Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.

Bild:
<< vorherige Seite
Erklärung des ersten Briefs Pauli Cap. 13, v. 1-3.
Das dreyzehnte Capitel/
Darinnen gehandelt wird von der Liebe/ derselben Vor-
treflichkeit und Eigenschaften/ mit der Anzeige/ daß sie alle Heili-
gungs-Gaben in sich halte/ und daher den ausserordentli-
chen wunderthätigen Gaben vorzuziehen
sey.
V. 1.
[Spaltenumbruch]

WEnn ich mit Menschen- und
mit Engel-Zungen redete,

(nicht allein fremde Sprachen
verstünde, sondern mich dersel-
ben auch im höchsten Grad der
Beredsamkeit, die irgend einem Menschen, ja
einem Engel, wenn er in menschlicher Gestalt
erscheinen und reden solte, zukommen kan, be-
dienete,) und hätte der Liebe nicht, (wel-
che den Gebrauch dieser Gabe in Demuth füh-
ret und in dem Bande der Einigkeit durch die
gemeine Erbauung zur Ehre GOttes richtet,)
so wäre ich ein thönend Ertz, oder klin-
gende Schelle,
(welche metallene Jnstru-
mente zwar einen lieblichen Klang von sich ge-
ben, davon aber selbst nichts wissen und erfah-
ren. Also würde ich seyn: Vox praetereaque
nihil.
Eine Glaub- und Lieb-lose Stimme wür-
de ich von mir geben; und zwar von vielen gu-
ten Dingen, oder Wahrheiten, reden, davon
aber, als lieblos, keine eigene Erfahrung haben,
und noch weniger meine Reden mit der That
selbst beweisen.)

Anmerckung.

Siehe ein Bild unbekehrter Lehrer, und
unter ihnen sonderlich der Kunst- und Gunst-
Redner! O wie fehlet es so manchen nicht al-
lein an der Liebe, oder an dem Erweise eines
thätigen Christenthums, sondern auch an der
Tüchtigkeit der Rede selbst: als welche gemei-
niglich durch die Liebe der Welt und durch die
fleischliche Affecten noch mehr verstimmet ist, als
immermehr ein musicalisches Jnstrument ver-
stimmet werden kan.

V. 2.

Und wenn ich weissagen könte, und
wüste alle Geheimnisse
(der Glaubens-Leh-
ren,) und Erkäntniß, (der übrigen göttli-
chen Wahrheiten,) und hätte allen (Wun-
der-) Glauben, also, daß ich Berge ver-
setzte,
(Matth. 17, 20. 21, 21.) und hätte
der Liebe nicht,
(also daß ich durch dieselbe
alles zum Zweck der gemeinschaftlichen Erbau-
ung richtete,) so wäre ich nichts (vor GOtt,
würde davon keinen Lohn, so wenig aus Gna-
den, als aus Verdienst haben: ich nutzete da-
mit auch meinem Nechsten nicht.)

Anmerckungen.

1. Gleichwie der vorhergehende Vers den
[Spaltenumbruch] Glaub- und Lieb-losen Kirchen-Rednern insge-
mein entgegen stehet: also finden in diesem in-
sonderheit diejenigen, welche sich ohne Bekeh-
rung und Liebe der Erleuchtung rühmen, oder
diese auch den Lieblosen und also auch Unbekehr-
ten zuschreiben, ihre Lection. Sie sind nichts,
nemlich von dem, was sie seyn sollen. Und da
sie das Geheimniß des Glaubens nicht in reinem
Gewissen haben, so ist auch ihre bloß-buchstäb-
liche Erkäntniß so viel unlauterer, so viel mehr
sie vom irdischen Sinne an sich nimmt.

2. Aus diesem Orte, wie auch aus dem
Matth. 7, 22. HErr, HErr, haben wir
nicht in deinem Namen geweissaget? Ha-
ben wir nicht in deinem Namen Teufel
ausgetrieben? Haben wir nicht in deinem
Namen viele Thaten gethan?
u. s. w. siehet
man, daß sich der Wunder-Glaube hat finden
können ohne Beharrung in dem seligmachenden,
der durch die Liebe thätig ist: oder, wie man
hieraus eigentlich schliessen solte, daß, wo einer
bey dem seligmachenden Glauben auch den
Glauben mit der Gabe Wunder zu thun em-
pfähet, sich aber solcher Gabe überheben wolte,
also, daß er die Liebe fahren liesse, damit wi-
der sein Gewissen handelte, und darüber auch
am seligmachenden Glauben Schiffbruch litte;
ihme so denn die gethane Wunder zur Seligkeit
nichts helfen würden. Ein mehrers läßt sich
aus diesen Stellen nicht wohl schliessen: Wie
denn nicht zu vermuthen ist, daß GOTT ei-
nem gantz Lieblosen den wunderthätigen Glau-
ben ertheilen, oder bey dem gäntzlichen Verfall
aus der Ubung der Liebe dieselbe lassen würde:
wie er denn auch dem Bileam die nur auf etliche
wenige male geschenckte Gabe der Weissagung
nicht gelassen hat.

V. 3.

Und wenn ich alle meine Haabe den
Armen gäbe,
(psomizo, in kleine Stücklein
zerleget unter die Armen vertheilete, oder ihnen
gleichsam in den Mund steckte,) und liesse
meinen Leib brennen,
(wenn ich die schein-
baresten Wercke, also auch die schweresten Lei-
den bey der Religion über mich nähme,) und
hätte der Liebe nicht,
(also daß ich es nicht
thäte mit einfältigem Hertzen, und in dem Stan-
de wahrer guter Wercke mich fünde, sondern
beydes bey mir nur aus einem Ehr-Geitze, und
eignem Gesuche, herrührete,) so wäre mirs
nichts nütze,
(so würde weder das Leiden,

noch
Erklaͤrung des erſten Briefs Pauli Cap. 13, v. 1-3.
Das dreyzehnte Capitel/
Darinnen gehandelt wird von der Liebe/ derſelben Vor-
treflichkeit und Eigenſchaften/ mit der Anzeige/ daß ſie alle Heili-
gungs-Gaben in ſich halte/ und daher den auſſerordentli-
chen wunderthaͤtigen Gaben vorzuziehen
ſey.
V. 1.
[Spaltenumbruch]

WEnn ich mit Menſchen- und
mit Engel-Zungen redete,

(nicht allein fremde Sprachen
verſtuͤnde, ſondern mich derſel-
ben auch im hoͤchſten Grad der
Beredſamkeit, die irgend einem Menſchen, ja
einem Engel, wenn er in menſchlicher Geſtalt
erſcheinen und reden ſolte, zukommen kan, be-
dienete,) und haͤtte der Liebe nicht, (wel-
che den Gebrauch dieſer Gabe in Demuth fuͤh-
ret und in dem Bande der Einigkeit durch die
gemeine Erbauung zur Ehre GOttes richtet,)
ſo waͤre ich ein thoͤnend Ertz, oder klin-
gende Schelle,
(welche metallene Jnſtru-
mente zwar einen lieblichen Klang von ſich ge-
ben, davon aber ſelbſt nichts wiſſen und erfah-
ren. Alſo wuͤrde ich ſeyn: Vox prætereaque
nihil.
Eine Glaub- und Lieb-loſe Stimme wuͤr-
de ich von mir geben; und zwar von vielen gu-
ten Dingen, oder Wahrheiten, reden, davon
aber, als lieblos, keine eigene Erfahrung haben,
und noch weniger meine Reden mit der That
ſelbſt beweiſen.)

Anmerckung.

Siehe ein Bild unbekehrter Lehrer, und
unter ihnen ſonderlich der Kunſt- und Gunſt-
Redner! O wie fehlet es ſo manchen nicht al-
lein an der Liebe, oder an dem Erweiſe eines
thaͤtigen Chriſtenthums, ſondern auch an der
Tuͤchtigkeit der Rede ſelbſt: als welche gemei-
niglich durch die Liebe der Welt und durch die
fleiſchliche Affecten noch mehr verſtimmet iſt, als
immermehr ein muſicaliſches Jnſtrument ver-
ſtimmet werden kan.

V. 2.

Und wenn ich weiſſagen koͤnte, und
wuͤſte alle Geheimniſſe
(der Glaubens-Leh-
ren,) und Erkaͤntniß, (der uͤbrigen goͤttli-
chen Wahrheiten,) und haͤtte allen (Wun-
der-) Glauben, alſo, daß ich Berge ver-
ſetzte,
(Matth. 17, 20. 21, 21.) und haͤtte
der Liebe nicht,
(alſo daß ich durch dieſelbe
alles zum Zweck der gemeinſchaftlichen Erbau-
ung richtete,) ſo waͤre ich nichts (vor GOtt,
wuͤrde davon keinen Lohn, ſo wenig aus Gna-
den, als aus Verdienſt haben: ich nutzete da-
mit auch meinem Nechſten nicht.)

Anmerckungen.

1. Gleichwie der vorhergehende Vers den
[Spaltenumbruch] Glaub- und Lieb-loſen Kirchen-Rednern insge-
mein entgegen ſtehet: alſo finden in dieſem in-
ſonderheit diejenigen, welche ſich ohne Bekeh-
rung und Liebe der Erleuchtung ruͤhmen, oder
dieſe auch den Liebloſen und alſo auch Unbekehr-
ten zuſchreiben, ihre Lection. Sie ſind nichts,
nemlich von dem, was ſie ſeyn ſollen. Und da
ſie das Geheimniß des Glaubens nicht in reinem
Gewiſſen haben, ſo iſt auch ihre bloß-buchſtaͤb-
liche Erkaͤntniß ſo viel unlauterer, ſo viel mehr
ſie vom irdiſchen Sinne an ſich nimmt.

2. Aus dieſem Orte, wie auch aus dem
Matth. 7, 22. HErr, HErr, haben wir
nicht in deinem Namen geweiſſaget? Ha-
ben wir nicht in deinem Namen Teufel
ausgetrieben? Haben wir nicht in deinem
Namen viele Thaten gethan?
u. ſ. w. ſiehet
man, daß ſich der Wunder-Glaube hat finden
koͤnnen ohne Beharrung in dem ſeligmachenden,
der durch die Liebe thaͤtig iſt: oder, wie man
hieraus eigentlich ſchlieſſen ſolte, daß, wo einer
bey dem ſeligmachenden Glauben auch den
Glauben mit der Gabe Wunder zu thun em-
pfaͤhet, ſich aber ſolcher Gabe uͤberheben wolte,
alſo, daß er die Liebe fahren lieſſe, damit wi-
der ſein Gewiſſen handelte, und daruͤber auch
am ſeligmachenden Glauben Schiffbruch litte;
ihme ſo denn die gethane Wunder zur Seligkeit
nichts helfen wuͤrden. Ein mehrers laͤßt ſich
aus dieſen Stellen nicht wohl ſchlieſſen: Wie
denn nicht zu vermuthen iſt, daß GOTT ei-
nem gantz Liebloſen den wunderthaͤtigen Glau-
ben ertheilen, oder bey dem gaͤntzlichen Verfall
aus der Ubung der Liebe dieſelbe laſſen wuͤrde:
wie er denn auch dem Bileam die nur auf etliche
wenige male geſchenckte Gabe der Weiſſagung
nicht gelaſſen hat.

V. 3.

Und wenn ich alle meine Haabe den
Armen gaͤbe,
(ψωμίζω, in kleine Stuͤcklein
zerleget unter die Armen vertheilete, oder ihnen
gleichſam in den Mund ſteckte,) und lieſſe
meinen Leib brennen,
(wenn ich die ſchein-
bareſten Wercke, alſo auch die ſchwereſten Lei-
den bey der Religion uͤber mich naͤhme,) und
haͤtte der Liebe nicht,
(alſo daß ich es nicht
thaͤte mit einfaͤltigem Hertzen, und in dem Stan-
de wahrer guter Wercke mich fuͤnde, ſondern
beydes bey mir nur aus einem Ehr-Geitze, und
eignem Geſuche, herruͤhrete,) ſo waͤre mirs
nichts nuͤtze,
(ſo wuͤrde weder das Leiden,

noch
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0334" n="306"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Erkla&#x0364;rung des er&#x017F;ten Briefs Pauli <hi rendition="#et">Cap. 13, v. 1-3.</hi></hi> </fw><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Das dreyzehnte Capitel/<lb/>
Darinnen gehandelt wird von der Liebe/ der&#x017F;elben Vor-<lb/>
treflichkeit und Eigen&#x017F;chaften/ mit der Anzeige/ daß &#x017F;ie alle Heili-<lb/>
gungs-Gaben in &#x017F;ich halte/ und daher den au&#x017F;&#x017F;erordentli-<lb/>
chen wundertha&#x0364;tigen Gaben vorzuziehen<lb/>
&#x017F;ey.</hi> </head><lb/>
          <div n="3">
            <head>V. 1.</head><lb/>
            <cb/>
            <p><hi rendition="#in">W</hi><hi rendition="#fr">Enn ich mit Men&#x017F;chen- und<lb/>
mit Engel-Zungen redete,</hi><lb/>
(nicht allein fremde Sprachen<lb/>
ver&#x017F;tu&#x0364;nde, &#x017F;ondern mich der&#x017F;el-<lb/>
ben auch im ho&#x0364;ch&#x017F;ten Grad der<lb/>
Bered&#x017F;amkeit, die irgend einem Men&#x017F;chen, ja<lb/>
einem Engel, wenn er in men&#x017F;chlicher Ge&#x017F;talt<lb/>
er&#x017F;cheinen und reden &#x017F;olte, zukommen kan, be-<lb/>
dienete,) <hi rendition="#fr">und ha&#x0364;tte der Liebe nicht,</hi> (wel-<lb/>
che den Gebrauch die&#x017F;er Gabe in Demuth fu&#x0364;h-<lb/>
ret und in dem Bande der Einigkeit durch die<lb/>
gemeine Erbauung zur Ehre GOttes richtet,)<lb/><hi rendition="#fr">&#x017F;o wa&#x0364;re ich ein tho&#x0364;nend Ertz, oder klin-<lb/>
gende Schelle,</hi> (welche metallene Jn&#x017F;tru-<lb/>
mente zwar einen lieblichen Klang von &#x017F;ich ge-<lb/>
ben, davon aber &#x017F;elb&#x017F;t nichts wi&#x017F;&#x017F;en und erfah-<lb/>
ren. Al&#x017F;o wu&#x0364;rde ich &#x017F;eyn: <hi rendition="#aq">Vox prætereaque<lb/>
nihil.</hi> Eine Glaub- und Lieb-lo&#x017F;e Stimme wu&#x0364;r-<lb/>
de ich von mir geben; und zwar von vielen gu-<lb/>
ten Dingen, oder Wahrheiten, reden, davon<lb/>
aber, als lieblos, keine eigene Erfahrung haben,<lb/>
und noch weniger meine Reden mit der That<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t bewei&#x017F;en.)</p><lb/>
            <div n="4">
              <head> <hi rendition="#b">Anmerckung.</hi> </head><lb/>
              <p>Siehe ein Bild unbekehrter Lehrer, und<lb/>
unter ihnen &#x017F;onderlich der Kun&#x017F;t- und Gun&#x017F;t-<lb/>
Redner! O wie fehlet es &#x017F;o manchen nicht al-<lb/>
lein an der Liebe, oder an dem Erwei&#x017F;e eines<lb/>
tha&#x0364;tigen Chri&#x017F;tenthums, &#x017F;ondern auch an der<lb/>
Tu&#x0364;chtigkeit der Rede &#x017F;elb&#x017F;t: als welche gemei-<lb/>
niglich durch die Liebe der Welt und durch die<lb/>
flei&#x017F;chliche Affecten noch mehr ver&#x017F;timmet i&#x017F;t, als<lb/>
immermehr ein mu&#x017F;icali&#x017F;ches Jn&#x017F;trument ver-<lb/>
&#x017F;timmet werden kan.</p>
            </div>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>V. 2.</head><lb/>
            <p><hi rendition="#fr">Und wenn ich wei&#x017F;&#x017F;agen ko&#x0364;nte, und<lb/>
wu&#x0364;&#x017F;te alle Geheimni&#x017F;&#x017F;e</hi> (der Glaubens-Leh-<lb/>
ren,) <hi rendition="#fr">und Erka&#x0364;ntniß,</hi> (der u&#x0364;brigen go&#x0364;ttli-<lb/>
chen Wahrheiten,) <hi rendition="#fr">und ha&#x0364;tte allen</hi> (Wun-<lb/>
der-) <hi rendition="#fr">Glauben, al&#x017F;o, daß ich Berge ver-<lb/>
&#x017F;etzte,</hi> (Matth. 17, 20. 21, 21.) <hi rendition="#fr">und ha&#x0364;tte<lb/>
der Liebe nicht,</hi> (al&#x017F;o daß ich durch die&#x017F;elbe<lb/>
alles zum Zweck der gemein&#x017F;chaftlichen Erbau-<lb/>
ung richtete,) <hi rendition="#fr">&#x017F;o wa&#x0364;re ich nichts</hi> (vor GOtt,<lb/>
wu&#x0364;rde davon keinen Lohn, &#x017F;o wenig aus Gna-<lb/>
den, als aus Verdien&#x017F;t haben: ich nutzete da-<lb/>
mit auch meinem Nech&#x017F;ten nicht.)</p><lb/>
            <div n="4">
              <head> <hi rendition="#b">Anmerckungen.</hi> </head><lb/>
              <p>1. Gleichwie der vorhergehende Vers den<lb/><cb/>
Glaub- und Lieb-lo&#x017F;en Kirchen-Rednern insge-<lb/>
mein entgegen &#x017F;tehet: al&#x017F;o finden in die&#x017F;em in-<lb/>
&#x017F;onderheit diejenigen, welche &#x017F;ich ohne Bekeh-<lb/>
rung und Liebe der Erleuchtung ru&#x0364;hmen, oder<lb/>
die&#x017F;e auch den Lieblo&#x017F;en und al&#x017F;o auch Unbekehr-<lb/>
ten zu&#x017F;chreiben, ihre Lection. Sie &#x017F;ind nichts,<lb/>
nemlich von dem, was &#x017F;ie &#x017F;eyn &#x017F;ollen. Und da<lb/>
&#x017F;ie das Geheimniß des Glaubens nicht in reinem<lb/>
Gewi&#x017F;&#x017F;en haben, &#x017F;o i&#x017F;t auch ihre bloß-buch&#x017F;ta&#x0364;b-<lb/>
liche Erka&#x0364;ntniß &#x017F;o viel unlauterer, &#x017F;o viel mehr<lb/>
&#x017F;ie vom irdi&#x017F;chen Sinne an &#x017F;ich nimmt.</p><lb/>
              <p>2. Aus die&#x017F;em Orte, wie auch aus dem<lb/>
Matth. 7, 22. <hi rendition="#fr">HErr, HErr, haben wir<lb/>
nicht in deinem Namen gewei&#x017F;&#x017F;aget? Ha-<lb/>
ben wir nicht in deinem Namen Teufel<lb/>
ausgetrieben? Haben wir nicht in deinem<lb/>
Namen viele Thaten gethan?</hi> u. &#x017F;. w. &#x017F;iehet<lb/>
man, daß &#x017F;ich der Wunder-Glaube hat finden<lb/>
ko&#x0364;nnen ohne Beharrung in dem &#x017F;eligmachenden,<lb/>
der durch die Liebe tha&#x0364;tig i&#x017F;t: oder, wie man<lb/>
hieraus eigentlich &#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;en &#x017F;olte, daß, wo einer<lb/>
bey dem &#x017F;eligmachenden Glauben auch den<lb/>
Glauben mit der Gabe Wunder zu thun em-<lb/>
pfa&#x0364;het, &#x017F;ich aber &#x017F;olcher Gabe u&#x0364;berheben wolte,<lb/>
al&#x017F;o, daß er die Liebe fahren lie&#x017F;&#x017F;e, damit wi-<lb/>
der &#x017F;ein Gewi&#x017F;&#x017F;en handelte, und daru&#x0364;ber auch<lb/>
am &#x017F;eligmachenden Glauben Schiffbruch litte;<lb/>
ihme &#x017F;o denn die gethane Wunder zur Seligkeit<lb/>
nichts helfen wu&#x0364;rden. Ein mehrers la&#x0364;ßt &#x017F;ich<lb/>
aus die&#x017F;en Stellen nicht wohl &#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;en: Wie<lb/>
denn nicht zu vermuthen i&#x017F;t, daß GOTT ei-<lb/>
nem gantz Lieblo&#x017F;en den wundertha&#x0364;tigen Glau-<lb/>
ben ertheilen, oder bey dem ga&#x0364;ntzlichen Verfall<lb/>
aus der Ubung der Liebe die&#x017F;elbe la&#x017F;&#x017F;en wu&#x0364;rde:<lb/>
wie er denn auch dem Bileam die nur auf etliche<lb/>
wenige male ge&#x017F;chenckte Gabe der Wei&#x017F;&#x017F;agung<lb/>
nicht gela&#x017F;&#x017F;en hat.</p>
            </div>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>V. 3.</head><lb/>
            <p><hi rendition="#fr">Und wenn ich alle meine Haabe den<lb/>
Armen ga&#x0364;be,</hi> (&#x03C8;&#x03C9;&#x03BC;&#x03AF;&#x03B6;&#x03C9;, in kleine Stu&#x0364;cklein<lb/>
zerleget unter die Armen vertheilete, oder ihnen<lb/>
gleich&#x017F;am in den Mund &#x017F;teckte,) <hi rendition="#fr">und lie&#x017F;&#x017F;e<lb/>
meinen Leib brennen,</hi> (wenn ich die &#x017F;chein-<lb/>
bare&#x017F;ten Wercke, al&#x017F;o auch die &#x017F;chwere&#x017F;ten Lei-<lb/>
den bey der Religion u&#x0364;ber mich na&#x0364;hme,) <hi rendition="#fr">und<lb/>
ha&#x0364;tte der Liebe nicht,</hi> (al&#x017F;o daß ich es nicht<lb/>
tha&#x0364;te mit einfa&#x0364;ltigem Hertzen, und in dem Stan-<lb/>
de wahrer guter Wercke mich fu&#x0364;nde, &#x017F;ondern<lb/>
beydes bey mir nur aus einem Ehr-Geitze, und<lb/>
eignem Ge&#x017F;uche, herru&#x0364;hrete,) <hi rendition="#fr">&#x017F;o wa&#x0364;re mirs<lb/>
nichts nu&#x0364;tze,</hi> (&#x017F;o wu&#x0364;rde weder das Leiden,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">noch</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[306/0334] Erklaͤrung des erſten Briefs Pauli Cap. 13, v. 1-3. Das dreyzehnte Capitel/ Darinnen gehandelt wird von der Liebe/ derſelben Vor- treflichkeit und Eigenſchaften/ mit der Anzeige/ daß ſie alle Heili- gungs-Gaben in ſich halte/ und daher den auſſerordentli- chen wunderthaͤtigen Gaben vorzuziehen ſey. V. 1. WEnn ich mit Menſchen- und mit Engel-Zungen redete, (nicht allein fremde Sprachen verſtuͤnde, ſondern mich derſel- ben auch im hoͤchſten Grad der Beredſamkeit, die irgend einem Menſchen, ja einem Engel, wenn er in menſchlicher Geſtalt erſcheinen und reden ſolte, zukommen kan, be- dienete,) und haͤtte der Liebe nicht, (wel- che den Gebrauch dieſer Gabe in Demuth fuͤh- ret und in dem Bande der Einigkeit durch die gemeine Erbauung zur Ehre GOttes richtet,) ſo waͤre ich ein thoͤnend Ertz, oder klin- gende Schelle, (welche metallene Jnſtru- mente zwar einen lieblichen Klang von ſich ge- ben, davon aber ſelbſt nichts wiſſen und erfah- ren. Alſo wuͤrde ich ſeyn: Vox prætereaque nihil. Eine Glaub- und Lieb-loſe Stimme wuͤr- de ich von mir geben; und zwar von vielen gu- ten Dingen, oder Wahrheiten, reden, davon aber, als lieblos, keine eigene Erfahrung haben, und noch weniger meine Reden mit der That ſelbſt beweiſen.) Anmerckung. Siehe ein Bild unbekehrter Lehrer, und unter ihnen ſonderlich der Kunſt- und Gunſt- Redner! O wie fehlet es ſo manchen nicht al- lein an der Liebe, oder an dem Erweiſe eines thaͤtigen Chriſtenthums, ſondern auch an der Tuͤchtigkeit der Rede ſelbſt: als welche gemei- niglich durch die Liebe der Welt und durch die fleiſchliche Affecten noch mehr verſtimmet iſt, als immermehr ein muſicaliſches Jnſtrument ver- ſtimmet werden kan. V. 2. Und wenn ich weiſſagen koͤnte, und wuͤſte alle Geheimniſſe (der Glaubens-Leh- ren,) und Erkaͤntniß, (der uͤbrigen goͤttli- chen Wahrheiten,) und haͤtte allen (Wun- der-) Glauben, alſo, daß ich Berge ver- ſetzte, (Matth. 17, 20. 21, 21.) und haͤtte der Liebe nicht, (alſo daß ich durch dieſelbe alles zum Zweck der gemeinſchaftlichen Erbau- ung richtete,) ſo waͤre ich nichts (vor GOtt, wuͤrde davon keinen Lohn, ſo wenig aus Gna- den, als aus Verdienſt haben: ich nutzete da- mit auch meinem Nechſten nicht.) Anmerckungen. 1. Gleichwie der vorhergehende Vers den Glaub- und Lieb-loſen Kirchen-Rednern insge- mein entgegen ſtehet: alſo finden in dieſem in- ſonderheit diejenigen, welche ſich ohne Bekeh- rung und Liebe der Erleuchtung ruͤhmen, oder dieſe auch den Liebloſen und alſo auch Unbekehr- ten zuſchreiben, ihre Lection. Sie ſind nichts, nemlich von dem, was ſie ſeyn ſollen. Und da ſie das Geheimniß des Glaubens nicht in reinem Gewiſſen haben, ſo iſt auch ihre bloß-buchſtaͤb- liche Erkaͤntniß ſo viel unlauterer, ſo viel mehr ſie vom irdiſchen Sinne an ſich nimmt. 2. Aus dieſem Orte, wie auch aus dem Matth. 7, 22. HErr, HErr, haben wir nicht in deinem Namen geweiſſaget? Ha- ben wir nicht in deinem Namen Teufel ausgetrieben? Haben wir nicht in deinem Namen viele Thaten gethan? u. ſ. w. ſiehet man, daß ſich der Wunder-Glaube hat finden koͤnnen ohne Beharrung in dem ſeligmachenden, der durch die Liebe thaͤtig iſt: oder, wie man hieraus eigentlich ſchlieſſen ſolte, daß, wo einer bey dem ſeligmachenden Glauben auch den Glauben mit der Gabe Wunder zu thun em- pfaͤhet, ſich aber ſolcher Gabe uͤberheben wolte, alſo, daß er die Liebe fahren lieſſe, damit wi- der ſein Gewiſſen handelte, und daruͤber auch am ſeligmachenden Glauben Schiffbruch litte; ihme ſo denn die gethane Wunder zur Seligkeit nichts helfen wuͤrden. Ein mehrers laͤßt ſich aus dieſen Stellen nicht wohl ſchlieſſen: Wie denn nicht zu vermuthen iſt, daß GOTT ei- nem gantz Liebloſen den wunderthaͤtigen Glau- ben ertheilen, oder bey dem gaͤntzlichen Verfall aus der Ubung der Liebe dieſelbe laſſen wuͤrde: wie er denn auch dem Bileam die nur auf etliche wenige male geſchenckte Gabe der Weiſſagung nicht gelaſſen hat. V. 3. Und wenn ich alle meine Haabe den Armen gaͤbe, (ψωμίζω, in kleine Stuͤcklein zerleget unter die Armen vertheilete, oder ihnen gleichſam in den Mund ſteckte,) und lieſſe meinen Leib brennen, (wenn ich die ſchein- bareſten Wercke, alſo auch die ſchwereſten Lei- den bey der Religion uͤber mich naͤhme,) und haͤtte der Liebe nicht, (alſo daß ich es nicht thaͤte mit einfaͤltigem Hertzen, und in dem Stan- de wahrer guter Wercke mich fuͤnde, ſondern beydes bey mir nur aus einem Ehr-Geitze, und eignem Geſuche, herruͤhrete,) ſo waͤre mirs nichts nuͤtze, (ſo wuͤrde weder das Leiden, noch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht01_1729
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht01_1729/334
Zitationshilfe: Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht01_1729/334>, abgerufen am 17.09.2024.