Spaltenumbruch] hatten, ziemlich gleich waren. Andere aber
waren darinnen zum wenigſten noch ſehr ſchwach,
daß ſie noch gar ſehr an dem Levitiſchen Sa-
tzungs-Weſen hingen: nicht zwar als haͤtten ſie
ihre Seligkeit darauf gebauet, ſondern in An-
ſehung deſſen, daß doch gleichwol das Ceremo-
nial-Geſetz von GOtt ſo ernſtlich geboten und
ſo ausfuͤhrlich vorgeſchrieben war, und ſie wie
in beſtaͤndiger Gewohnheit von ihren Vor-El-
tern her, alſo auch in groſſer Ehrerbietung und
Hochachtung gegen daſſelbe ſtunden: und es
daher bey ihrem ſonſt wahren Glauben an Chri-
ſtum noch immer ſuchten beyzubehalten, und ſich
darnach zu richten. Und dieſe waren es, wel-
che ſich an dem Exempel der Starcken, die ſich
an keine Levitiſche Satzungen mehr kehreten,
gar leicht ſtieſſen, und durch ſolchen Anſtoß ſo
betruͤbet und verunruhiget werden konten, daß
ihr Abfall von CHriſto und dem Chriſtenthum,
zu beſorgen ſtunde; und dannenhero ihrer zu
ſchonen war. Die dritte Gattung war derer,
welche bey dem Chriſtenthum auf das Geſetze
Moſes dergeſtalt drungen, daß ſie auch ihre
Seligkeit darauf baueten, und die aus den Hei-
den bekehreten zu gleicher Haltung des Geſetzes
Moſis, inſonderheit zu der Beſchneidung an-
gehalten wiſſen wolten. Welche denn damit
bezeugeten, wie ſie CHriſtum noch gar nicht
erkennen gelernet, es auch um ihre Bekehrung
ſelbſt noch gar ſchlecht ſtehe.

2. Von dieſer letzten Gattung handelt
Lucas in der Apoſtel-Geſchicht c. 15, 1. ſeqq. da
es heißt: Es kamen etliche herab von Ju-
daͤa,
(nemlich nach Antiochiam,) die ſpra-
chen: Wo ihr euch nicht beſchneiden laſ-
ſet nach der Weiſe Moſe, ſo koͤnnet ihr
nicht ſelig werden.
Daruͤber Paulus und
Barnabas, und noch etliche andere von der An-
tiochiſchen zu der Jeruſalemſchen Gemeine und
dero Vorſtehern, darunter auch einige Apoſtel
waren, ſonderlich Petrus und Jacobus, abge-
ordnet wurden mit dem Erfolg einer richtigen
Entſcheidung. Beylaͤufig habe ich alhier zu er-
innern, daß, wenn daſelbſt v. 2. geſaget wird,
es habe ſich ein Aufruhr erhoben, dieſes kein
eigentlicher Aufruhr geweſen, ſondern nur ei-
ne ſolche diſſenſion, da von zwey Parteyen eine
iede auf ihrer Meinung beſtanden, ohne das ei-
ne der andern gewichen waͤre, nemlich uͤber der
Frage: Ob die aus den Heyden zu Chriſto
bekehrete ſich muͤſten beſchneiden laſſen?

So iſt auch das Wort συζήτησις, welches der
ſel. Lutherus Zanck gegeben hat, v. 2. und 7.
beſſer mit dem Wort Unterredung zu uͤberſe-
tzen, zumal v. 7. Ferner handelt der Brief
an die Galater von dieſer Art Leute; wie auch
der Ort Phil. 3, 2. 3. und Col. 2, 20 21.

3. Von der erſten und mittlern Gattung
aber iſt nebſt noch unterſchiedlichen andern Or-
ten ſonderlich dieſes 14te Capitel des Briefes an
die Roͤmer zu verſtehen: als darinnen es der
Apoſtel mit den Staͤrckern und Schwaͤchern
zu thun hat, und zeiget, wie ſie ſich gegen ein-
ander verhalten, die Staͤrckern die Schwachen
nicht verachten, und dieſe jene nicht lieblos be-
urtheilen, ſondern ſie ſich unter einander tra-
[Spaltenumbruch] gen ſollen. Welches alſo zum Voraus wohl
zu mercken iſt.

V. 1.

Den Schwachen im Glauben (der aus
denen von den Juͤden bekehreten noch nicht zu der
Glaubens-Kraft gekommen iſt, daß er ſein Ge-
wiſſen vom Joche Moſaiſcher Satzungen frey
findet, ſondern noch daran hanget, es doch a-
ber ſonſt mit CHriſto aufrichtig meinet,) neh-
met
(ihr Staͤrckere) auf, (alſo, daß ihr euch
von dem bruͤderlichen Umgange mit ihm gar
nicht entziehet, viel weniger ihn verachtet und
gar verwerfet, ſondern im Umgange aller Liebe
genieſſen laſſet, ja ſie an euch haltet, oder euch
liebreich zu ihnen thut, ſie traget und zu ſtaͤrcken
ſuchet,) und verwirret die Gewiſſen nicht,
(μὴ εἰς διακρίσεις τῶν διαλογισμῶν. nicht alſo,
daß es bey ihnen noch zu einem mehrern Zwei-
fel in ihren Gedancken und Meinungen aus-
ſchlaͤget.)

Anmerckung.

Διαλογισμοὶ ſind Gedancken, damit aller-
hand Meinungen geheget und Schluͤſſe gema-
chet werden. Matth. 15, 19. Luc. 2, 35. 5, 22.
Rom. 1, 21. u. ſ. w. Διάκρισις heißt eigentlich
eine Beurtheilung, und wird alhier eine ſol-
che Dijudication verſtanden, da man uͤber den
andern eine ſolche Cenſur fuͤhret, welche wider
die Wahrheit und Liebe laͤuft, ſonderlich wider
die Liebe; da man ſich unterſtehet, den Grund
ſeines Hertzens aus ſolchen Dingen zu beurthei-
len, die dazu keinen richtigen Beweis und
Schluß an die Hand geben. Wodurch denn
der Schwaͤchere, an ſtatt der Erbauung und
Staͤrckung, noch immer mehr geſchwaͤchet und
irre gemachet, oder, dahin Lutheri Verſion ge-
het, verwirret wird. Wie denn das verbum
διακρίνεσϑαι auch vom Zweifel gebrauchet wird
Matth. 21, 21. Rom. 4, 20. Jac. 1, 6.

V. 2.

Einer (der Staͤrckere) meinet, er moͤ-
ge allerley eſſen,
(es ſey im Geſetze verboten,
oder nicht, oder ohne auf den im Geſetze Mo-
ſis Lev. 1. Deut. 14. gegebnen Unterſcheid von
reinen und unreinen Thieren und Speiſen zu
ſehen:) Welcher aber ſchwach iſt, der iſ-
ſet
(lieber) Kraut, (als daß er ſolte dieſe und
jene von denen den Juden verbotenen gewiſſen
Speiſen eſſen.)

V. 3.

Welcher iſſet (allerley Speiſe,) der
verachte den nicht, welcher
(ſolche) nicht
iſſet,
(als waͤre er deßwegen kein Chriſte:)
und welcher nicht iſſet, der richte den
nicht, der da iſſet,
(als verſuͤndigte er ſich
wider das Geſetz GOttes und ſein Gewiſſen.)
Denn GOtt hat ihn (den Staͤrckern ſo wol,
als den Schwaͤchern, oder einen wie den an-
dern,) aufgenommen, (ſonderlich aus dem
Heidenthum, und laͤßt ſich ſeine Gewiſſens-

Frey-
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[159/0187] Cap. 14, v. 1-3. an die Roͤmer. hatten, ziemlich gleich waren. Andere aber waren darinnen zum wenigſten noch ſehr ſchwach, daß ſie noch gar ſehr an dem Levitiſchen Sa- tzungs-Weſen hingen: nicht zwar als haͤtten ſie ihre Seligkeit darauf gebauet, ſondern in An- ſehung deſſen, daß doch gleichwol das Ceremo- nial-Geſetz von GOtt ſo ernſtlich geboten und ſo ausfuͤhrlich vorgeſchrieben war, und ſie wie in beſtaͤndiger Gewohnheit von ihren Vor-El- tern her, alſo auch in groſſer Ehrerbietung und Hochachtung gegen daſſelbe ſtunden: und es daher bey ihrem ſonſt wahren Glauben an Chri- ſtum noch immer ſuchten beyzubehalten, und ſich darnach zu richten. Und dieſe waren es, wel- che ſich an dem Exempel der Starcken, die ſich an keine Levitiſche Satzungen mehr kehreten, gar leicht ſtieſſen, und durch ſolchen Anſtoß ſo betruͤbet und verunruhiget werden konten, daß ihr Abfall von CHriſto und dem Chriſtenthum, zu beſorgen ſtunde; und dannenhero ihrer zu ſchonen war. Die dritte Gattung war derer, welche bey dem Chriſtenthum auf das Geſetze Moſes dergeſtalt drungen, daß ſie auch ihre Seligkeit darauf baueten, und die aus den Hei- den bekehreten zu gleicher Haltung des Geſetzes Moſis, inſonderheit zu der Beſchneidung an- gehalten wiſſen wolten. Welche denn damit bezeugeten, wie ſie CHriſtum noch gar nicht erkennen gelernet, es auch um ihre Bekehrung ſelbſt noch gar ſchlecht ſtehe. 2. Von dieſer letzten Gattung handelt Lucas in der Apoſtel-Geſchicht c. 15, 1. ſeqq. da es heißt: Es kamen etliche herab von Ju- daͤa, (nemlich nach Antiochiam,) die ſpra- chen: Wo ihr euch nicht beſchneiden laſ- ſet nach der Weiſe Moſe, ſo koͤnnet ihr nicht ſelig werden. Daruͤber Paulus und Barnabas, und noch etliche andere von der An- tiochiſchen zu der Jeruſalemſchen Gemeine und dero Vorſtehern, darunter auch einige Apoſtel waren, ſonderlich Petrus und Jacobus, abge- ordnet wurden mit dem Erfolg einer richtigen Entſcheidung. Beylaͤufig habe ich alhier zu er- innern, daß, wenn daſelbſt v. 2. geſaget wird, es habe ſich ein Aufruhr erhoben, dieſes kein eigentlicher Aufruhr geweſen, ſondern nur ei- ne ſolche diſſenſion, da von zwey Parteyen eine iede auf ihrer Meinung beſtanden, ohne das ei- ne der andern gewichen waͤre, nemlich uͤber der Frage: Ob die aus den Heyden zu Chriſto bekehrete ſich muͤſten beſchneiden laſſen? So iſt auch das Wort συζήτησις, welches der ſel. Lutherus Zanck gegeben hat, v. 2. und 7. beſſer mit dem Wort Unterredung zu uͤberſe- tzen, zumal v. 7. Ferner handelt der Brief an die Galater von dieſer Art Leute; wie auch der Ort Phil. 3, 2. 3. und Col. 2, 20 21. 3. Von der erſten und mittlern Gattung aber iſt nebſt noch unterſchiedlichen andern Or- ten ſonderlich dieſes 14te Capitel des Briefes an die Roͤmer zu verſtehen: als darinnen es der Apoſtel mit den Staͤrckern und Schwaͤchern zu thun hat, und zeiget, wie ſie ſich gegen ein- ander verhalten, die Staͤrckern die Schwachen nicht verachten, und dieſe jene nicht lieblos be- urtheilen, ſondern ſie ſich unter einander tra- gen ſollen. Welches alſo zum Voraus wohl zu mercken iſt. V. 1. Den Schwachen im Glauben (der aus denen von den Juͤden bekehreten noch nicht zu der Glaubens-Kraft gekommen iſt, daß er ſein Ge- wiſſen vom Joche Moſaiſcher Satzungen frey findet, ſondern noch daran hanget, es doch a- ber ſonſt mit CHriſto aufrichtig meinet,) neh- met (ihr Staͤrckere) auf, (alſo, daß ihr euch von dem bruͤderlichen Umgange mit ihm gar nicht entziehet, viel weniger ihn verachtet und gar verwerfet, ſondern im Umgange aller Liebe genieſſen laſſet, ja ſie an euch haltet, oder euch liebreich zu ihnen thut, ſie traget und zu ſtaͤrcken ſuchet,) und verwirret die Gewiſſen nicht, (μὴ εἰς διακρίσεις τῶν διαλογισμῶν. nicht alſo, daß es bey ihnen noch zu einem mehrern Zwei- fel in ihren Gedancken und Meinungen aus- ſchlaͤget.) Anmerckung. Διαλογισμοὶ ſind Gedancken, damit aller- hand Meinungen geheget und Schluͤſſe gema- chet werden. Matth. 15, 19. Luc. 2, 35. 5, 22. Rom. 1, 21. u. ſ. w. Διάκρισις heißt eigentlich eine Beurtheilung, und wird alhier eine ſol- che Dijudication verſtanden, da man uͤber den andern eine ſolche Cenſur fuͤhret, welche wider die Wahrheit und Liebe laͤuft, ſonderlich wider die Liebe; da man ſich unterſtehet, den Grund ſeines Hertzens aus ſolchen Dingen zu beurthei- len, die dazu keinen richtigen Beweis und Schluß an die Hand geben. Wodurch denn der Schwaͤchere, an ſtatt der Erbauung und Staͤrckung, noch immer mehr geſchwaͤchet und irre gemachet, oder, dahin Lutheri Verſion ge- het, verwirret wird. Wie denn das verbum διακρίνεσϑαι auch vom Zweifel gebrauchet wird Matth. 21, 21. Rom. 4, 20. Jac. 1, 6. V. 2. Einer (der Staͤrckere) meinet, er moͤ- ge allerley eſſen, (es ſey im Geſetze verboten, oder nicht, oder ohne auf den im Geſetze Mo- ſis Lev. 1. Deut. 14. gegebnen Unterſcheid von reinen und unreinen Thieren und Speiſen zu ſehen:) Welcher aber ſchwach iſt, der iſ- ſet (lieber) Kraut, (als daß er ſolte dieſe und jene von denen den Juden verbotenen gewiſſen Speiſen eſſen.) V. 3. Welcher iſſet (allerley Speiſe,) der verachte den nicht, welcher (ſolche) nicht iſſet, (als waͤre er deßwegen kein Chriſte:) und welcher nicht iſſet, der richte den nicht, der da iſſet, (als verſuͤndigte er ſich wider das Geſetz GOttes und ſein Gewiſſen.) Denn GOtt hat ihn (den Staͤrckern ſo wol, als den Schwaͤchern, oder einen wie den an- dern,) aufgenommen, (ſonderlich aus dem Heidenthum, und laͤßt ſich ſeine Gewiſſens- Frey-

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht01_1729/187>, abgerufen am 24.11.2024.