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Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.

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Cap. 7, v. 2-4. an die Corinthier.
[Spaltenumbruch] hat es, wenn einige sagen, diß Gebot gehe nur
allein die Lehrer an, welche durch die Vielwei-
berey der Gemeine keinen Anstoß geben sollen,
nicht aber die Zuhörer. Denn auf diese Art
müste man auch sagen, es gingen auch die übri-
gen, in den unmittelbar dabey stehenden Wor-
ten bezeichnete Eigenschaften eines Bischofs,
daß er nemlich nüchtern, mäßig u. s. w. seyn
solle, nur allein auf die Lehrer, nicht aber auch
auf die Zuhörer. Und wie kan doch diesen die
Polygamie frey gelassen seyn, da sie ihnen nicht
allein in den zuvor erörterten Stellen der Ev-
angelisten deutlich genug verboten war, son-
dern auch Paulus selbst bereits 10 Jahre vor-
her, ehe er den Brief an den Timotheum schrieb;
den ersten Brief an die Corinthier geschrieben,
und darinnen nebst den Ehescheidungen auch die
Vielweiberey so gar nachdrücklich verboten hat-
te: wie wir bald mit mehrern vernehmen wer-
den. Wenn man ja den übrigen Christen et-
was mehr eingeräumet wissen will, als den Leh-
rern, so kan es doch nicht weiter gehen, als
dahin, daß, wenn es sich begeben, daß etwa
einer aus dem Heiden- oder Judenthum zu Chri-
sto bekehrter Ehe-Mann noch wircklich mehrere
als ein Weib gehabt, es so dann mit der Ehe-
scheidung so genau nicht genommen, sondern
ihm nachgesehen worden, dieselbe in der Ehe zu
behalten. Dieweil es doch aber eine an sich
ungebührliche Sache war; so ist es, um sol-
ches zu bezeugen, verboten worden, daß, da
die Lehrer damals aus der Gemeine gewehlet
worden, ja niemand von solchen, der mehrere
Weiber auf einmal gehabt, oder noch habe, ie-
mals zum Lehr-Amt, ja auch nicht einmal zum
diaconat, wie es damals war, genommen wer-
den solte.
V. 3.

Der Mann leiste dem Weibe die schul-
dige Freundschaft,
(die eheliche Beywoh-
nung,) deßgleichen das Weib dem Man-
ne.

Anmerckungen.
1. Hier sehen wir wieder, daß der Apostel
beyden Ehe-Leuten gleiches Recht giebet, was
den Ehestand selbst betrifft, und daß also dar-
inn der Mann vor dem Weibe nichts voraus
habe, ob er gleich sonst ihr Herr und Haupt ist,
sie zu regieren, zu ernähren und zu schützen.
2. Die Worte opheilomene eunoia, schul-
dige Freundschaft,
oder Wohlgewogen-
heit,
schliessen zwar alle Pflichten, die ein E-
hegatte dem andern schuldig ist, in sich: sie ge-
hen doch aber fürnemlich auf das, wozu sich E-
heleute, als Eheleute, in dem aufgerichteten
Bunde und Bande der vertrautesten und aller-
genauesten Freundschaft mit einander verbin-
den, und also auf die eheliche Beywohnung.
Und zeiget diese Redens-Art so viel an, daß, wo
die Beywohnung rechter Art seyn soll, sie eine
wahre Gemüths-Vereinigung und Freund-
schaft zum Grunde haben, und sich auch mit
getreuer Leistung aller übrigen schuldigen Pflich-
ten erweisen müsse.
[Spaltenumbruch]
3. Es lieget in diesen Worten Pauli ein
neuer Erweis wider die Vielweiberey, daß
nemlich diese allerdings verboten sey; als die der
Leistung der schuldigen Freundschaft entgegen
stehet. Denn wenn ein Mann mehrere Weiber
hat, und also an mehrern ehelich hanget, so wird
er dadurch gehindert, der einigen und der rech-
ten Ehegattin, die er alleine haben solte, die
schuldige Pflicht zu erweisen; hingegen was er
andern leistet, entziehet er dieser. Und da er
schon damit, daß er über sie noch eine andere,
oder gar noch mehrere genommen, genugsam
bezeuget hat, daß sein Hertz nicht recht mehr an
ihr hange; so ist leicht zu erachten, daß es durch
das andere Weib, oder durch noch mehrere, um
so viel mehr von ihr werde abgezogen werden,
um so viel neuer sie ist, oder sind, und um so viel
mehr sie sich um das beständige Anhangen des
Mannes durch allerhand, dem eigentlichen Wei-
be sehr nachtheilige, Wege, bey ihm bewerben
werden. Und also darf nur ein geringes, ge-
schweige ein grosses Mißvergnügen gegen die er-
ste Ehegattin aufs neue entstehen, so ist die Ent-
haltung von ihr so viel länger und beständiger,
so viel näher er die Gelegenheit hat, zur Erfül-
lung seiner ungezähmten Begierden sich zu dem
andern Weibe, oder gar wohl zu mehrern, zu
halten. Folglich kan und wird er seiner ersten
und eintzigen rechtmäßigen Ehegattin die eheli-
che Freundschaft, welche der Apostel die schul-
dige
nennet, nicht leisten: gleichwie er durch
seine Vielweiberey auch gehindert wird, diesel-
be von ihr, wenn sie solche ihm auch gleich lei-
sten wolte, anzunehmen. Es ist demnach gantz
klar, daß die Polygamie mit der gemeinschaft-
lichen und schuldigen Pflicht-Leistung unmüg-
lich bestehen könne.
4. Nicht weniger lieget in den Worten
des dritten Verses auch ein Beweis von der Un-
zuläßigkeit der willkührlichen Eheschei-
dung.
Denn ist die dem Weibe zu leistende
eheliche Freundschaft nicht eine willkührliche,
sondern eine schuldige; so kan diese Schuldig-
keit unmöglich mit der willkührlichen Eheschei-
dung, als mit einer gäntzlichen Verstossung, be-
stehen; als welche solcher schuldigen Pflichtlei-
stung noch vielmehr entgegen stehet, als die Viel-
weiberey.
V. 4.

Das Weib ist ihres Leibes nicht mäch-
tig,
(daß sie desselben ehelichen und gebührli-
chen Gebrauch dem Manne könte entziehen und
einem andern zuwenden, oder vor sich, als wie
ausser der Ehe, behalten,) sondern der Mann
(hat zur ehelichen Beywohnung ein Recht dar-
über.) Desselben gleichen der Mann ist
seines Leibes nicht mächtig,
(denselben sei-
nem Weibe zu entziehen, und ihn also zu hal-
ten, als wenn er ausser der Ehe lebte, oder ihn
einem andern Weibe gemein zu machen,) son-
dern das Weib
(hat darüber ein eheliches
Recht, und zwar gantz allein, auch also, daß sie
ihr Recht keiner andern überlassen kan; sintemal
nach v. 2, sie ihren eignen Mann, der Mann

auch
Cap. 7, v. 2-4. an die Corinthier.
[Spaltenumbruch] hat es, wenn einige ſagen, diß Gebot gehe nur
allein die Lehrer an, welche durch die Vielwei-
berey der Gemeine keinen Anſtoß geben ſollen,
nicht aber die Zuhoͤrer. Denn auf dieſe Art
muͤſte man auch ſagen, es gingen auch die uͤbri-
gen, in den unmittelbar dabey ſtehenden Wor-
ten bezeichnete Eigenſchaften eines Biſchofs,
daß er nemlich nuͤchtern, maͤßig u. ſ. w. ſeyn
ſolle, nur allein auf die Lehrer, nicht aber auch
auf die Zuhoͤrer. Und wie kan doch dieſen die
Polygamie frey gelaſſen ſeyn, da ſie ihnen nicht
allein in den zuvor eroͤrterten Stellen der Ev-
angeliſten deutlich genug verboten war, ſon-
dern auch Paulus ſelbſt bereits 10 Jahre vor-
her, ehe er den Brief an den Timotheum ſchrieb;
den erſten Brief an die Corinthier geſchrieben,
und darinnen nebſt den Eheſcheidungen auch die
Vielweiberey ſo gar nachdruͤcklich verboten hat-
te: wie wir bald mit mehrern vernehmen wer-
den. Wenn man ja den uͤbrigen Chriſten et-
was mehr eingeraͤumet wiſſen will, als den Leh-
rern, ſo kan es doch nicht weiter gehen, als
dahin, daß, wenn es ſich begeben, daß etwa
einer aus dem Heiden- oder Judenthum zu Chri-
ſto bekehrter Ehe-Mann noch wircklich mehrere
als ein Weib gehabt, es ſo dann mit der Ehe-
ſcheidung ſo genau nicht genommen, ſondern
ihm nachgeſehen worden, dieſelbe in der Ehe zu
behalten. Dieweil es doch aber eine an ſich
ungebuͤhrliche Sache war; ſo iſt es, um ſol-
ches zu bezeugen, verboten worden, daß, da
die Lehrer damals aus der Gemeine gewehlet
worden, ja niemand von ſolchen, der mehrere
Weiber auf einmal gehabt, oder noch habe, ie-
mals zum Lehr-Amt, ja auch nicht einmal zum
diaconat, wie es damals war, genommen wer-
den ſolte.
V. 3.

Der Mann leiſte dem Weibe die ſchul-
dige Freundſchaft,
(die eheliche Beywoh-
nung,) deßgleichen das Weib dem Man-
ne.

Anmerckungen.
1. Hier ſehen wir wieder, daß der Apoſtel
beyden Ehe-Leuten gleiches Recht giebet, was
den Eheſtand ſelbſt betrifft, und daß alſo dar-
inn der Mann vor dem Weibe nichts voraus
habe, ob er gleich ſonſt ihr Herr und Haupt iſt,
ſie zu regieren, zu ernaͤhren und zu ſchuͤtzen.
2. Die Worte ὀφειλομένη ἔυνοια, ſchul-
dige Freundſchaft,
oder Wohlgewogen-
heit,
ſchlieſſen zwar alle Pflichten, die ein E-
hegatte dem andern ſchuldig iſt, in ſich: ſie ge-
hen doch aber fuͤrnemlich auf das, wozu ſich E-
heleute, als Eheleute, in dem aufgerichteten
Bunde und Bande der vertrauteſten und aller-
genaueſten Freundſchaft mit einander verbin-
den, und alſo auf die eheliche Beywohnung.
Und zeiget dieſe Redens-Art ſo viel an, daß, wo
die Beywohnung rechter Art ſeyn ſoll, ſie eine
wahre Gemuͤths-Vereinigung und Freund-
ſchaft zum Grunde haben, und ſich auch mit
getreuer Leiſtung aller uͤbrigen ſchuldigen Pflich-
ten erweiſen muͤſſe.
[Spaltenumbruch]
3. Es lieget in dieſen Worten Pauli ein
neuer Erweis wider die Vielweiberey, daß
nemlich dieſe allerdings verboten ſey; als die der
Leiſtung der ſchuldigen Freundſchaft entgegen
ſtehet. Denn wenn ein Mann mehrere Weiber
hat, und alſo an mehrern ehelich hanget, ſo wird
er dadurch gehindert, der einigen und der rech-
ten Ehegattin, die er alleine haben ſolte, die
ſchuldige Pflicht zu erweiſen; hingegen was er
andern leiſtet, entziehet er dieſer. Und da er
ſchon damit, daß er uͤber ſie noch eine andere,
oder gar noch mehrere genommen, genugſam
bezeuget hat, daß ſein Hertz nicht recht mehr an
ihr hange; ſo iſt leicht zu erachten, daß es durch
das andere Weib, oder durch noch mehrere, um
ſo viel mehr von ihr werde abgezogen werden,
um ſo viel neuer ſie iſt, oder ſind, und um ſo viel
mehr ſie ſich um das beſtaͤndige Anhangen des
Mannes durch allerhand, dem eigentlichen Wei-
be ſehr nachtheilige, Wege, bey ihm bewerben
werden. Und alſo darf nur ein geringes, ge-
ſchweige ein groſſes Mißvergnuͤgen gegen die er-
ſte Ehegattin aufs neue entſtehen, ſo iſt die Ent-
haltung von ihr ſo viel laͤnger und beſtaͤndiger,
ſo viel naͤher er die Gelegenheit hat, zur Erfuͤl-
lung ſeiner ungezaͤhmten Begierden ſich zu dem
andern Weibe, oder gar wohl zu mehrern, zu
halten. Folglich kan und wird er ſeiner erſten
und eintzigen rechtmaͤßigen Ehegattin die eheli-
che Freundſchaft, welche der Apoſtel die ſchul-
dige
nennet, nicht leiſten: gleichwie er durch
ſeine Vielweiberey auch gehindert wird, dieſel-
be von ihr, wenn ſie ſolche ihm auch gleich lei-
ſten wolte, anzunehmen. Es iſt demnach gantz
klar, daß die Polygamie mit der gemeinſchaft-
lichen und ſchuldigen Pflicht-Leiſtung unmuͤg-
lich beſtehen koͤnne.
4. Nicht weniger lieget in den Worten
des dritten Verſes auch ein Beweis von der Un-
zulaͤßigkeit der willkuͤhrlichen Eheſchei-
dung.
Denn iſt die dem Weibe zu leiſtende
eheliche Freundſchaft nicht eine willkuͤhrliche,
ſondern eine ſchuldige; ſo kan dieſe Schuldig-
keit unmoͤglich mit der willkuͤhrlichen Eheſchei-
dung, als mit einer gaͤntzlichen Verſtoſſung, be-
ſtehen; als welche ſolcher ſchuldigen Pflichtlei-
ſtung noch vielmehr entgegen ſtehet, als die Viel-
weiberey.
V. 4.

Das Weib iſt ihres Leibes nicht maͤch-
tig,
(daß ſie deſſelben ehelichen und gebuͤhrli-
chen Gebrauch dem Manne koͤnte entziehen und
einem andern zuwenden, oder vor ſich, als wie
auſſer der Ehe, behalten,) ſondern der Mann
(hat zur ehelichen Beywohnung ein Recht dar-
uͤber.) Deſſelben gleichen der Mann iſt
ſeines Leibes nicht maͤchtig,
(denſelben ſei-
nem Weibe zu entziehen, und ihn alſo zu hal-
ten, als wenn er auſſer der Ehe lebte, oder ihn
einem andern Weibe gemein zu machen,) ſon-
dern das Weib
(hat daruͤber ein eheliches
Recht, und zwar gantz allein, auch alſo, daß ſie
ihr Recht keiner andern uͤberlaſſen kan; ſintemal
nach v. 2, ſie ihren eignen Mann, der Mann

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[231/0259] Cap. 7, v. 2-4. an die Corinthier. hat es, wenn einige ſagen, diß Gebot gehe nur allein die Lehrer an, welche durch die Vielwei- berey der Gemeine keinen Anſtoß geben ſollen, nicht aber die Zuhoͤrer. Denn auf dieſe Art muͤſte man auch ſagen, es gingen auch die uͤbri- gen, in den unmittelbar dabey ſtehenden Wor- ten bezeichnete Eigenſchaften eines Biſchofs, daß er nemlich nuͤchtern, maͤßig u. ſ. w. ſeyn ſolle, nur allein auf die Lehrer, nicht aber auch auf die Zuhoͤrer. Und wie kan doch dieſen die Polygamie frey gelaſſen ſeyn, da ſie ihnen nicht allein in den zuvor eroͤrterten Stellen der Ev- angeliſten deutlich genug verboten war, ſon- dern auch Paulus ſelbſt bereits 10 Jahre vor- her, ehe er den Brief an den Timotheum ſchrieb; den erſten Brief an die Corinthier geſchrieben, und darinnen nebſt den Eheſcheidungen auch die Vielweiberey ſo gar nachdruͤcklich verboten hat- te: wie wir bald mit mehrern vernehmen wer- den. Wenn man ja den uͤbrigen Chriſten et- was mehr eingeraͤumet wiſſen will, als den Leh- rern, ſo kan es doch nicht weiter gehen, als dahin, daß, wenn es ſich begeben, daß etwa einer aus dem Heiden- oder Judenthum zu Chri- ſto bekehrter Ehe-Mann noch wircklich mehrere als ein Weib gehabt, es ſo dann mit der Ehe- ſcheidung ſo genau nicht genommen, ſondern ihm nachgeſehen worden, dieſelbe in der Ehe zu behalten. Dieweil es doch aber eine an ſich ungebuͤhrliche Sache war; ſo iſt es, um ſol- ches zu bezeugen, verboten worden, daß, da die Lehrer damals aus der Gemeine gewehlet worden, ja niemand von ſolchen, der mehrere Weiber auf einmal gehabt, oder noch habe, ie- mals zum Lehr-Amt, ja auch nicht einmal zum diaconat, wie es damals war, genommen wer- den ſolte. V. 3. Der Mann leiſte dem Weibe die ſchul- dige Freundſchaft, (die eheliche Beywoh- nung,) deßgleichen das Weib dem Man- ne. Anmerckungen. 1. Hier ſehen wir wieder, daß der Apoſtel beyden Ehe-Leuten gleiches Recht giebet, was den Eheſtand ſelbſt betrifft, und daß alſo dar- inn der Mann vor dem Weibe nichts voraus habe, ob er gleich ſonſt ihr Herr und Haupt iſt, ſie zu regieren, zu ernaͤhren und zu ſchuͤtzen. 2. Die Worte ὀφειλομένη ἔυνοια, ſchul- dige Freundſchaft, oder Wohlgewogen- heit, ſchlieſſen zwar alle Pflichten, die ein E- hegatte dem andern ſchuldig iſt, in ſich: ſie ge- hen doch aber fuͤrnemlich auf das, wozu ſich E- heleute, als Eheleute, in dem aufgerichteten Bunde und Bande der vertrauteſten und aller- genaueſten Freundſchaft mit einander verbin- den, und alſo auf die eheliche Beywohnung. Und zeiget dieſe Redens-Art ſo viel an, daß, wo die Beywohnung rechter Art ſeyn ſoll, ſie eine wahre Gemuͤths-Vereinigung und Freund- ſchaft zum Grunde haben, und ſich auch mit getreuer Leiſtung aller uͤbrigen ſchuldigen Pflich- ten erweiſen muͤſſe. 3. Es lieget in dieſen Worten Pauli ein neuer Erweis wider die Vielweiberey, daß nemlich dieſe allerdings verboten ſey; als die der Leiſtung der ſchuldigen Freundſchaft entgegen ſtehet. Denn wenn ein Mann mehrere Weiber hat, und alſo an mehrern ehelich hanget, ſo wird er dadurch gehindert, der einigen und der rech- ten Ehegattin, die er alleine haben ſolte, die ſchuldige Pflicht zu erweiſen; hingegen was er andern leiſtet, entziehet er dieſer. Und da er ſchon damit, daß er uͤber ſie noch eine andere, oder gar noch mehrere genommen, genugſam bezeuget hat, daß ſein Hertz nicht recht mehr an ihr hange; ſo iſt leicht zu erachten, daß es durch das andere Weib, oder durch noch mehrere, um ſo viel mehr von ihr werde abgezogen werden, um ſo viel neuer ſie iſt, oder ſind, und um ſo viel mehr ſie ſich um das beſtaͤndige Anhangen des Mannes durch allerhand, dem eigentlichen Wei- be ſehr nachtheilige, Wege, bey ihm bewerben werden. Und alſo darf nur ein geringes, ge- ſchweige ein groſſes Mißvergnuͤgen gegen die er- ſte Ehegattin aufs neue entſtehen, ſo iſt die Ent- haltung von ihr ſo viel laͤnger und beſtaͤndiger, ſo viel naͤher er die Gelegenheit hat, zur Erfuͤl- lung ſeiner ungezaͤhmten Begierden ſich zu dem andern Weibe, oder gar wohl zu mehrern, zu halten. Folglich kan und wird er ſeiner erſten und eintzigen rechtmaͤßigen Ehegattin die eheli- che Freundſchaft, welche der Apoſtel die ſchul- dige nennet, nicht leiſten: gleichwie er durch ſeine Vielweiberey auch gehindert wird, dieſel- be von ihr, wenn ſie ſolche ihm auch gleich lei- ſten wolte, anzunehmen. Es iſt demnach gantz klar, daß die Polygamie mit der gemeinſchaft- lichen und ſchuldigen Pflicht-Leiſtung unmuͤg- lich beſtehen koͤnne. 4. Nicht weniger lieget in den Worten des dritten Verſes auch ein Beweis von der Un- zulaͤßigkeit der willkuͤhrlichen Eheſchei- dung. Denn iſt die dem Weibe zu leiſtende eheliche Freundſchaft nicht eine willkuͤhrliche, ſondern eine ſchuldige; ſo kan dieſe Schuldig- keit unmoͤglich mit der willkuͤhrlichen Eheſchei- dung, als mit einer gaͤntzlichen Verſtoſſung, be- ſtehen; als welche ſolcher ſchuldigen Pflichtlei- ſtung noch vielmehr entgegen ſtehet, als die Viel- weiberey. V. 4. Das Weib iſt ihres Leibes nicht maͤch- tig, (daß ſie deſſelben ehelichen und gebuͤhrli- chen Gebrauch dem Manne koͤnte entziehen und einem andern zuwenden, oder vor ſich, als wie auſſer der Ehe, behalten,) ſondern der Mann (hat zur ehelichen Beywohnung ein Recht dar- uͤber.) Deſſelben gleichen der Mann iſt ſeines Leibes nicht maͤchtig, (denſelben ſei- nem Weibe zu entziehen, und ihn alſo zu hal- ten, als wenn er auſſer der Ehe lebte, oder ihn einem andern Weibe gemein zu machen,) ſon- dern das Weib (hat daruͤber ein eheliches Recht, und zwar gantz allein, auch alſo, daß ſie ihr Recht keiner andern uͤberlaſſen kan; ſintemal nach v. 2, ſie ihren eignen Mann, der Mann auch

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht01_1729/259>, abgerufen am 24.11.2024.