Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.

Bild:
<< vorherige Seite

Cap. 2, v. 2-5. an die Corinthier.
[Spaltenumbruch] wäre es nur bey ihm ein fleischlicher Eifer, wel-
cher einen Mangel der Liebe gegen die Corin-
thier an den Tag lege, und dessen er sich nachher
geschämet habe, dagegen denn nun der Apostel
vieles in diesem Briefe, sonderlich in dem zu
nechstfolgenden Contexte, richtet.

V. 2.

Denn so ich euch (mit Vorsatze und oh-
ne Ursache, wie ich von einigen bösen Zungen be-
schuldiget werde) traurig mache, wer ist, der
mich frölich mache, ohne der von mir be-
trübet wird
(d. i. ihr lieben Corinthier seyd ja
mein Werck in dem HErrn, ihr seyd unter an-
dern auch das Siegel meines Apostel-Amts
1 Cor. 9, 1. 2. und also diejenigen, welche die
Ursache sind meiner Freude in GOtt, und zwar
dieses so viel mehr, je besser und erfreulicher
euer Zustand nicht allein mir, sondern auch an
sich selbst ist. Solte ich nun euch, die meine
Freude sind, mit Vorsatz und ohne Ursache be-
trüben; so beraubete ich mich ja selbst der Freu-
de: sintemal man über die, welche man solcher-
gestalt betrübet und daher in Betrübniß findet,
sich nicht erfreuen kan.)

V. 3.

Und dasselbe (was an eurer Gemeine zu
bestrafen war, und von einigen für eine unbillige
Schärfe ausgeleget worden) habe ich euch ge-
schrieben, daß ich nicht, wenn ich käme,

(und die Aergernisse noch nicht aus dem Wege
geräumet fünde) traurig seyn müste, über
welche ich mich billig soll freuen: sinte-
mal ich mich des zu euch allen
(so viel euer
rechtschaffen sind, und den Verleumdern kein
Gehör geben; als mit welchen ich es ietzo zu thun
habe) versehe, daß meine Freude euer aller
Freude sey:
(daß gleichwie das meine Freude
verursachet, wenn ich höre und sehe, daß es in
allen Stücken wohl um euch stehet, ihr euch eu-
ren Wohlstand auch selbst lasset eine Freude seyn,
und dannenhero auf denselben so vielmehr be-
dacht seyd.

Anmerckungen.

1. Siehe hier, geliebter Leser, eines von
den besten Kennzeichen eines rechtschaffenen Leh-
rers und Zuhörers an der Freude. Des Leh-
rers, wenn er sich über nichts so sehr freuet, als
über den geistlichen Wohlstand seiner Gemeine,
und darinnen insonderheit dieser und jener Per-
son: hingegen aber sich über nichts mehr betrü-
bet, als wenn er davon das Gegentheil befindet.
Bey einem Mitlinge und fleischlich-gesinneten
Lehrer findet sich nichts weniger, als dieses.
Denn gleichwie er von der wahren geistlichen
Freude nichts weiß: so erfreuet er sich hinge-
gen nach dem Fleische über nichts mehr, als über
seine gute Einnahme, und derselben Vermeh-
rung, oder über die Gemächlichkeit, die er bey
seinem Amte hat, nebst der Gelegenheit, recht
wohl zu leben nach dem alten Menschen, oder
auch seiner natürlichen ungeheiligten und oft sehr
gemißbrauchten Gaben wegen in admiration zu
stehen. Bekehret sich aber eine Seele recht-
[Spaltenumbruch] schaffen zu GOet, darüber wird er sich so gar
nicht freuen, daß er eine solche vielmehr heimlich
anfeindet, ja wol gar für verführet, und für ei-
nen singulairen Kopf hält. Uber die in seiner
Gemeine im Schwange gehende grossen Laster
betrübet er sich gar wenig, ob er auch gleich denn
und wenn einen fleischlichen und affectirten Eifer
Amtswegen dagegen ausläßt. Gehet ihm aber
an seinen Accidentien, an seiner Ehre und fleisch-
lichen Ergötzung was ab, so siehet man ihn darü-
ber verunruhiget und bekümmert. Ein so gar
grosser Unterscheid ist zwischen Licht und Finster-
niß bey einem rechtschaffenen und fleischlich-ge-
sinneten Lehrer.

2. Das Kennzeichen eines rechtschaffe-
nen Zuhörers
ist an der Freude über und ge-
gen den Lehrer auch nicht weniger gar mercklich,
welches ist, sich also verhalten, daß man dem
Lehrer Ursache gebe, sich über einen zu freuen,
und GOtt zu loben; und wo man findet, daß
man ihm einige Betrübniß verursachet habe,
solche Ursache durch eine baldige und willige
Besserung bald aus dem Wege räumen:
gleichwie es hingegen der Character eines bösen
Zuhörers ist, wenn er einen guten Lehrer mit
seinem Leben betrübet, und sich daraus nichts
machet, damit aber seine Verdammniß häufet.

V. 4.

Denn ich schrieb euch (den ersten Brief,
darinnen so viel Mängel, und unter demselben in-
sonderheit das mit der Blut-Schande begange-
ne Aergerniß zu bestrafen war) in grosser
Trübsal und Angst des Hertzens mit viel
Thränen
(sintemal zu den vielen Widerwär-
tigkeiten, welche ich fast bis zum Tode zu Ephe-
sus auszustehen hatte, noch dieses kam, daß ich
eine so betrübte Nachricht von euch erhielte: da-
her denn mein Kummer so viel grösser wurde,
und mir auch häufige Thränen vor inniger Liebe
zu JEsu und zu dem Heil eurer Seelen aus-
pressete) nicht daß ihr soltet betrübet wer-
den, sondern daß ihr die Liebe erkennetet,
welche ich habe, sonderlich zu euch
(und die
Aergernisse in rechtschafner Gegenliebe viel wil-
liger abthun.)

Anmerckung.

Man siehet hier einen mercklichen Unter-
scheid zwischen einem geistlichen und fleischlichen
Afsect des Ernstes in der Bestrafung. Der
fleischliche und bloß natürliche Afsect hat einen
Haß zum Grunde, wird auch daher in vieler
Ubernehmung und Unlauterkeit mit Verunruhi-
gung des Hertzens geführet, läßt auch einen Wi-
derwillen zurück. Aber der geistliche Afsect,
wenn er auch nach Erforderung der Sache noch
so ernstlich ist, entstehet aus der Liebe, und wird
in der Liebe ohne Verunruhigung der Seele ge-
führet, und endiget sich auch in der Liebe: wel-
che er denn auch so viel mehr hinter sich läßt.

V. 5.

So aber jemand (vor andern) ein Be-
trübniß hat angerichtet,
(wie der 1 Cor. 5,

1. sqq.
Y y 3

Cap. 2, v. 2-5. an die Corinthier.
[Spaltenumbruch] waͤre es nur bey ihm ein fleiſchlicher Eifer, wel-
cher einen Mangel der Liebe gegen die Corin-
thier an den Tag lege, und deſſen er ſich nachher
geſchaͤmet habe, dagegen denn nun der Apoſtel
vieles in dieſem Briefe, ſonderlich in dem zu
nechſtfolgenden Contexte, richtet.

V. 2.

Denn ſo ich euch (mit Vorſatze und oh-
ne Urſache, wie ich von einigen boͤſen Zungen be-
ſchuldiget werde) traurig mache, wer iſt, der
mich froͤlich mache, ohne der von mir be-
truͤbet wird
(d. i. ihr lieben Corinthier ſeyd ja
mein Werck in dem HErrn, ihr ſeyd unter an-
dern auch das Siegel meines Apoſtel-Amts
1 Cor. 9, 1. 2. und alſo diejenigen, welche die
Urſache ſind meiner Freude in GOtt, und zwar
dieſes ſo viel mehr, je beſſer und erfreulicher
euer Zuſtand nicht allein mir, ſondern auch an
ſich ſelbſt iſt. Solte ich nun euch, die meine
Freude ſind, mit Vorſatz und ohne Urſache be-
truͤben; ſo beraubete ich mich ja ſelbſt der Freu-
de: ſintemal man uͤber die, welche man ſolcher-
geſtalt betruͤbet und daher in Betruͤbniß findet,
ſich nicht erfreuen kan.)

V. 3.

Und daſſelbe (was an eurer Gemeine zu
beſtrafen war, und von einigen fuͤr eine unbillige
Schaͤrfe ausgeleget worden) habe ich euch ge-
ſchrieben, daß ich nicht, wenn ich kaͤme,

(und die Aergerniſſe noch nicht aus dem Wege
geraͤumet fuͤnde) traurig ſeyn muͤſte, uͤber
welche ich mich billig ſoll freuen: ſinte-
mal ich mich des zu euch allen
(ſo viel euer
rechtſchaffen ſind, und den Verleumdern kein
Gehoͤr geben; als mit welchen ich es ietzo zu thun
habe) verſehe, daß meine Freude euer aller
Freude ſey:
(daß gleichwie das meine Freude
verurſachet, wenn ich hoͤre und ſehe, daß es in
allen Stuͤcken wohl um euch ſtehet, ihr euch eu-
ren Wohlſtand auch ſelbſt laſſet eine Freude ſeyn,
und dannenhero auf denſelben ſo vielmehr be-
dacht ſeyd.

Anmerckungen.

1. Siehe hier, geliebter Leſer, eines von
den beſten Kennzeichen eines rechtſchaffenen Leh-
rers und Zuhoͤrers an der Freude. Des Leh-
rers, wenn er ſich uͤber nichts ſo ſehr freuet, als
uͤber den geiſtlichen Wohlſtand ſeiner Gemeine,
und darinnen inſonderheit dieſer und jener Per-
ſon: hingegen aber ſich uͤber nichts mehr betruͤ-
bet, als wenn er davon das Gegentheil befindet.
Bey einem Mitlinge und fleiſchlich-geſinneten
Lehrer findet ſich nichts weniger, als dieſes.
Denn gleichwie er von der wahren geiſtlichen
Freude nichts weiß: ſo erfreuet er ſich hinge-
gen nach dem Fleiſche uͤber nichts mehr, als uͤber
ſeine gute Einnahme, und derſelben Vermeh-
rung, oder uͤber die Gemaͤchlichkeit, die er bey
ſeinem Amte hat, nebſt der Gelegenheit, recht
wohl zu leben nach dem alten Menſchen, oder
auch ſeiner natuͤrlichen ungeheiligten und oft ſehr
gemißbrauchten Gaben wegen in admiration zu
ſtehen. Bekehret ſich aber eine Seele recht-
[Spaltenumbruch] ſchaffen zu GOet, daruͤber wird er ſich ſo gar
nicht freuen, daß er eine ſolche vielmehr heimlich
anfeindet, ja wol gar fuͤr verfuͤhret, und fuͤr ei-
nen ſingulairen Kopf haͤlt. Uber die in ſeiner
Gemeine im Schwange gehende groſſen Laſter
betruͤbet er ſich gar wenig, ob er auch gleich denn
und wenn einen fleiſchlichen und affectirten Eifer
Amtswegen dagegen auslaͤßt. Gehet ihm aber
an ſeinen Accidentien, an ſeiner Ehre und fleiſch-
lichen Ergoͤtzung was ab, ſo ſiehet man ihn daruͤ-
ber verunruhiget und bekuͤmmert. Ein ſo gar
groſſer Unterſcheid iſt zwiſchen Licht und Finſter-
niß bey einem rechtſchaffenen und fleiſchlich-ge-
ſinneten Lehrer.

2. Das Kennzeichen eines rechtſchaffe-
nen Zuhoͤrers
iſt an der Freude uͤber und ge-
gen den Lehrer auch nicht weniger gar mercklich,
welches iſt, ſich alſo verhalten, daß man dem
Lehrer Urſache gebe, ſich uͤber einen zu freuen,
und GOtt zu loben; und wo man findet, daß
man ihm einige Betruͤbniß verurſachet habe,
ſolche Urſache durch eine baldige und willige
Beſſerung bald aus dem Wege raͤumen:
gleichwie es hingegen der Character eines boͤſen
Zuhoͤrers iſt, wenn er einen guten Lehrer mit
ſeinem Leben betruͤbet, und ſich daraus nichts
machet, damit aber ſeine Verdammniß haͤufet.

V. 4.

Denn ich ſchrieb euch (den erſten Brief,
darinnen ſo viel Maͤngel, und unter demſelben in-
ſonderheit das mit der Blut-Schande begange-
ne Aergerniß zu beſtrafen war) in groſſer
Truͤbſal und Angſt des Hertzens mit viel
Thraͤnen
(ſintemal zu den vielen Widerwaͤr-
tigkeiten, welche ich faſt bis zum Tode zu Ephe-
ſus auszuſtehen hatte, noch dieſes kam, daß ich
eine ſo betruͤbte Nachricht von euch erhielte: da-
her denn mein Kummer ſo viel groͤſſer wurde,
und mir auch haͤufige Thraͤnen vor inniger Liebe
zu JEſu und zu dem Heil eurer Seelen aus-
preſſete) nicht daß ihr ſoltet betruͤbet wer-
den, ſondern daß ihr die Liebe erkennetet,
welche ich habe, ſonderlich zu euch
(und die
Aergerniſſe in rechtſchafner Gegenliebe viel wil-
liger abthun.)

Anmerckung.

Man ſiehet hier einen mercklichen Unter-
ſcheid zwiſchen einem geiſtlichen und fleiſchlichen
Afſect des Ernſtes in der Beſtrafung. Der
fleiſchliche und bloß natuͤrliche Afſect hat einen
Haß zum Grunde, wird auch daher in vieler
Ubernehmung und Unlauterkeit mit Verunruhi-
gung des Hertzens gefuͤhret, laͤßt auch einen Wi-
derwillen zuruͤck. Aber der geiſtliche Afſect,
wenn er auch nach Erforderung der Sache noch
ſo ernſtlich iſt, entſtehet aus der Liebe, und wird
in der Liebe ohne Verunruhigung der Seele ge-
fuͤhret, und endiget ſich auch in der Liebe: wel-
che er denn auch ſo viel mehr hinter ſich laͤßt.

V. 5.

So aber jemand (vor andern) ein Be-
truͤbniß hat angerichtet,
(wie der 1 Cor. 5,

1. ſqq.
Y y 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0385" n="357"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Cap. 2, v. 2-5. an die Corinthier.</hi></fw><lb/><cb/>
wa&#x0364;re es nur bey ihm ein flei&#x017F;chlicher Eifer, wel-<lb/>
cher einen Mangel der Liebe gegen die Corin-<lb/>
thier an den Tag lege, und de&#x017F;&#x017F;en er &#x017F;ich nachher<lb/>
ge&#x017F;cha&#x0364;met habe, dagegen denn nun der Apo&#x017F;tel<lb/>
vieles in die&#x017F;em Briefe, &#x017F;onderlich in dem zu<lb/>
nech&#x017F;tfolgenden <hi rendition="#aq">Contexte,</hi> richtet.</p>
            </div>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>V. 2.</head><lb/>
            <p><hi rendition="#fr">Denn &#x017F;o ich euch</hi> (mit Vor&#x017F;atze und oh-<lb/>
ne Ur&#x017F;ache, wie ich von einigen bo&#x0364;&#x017F;en Zungen be-<lb/>
&#x017F;chuldiget werde) <hi rendition="#fr">traurig mache, wer i&#x017F;t, der<lb/>
mich fro&#x0364;lich mache, ohne der von mir be-<lb/>
tru&#x0364;bet wird</hi> (d. i. ihr lieben Corinthier &#x017F;eyd ja<lb/>
mein Werck in dem HErrn, ihr &#x017F;eyd unter an-<lb/>
dern auch das Siegel meines Apo&#x017F;tel-Amts<lb/>
1 Cor. 9, 1. 2. und al&#x017F;o diejenigen, welche die<lb/>
Ur&#x017F;ache &#x017F;ind meiner Freude in GOtt, und zwar<lb/>
die&#x017F;es &#x017F;o viel mehr, je be&#x017F;&#x017F;er und erfreulicher<lb/>
euer Zu&#x017F;tand nicht allein mir, &#x017F;ondern auch an<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t i&#x017F;t. Solte ich nun euch, die meine<lb/>
Freude &#x017F;ind, mit Vor&#x017F;atz und ohne Ur&#x017F;ache be-<lb/>
tru&#x0364;ben; &#x017F;o beraubete ich mich ja &#x017F;elb&#x017F;t der Freu-<lb/>
de: &#x017F;intemal man u&#x0364;ber die, welche man &#x017F;olcher-<lb/>
ge&#x017F;talt betru&#x0364;bet und daher in Betru&#x0364;bniß findet,<lb/>
&#x017F;ich nicht erfreuen kan.)</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>V. 3.</head><lb/>
            <p><hi rendition="#fr">Und da&#x017F;&#x017F;elbe</hi> (was an eurer Gemeine zu<lb/>
be&#x017F;trafen war, und von einigen fu&#x0364;r eine unbillige<lb/>
Scha&#x0364;rfe ausgeleget worden) <hi rendition="#fr">habe ich euch ge-<lb/>
&#x017F;chrieben, daß ich nicht, wenn ich ka&#x0364;me,</hi><lb/>
(und die Aergerni&#x017F;&#x017F;e noch nicht aus dem Wege<lb/>
gera&#x0364;umet fu&#x0364;nde) <hi rendition="#fr">traurig &#x017F;eyn mu&#x0364;&#x017F;te, u&#x0364;ber<lb/>
welche ich mich billig &#x017F;oll freuen: &#x017F;inte-<lb/>
mal ich mich des zu euch allen</hi> (&#x017F;o viel euer<lb/>
recht&#x017F;chaffen &#x017F;ind, und den Verleumdern kein<lb/>
Geho&#x0364;r geben; als mit welchen ich es ietzo zu thun<lb/>
habe) <hi rendition="#fr">ver&#x017F;ehe, daß meine Freude euer aller<lb/>
Freude &#x017F;ey:</hi> (daß gleichwie das meine Freude<lb/>
verur&#x017F;achet, wenn ich ho&#x0364;re und &#x017F;ehe, daß es in<lb/>
allen Stu&#x0364;cken wohl um euch &#x017F;tehet, ihr euch eu-<lb/>
ren Wohl&#x017F;tand auch &#x017F;elb&#x017F;t la&#x017F;&#x017F;et eine Freude &#x017F;eyn,<lb/>
und dannenhero auf den&#x017F;elben &#x017F;o vielmehr be-<lb/>
dacht &#x017F;eyd.</p><lb/>
            <div n="4">
              <head> <hi rendition="#b">Anmerckungen.</hi> </head><lb/>
              <p>1. Siehe hier, geliebter Le&#x017F;er, eines von<lb/>
den be&#x017F;ten Kennzeichen eines recht&#x017F;chaffenen Leh-<lb/>
rers und Zuho&#x0364;rers an der <hi rendition="#fr">Freude.</hi> Des Leh-<lb/>
rers, wenn er &#x017F;ich u&#x0364;ber nichts &#x017F;o &#x017F;ehr freuet, als<lb/>
u&#x0364;ber den gei&#x017F;tlichen Wohl&#x017F;tand &#x017F;einer Gemeine,<lb/>
und darinnen in&#x017F;onderheit die&#x017F;er und jener Per-<lb/>
&#x017F;on: hingegen aber &#x017F;ich u&#x0364;ber nichts mehr betru&#x0364;-<lb/>
bet, als wenn er davon das Gegentheil befindet.<lb/>
Bey einem Mitlinge und flei&#x017F;chlich-ge&#x017F;inneten<lb/>
Lehrer findet &#x017F;ich nichts weniger, als die&#x017F;es.<lb/>
Denn gleichwie er von der wahren gei&#x017F;tlichen<lb/>
Freude nichts weiß: &#x017F;o erfreuet er &#x017F;ich hinge-<lb/>
gen nach dem Flei&#x017F;che u&#x0364;ber nichts mehr, als u&#x0364;ber<lb/>
&#x017F;eine gute Einnahme, und der&#x017F;elben Vermeh-<lb/>
rung, oder u&#x0364;ber die Gema&#x0364;chlichkeit, die er bey<lb/>
&#x017F;einem Amte hat, neb&#x017F;t der Gelegenheit, recht<lb/>
wohl zu leben nach dem alten Men&#x017F;chen, oder<lb/>
auch &#x017F;einer natu&#x0364;rlichen ungeheiligten und oft &#x017F;ehr<lb/>
gemißbrauchten Gaben wegen in <hi rendition="#aq">admiration</hi> zu<lb/>
&#x017F;tehen. Bekehret &#x017F;ich aber eine Seele recht-<lb/><cb/>
&#x017F;chaffen zu GOet, daru&#x0364;ber wird er &#x017F;ich &#x017F;o gar<lb/>
nicht freuen, daß er eine &#x017F;olche vielmehr heimlich<lb/>
anfeindet, ja wol gar fu&#x0364;r verfu&#x0364;hret, und fu&#x0364;r ei-<lb/>
nen <hi rendition="#aq">&#x017F;ingulair</hi>en Kopf ha&#x0364;lt. Uber die in &#x017F;einer<lb/>
Gemeine im Schwange gehende gro&#x017F;&#x017F;en La&#x017F;ter<lb/>
betru&#x0364;bet er &#x017F;ich gar wenig, ob er auch gleich denn<lb/>
und wenn einen flei&#x017F;chlichen und <hi rendition="#aq">affecti</hi>rten Eifer<lb/>
Amtswegen dagegen ausla&#x0364;ßt. Gehet ihm aber<lb/>
an &#x017F;einen <hi rendition="#aq">Accidenti</hi>en, an &#x017F;einer Ehre und flei&#x017F;ch-<lb/>
lichen Ergo&#x0364;tzung was ab, &#x017F;o &#x017F;iehet man ihn daru&#x0364;-<lb/>
ber verunruhiget und beku&#x0364;mmert. Ein &#x017F;o gar<lb/>
gro&#x017F;&#x017F;er Unter&#x017F;cheid i&#x017F;t zwi&#x017F;chen Licht und Fin&#x017F;ter-<lb/>
niß bey einem recht&#x017F;chaffenen und flei&#x017F;chlich-ge-<lb/>
&#x017F;inneten Lehrer.</p><lb/>
              <p>2. Das Kennzeichen eines <hi rendition="#fr">recht&#x017F;chaffe-<lb/>
nen Zuho&#x0364;rers</hi> i&#x017F;t an der Freude u&#x0364;ber und ge-<lb/>
gen den Lehrer auch nicht weniger gar mercklich,<lb/>
welches i&#x017F;t, &#x017F;ich al&#x017F;o verhalten, daß man dem<lb/>
Lehrer Ur&#x017F;ache gebe, &#x017F;ich u&#x0364;ber einen zu freuen,<lb/>
und GOtt zu loben; und wo man findet, daß<lb/>
man ihm einige Betru&#x0364;bniß verur&#x017F;achet habe,<lb/>
&#x017F;olche Ur&#x017F;ache durch eine baldige und willige<lb/>
Be&#x017F;&#x017F;erung bald aus dem Wege ra&#x0364;umen:<lb/>
gleichwie es hingegen der <hi rendition="#aq">Character</hi> eines bo&#x0364;&#x017F;en<lb/>
Zuho&#x0364;rers i&#x017F;t, wenn er einen guten Lehrer mit<lb/>
&#x017F;einem Leben betru&#x0364;bet, und &#x017F;ich daraus nichts<lb/>
machet, damit aber &#x017F;eine Verdammniß ha&#x0364;ufet.</p>
            </div>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>V. 4.</head><lb/>
            <p><hi rendition="#fr">Denn ich &#x017F;chrieb euch</hi> (den er&#x017F;ten Brief,<lb/>
darinnen &#x017F;o viel Ma&#x0364;ngel, und unter dem&#x017F;elben in-<lb/>
&#x017F;onderheit das mit der Blut-Schande begange-<lb/>
ne Aergerniß zu be&#x017F;trafen war) <hi rendition="#fr">in gro&#x017F;&#x017F;er<lb/>
Tru&#x0364;b&#x017F;al und Ang&#x017F;t des Hertzens mit viel<lb/>
Thra&#x0364;nen</hi> (&#x017F;intemal zu den vielen Widerwa&#x0364;r-<lb/>
tigkeiten, welche ich fa&#x017F;t bis zum Tode zu Ephe-<lb/>
&#x017F;us auszu&#x017F;tehen hatte, noch die&#x017F;es kam, daß ich<lb/>
eine &#x017F;o betru&#x0364;bte Nachricht von euch erhielte: da-<lb/>
her denn mein Kummer &#x017F;o viel gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;er wurde,<lb/>
und mir auch ha&#x0364;ufige Thra&#x0364;nen vor inniger Liebe<lb/>
zu JE&#x017F;u und zu dem Heil eurer Seelen aus-<lb/>
pre&#x017F;&#x017F;ete) <hi rendition="#fr">nicht daß ihr &#x017F;oltet betru&#x0364;bet wer-<lb/>
den, &#x017F;ondern daß ihr die Liebe erkennetet,<lb/>
welche ich habe, &#x017F;onderlich zu euch</hi> (und die<lb/>
Aergerni&#x017F;&#x017F;e in recht&#x017F;chafner Gegenliebe viel wil-<lb/>
liger abthun.)</p><lb/>
            <div n="4">
              <head> <hi rendition="#b">Anmerckung.</hi> </head><lb/>
              <p>Man &#x017F;iehet hier einen mercklichen Unter-<lb/>
&#x017F;cheid zwi&#x017F;chen einem gei&#x017F;tlichen und flei&#x017F;chlichen<lb/><hi rendition="#aq">Af&#x017F;ect</hi> des Ern&#x017F;tes in der Be&#x017F;trafung. Der<lb/><hi rendition="#fr">flei&#x017F;chliche</hi> und bloß natu&#x0364;rliche <hi rendition="#aq">Af&#x017F;ect</hi> hat einen<lb/>
Haß zum Grunde, wird auch daher in vieler<lb/>
Ubernehmung und Unlauterkeit mit Verunruhi-<lb/>
gung des Hertzens gefu&#x0364;hret, la&#x0364;ßt auch einen Wi-<lb/>
derwillen zuru&#x0364;ck. Aber der gei&#x017F;tliche <hi rendition="#aq">Af&#x017F;ect,</hi><lb/>
wenn er auch nach Erforderung der Sache noch<lb/>
&#x017F;o ern&#x017F;tlich i&#x017F;t, ent&#x017F;tehet aus der Liebe, und wird<lb/>
in der Liebe ohne Verunruhigung der Seele ge-<lb/>
fu&#x0364;hret, und endiget &#x017F;ich auch in der Liebe: wel-<lb/>
che er denn auch &#x017F;o viel mehr hinter &#x017F;ich la&#x0364;ßt.</p>
            </div>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>V. 5.</head><lb/>
            <p><hi rendition="#fr">So aber jemand</hi> (vor andern) <hi rendition="#fr">ein Be-<lb/>
tru&#x0364;bniß hat angerichtet,</hi> (wie der 1 Cor. 5,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Y y 3</fw><fw place="bottom" type="catch">1. <hi rendition="#aq">&#x017F;qq.</hi></fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[357/0385] Cap. 2, v. 2-5. an die Corinthier. waͤre es nur bey ihm ein fleiſchlicher Eifer, wel- cher einen Mangel der Liebe gegen die Corin- thier an den Tag lege, und deſſen er ſich nachher geſchaͤmet habe, dagegen denn nun der Apoſtel vieles in dieſem Briefe, ſonderlich in dem zu nechſtfolgenden Contexte, richtet. V. 2. Denn ſo ich euch (mit Vorſatze und oh- ne Urſache, wie ich von einigen boͤſen Zungen be- ſchuldiget werde) traurig mache, wer iſt, der mich froͤlich mache, ohne der von mir be- truͤbet wird (d. i. ihr lieben Corinthier ſeyd ja mein Werck in dem HErrn, ihr ſeyd unter an- dern auch das Siegel meines Apoſtel-Amts 1 Cor. 9, 1. 2. und alſo diejenigen, welche die Urſache ſind meiner Freude in GOtt, und zwar dieſes ſo viel mehr, je beſſer und erfreulicher euer Zuſtand nicht allein mir, ſondern auch an ſich ſelbſt iſt. Solte ich nun euch, die meine Freude ſind, mit Vorſatz und ohne Urſache be- truͤben; ſo beraubete ich mich ja ſelbſt der Freu- de: ſintemal man uͤber die, welche man ſolcher- geſtalt betruͤbet und daher in Betruͤbniß findet, ſich nicht erfreuen kan.) V. 3. Und daſſelbe (was an eurer Gemeine zu beſtrafen war, und von einigen fuͤr eine unbillige Schaͤrfe ausgeleget worden) habe ich euch ge- ſchrieben, daß ich nicht, wenn ich kaͤme, (und die Aergerniſſe noch nicht aus dem Wege geraͤumet fuͤnde) traurig ſeyn muͤſte, uͤber welche ich mich billig ſoll freuen: ſinte- mal ich mich des zu euch allen (ſo viel euer rechtſchaffen ſind, und den Verleumdern kein Gehoͤr geben; als mit welchen ich es ietzo zu thun habe) verſehe, daß meine Freude euer aller Freude ſey: (daß gleichwie das meine Freude verurſachet, wenn ich hoͤre und ſehe, daß es in allen Stuͤcken wohl um euch ſtehet, ihr euch eu- ren Wohlſtand auch ſelbſt laſſet eine Freude ſeyn, und dannenhero auf denſelben ſo vielmehr be- dacht ſeyd. Anmerckungen. 1. Siehe hier, geliebter Leſer, eines von den beſten Kennzeichen eines rechtſchaffenen Leh- rers und Zuhoͤrers an der Freude. Des Leh- rers, wenn er ſich uͤber nichts ſo ſehr freuet, als uͤber den geiſtlichen Wohlſtand ſeiner Gemeine, und darinnen inſonderheit dieſer und jener Per- ſon: hingegen aber ſich uͤber nichts mehr betruͤ- bet, als wenn er davon das Gegentheil befindet. Bey einem Mitlinge und fleiſchlich-geſinneten Lehrer findet ſich nichts weniger, als dieſes. Denn gleichwie er von der wahren geiſtlichen Freude nichts weiß: ſo erfreuet er ſich hinge- gen nach dem Fleiſche uͤber nichts mehr, als uͤber ſeine gute Einnahme, und derſelben Vermeh- rung, oder uͤber die Gemaͤchlichkeit, die er bey ſeinem Amte hat, nebſt der Gelegenheit, recht wohl zu leben nach dem alten Menſchen, oder auch ſeiner natuͤrlichen ungeheiligten und oft ſehr gemißbrauchten Gaben wegen in admiration zu ſtehen. Bekehret ſich aber eine Seele recht- ſchaffen zu GOet, daruͤber wird er ſich ſo gar nicht freuen, daß er eine ſolche vielmehr heimlich anfeindet, ja wol gar fuͤr verfuͤhret, und fuͤr ei- nen ſingulairen Kopf haͤlt. Uber die in ſeiner Gemeine im Schwange gehende groſſen Laſter betruͤbet er ſich gar wenig, ob er auch gleich denn und wenn einen fleiſchlichen und affectirten Eifer Amtswegen dagegen auslaͤßt. Gehet ihm aber an ſeinen Accidentien, an ſeiner Ehre und fleiſch- lichen Ergoͤtzung was ab, ſo ſiehet man ihn daruͤ- ber verunruhiget und bekuͤmmert. Ein ſo gar groſſer Unterſcheid iſt zwiſchen Licht und Finſter- niß bey einem rechtſchaffenen und fleiſchlich-ge- ſinneten Lehrer. 2. Das Kennzeichen eines rechtſchaffe- nen Zuhoͤrers iſt an der Freude uͤber und ge- gen den Lehrer auch nicht weniger gar mercklich, welches iſt, ſich alſo verhalten, daß man dem Lehrer Urſache gebe, ſich uͤber einen zu freuen, und GOtt zu loben; und wo man findet, daß man ihm einige Betruͤbniß verurſachet habe, ſolche Urſache durch eine baldige und willige Beſſerung bald aus dem Wege raͤumen: gleichwie es hingegen der Character eines boͤſen Zuhoͤrers iſt, wenn er einen guten Lehrer mit ſeinem Leben betruͤbet, und ſich daraus nichts machet, damit aber ſeine Verdammniß haͤufet. V. 4. Denn ich ſchrieb euch (den erſten Brief, darinnen ſo viel Maͤngel, und unter demſelben in- ſonderheit das mit der Blut-Schande begange- ne Aergerniß zu beſtrafen war) in groſſer Truͤbſal und Angſt des Hertzens mit viel Thraͤnen (ſintemal zu den vielen Widerwaͤr- tigkeiten, welche ich faſt bis zum Tode zu Ephe- ſus auszuſtehen hatte, noch dieſes kam, daß ich eine ſo betruͤbte Nachricht von euch erhielte: da- her denn mein Kummer ſo viel groͤſſer wurde, und mir auch haͤufige Thraͤnen vor inniger Liebe zu JEſu und zu dem Heil eurer Seelen aus- preſſete) nicht daß ihr ſoltet betruͤbet wer- den, ſondern daß ihr die Liebe erkennetet, welche ich habe, ſonderlich zu euch (und die Aergerniſſe in rechtſchafner Gegenliebe viel wil- liger abthun.) Anmerckung. Man ſiehet hier einen mercklichen Unter- ſcheid zwiſchen einem geiſtlichen und fleiſchlichen Afſect des Ernſtes in der Beſtrafung. Der fleiſchliche und bloß natuͤrliche Afſect hat einen Haß zum Grunde, wird auch daher in vieler Ubernehmung und Unlauterkeit mit Verunruhi- gung des Hertzens gefuͤhret, laͤßt auch einen Wi- derwillen zuruͤck. Aber der geiſtliche Afſect, wenn er auch nach Erforderung der Sache noch ſo ernſtlich iſt, entſtehet aus der Liebe, und wird in der Liebe ohne Verunruhigung der Seele ge- fuͤhret, und endiget ſich auch in der Liebe: wel- che er denn auch ſo viel mehr hinter ſich laͤßt. V. 5. So aber jemand (vor andern) ein Be- truͤbniß hat angerichtet, (wie der 1 Cor. 5, 1. ſqq. Y y 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht01_1729
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht01_1729/385
Zitationshilfe: Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729, S. 357. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht01_1729/385>, abgerufen am 10.06.2024.