Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.Einleitung in das siebente Capitel [Spaltenumbruch]
und ihm zugeführet, der Mann sie auch dem Lei-be nach für Bein von seinem Bein, und Fleisch von seinem Fleische, und also in der allergenau- esten Vereinigung für seine eheliche Gehülfin, zur Fortpflantzung ihres Geschlechts (nach c. 1. 28.) erkannt habe; so wird aus diesem facto das dictum, der Ausspruch, als eine allgemeine Re- gel des Ehe-Standes hergeleitet und inferiret: [fremdsprachliches Material - fehlt], darum wird, oder soll (denn daß das futurum bey den Hebräern in dergleichen Aus- sprüchen die Kraft eines imperativi, und also eines Befehls habe, und daher ein Gesetze sey, ist eine gantz bekante Sache) ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen, und an seinem Weibe hangen, und sie werden (oder sollen) seyn ein Fleisch: nemlich, weil das erste Weib aus der Ribbe des Mannes erbauet, und ihm gleichsam, als ein Theil seiner eignen Substantz, wieder zugeführet, auch von ihm da- für erkant worden, zum Grunde aller künftigen ehelichen Verbindung und Gemeinschaft. §. III. Was den Verstand des dicti, §. IV. Es ist aber hiebey noch dreyerley Ora-
Einleitung in das ſiebente Capitel [Spaltenumbruch]
und ihm zugefuͤhret, der Mann ſie auch dem Lei-be nach fuͤr Bein von ſeinem Bein, und Fleiſch von ſeinem Fleiſche, und alſo in der allergenau- eſten Vereinigung fuͤr ſeine eheliche Gehuͤlfin, zur Fortpflantzung ihres Geſchlechts (nach c. 1. 28.) erkannt habe; ſo wird aus dieſem facto das dictum, der Ausſpruch, als eine allgemeine Re- gel des Ehe-Standes hergeleitet und inferiret: [fremdsprachliches Material – fehlt], darum wird, oder ſoll (denn daß das futurum bey den Hebraͤern in dergleichen Aus- ſpruͤchen die Kraft eines imperativi, und alſo eines Befehls habe, und daher ein Geſetze ſey, iſt eine gantz bekante Sache) ein Mann ſeinen Vater und ſeine Mutter verlaſſen, und an ſeinem Weibe hangen, und ſie werden (oder ſollen) ſeyn ein Fleiſch: nemlich, weil das erſte Weib aus der Ribbe des Mannes erbauet, und ihm gleichſam, als ein Theil ſeiner eignen Subſtantz, wieder zugefuͤhret, auch von ihm da- fuͤr erkant worden, zum Grunde aller kuͤnftigen ehelichen Verbindung und Gemeinſchaft. §. III. Was den Verſtand des dicti, §. IV. Es iſt aber hiebey noch dreyerley Ora-
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Einleitung in das ſiebente Capitel
und ihm zugefuͤhret, der Mann ſie auch dem Lei-
be nach fuͤr Bein von ſeinem Bein, und Fleiſch
von ſeinem Fleiſche, und alſo in der allergenau-
eſten Vereinigung fuͤr ſeine eheliche Gehuͤlfin,
zur Fortpflantzung ihres Geſchlechts (nach c. 1.
28.) erkannt habe; ſo wird aus dieſem facto das
dictum, der Ausſpruch, als eine allgemeine Re-
gel des Ehe-Standes hergeleitet und inferiret:
_ , darum wird, oder ſoll (denn daß das
futurum bey den Hebraͤern in dergleichen Aus-
ſpruͤchen die Kraft eines imperativi, und alſo
eines Befehls habe, und daher ein Geſetze ſey,
iſt eine gantz bekante Sache) ein Mann ſeinen
Vater und ſeine Mutter verlaſſen, und an
ſeinem Weibe hangen, und ſie werden
(oder ſollen) ſeyn ein Fleiſch: nemlich, weil das
erſte Weib aus der Ribbe des Mannes erbauet,
und ihm gleichſam, als ein Theil ſeiner eignen
Subſtantz, wieder zugefuͤhret, auch von ihm da-
fuͤr erkant worden, zum Grunde aller kuͤnftigen
ehelichen Verbindung und Gemeinſchaft.
§. III. Was den Verſtand des dicti,
des Ausſpruchs, anlanget, ſo haben wir bey
demſelben drey Stuͤcke zu mercken: denn es
heißt: 1) der Mann ſoll ſeinen Vater und
ſeine Mutter verlaſſen, 2) an ſeinem Wei-
be hangen, 3) mit ihr ein Fleiſch ſeyn.
Welche 3 Stuͤcke alſo beyſammen ſtehen, daß
das erſte durch das andere, und das andere durch
das dritte noch eigentlicher declariret wird.
Erſtlich heißt es: Der Mann ſoll ſeinen
Vater und ſeine Mutter verlaſſen; nem-
lich nicht ſchlechterdings, alſo, daß er ihnen nach
dieſem, wenn er ſich in den Ehe-Stand bege-
ben, den kindlichen Reſpect und was hiezu gehoͤ-
ret, verſagen, oder allen Umgang mit ihnen ver-
meiden ſolle; ſondern, ſo fern es das Anhangen
an ſeinem Weibe, und das mit ihr ein Fleiſch
werden, erfodert: das iſt, daß er vermoͤge des
Anhangens an ſeinem Weibe nicht mehr auf vo-
rige Art, da er noch ledig geweſen, ein Theil der
vaͤterlichen Familie bleibe, ſondern mit ſeinem
Weibe und Kindern eine eigene Familie anrich-
te: und daß er, vermoͤge des ein Fleiſch werdens
mit ſeinem Weibe, ſich weder mit dem Vater
auf Sodomitiſche Art noch mit der Mutter durch
eine Blut-Schande fleiſchlich vermiſche, ſondern
zur Fortpflantzung ſeines Geſchlechts ſich allein
ehelich zu ſeinem Weibe halte. Und alſo ſind
mit der explication des erſten Stuͤckes, vom
Vater und Mutter verlaſſen, auch die bey-
den uͤbrigen, nemlich vom Anhangen und ein
Fleiſch werden, erklaͤret; und zwar alſo, als
es ohne allen Zwang und ohne alle Dunckelheit
der gantz natuͤrliche und dem ſcopo dicti gemaͤſſe
Wort-Verſtand mit ſich bringet.
§. IV. Es iſt aber hiebey noch dreyerley
wohl zu obſerviren: das erſte, daß das, was
vom Manne geſaget wird, nach Erfoderung
des Zwecks und der Sache ſelbſt, auch von
dem Weibe zu verſtehen ſey, nemlich, daß
auch ſie ſolle im gleichen Verſtande, als von
dem Mann geſaget iſt, ihren Vater und ihre
Mutter verlaſſen, und an ihrem Manne han-
gen, und ein Fleiſch mit ihm werden. Und
eben dieſes erhellet auch daraus, daß GOtt v.
18. vom Weibe ſaget, ſie ſolle dem Manne ei-
ne gantz beſondere Gehuͤlfin ſeyn, die um ihn
ſey, das iſt, die dergeſtalt Vater und Mutter
verlaſſe, und in ehelicher Zuneigung ihrem Man-
ne anhange, daß ſie zur Vermehrung ihres Ge-
ſchlechts ein Fleiſch mit ihm ſey. Das ande-
re, daß die dreyfache Pflicht unter beyden Ehe-
leuten beſtaͤndig ſeyn, und auf die Zeit ihres
Lebens gehen ſolle. Welches erhellet 1) aus
dem allgemeinen Ausſpruche, der auch bil-
lig allgemein muß verſtanden werden: 2) aus
dem Zweck des Eheſtandes, und aus der
Pflicht, die ein Theil dem andern ſchuldig iſt;
ſo darinnen beſtehet, daß ein Theil des andern
Gehuͤlfe ſey in Zeugung und Erziehung der Kin-
der, und in allen uͤbrigen beſondern Zufaͤllen und
Angelegenheiten, welche das gemeinſchaftliche
Hausweſen und das Regiment uͤber Kinder und
Geſinde mit ſich bringet. Wer wolte aber
ſagen, daß eine ſolche vielfache Huͤlfe nur auf
eine Zeitlang waͤhren duͤrfte? 3) aus der Unge-
reimtheit, wenn man die dreyfache Pflicht nur
bloß auf eine dem eignen Willen der Eheleute
zu determinirende gewiſſe Zeit binden, und GOtt
ſolchen ſo ſehr eingeſchrenckten Verſtand, als
ſey er von ihm alſo gemeinet, zuſchreiben wolte,
nemlich auf dieſe Art: darum ſoll ein Mann
ſeinen Vater und ſeine Mutter nur auf eine
Zeitlang verlaſſen, und an ſeinem Weibe hangen,
und ein Fleiſch mit ihr werden, ſo lange er will.
Ja es wuͤrde auf ſolche Art folgen, daß es einem
Ehemanne frey ſtehe, das eheliche Anhangen und
Verlaſſen ſo ofte zu veraͤndern, als es ihm ſelbſt
beliebte, und mit ſeinem eigenen Weibe bald in
der Ehe, bald auſſer derſelben zu leben, bald
ſeinem Ehe-Weibe auf etliche Jahre, und bald
wieder ſeinen Eltern anzuhangen: welches ja
hoͤchſt abſurd iſt. 4) Aus der Kraft und Ei-
genſchaft eines Geſetzes, welche dieſe Wor-
te haben, wie bald ſoll dargethan werden.
Was wuͤrde es fuͤr ein allgemeines Geſetze ſeyn,
das einen alſo eingeſchraͤnckten Verſtand haͤtte?
5) Aus der neuen und fernern Abſurdittaͤt, wenn
man die Einſchraͤnckung auf das Ehe-Weib ap-
pliciren wolte: welche application doch vermoͤ-
ge der erſten Anmerckung ſtatt haben muͤſte.
Denn da wuͤrde es ja von gleicher Urſache we-
gen heiſſen muͤſſen: Das Weib ſoll zwar ihren
Vater und Mutter verlaſſen und ihrem Man-
ne anhangen, und ein Fleiſch mit ihm ſeyn;
aber nur auf eine Zeitlang und nach ihrem Be-
lieben, alſo, daß ſie nach ihrem Gefallen von
dem Manne wieder zu ihren Eltern gehen, ja ei-
nem andern Manne anhangen und mit ihm ein
Fleiſch werden koͤnne. Welchen Verſtand
doch wol ſchwerlich einer, der ſonſt ein Verfech-
ter unbefugter Eheſcheidungen iſt, zulaſſen wird,
aber doch vermoͤge der erſten Anmerckung, wel-
che in dem Zwecke und in der Sache ſelbſt
wohl gegruͤndet iſt, nach ſeiner hypotheſi admit-
tiren muͤſte. 6) Aus dem ausdruͤcklichen
Ausſpruche Chriſti, den er zur Erklaͤrung
dieſer bisher eroͤrterten Worte Matth. 19, 6.
Marc. 10, 8. hinzuſetzet, wenn er ſpricht: Was
GOtt zuſammen gefuͤget hat, das ſoll der
Menſch nicht ſcheiden. Dazu kommen die
Ora-
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