Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.Erklärung des ersten Briefs Pauli Cap. 13, v. 10-12. [Spaltenumbruch]
jenigen Stücke, welche zu dem Rathe GOttesvon dem Grunde und von der Ordnung unsers Heils gehören; als von welchen uns billig kei- nes verborgen bleiben muß: sondern in Betrach- tung der völligen Einsicht, da nemlich die Wahr- heiten und Geheimnisse des Glaubens, welche wir aus dem Worte GOttes erkennen, solche Tiefen haben, welche wir nur erst zum theil einsehen.) V. 10. Wenn aber kommen wird das Vollkommene, so wird das Stückwerck auf hören, (nicht an sich selbst, sondern so fern es unvollkommen ist, gleichwie der Mond bey Tage seinen Schein verlieret durch das hellere Licht der Sonnen.) V. 11. Da ich ein Kind war, da redete ich Anmerckung. Ein solcher Unterscheid, ja noch wol ein V. 12. Wir sehen ietzt durch einen Spiegel, Anmerckungen. 1. Das Sehen durch einen Spiegel oder in einem Spiegel ist dem rechten An- schauen von Angesicht zu Angesicht entge- gen gesetzet. Denn gleichwie man im Spiegel nicht die Person selbst, sondern nur derselben Bildniß siehet; also sehen wir im Worte GOt- tes und nach Anleitung desselben GOTT noch nicht dem Wesen nach, sondern nur nach dem Abdrucke, oder der bildlichen Repraesentation, welche uns sein Wort von ihm giebet. 2. Jn göttlichen Dingen findet sich eine gedoppelte Klarheit und Dunckelheit. Eine Klarheit des Zeugnisses und der Sache selbst. Die Klarheit des Zeugnisses, evidentia testimo- nii, ist da von allen Glaubens-Geheimnissen; auch ist da evidentia rei, eine Klarheit der Sa- che selbst, theils in dem Zusammenhange der Glaubens-Lehren, nach ihrem Grunde, auch ihrer Nothwendigkeit und Nutzbarkeit; theils in historischen, moralischen und dergleichen Sa- chen mehr. Hingegen ist eine Dunckelheit da theils in den Glaubens-Geheimnissen, was evi- dentia rei betrifft, da die Geheimnisse über un- sern Begriff gehen: theils aber in vielen andern Dingen, welche in die Antiquität, Historie, und andere Wissenschaften laufen. Da die Obscurität nicht so wol in der heiligen Schrift selbst, als in dem Mangel des Begriffs ist: und zwar in manchen Stücken bey allen Lesern; in vielen aber nur bey manchen, welchen es an den rechten hermeneutischen Hülfs-Mitteln fehlet. 3. Wenn Paulus der heiligen Schrift ei- ne Dunckelheit zuschreibet, und sie mit einem Rätzel vergleichet, so verstehet er durch die Dun- ckelheit nicht die, welche der evidentiae testimo- nii, der Klarheit des schriftlichen Zeugnisses; sondern welche der evidentiae rei, der Klarheit der Sache selbst, nemlich in den Glaubens-Ge- heimnissen, entgegen gesetzet ist. Und dazu re- det er comparative, Vergleichungsweise, daß, so klar auch von diesem und jenem Glaubens- Geheimnisse die Zeugnisse da liegen, dennoch die Sachen selbst uns dergestalt eingewickelt und verborgen bleiben, als dasjenige, was in einem Rätzel vorgetragen wird, ob gleich an sich mit deutlichen Worten; da man zwar die Worte, aber doch die Sache nicht eigentlich verstehet. Welches Gleichniß doch aber auch nicht weiter gedehnet werden muß, als es die Sache selbst zuläßt; sintemal man auch in den Glaubens- Geheimnissen selbst allerdings schon so viel in diesem Leben erkennen kan, als einem zur Se- ligkeit nöthig ist. 4. Die Redens-Art, von Angesicht zu Angesicht sehen, ist dem Sehen im Spie- gel entgegen gesetzet; sintemal wenn man ie- mand im Spiegel siehet, sich da nicht einer ge- gen den andern selbst in Person, oder dem An- gesichte nach praesentiret, sonoern einer nur des andern Bildniß siehet. 5. Das
Erklaͤrung des erſten Briefs Pauli Cap. 13, v. 10-12. [Spaltenumbruch]
jenigen Stuͤcke, welche zu dem Rathe GOttesvon dem Grunde und von der Ordnung unſers Heils gehoͤren; als von welchen uns billig kei- nes verborgen bleiben muß: ſondern in Betrach- tung der voͤlligen Einſicht, da nemlich die Wahr- heiten und Geheimniſſe des Glaubens, welche wir aus dem Worte GOttes erkennen, ſolche Tiefen haben, welche wir nur erſt zum theil einſehen.) V. 10. Wenn aber kommen wird das Vollkommene, ſo wird das Stuͤckwerck auf hoͤren, (nicht an ſich ſelbſt, ſondern ſo fern es unvollkommen iſt, gleichwie der Mond bey Tage ſeinen Schein verlieret durch das hellere Licht der Sonnen.) V. 11. Da ich ein Kind war, da redete ich Anmerckung. Ein ſolcher Unterſcheid, ja noch wol ein V. 12. Wir ſehen ietzt durch einen Spiegel, Anmerckungen. 1. Das Sehen durch einen Spiegel oder in einem Spiegel iſt dem rechten An- ſchauen von Angeſicht zu Angeſicht entge- gen geſetzet. Denn gleichwie man im Spiegel nicht die Perſon ſelbſt, ſondern nur derſelben Bildniß ſiehet; alſo ſehen wir im Worte GOt- tes und nach Anleitung deſſelben GOTT noch nicht dem Weſen nach, ſondern nur nach dem Abdrucke, oder der bildlichen Repræſentation, welche uns ſein Wort von ihm giebet. 2. Jn goͤttlichen Dingen findet ſich eine gedoppelte Klarheit und Dunckelheit. Eine Klarheit des Zeugniſſes und der Sache ſelbſt. Die Klarheit des Zeugniſſes, evidentia teſtimo- nii, iſt da von allen Glaubens-Geheimniſſen; auch iſt da evidentia rei, eine Klarheit der Sa- che ſelbſt, theils in dem Zuſammenhange der Glaubens-Lehren, nach ihrem Grunde, auch ihrer Nothwendigkeit und Nutzbarkeit; theils in hiſtoriſchen, moraliſchen und dergleichen Sa- chen mehr. Hingegen iſt eine Dunckelheit da theils in den Glaubens-Geheimniſſen, was evi- dentia rei betrifft, da die Geheimniſſe uͤber un- ſern Begriff gehen: theils aber in vielen andern Dingen, welche in die Antiquitaͤt, Hiſtorie, und andere Wiſſenſchaften laufen. Da die Obſcuritaͤt nicht ſo wol in der heiligen Schrift ſelbſt, als in dem Mangel des Begriffs iſt: und zwar in manchen Stuͤcken bey allen Leſern; in vielen aber nur bey manchen, welchen es an den rechten hermeneutiſchen Huͤlfs-Mitteln fehlet. 3. Wenn Paulus der heiligen Schrift ei- ne Dunckelheit zuſchreibet, und ſie mit einem Raͤtzel vergleichet, ſo verſtehet er durch die Dun- ckelheit nicht die, welche der evidentiæ teſtimo- nii, der Klarheit des ſchriftlichen Zeugniſſes; ſondern welche der evidentiæ rei, der Klarheit der Sache ſelbſt, nemlich in den Glaubens-Ge- heimniſſen, entgegen geſetzet iſt. Und dazu re- det er comparative, Vergleichungsweiſe, daß, ſo klar auch von dieſem und jenem Glaubens- Geheimniſſe die Zeugniſſe da liegen, dennoch die Sachen ſelbſt uns dergeſtalt eingewickelt und verborgen bleiben, als dasjenige, was in einem Raͤtzel vorgetragen wird, ob gleich an ſich mit deutlichen Worten; da man zwar die Worte, aber doch die Sache nicht eigentlich verſtehet. Welches Gleichniß doch aber auch nicht weiter gedehnet werden muß, als es die Sache ſelbſt zulaͤßt; ſintemal man auch in den Glaubens- Geheimniſſen ſelbſt allerdings ſchon ſo viel in dieſem Leben erkennen kan, als einem zur Se- ligkeit noͤthig iſt. 4. Die Redens-Art, von Angeſicht zu Angeſicht ſehen, iſt dem Sehen im Spie- gel entgegen geſetzet; ſintemal wenn man ie- mand im Spiegel ſiehet, ſich da nicht einer ge- gen den andern ſelbſt in Perſon, oder dem An- geſichte nach præſentiret, ſonoern einer nur des andern Bildniß ſiehet. 5. Das
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Erklaͤrung des erſten Briefs Pauli Cap. 13, v. 10-12.
jenigen Stuͤcke, welche zu dem Rathe GOttes
von dem Grunde und von der Ordnung unſers
Heils gehoͤren; als von welchen uns billig kei-
nes verborgen bleiben muß: ſondern in Betrach-
tung der voͤlligen Einſicht, da nemlich die Wahr-
heiten und Geheimniſſe des Glaubens, welche
wir aus dem Worte GOttes erkennen, ſolche
Tiefen haben, welche wir nur erſt zum theil
einſehen.) V. 10. Wenn aber kommen
wird das Vollkommene, ſo wird das
Stuͤckwerck auf hoͤren, (nicht an ſich ſelbſt,
ſondern ſo fern es unvollkommen iſt, gleichwie
der Mond bey Tage ſeinen Schein verlieret durch
das hellere Licht der Sonnen.)
V. 11.
Da ich ein Kind war, da redete ich
wie ein Kind, (wie es das kindiſche Alter,
welches noch ohne rechte Einſicht, Erfahrung
und Uberlegung iſt, mit ſich brachte,) und war
klug (geſinnet) wie ein Kind, und hatte
kindiſche Anſchlaͤge, (ἐλογιζόμην, machte
Schluͤſſe dem kindiſchen Alter gemaͤß,) da ich
aber ein Mann ward, thaͤt ich ab, was
kindiſch war.
Anmerckung.
Ein ſolcher Unterſcheid, ja noch wol ein
groͤſſerer, iſt zwiſchen dem Maſſe der Erkaͤntniß
in dieſem und in jenem Leben. Welches doch
aber in Anſehung dieſes Lebens dahin nicht zu
ziehen iſt, als wenn die Erkaͤntniß alhier nur
noch kindiſch waͤre: ſintemal damit nur auf die
groſſe Unvollkommenheit, die doch aber der So-
liditaͤt nicht entgegen ſtehet, geſehen wird.
Und ob auch gleich unſere Begriffe von vielen
goͤttlichen Dingen, ſonderlich von den alle Ver-
nunft uͤberſteigenden Geheimniſſen kindiſch ge-
nug iſt; ſo iſt doch auch dagegen die glaubige
Einſicht und die Uberzeugung davon, nach dem
klaren Zeugniß der heiligen Schrift, richtig,
gruͤndlich und heilſam.
V. 12.
Wir ſehen ietzt durch einen Spiegel,
(welcher nicht die Sache ſelbſt, ſondern nur das
Bild derſelben darſtellet,) in einem dunckeln
Worte, (in einer ſolchen Offenbarung, wel-
che an ſich ſelbſt zwar klar und helle genug iſt,
was das von den Glaubens-Geheimniſſen gege-
bene Zeugniß betrifft; aber doch noch in Erkaͤnt-
niß der Geheimniſſe ſelbſt eine groſſe Dunckel-
heit hat; doch nicht ſo wol in ſich ſelbſt, als in
Anſehung der groſſen Decke, welche wir noch in
dieſem Leben vor unſern Augen behalten.)
Denn aber von Angeſicht zu Angeſicht,
(noch viel mehr, als GOTT dem Moſi vor al-
len andern Propheten ſich geoffenbaret hat.)
Jetzt erkenne ichs Stuͤckweiſe, (daß, ob
ich gleich alle geoffenbarete Glaubens-Geheim-
niſſe ohne Ausnahme erkenne, ſo bleibe ich doch,
ob ich gleich als ein Apoſtel ein beſonders Maaß
der Erkaͤntniß empfangen habe, noch dabey in
der Unvollkommenheit.) Denn aber werde
ichs erkennen, gleichwie ich erkennet bin,
(wenn ich werde mit vollem Lichte erleuchtet
ſeyn, ſo werde ich mich deſſen zur vollkomme-
nen Erkaͤntniß bedienen.)
Anmerckungen.
1. Das Sehen durch einen Spiegel
oder in einem Spiegel iſt dem rechten An-
ſchauen von Angeſicht zu Angeſicht entge-
gen geſetzet. Denn gleichwie man im Spiegel
nicht die Perſon ſelbſt, ſondern nur derſelben
Bildniß ſiehet; alſo ſehen wir im Worte GOt-
tes und nach Anleitung deſſelben GOTT noch
nicht dem Weſen nach, ſondern nur nach dem
Abdrucke, oder der bildlichen Repræſentation,
welche uns ſein Wort von ihm giebet.
2. Jn goͤttlichen Dingen findet ſich eine
gedoppelte Klarheit und Dunckelheit. Eine
Klarheit des Zeugniſſes und der Sache ſelbſt.
Die Klarheit des Zeugniſſes, evidentia teſtimo-
nii, iſt da von allen Glaubens-Geheimniſſen;
auch iſt da evidentia rei, eine Klarheit der Sa-
che ſelbſt, theils in dem Zuſammenhange der
Glaubens-Lehren, nach ihrem Grunde, auch
ihrer Nothwendigkeit und Nutzbarkeit; theils
in hiſtoriſchen, moraliſchen und dergleichen Sa-
chen mehr. Hingegen iſt eine Dunckelheit da
theils in den Glaubens-Geheimniſſen, was evi-
dentia rei betrifft, da die Geheimniſſe uͤber un-
ſern Begriff gehen: theils aber in vielen andern
Dingen, welche in die Antiquitaͤt, Hiſtorie,
und andere Wiſſenſchaften laufen. Da die
Obſcuritaͤt nicht ſo wol in der heiligen Schrift
ſelbſt, als in dem Mangel des Begriffs iſt:
und zwar in manchen Stuͤcken bey allen Leſern;
in vielen aber nur bey manchen, welchen es an
den rechten hermeneutiſchen Huͤlfs-Mitteln
fehlet.
3. Wenn Paulus der heiligen Schrift ei-
ne Dunckelheit zuſchreibet, und ſie mit einem
Raͤtzel vergleichet, ſo verſtehet er durch die Dun-
ckelheit nicht die, welche der evidentiæ teſtimo-
nii, der Klarheit des ſchriftlichen Zeugniſſes;
ſondern welche der evidentiæ rei, der Klarheit
der Sache ſelbſt, nemlich in den Glaubens-Ge-
heimniſſen, entgegen geſetzet iſt. Und dazu re-
det er comparative, Vergleichungsweiſe, daß,
ſo klar auch von dieſem und jenem Glaubens-
Geheimniſſe die Zeugniſſe da liegen, dennoch
die Sachen ſelbſt uns dergeſtalt eingewickelt und
verborgen bleiben, als dasjenige, was in einem
Raͤtzel vorgetragen wird, ob gleich an ſich mit
deutlichen Worten; da man zwar die Worte,
aber doch die Sache nicht eigentlich verſtehet.
Welches Gleichniß doch aber auch nicht weiter
gedehnet werden muß, als es die Sache ſelbſt
zulaͤßt; ſintemal man auch in den Glaubens-
Geheimniſſen ſelbſt allerdings ſchon ſo viel in
dieſem Leben erkennen kan, als einem zur Se-
ligkeit noͤthig iſt.
4. Die Redens-Art, von Angeſicht zu
Angeſicht ſehen, iſt dem Sehen im Spie-
gel entgegen geſetzet; ſintemal wenn man ie-
mand im Spiegel ſiehet, ſich da nicht einer ge-
gen den andern ſelbſt in Perſon, oder dem An-
geſichte nach præſentiret, ſonoern einer nur des
andern Bildniß ſiehet.
5. Das
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