Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.an die Corinthier. [Spaltenumbruch]
Durch jene wird die eheliche Liebe des Mannesgegen das Weib zertheilet und geschwächet; und durch diese wird sie gar abgeschnitten. Und wenn der Mann siehet, daß er des Weibes so bald los werden und zu einer andern gelangen kan; so fället nicht allein die Geduld gegen jener ihre Schwachheit samt der Bemühung, sie nach und nach zu verbessern, nebst der aufrichtigen Treue und Dienstfertigkeit dahin; sondern auch die vermeinten, oder auch würcklichen An- stösse, so er an ihr genommen, werden ihm bald unerträglich vorkommen: ja er wird in seinem fleischlichen Sinn ihr selbst mit Fleiß manches in den Weg legen, damit er, wenn auch sie, da- durch gereitzet, sich immer mehr vergehet, vor Menschen nur immer mehr Ursache zur Schei- dung finden möge: zumal, wenn er sein Hertz schon an andere gehänget hat, und ihrer entwe- der durch die polygamie schon habhaft worden ist, oder doch nach der Scheidung noch werden kan. Und wie manches geiles und dabey sehr arglistiges Weibes-Bild, wenn sie weiß, daß ihr durch das Mittel der Scheidung oder der polygamie der Weg in dieses oder jenes Mannes Ehe-Bette offen stehet, wird ihm nicht Stricke und Fallen genug legen, und ihn an sich ziehen, hingegen sein Hertze theils selbst, theils durch andere, von seinem rechtmäßigen Weibe abzie- hen, und sich dazu allerhand loser Stücklein durch Verleumdungen bedienen? Was kan aber die erste Ehegattin für Liebe, Vertrauen, Treue und Dienstfertigkeit gegen ihren Mann haben und behalten, wenn sie immer besorget seyn muß, durch andere sich einliebende und ein- practicirende aus dem Ehe-Bette verdrenget zu werden: und auch wol siehet, wie die Anschläge schon dahin gerichtet sind? Und wie wird es um die Zucht und Erziehung der Kinder stehen? Wie kan sie dazu, und zur Haushal- tung, eine Gehülfin seyn, wenn sie durch die Scheidung davon muß? Und wessen sollen hernach die Kinder seyn? des Vaters, oder der Mutter? Was wird nicht unter den Kindern für Verwirrung entstehen, zumal, wenn sie der unschuldigen und bedrängten Mutter mehr an- hangen als dem Vater, ihr aber doch nicht hel- fen dürfen? oder wenn der Vater, um andern Weibern den Eingang zu sich so viel leichter zu machen, sie, wo nicht gar, doch guten theils, aus den Augen setzet, und sie sich zu der verstossenen Mutter halten, und mit ihr darben, und bey ihr oder doch sonst, ohne Zucht verderben lässet? Und wie werden diese gegen den Vater und ge- gen andere Weiber, oder solche aufgedrungene Stief-Mütter gesinnet seyn? Was werden sie beyden, einem so unverantwortlich handelnden Vater und einer so unächten Mutter, für Re- spect und Gehorsam erweisen? Und da der Ehe-Stand auch dazu gewidmet war, daß er beyden Theilen solte ein Mittel wider die verun- ruhigende und zu allerhand extravaganzen ver- suchende fleischlichen Lüste seyn; wie wird dem durch die polygamie zurückgesetzten, und durch die Scheidung gar verstossenen Weibe gera- then? Welcher Gefahr und welchem Jam- mer, auch welcher Schmach und Verachtung [Spaltenumbruch] unter andern, wird sie nicht exponiret? Und wo bleibt bey diesem allen die Ubung der durch Christum selbst geadelten Regul vom iure na- turae: Was ihr wollet, das euch die Leu- te thun sollen, das thut ihnen auch Matth. 7, 12. §. VIII. Bleibet die erste Ehegattin aber noth- J i
an die Corinthier. [Spaltenumbruch]
Durch jene wird die eheliche Liebe des Mannesgegen das Weib zertheilet und geſchwaͤchet; und durch dieſe wird ſie gar abgeſchnitten. Und wenn der Mann ſiehet, daß er des Weibes ſo bald los werden und zu einer andern gelangen kan; ſo faͤllet nicht allein die Geduld gegen jener ihre Schwachheit ſamt der Bemuͤhung, ſie nach und nach zu verbeſſern, nebſt der aufrichtigen Treue und Dienſtfertigkeit dahin; ſondern auch die vermeinten, oder auch wuͤrcklichen An- ſtoͤſſe, ſo er an ihr genommen, werden ihm bald unertraͤglich vorkommen: ja er wird in ſeinem fleiſchlichen Sinn ihr ſelbſt mit Fleiß manches in den Weg legen, damit er, wenn auch ſie, da- durch gereitzet, ſich immer mehr vergehet, vor Menſchen nur immer mehr Urſache zur Schei- dung finden moͤge: zumal, wenn er ſein Hertz ſchon an andere gehaͤnget hat, und ihrer entwe- der durch die polygamie ſchon habhaft worden iſt, oder doch nach der Scheidung noch werden kan. Und wie manches geiles und dabey ſehr argliſtiges Weibes-Bild, wenn ſie weiß, daß ihr durch das Mittel der Scheidung oder der polygamie der Weg in dieſes oder jenes Mannes Ehe-Bette offen ſtehet, wird ihm nicht Stricke und Fallen genug legen, und ihn an ſich ziehen, hingegen ſein Hertze theils ſelbſt, theils durch andere, von ſeinem rechtmaͤßigen Weibe abzie- hen, und ſich dazu allerhand loſer Stuͤcklein durch Verleumdungen bedienen? Was kan aber die erſte Ehegattin fuͤr Liebe, Vertrauen, Treue und Dienſtfertigkeit gegen ihren Mann haben und behalten, wenn ſie immer beſorget ſeyn muß, durch andere ſich einliebende und ein- practicirende aus dem Ehe-Bette verdrenget zu werden: und auch wol ſiehet, wie die Anſchlaͤge ſchon dahin gerichtet ſind? Und wie wird es um die Zucht und Erziehung der Kinder ſtehen? Wie kan ſie dazu, und zur Haushal- tung, eine Gehuͤlfin ſeyn, wenn ſie durch die Scheidung davon muß? Und weſſen ſollen hernach die Kinder ſeyn? des Vaters, oder der Mutter? Was wird nicht unter den Kindern fuͤr Verwirrung entſtehen, zumal, wenn ſie der unſchuldigen und bedraͤngten Mutter mehr an- hangen als dem Vater, ihr aber doch nicht hel- fen duͤrfen? oder wenn der Vater, um andern Weibern den Eingang zu ſich ſo viel leichter zu machen, ſie, wo nicht gar, doch guten theils, aus den Augen ſetzet, und ſie ſich zu der verſtoſſenen Mutter halten, und mit ihr darben, und bey ihr oder doch ſonſt, ohne Zucht verderben laͤſſet? Und wie werden dieſe gegen den Vater und ge- gen andere Weiber, oder ſolche aufgedrungene Stief-Muͤtter geſinnet ſeyn? Was werden ſie beyden, einem ſo unverantwortlich handelnden Vater und einer ſo unaͤchten Mutter, fuͤr Re- ſpect und Gehorſam erweiſen? Und da der Ehe-Stand auch dazu gewidmet war, daß er beyden Theilen ſolte ein Mittel wider die verun- ruhigende und zu allerhand extravaganzen ver- ſuchende fleiſchlichen Luͤſte ſeyn; wie wird dem durch die polygamie zuruͤckgeſetzten, und durch die Scheidung gar verſtoſſenen Weibe gera- then? Welcher Gefahr und welchem Jam- mer, auch welcher Schmach und Verachtung [Spaltenumbruch] unter andern, wird ſie nicht exponiret? Und wo bleibt bey dieſem allen die Ubung der durch Chriſtum ſelbſt geadelten Regul vom iure na- turæ: Was ihr wollet, das euch die Leu- te thun ſollen, das thut ihnen auch Matth. 7, 12. §. VIII. Bleibet die erſte Ehegattin aber noth- J i
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an die Corinthier.
Durch jene wird die eheliche Liebe des Mannes
gegen das Weib zertheilet und geſchwaͤchet;
und durch dieſe wird ſie gar abgeſchnitten. Und
wenn der Mann ſiehet, daß er des Weibes ſo
bald los werden und zu einer andern gelangen
kan; ſo faͤllet nicht allein die Geduld gegen jener
ihre Schwachheit ſamt der Bemuͤhung, ſie nach
und nach zu verbeſſern, nebſt der aufrichtigen
Treue und Dienſtfertigkeit dahin; ſondern
auch die vermeinten, oder auch wuͤrcklichen An-
ſtoͤſſe, ſo er an ihr genommen, werden ihm bald
unertraͤglich vorkommen: ja er wird in ſeinem
fleiſchlichen Sinn ihr ſelbſt mit Fleiß manches in
den Weg legen, damit er, wenn auch ſie, da-
durch gereitzet, ſich immer mehr vergehet, vor
Menſchen nur immer mehr Urſache zur Schei-
dung finden moͤge: zumal, wenn er ſein Hertz
ſchon an andere gehaͤnget hat, und ihrer entwe-
der durch die polygamie ſchon habhaft worden
iſt, oder doch nach der Scheidung noch werden
kan. Und wie manches geiles und dabey ſehr
argliſtiges Weibes-Bild, wenn ſie weiß, daß
ihr durch das Mittel der Scheidung oder der
polygamie der Weg in dieſes oder jenes Mannes
Ehe-Bette offen ſtehet, wird ihm nicht Stricke
und Fallen genug legen, und ihn an ſich ziehen,
hingegen ſein Hertze theils ſelbſt, theils durch
andere, von ſeinem rechtmaͤßigen Weibe abzie-
hen, und ſich dazu allerhand loſer Stuͤcklein
durch Verleumdungen bedienen? Was kan
aber die erſte Ehegattin fuͤr Liebe, Vertrauen,
Treue und Dienſtfertigkeit gegen ihren Mann
haben und behalten, wenn ſie immer beſorget
ſeyn muß, durch andere ſich einliebende und ein-
practicirende aus dem Ehe-Bette verdrenget zu
werden: und auch wol ſiehet, wie die Anſchlaͤge
ſchon dahin gerichtet ſind? Und wie wird es
um die Zucht und Erziehung der Kinder
ſtehen? Wie kan ſie dazu, und zur Haushal-
tung, eine Gehuͤlfin ſeyn, wenn ſie durch die
Scheidung davon muß? Und weſſen ſollen
hernach die Kinder ſeyn? des Vaters, oder der
Mutter? Was wird nicht unter den Kindern
fuͤr Verwirrung entſtehen, zumal, wenn ſie der
unſchuldigen und bedraͤngten Mutter mehr an-
hangen als dem Vater, ihr aber doch nicht hel-
fen duͤrfen? oder wenn der Vater, um andern
Weibern den Eingang zu ſich ſo viel leichter zu
machen, ſie, wo nicht gar, doch guten theils, aus
den Augen ſetzet, und ſie ſich zu der verſtoſſenen
Mutter halten, und mit ihr darben, und bey ihr
oder doch ſonſt, ohne Zucht verderben laͤſſet?
Und wie werden dieſe gegen den Vater und ge-
gen andere Weiber, oder ſolche aufgedrungene
Stief-Muͤtter geſinnet ſeyn? Was werden ſie
beyden, einem ſo unverantwortlich handelnden
Vater und einer ſo unaͤchten Mutter, fuͤr Re-
ſpect und Gehorſam erweiſen? Und da der
Ehe-Stand auch dazu gewidmet war, daß er
beyden Theilen ſolte ein Mittel wider die verun-
ruhigende und zu allerhand extravaganzen ver-
ſuchende fleiſchlichen Luͤſte ſeyn; wie wird dem
durch die polygamie zuruͤckgeſetzten, und durch
die Scheidung gar verſtoſſenen Weibe gera-
then? Welcher Gefahr und welchem Jam-
mer, auch welcher Schmach und Verachtung
unter andern, wird ſie nicht exponiret? Und
wo bleibt bey dieſem allen die Ubung der durch
Chriſtum ſelbſt geadelten Regul vom iure na-
turæ: Was ihr wollet, das euch die Leu-
te thun ſollen, das thut ihnen auch Matth.
7, 12.
§. VIII. Bleibet die erſte Ehegattin aber
durch die polygamie nebſt einem andern, oder
nebſt mehrern Weibern in der Ehe; welche wird
des Mannes Ohr und Hertz haben? welche ſoll
den Kindern und Geſinde befehlen, und auf
gute Ordnung halten? Befiehlet die eine, ſo
wird die andere verbieten. Jſt die eine ge-
ſchaͤftig, ſo iſt die andere muͤßig, faullentzet, und
verlaͤßt ſich auf des Mannes Gunſt: welche zu
erwerben, und zu erhalten, und ſie der andern
abzuſchneiden, ſie allerhand Liſt und Raͤncke ge-
brauchet. Mit welcher ſoll es das Geſinde
nebſt den Kindern halten? Was fuͤr affterre-
den, Zanck und Streit, ja aͤuſſerſte Feindſchaft,
und factiones werden da nicht unter einander
entſtehen, alſo, daß es manchem Ehe-Manne
ſchwerer werden duͤrfte ſein Haus, als eine gantze
Stadt, ja gantzes Land zu regieren. Und
was wuͤrde dem Vater die Vielheil der Kinder
und Weiber, folglich auch des Hausgeſindes
zur Verſorgung nicht koſten? Wie lange
wuͤrden die Mittel nebſt der taͤglichen Nahrung
hinreichen, ſonderlich wenn, was das eine Weib
hilft erwerben, das andere verbringet? So iſt
auch der Ehe-Stand verordnet, um nebſt der
Zeugung der Kinder, wider die Unkeuſchheit ein
Mittel zu haben, ſolche zu daͤmpfen. Dieſes
aber wird in der polygamie weder auf Seiten
des Mannes, noch auf Seiten der Weiber er-
halten. Nicht auf Seiten des Mannes: denn
der wird durch mehrere Weiber dergeſtalt gerei-
tzet, daß er ſich in ſeiner Brunſt durch die uͤber-
haͤufte Beywohnung nach Leib und Seele er-
ſchoͤpfet und verderbet, vor der Zeit veraltet und
ins Grab gehet, und vorher zu wichtigen Amts-
Geſchaͤften groͤſſen Theils untuͤchtig wird.
Noch auf Seiten der Weiber: denn unter die-
ſen wird manche des Mannes in langer Zeit gar
nicht habhaft, und die Haß und Zanck-gebaͤh-
rende Eiferſucht wird in dem Hauſe, bey den
Kindern und dem Geſinde unter unendlichem
Verdruß und Unfriede, immmerwaͤhrende Aer-
gerniſſe verurſachen. Mit einem Worte: es
wird der gantze Ehe- und Haus-Stand, und
darinnen inſonderheit die Kinder-Zucht durch
die Eheſcheidungen und polygamie, wo nicht
gar umgeſtuͤrtzet, doch gewiß durch und durch
verderbet. Und da dieſer der Grund iſt von al-
len uͤbrigen menſchlichen Societaͤten, und von
der gantzen Republic, ſo iſt leichtlich zu erachten,
daß das Ubel ſich daher uͤber alle uͤbrige Staͤnde,
und uͤber das gantze gemeine Weſen nothwendig
ansbreiten muͤſſe. Da aber nun dergleichen
unſaͤgliche mala nicht etwa nur zufaͤlliger Weiſe
(wie bey der monogamie und deren perpetuitæt
geſchiehet) von den Eheſcheidungen und von der
polygamie entſtehen; alſo, daß ſie verhindert
werden koͤnten; ſondern theils weſentlich dazu
gehoͤren, theils auch als gewiſſe Fruͤchte gantz
noth-
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