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Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.

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Erklärung des ersten Briefs Pauli Cap. 7, v. 30. 31.
[Spaltenumbruch] als besässen sie es nicht, (und wären also be-
reit, theils es fahren zu lassen, wenn sie durch
manche menschliche Unfälle darum kommen, o-
der doch grossen Schaden daran leiden; theils
aber ohne Anklebung des Hertzens durch einen
seligen Tod davon zu scheiden.)

Anmerckungen.

1. Daß der Mensch bey zeitlichen und leib-
lichen Widerwärtigkeiten nicht unempfindlich
ist, muß ihm zu vielem guten, und sonderlich
dazu dienen, daß er der väterlichen Züchtigung
fähig bleibet, und sich desto mehr nach dem ewi-
gen, so keiner Veränderung unterworfen ist,
umsiehet. Denn wenn ein Kind von der Zucht-
Ruthe des Vaters gar keine Empfindung hät-
te; was wäre denn bey demselben auszurichten?
Und also ists eine eingebildete Stoische und stol-
tze Großmüthigkeit, wenn einige gar ohne Em-
pfindung des Ubels seyn wollen.

2. Daß aber auch der Mensch über manche
zeitliche und leibliche Dinge erfreuet und ver-
gnüget werden könne, das hat man auch der vä-
terlichen Güte und Weisheit GOTTes zuzu-
schreiben: sintemal er dadurch der menschlichen
Schwachheit zu Hülfe kömmt, und damit die
widrigen Dinge desto erträglicher machet. Nur
muß die Freude und das Vergnügen, so man
in der Welt hat, nicht seyn nach der Welt und
in sündlichen Dingen, als in leichtsinnigen, o-
der doch gantz eiteln Schertzen, spielen, tan-
tzen, gasteriren und dergleichen Sachen. Denn
das richtige und lautere Vergnügen an den Ge-
schöpfen muß von ihm auf GOTT zurück ge-
führet werden: auf welche Art es gleichsam ge-
adelt und zu der Aehnlichkeit der geistlichen Freu-
de in GOtt gebracht wird.

V. 31.

Und die dieser Welt brauchen, (wie
alle Menschen thun müssen, was die Nahrung,
Kleidung und Wohnung betrifft, dazu manche
noch mit besondern und weitläuftigen Geschäf-
ten zu thun haben,) daß sie derselben nicht
mißbrauchen,
(nicht also damit umgehen, als
wären sie nur zu den sichtbaren Dingen dieser
Welt erschaffen, und daher, mit Versäumung
ihrer unsterblichen Seele und mit Hindanse-
tzung GOttes, das Hertz daran hangen, und
eine subtilere, aber doch verdammliche, Abgöt-
terey damit treiben.) Denn das Wesen (skhe-
ma, die gegenwärtige Gestalt) dieser Welt
vergehet,
(ist der Veränderung unterworfen,
und also kan auch das, womit wir in der Welt
umgehen, nicht als etwas beständiges und zu-
verläßiges angesehen werden.

Anmerckungen.
1. Die Glaubigen sind nicht Sclaven, son-
dern im geistlichen Verstande Herren dieser
Welt; wie denn daher Paulus oben c. 3, 21. 22.
gesaget hat: Es ist alles euer: es sey Pau-
lus, oder Apollo, es sey Kephas, oder
die Welt, es sey das Leben, oder der
Tod, es sey das Gegenwärtige, oder das
[Spaltenumbruch] Zukünftige, alles ist euer.
Und also ge-
brauchen sie dieser Welt vermöge des Rechts,
das sie nicht allein nach ihrer Schöpfung, son-
dern auch nach ihrer Erlösung zum freyen Ge-
brauch der Creaturen GOttes haben. Denn
ob gleich die Erlösung eigentlich nur auf geistli-
che Güter gehet; so ist doch der Gläubigen ihr
Erlöser auch der Schöpfer und Regierer aller
Dinge: und daher haben sie zum Gebrauch der
geringern Güter ein so viel mehrers Recht, so
viel getreuer sie die bessern Güter anlegen und
damit auch zugleich jene so viel mehr in ihren
Nutzungen heiligen.
2. Bey dem rechten Gebrauch zeitlicher
Dinge kömmt es auf diese drey Stücke und Fra-
gen an: a. wer? b. wie? c. wozu?
3. Wer kan sie recht gebrauchen? al-
lein ein Wiedergebohrner und Gläubiger, der
ein von dem irdischen Wesen in so weit abgezo-
genes Hertze hat, daß es ihn nicht mehr beherr-
schet. Denn weil ein Unwiedergebohrner von
der unordentlichen Welt-Liebe noch beherrschet
wird, so hanget er an der Creatur mehr, als
an GOtt, und also ist sein Gebrauch derselben
nur ein Mißbrauch.
4. Wie muß man die Creaturen recht
gebrauchen?
Nicht allein mit einer Mäßi-
gung, sondern auch in der rechten Ordnung,
das ist, nach der Eigenschaft eines Wiederge-
bohrnen Gemüths, und in der subordination
unter GOTT, und also im Glauben, daß der
Gebrauch GOtt gefalle: und solcher gestalt in
der Furcht GOttes, und wie mit dessen Anru-
fung, also mit der gegen ihn gerichteten Danck-
sagung. Siehe Rom. 14, 23. Col. 3, 17. und
sonderlich 1 Tim. 4, 4. Alle Creatur GOttes
ist gut, und nichts verwerflich, das mit
Dancksagung empfangen wird. Denn es
wird geheiliget durch das Wort GOttes
und Gebet.
Da nun diese Ordnung des
Genusses
sich bey unbekehrten Leuten nicht fin-
det, so siehet man auch aus diesem andern
Haupt-Mangel,
daß der Gebrauch der Crea-
turen bey ihnen nichts als ein Mißbrauch, der
in lauter Unordnung bestehet; sintemal man den
Geber dabey nicht vor Augen hat, und also die
Gabe mehr geraubet, als mit erkäntlicher Ehr-
Furcht von ihm angenommen wird.
5. Wozu soll der Gebrauch der Crea-
turen geschehen?
oder wohin soll er gerich-
tet seyn? Zu der Ehre GOttes; wie diese
durch unsere Erhaltung und durch den Dienst
gegen unsern Nechsten zu befördern ist. Denn
da wir uns nicht selbst leben sollen, sondern
GOtte, also daß wir ihn in allen Dingen sol-
len zum Zweck haben Rom. 14, 7. 8. 2 Cor. 5,
15. so ist leichtlich zu erachten, daß die Creatur
uns dazu dienen soll, daß wir auch unser natür-
liches Leben nach dem Willen GOttes und zu
seinen Ehren, wie diese bey uns und unserm
Nechsten zu vermehren ist, anzuwenden haben.
Und diß ists, was Paulus 1 Cor. 10, 31. aus-
drücklich bezeuget, wenn er spricht: Jhr es-
set, oder trincket, oder was ihr thut, so
thut es alles zu GOttes Ehre.
Und Col.
3, 17. Alles, was ihr thut mit Worten o-
der

Erklaͤrung des erſten Briefs Pauli Cap. 7, v. 30. 31.
[Spaltenumbruch] als beſaͤſſen ſie es nicht, (und waͤren alſo be-
reit, theils es fahren zu laſſen, wenn ſie durch
manche menſchliche Unfaͤlle darum kommen, o-
der doch groſſen Schaden daran leiden; theils
aber ohne Anklebung des Hertzens durch einen
ſeligen Tod davon zu ſcheiden.)

Anmerckungen.

1. Daß der Menſch bey zeitlichen und leib-
lichen Widerwaͤrtigkeiten nicht unempfindlich
iſt, muß ihm zu vielem guten, und ſonderlich
dazu dienen, daß er der vaͤterlichen Zuͤchtigung
faͤhig bleibet, und ſich deſto mehr nach dem ewi-
gen, ſo keiner Veraͤnderung unterworfen iſt,
umſiehet. Denn wenn ein Kind von der Zucht-
Ruthe des Vaters gar keine Empfindung haͤt-
te; was waͤre denn bey demſelben auszurichten?
Und alſo iſts eine eingebildete Stoiſche und ſtol-
tze Großmuͤthigkeit, wenn einige gar ohne Em-
pfindung des Ubels ſeyn wollen.

2. Daß aber auch der Menſch uͤber manche
zeitliche und leibliche Dinge erfreuet und ver-
gnuͤget werden koͤnne, das hat man auch der vaͤ-
terlichen Guͤte und Weisheit GOTTes zuzu-
ſchreiben: ſintemal er dadurch der menſchlichen
Schwachheit zu Huͤlfe koͤmmt, und damit die
widrigen Dinge deſto ertraͤglicher machet. Nur
muß die Freude und das Vergnuͤgen, ſo man
in der Welt hat, nicht ſeyn nach der Welt und
in ſuͤndlichen Dingen, als in leichtſinnigen, o-
der doch gantz eiteln Schertzen, ſpielen, tan-
tzen, gaſteriren und dergleichen Sachen. Denn
das richtige und lautere Vergnuͤgen an den Ge-
ſchoͤpfen muß von ihm auf GOTT zuruͤck ge-
fuͤhret werden: auf welche Art es gleichſam ge-
adelt und zu der Aehnlichkeit der geiſtlichen Freu-
de in GOtt gebracht wird.

V. 31.

Und die dieſer Welt brauchen, (wie
alle Menſchen thun muͤſſen, was die Nahrung,
Kleidung und Wohnung betrifft, dazu manche
noch mit beſondern und weitlaͤuftigen Geſchaͤf-
ten zu thun haben,) daß ſie derſelben nicht
mißbrauchen,
(nicht alſo damit umgehen, als
waͤren ſie nur zu den ſichtbaren Dingen dieſer
Welt erſchaffen, und daher, mit Verſaͤumung
ihrer unſterblichen Seele und mit Hindanſe-
tzung GOttes, das Hertz daran hangen, und
eine ſubtilere, aber doch verdammliche, Abgoͤt-
terey damit treiben.) Denn das Weſen (σχῆ-
μα, die gegenwaͤrtige Geſtalt) dieſer Welt
vergehet,
(iſt der Veraͤnderung unterworfen,
und alſo kan auch das, womit wir in der Welt
umgehen, nicht als etwas beſtaͤndiges und zu-
verlaͤßiges angeſehen werden.

Anmerckungen.
1. Die Glaubigen ſind nicht Sclaven, ſon-
dern im geiſtlichen Verſtande Herren dieſer
Welt; wie denn daher Paulus oben c. 3, 21. 22.
geſaget hat: Es iſt alles euer: es ſey Pau-
lus, oder Apollo, es ſey Kephas, oder
die Welt, es ſey das Leben, oder der
Tod, es ſey das Gegenwaͤrtige, oder das
[Spaltenumbruch] Zukuͤnftige, alles iſt euer.
Und alſo ge-
brauchen ſie dieſer Welt vermoͤge des Rechts,
das ſie nicht allein nach ihrer Schoͤpfung, ſon-
dern auch nach ihrer Erloͤſung zum freyen Ge-
brauch der Creaturen GOttes haben. Denn
ob gleich die Erloͤſung eigentlich nur auf geiſtli-
che Guͤter gehet; ſo iſt doch der Glaͤubigen ihr
Erloͤſer auch der Schoͤpfer und Regierer aller
Dinge: und daher haben ſie zum Gebrauch der
geringern Guͤter ein ſo viel mehrers Recht, ſo
viel getreuer ſie die beſſern Guͤter anlegen und
damit auch zugleich jene ſo viel mehr in ihren
Nutzungen heiligen.
2. Bey dem rechten Gebrauch zeitlicher
Dinge koͤmmt es auf dieſe drey Stuͤcke und Fra-
gen an: a. wer? b. wie? c. wozu?
3. Wer kan ſie recht gebrauchen? al-
lein ein Wiedergebohrner und Glaͤubiger, der
ein von dem irdiſchen Weſen in ſo weit abgezo-
genes Hertze hat, daß es ihn nicht mehr beherr-
ſchet. Denn weil ein Unwiedergebohrner von
der unordentlichen Welt-Liebe noch beherrſchet
wird, ſo hanget er an der Creatur mehr, als
an GOtt, und alſo iſt ſein Gebrauch derſelben
nur ein Mißbrauch.
4. Wie muß man die Creaturen recht
gebrauchen?
Nicht allein mit einer Maͤßi-
gung, ſondern auch in der rechten Ordnung,
das iſt, nach der Eigenſchaft eines Wiederge-
bohrnen Gemuͤths, und in der ſubordination
unter GOTT, und alſo im Glauben, daß der
Gebrauch GOtt gefalle: und ſolcher geſtalt in
der Furcht GOttes, und wie mit deſſen Anru-
fung, alſo mit der gegen ihn gerichteten Danck-
ſagung. Siehe Rom. 14, 23. Col. 3, 17. und
ſonderlich 1 Tim. 4, 4. Alle Creatur GOttes
iſt gut, und nichts verwerflich, das mit
Danckſagung empfangen wird. Denn es
wird geheiliget durch das Wort GOttes
und Gebet.
Da nun dieſe Ordnung des
Genuſſes
ſich bey unbekehrten Leuten nicht fin-
det, ſo ſiehet man auch aus dieſem andern
Haupt-Mangel,
daß der Gebrauch der Crea-
turen bey ihnen nichts als ein Mißbrauch, der
in lauter Unordnung beſtehet; ſintemal man den
Geber dabey nicht vor Augen hat, und alſo die
Gabe mehr geraubet, als mit erkaͤntlicher Ehr-
Furcht von ihm angenommen wird.
5. Wozu ſoll der Gebrauch der Crea-
turen geſchehen?
oder wohin ſoll er gerich-
tet ſeyn? Zu der Ehre GOttes; wie dieſe
durch unſere Erhaltung und durch den Dienſt
gegen unſern Nechſten zu befoͤrdern iſt. Denn
da wir uns nicht ſelbſt leben ſollen, ſondern
GOtte, alſo daß wir ihn in allen Dingen ſol-
len zum Zweck haben Rom. 14, 7. 8. 2 Cor. 5,
15. ſo iſt leichtlich zu erachten, daß die Creatur
uns dazu dienen ſoll, daß wir auch unſer natuͤr-
liches Leben nach dem Willen GOttes und zu
ſeinen Ehren, wie dieſe bey uns und unſerm
Nechſten zu vermehren iſt, anzuwenden haben.
Und diß iſts, was Paulus 1 Cor. 10, 31. aus-
druͤcklich bezeuget, wenn er ſpricht: Jhr eſ-
ſet, oder trincket, oder was ihr thut, ſo
thut es alles zu GOttes Ehre.
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3, 17. Alles, was ihr thut mit Worten o-
der
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[242/0270] Erklaͤrung des erſten Briefs Pauli Cap. 7, v. 30. 31. als beſaͤſſen ſie es nicht, (und waͤren alſo be- reit, theils es fahren zu laſſen, wenn ſie durch manche menſchliche Unfaͤlle darum kommen, o- der doch groſſen Schaden daran leiden; theils aber ohne Anklebung des Hertzens durch einen ſeligen Tod davon zu ſcheiden.) Anmerckungen. 1. Daß der Menſch bey zeitlichen und leib- lichen Widerwaͤrtigkeiten nicht unempfindlich iſt, muß ihm zu vielem guten, und ſonderlich dazu dienen, daß er der vaͤterlichen Zuͤchtigung faͤhig bleibet, und ſich deſto mehr nach dem ewi- gen, ſo keiner Veraͤnderung unterworfen iſt, umſiehet. Denn wenn ein Kind von der Zucht- Ruthe des Vaters gar keine Empfindung haͤt- te; was waͤre denn bey demſelben auszurichten? Und alſo iſts eine eingebildete Stoiſche und ſtol- tze Großmuͤthigkeit, wenn einige gar ohne Em- pfindung des Ubels ſeyn wollen. 2. Daß aber auch der Menſch uͤber manche zeitliche und leibliche Dinge erfreuet und ver- gnuͤget werden koͤnne, das hat man auch der vaͤ- terlichen Guͤte und Weisheit GOTTes zuzu- ſchreiben: ſintemal er dadurch der menſchlichen Schwachheit zu Huͤlfe koͤmmt, und damit die widrigen Dinge deſto ertraͤglicher machet. Nur muß die Freude und das Vergnuͤgen, ſo man in der Welt hat, nicht ſeyn nach der Welt und in ſuͤndlichen Dingen, als in leichtſinnigen, o- der doch gantz eiteln Schertzen, ſpielen, tan- tzen, gaſteriren und dergleichen Sachen. Denn das richtige und lautere Vergnuͤgen an den Ge- ſchoͤpfen muß von ihm auf GOTT zuruͤck ge- fuͤhret werden: auf welche Art es gleichſam ge- adelt und zu der Aehnlichkeit der geiſtlichen Freu- de in GOtt gebracht wird. V. 31. Und die dieſer Welt brauchen, (wie alle Menſchen thun muͤſſen, was die Nahrung, Kleidung und Wohnung betrifft, dazu manche noch mit beſondern und weitlaͤuftigen Geſchaͤf- ten zu thun haben,) daß ſie derſelben nicht mißbrauchen, (nicht alſo damit umgehen, als waͤren ſie nur zu den ſichtbaren Dingen dieſer Welt erſchaffen, und daher, mit Verſaͤumung ihrer unſterblichen Seele und mit Hindanſe- tzung GOttes, das Hertz daran hangen, und eine ſubtilere, aber doch verdammliche, Abgoͤt- terey damit treiben.) Denn das Weſen (σχῆ- μα, die gegenwaͤrtige Geſtalt) dieſer Welt vergehet, (iſt der Veraͤnderung unterworfen, und alſo kan auch das, womit wir in der Welt umgehen, nicht als etwas beſtaͤndiges und zu- verlaͤßiges angeſehen werden. Anmerckungen. 1. Die Glaubigen ſind nicht Sclaven, ſon- dern im geiſtlichen Verſtande Herren dieſer Welt; wie denn daher Paulus oben c. 3, 21. 22. geſaget hat: Es iſt alles euer: es ſey Pau- lus, oder Apollo, es ſey Kephas, oder die Welt, es ſey das Leben, oder der Tod, es ſey das Gegenwaͤrtige, oder das Zukuͤnftige, alles iſt euer. Und alſo ge- brauchen ſie dieſer Welt vermoͤge des Rechts, das ſie nicht allein nach ihrer Schoͤpfung, ſon- dern auch nach ihrer Erloͤſung zum freyen Ge- brauch der Creaturen GOttes haben. Denn ob gleich die Erloͤſung eigentlich nur auf geiſtli- che Guͤter gehet; ſo iſt doch der Glaͤubigen ihr Erloͤſer auch der Schoͤpfer und Regierer aller Dinge: und daher haben ſie zum Gebrauch der geringern Guͤter ein ſo viel mehrers Recht, ſo viel getreuer ſie die beſſern Guͤter anlegen und damit auch zugleich jene ſo viel mehr in ihren Nutzungen heiligen. 2. Bey dem rechten Gebrauch zeitlicher Dinge koͤmmt es auf dieſe drey Stuͤcke und Fra- gen an: a. wer? b. wie? c. wozu? 3. Wer kan ſie recht gebrauchen? al- lein ein Wiedergebohrner und Glaͤubiger, der ein von dem irdiſchen Weſen in ſo weit abgezo- genes Hertze hat, daß es ihn nicht mehr beherr- ſchet. Denn weil ein Unwiedergebohrner von der unordentlichen Welt-Liebe noch beherrſchet wird, ſo hanget er an der Creatur mehr, als an GOtt, und alſo iſt ſein Gebrauch derſelben nur ein Mißbrauch. 4. Wie muß man die Creaturen recht gebrauchen? Nicht allein mit einer Maͤßi- gung, ſondern auch in der rechten Ordnung, das iſt, nach der Eigenſchaft eines Wiederge- bohrnen Gemuͤths, und in der ſubordination unter GOTT, und alſo im Glauben, daß der Gebrauch GOtt gefalle: und ſolcher geſtalt in der Furcht GOttes, und wie mit deſſen Anru- fung, alſo mit der gegen ihn gerichteten Danck- ſagung. Siehe Rom. 14, 23. Col. 3, 17. und ſonderlich 1 Tim. 4, 4. Alle Creatur GOttes iſt gut, und nichts verwerflich, das mit Danckſagung empfangen wird. Denn es wird geheiliget durch das Wort GOttes und Gebet. Da nun dieſe Ordnung des Genuſſes ſich bey unbekehrten Leuten nicht fin- det, ſo ſiehet man auch aus dieſem andern Haupt-Mangel, daß der Gebrauch der Crea- turen bey ihnen nichts als ein Mißbrauch, der in lauter Unordnung beſtehet; ſintemal man den Geber dabey nicht vor Augen hat, und alſo die Gabe mehr geraubet, als mit erkaͤntlicher Ehr- Furcht von ihm angenommen wird. 5. Wozu ſoll der Gebrauch der Crea- turen geſchehen? oder wohin ſoll er gerich- tet ſeyn? Zu der Ehre GOttes; wie dieſe durch unſere Erhaltung und durch den Dienſt gegen unſern Nechſten zu befoͤrdern iſt. Denn da wir uns nicht ſelbſt leben ſollen, ſondern GOtte, alſo daß wir ihn in allen Dingen ſol- len zum Zweck haben Rom. 14, 7. 8. 2 Cor. 5, 15. ſo iſt leichtlich zu erachten, daß die Creatur uns dazu dienen ſoll, daß wir auch unſer natuͤr- liches Leben nach dem Willen GOttes und zu ſeinen Ehren, wie dieſe bey uns und unſerm Nechſten zu vermehren iſt, anzuwenden haben. Und diß iſts, was Paulus 1 Cor. 10, 31. aus- druͤcklich bezeuget, wenn er ſpricht: Jhr eſ- ſet, oder trincket, oder was ihr thut, ſo thut es alles zu GOttes Ehre. Und Col. 3, 17. Alles, was ihr thut mit Worten o- der

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht01_1729/270>, abgerufen am 25.11.2024.