Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.

Bild:
<< vorherige Seite

Cap. 4, v. 16-18. an die Corinthier.
[Spaltenumbruch] erneuret, (und also das durch die erste Bekeh-
rung darinnen angefangene Werck GOttes bis
zur endlichen Vollendung fortgesetzet. Siehe
Eph. 4, 23. Col. 3, 10. 1 Pet. 3, 4.)

Anmerckungen.
1. Ein anders ist der äusserliche Mensch,
ein anders der alte. Der äusserliche ist der
Leib mit allen innerlichen und äusserlichen Glie-
dern und sinnlichen Kräften; und wird er also
genannt im Gegensatze auf die Seele, weil er,
da diese innerlich und unsichtbar ist, äusserlich
in die Augen und übrige Sinne fällt. Der al-
te Mensch
aber ist die Erb-Sünde mit allem,
was dazu gehöret.
2. Und hieraus folget denn auch von sich
selbst, daß ein anders sey der innere Mensch,
ein anders der neue. Denn da der innere ist
die Seele, so ist der neue zwar auch die See-
le, aber nicht in Ansehung ihres Wesens, son-
dern ihrer neuen Beschaffenheit, die sie aus
der Gnade zu ihrer grossen Veränderung über-
kommen hat. Und darum wird alhier vom in-
nern Menschen gesaget, daß er erneuret werde:
gleichwie Eph. 3, 16. Paulus wünschet, daß
GOTT den Ephesern Kraft gebe, nach
dem Reichthum seiner Herrlichkeit, starck
zu werden durch seinen Geist an dem in-
wendigen Menschen.
Siehe hievon ein
mehrers Rom. 7, 22. da gezeiget ist, daß Pau-
lus nicht vom neuen Menschen, sondern nur
von der durch einige vorlaufende Gnade aus dem
Sünden-Schlafe erweckten, aber noch nicht er-
neuerten Seele redet, wenn er spricht: Jch
habe Lust an GOttes Gesetz nach dem in-
wendigen Menschen.
3. Zum äusserlichen Menschen gehöret
nicht allein der Leib und seine Gliedmassen, son-
dern auch dasjenige Geschäfte der Seelen, wel-
ches sie durch die Gliedmassen der Sinne in-
nerlich und äusserlich verrichtet, oder in so fern
sie dazu der sinnlichen Glieder und Gevässe ge-
brauchet. Denn obgleich die Seele, so fern
sie ein unsterblicher Geist ist, ihre pur geistliche
Kräfte bey der Entkräftung des Leibes, welche
durch Kranckheiten, Trübsal und Alter geschie-
het, gar nicht verlieret, sondern sie vielmehr
gestärcket findet: So wird sie doch durch das
Abnehmen der Leibes-Kräfte in ihren sinnlichen
Verrichtungen gar sehr gehindert, insonderheit
an dem Gedächtniß; als welches oft am ersten
geschwächt zu werden pfleget.
4. Gleichwie es nun rechtschaffnen Chri-
sten bey solcher mercklichen Abnahme des Leibes
und Entkräftung des Gedächtnisses ein grosser
Trost ist, wenn sie dabey versichert sind, daß
ihrem innern Menschen, oder der Seele dadurch
nichts abgehet, sondern dieselbe immer mehr
und mehr erneuert wird: so soll es die bloß
buchstäblichen Christen billig schrecken, wenn
sie erwegen, wie sehr schlecht es um ihren in-
wendigen Menschen stehe, und wie er keines we-
ges ein neuer Mensch sey, und da alles, was
sie vom Christenthum haben, meisten theils al-
lein auf ihr Gedächtniß ankömmt, dieses aber
obgedachter massen mit zum äusserlichen Men-
[Spaltenumbruch] schen gehöret; wie leicht ihnen eine Kranckheit
oder das Alter ihren Vorrath vom Christen-
thum hinweg nehmen könne, da es keine tiefere
Wurtzel bey ihnen gefasset hat, als im Gedächt-
niß und einigen damit verknüpften leeren Bil-
dern ihrer imagination.
V. 17.

Denn (wie sollen wir unter den Leiden
wollen müde werden, und den Muth sincken
lassen?) unsere Trübsal, die zeitlich und
leicht ist, schaffet
(bringet der Ordnung nach
mit sich) eine ewige und über alle Masse
wichtige Herrlichkeit.

Anmerckungen.

1. Es sind diese Apostolischen Worte auf
beyden Seiten, der Trübsal und der Herrlich-
keit,
sehr emphatisch, oder von besonderm Nach-
druck, sonderlich wenn man beydes im Gegen-
satze erweget. Denn gleichwie er der Trübsal
theils die Kürtze, theils auch die Leichtigkeit
zuschreibet, und saget, daß sie so kurtz als leich-
te sey: so leget er hingegen der Herrlichkeit
an statt der Kürtze eine ewige Dauerung, und
an statt der Leichtigkeit ein über all die mas-
sen grosses Gewichte
bey, kath' uperbolen
eis uperbolen baros: Daß man also siehet,
es habe der Apostel das Hertz im Glauben davon
sehr voll gehabt.

2. Hält auch nun gleich manches Leiden
etwas länger an, also daß eine damit beladene
Seele auch wol mit David sagen muß: HErr,
wie lange? wie lange?
etc. Psalm. 13. so ist
es doch gegen die Ewigkeit nur wie ein Augen-
blick. Und laß denn auch manche Trübsal an
sich schwer und hart genug seyn; so machet es
doch der HErr leichte und sehr erträglich; zu-
mal wenn es eigentliche Leiden um CHristi wil-
len sind; als davon die Rede ist. Wie denn
GOtt allezeit die grössesten Wunder darinnen
bewiesen hat, daß er den getreuen Bekennern
und wircklichen Blut-Zeugen auch in der That
durch die Macht und Kraft seiner beywohnen-
den Gnade zu erfahren gegeben, was Paulus
von sich in allen Leiden schreibet Rom. 8, 37.
Jn dem allen überwinden wir weit um
des willen, der uns geliebet hat.
Jmglei-
chen Phil. 2, 13. Jch vermag alles durch
den, der mich mächtig machet, Christum.

Und nach diesem Grunde konte er auch sagen:
Jch halte dafür, daß dieser Zeit Leiden
nicht werth sey der Herrlichkeit, die an
uns soll offenbaret werden.
Siehe auch
Matth. 5, 12. 1 Pet. 1, 6. seqq. &c.

V. 18.

Uns, die wir nicht sehen auf das
Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare.
Denn was sichtbar ist, das ist zeitlich; was
aber unsichtbar ist, das ist ewig.

Anmerckungen.

1. Wir Menschen sind von Natur so ver-
derbet, daß wir nur auf das Sichtbare sehen,

wel-
B b b 3

Cap. 4, v. 16-18. an die Corinthier.
[Spaltenumbruch] erneuret, (und alſo das durch die erſte Bekeh-
rung darinnen angefangene Werck GOttes bis
zur endlichen Vollendung fortgeſetzet. Siehe
Eph. 4, 23. Col. 3, 10. 1 Pet. 3, 4.)

Anmerckungen.
1. Ein anders iſt der aͤuſſerliche Menſch,
ein anders der alte. Der aͤuſſerliche iſt der
Leib mit allen innerlichen und aͤuſſerlichen Glie-
dern und ſinnlichen Kraͤften; und wird er alſo
genannt im Gegenſatze auf die Seele, weil er,
da dieſe innerlich und unſichtbar iſt, aͤuſſerlich
in die Augen und uͤbrige Sinne faͤllt. Der al-
te Menſch
aber iſt die Erb-Suͤnde mit allem,
was dazu gehoͤret.
2. Und hieraus folget denn auch von ſich
ſelbſt, daß ein anders ſey der innere Menſch,
ein anders der neue. Denn da der innere iſt
die Seele, ſo iſt der neue zwar auch die See-
le, aber nicht in Anſehung ihres Weſens, ſon-
dern ihrer neuen Beſchaffenheit, die ſie aus
der Gnade zu ihrer groſſen Veraͤnderung uͤber-
kommen hat. Und darum wird alhier vom in-
nern Menſchen geſaget, daß er erneuret werde:
gleichwie Eph. 3, 16. Paulus wuͤnſchet, daß
GOTT den Epheſern Kraft gebe, nach
dem Reichthum ſeiner Herrlichkeit, ſtarck
zu werden durch ſeinen Geiſt an dem in-
wendigen Menſchen.
Siehe hievon ein
mehrers Rom. 7, 22. da gezeiget iſt, daß Pau-
lus nicht vom neuen Menſchen, ſondern nur
von der durch einige vorlaufende Gnade aus dem
Suͤnden-Schlafe erweckten, aber noch nicht er-
neuerten Seele redet, wenn er ſpricht: Jch
habe Luſt an GOttes Geſetz nach dem in-
wendigen Menſchen.
3. Zum aͤuſſerlichen Menſchen gehoͤret
nicht allein der Leib und ſeine Gliedmaſſen, ſon-
dern auch dasjenige Geſchaͤfte der Seelen, wel-
ches ſie durch die Gliedmaſſen der Sinne in-
nerlich und aͤuſſerlich verrichtet, oder in ſo fern
ſie dazu der ſinnlichen Glieder und Gevaͤſſe ge-
brauchet. Denn obgleich die Seele, ſo fern
ſie ein unſterblicher Geiſt iſt, ihre pur geiſtliche
Kraͤfte bey der Entkraͤftung des Leibes, welche
durch Kranckheiten, Truͤbſal und Alter geſchie-
het, gar nicht verlieret, ſondern ſie vielmehr
geſtaͤrcket findet: So wird ſie doch durch das
Abnehmen der Leibes-Kraͤfte in ihren ſinnlichen
Verrichtungen gar ſehr gehindert, inſonderheit
an dem Gedaͤchtniß; als welches oft am erſten
geſchwaͤcht zu werden pfleget.
4. Gleichwie es nun rechtſchaffnen Chri-
ſten bey ſolcher mercklichen Abnahme des Leibes
und Entkraͤftung des Gedaͤchtniſſes ein groſſer
Troſt iſt, wenn ſie dabey verſichert ſind, daß
ihrem innern Menſchen, oder der Seele dadurch
nichts abgehet, ſondern dieſelbe immer mehr
und mehr erneuert wird: ſo ſoll es die bloß
buchſtaͤblichen Chriſten billig ſchrecken, wenn
ſie erwegen, wie ſehr ſchlecht es um ihren in-
wendigen Menſchen ſtehe, und wie er keines we-
ges ein neuer Menſch ſey, und da alles, was
ſie vom Chriſtenthum haben, meiſten theils al-
lein auf ihr Gedaͤchtniß ankoͤmmt, dieſes aber
obgedachter maſſen mit zum aͤuſſerlichen Men-
[Spaltenumbruch] ſchen gehoͤret; wie leicht ihnen eine Kranckheit
oder das Alter ihren Vorrath vom Chriſten-
thum hinweg nehmen koͤnne, da es keine tiefere
Wurtzel bey ihnen gefaſſet hat, als im Gedaͤcht-
niß und einigen damit verknuͤpften leeren Bil-
dern ihrer imagination.
V. 17.

Denn (wie ſollen wir unter den Leiden
wollen muͤde werden, und den Muth ſincken
laſſen?) unſere Truͤbſal, die zeitlich und
leicht iſt, ſchaffet
(bringet der Ordnung nach
mit ſich) eine ewige und uͤber alle Maſſe
wichtige Herrlichkeit.

Anmerckungen.

1. Es ſind dieſe Apoſtoliſchen Worte auf
beyden Seiten, der Truͤbſal und der Herrlich-
keit,
ſehr emphatiſch, oder von beſonderm Nach-
druck, ſonderlich wenn man beydes im Gegen-
ſatze erweget. Denn gleichwie er der Truͤbſal
theils die Kuͤrtze, theils auch die Leichtigkeit
zuſchreibet, und ſaget, daß ſie ſo kurtz als leich-
te ſey: ſo leget er hingegen der Herrlichkeit
an ſtatt der Kuͤrtze eine ewige Dauerung, und
an ſtatt der Leichtigkeit ein uͤber all die maſ-
ſen groſſes Gewichte
bey, καϑ᾽ ὑπερβολὴν
εἰς ὑπερβολὴν βάρος: Daß man alſo ſiehet,
es habe der Apoſtel das Hertz im Glauben davon
ſehr voll gehabt.

2. Haͤlt auch nun gleich manches Leiden
etwas laͤnger an, alſo daß eine damit beladene
Seele auch wol mit David ſagen muß: HErr,
wie lange? wie lange?
ꝛc. Pſalm. 13. ſo iſt
es doch gegen die Ewigkeit nur wie ein Augen-
blick. Und laß denn auch manche Truͤbſal an
ſich ſchwer und hart genug ſeyn; ſo machet es
doch der HErr leichte und ſehr ertraͤglich; zu-
mal wenn es eigentliche Leiden um CHriſti wil-
len ſind; als davon die Rede iſt. Wie denn
GOtt allezeit die groͤſſeſten Wunder darinnen
bewieſen hat, daß er den getreuen Bekennern
und wircklichen Blut-Zeugen auch in der That
durch die Macht und Kraft ſeiner beywohnen-
den Gnade zu erfahren gegeben, was Paulus
von ſich in allen Leiden ſchreibet Rom. 8, 37.
Jn dem allen uͤberwinden wir weit um
des willen, der uns geliebet hat.
Jmglei-
chen Phil. 2, 13. Jch vermag alles durch
den, der mich maͤchtig machet, Chriſtum.

Und nach dieſem Grunde konte er auch ſagen:
Jch halte dafuͤr, daß dieſer Zeit Leiden
nicht werth ſey der Herrlichkeit, die an
uns ſoll offenbaret werden.
Siehe auch
Matth. 5, 12. 1 Pet. 1, 6. ſeqq. &c.

V. 18.

Uns, die wir nicht ſehen auf das
Sichtbare, ſondern auf das Unſichtbare.
Denn was ſichtbar iſt, das iſt zeitlich; was
aber unſichtbar iſt, das iſt ewig.

Anmerckungen.

1. Wir Menſchen ſind von Natur ſo ver-
derbet, daß wir nur auf das Sichtbare ſehen,

wel-
B b b 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0409" n="381"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Cap. 4, v. 16-18. an die Corinthier.</hi></fw><lb/><cb/><hi rendition="#fr">erneuret,</hi> (und al&#x017F;o das durch die er&#x017F;te Bekeh-<lb/>
rung darinnen angefangene Werck GOttes bis<lb/>
zur endlichen Vollendung fortge&#x017F;etzet. Siehe<lb/>
Eph. 4, 23. Col. 3, 10. 1 Pet. 3, 4.)</p><lb/>
            <div n="4">
              <head> <hi rendition="#b">Anmerckungen.</hi> </head><lb/>
              <list>
                <item>1. Ein anders i&#x017F;t der <hi rendition="#fr">a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;erliche Men&#x017F;ch,</hi><lb/>
ein anders der <hi rendition="#fr">alte.</hi> Der a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;erliche i&#x017F;t der<lb/>
Leib mit allen innerlichen und a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;erlichen Glie-<lb/>
dern und &#x017F;innlichen Kra&#x0364;ften; und wird er al&#x017F;o<lb/>
genannt im Gegen&#x017F;atze auf die <hi rendition="#fr">Seele,</hi> weil er,<lb/>
da die&#x017F;e innerlich und un&#x017F;ichtbar i&#x017F;t, a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;erlich<lb/>
in die Augen und u&#x0364;brige Sinne fa&#x0364;llt. Der <hi rendition="#fr">al-<lb/>
te Men&#x017F;ch</hi> aber i&#x017F;t die Erb-Su&#x0364;nde mit allem,<lb/>
was dazu geho&#x0364;ret.</item><lb/>
                <item>2. Und hieraus folget denn auch von &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t, daß ein anders &#x017F;ey der <hi rendition="#fr">innere Men&#x017F;ch,</hi><lb/>
ein anders der <hi rendition="#fr">neue.</hi> Denn da der <hi rendition="#fr">innere</hi> i&#x017F;t<lb/>
die <hi rendition="#fr">Seele,</hi> &#x017F;o i&#x017F;t der <hi rendition="#fr">neue</hi> zwar auch die See-<lb/>
le, aber nicht in An&#x017F;ehung ihres We&#x017F;ens, &#x017F;on-<lb/>
dern ihrer <hi rendition="#fr">neuen Be&#x017F;chaffenheit,</hi> die &#x017F;ie aus<lb/>
der Gnade zu ihrer gro&#x017F;&#x017F;en Vera&#x0364;nderung u&#x0364;ber-<lb/>
kommen hat. Und darum wird alhier vom in-<lb/>
nern Men&#x017F;chen ge&#x017F;aget, daß er erneuret werde:<lb/>
gleichwie Eph. 3, 16. Paulus wu&#x0364;n&#x017F;chet, <hi rendition="#fr">daß<lb/>
GOTT den Ephe&#x017F;ern Kraft gebe, nach<lb/>
dem Reichthum &#x017F;einer Herrlichkeit, &#x017F;tarck<lb/>
zu werden durch &#x017F;einen Gei&#x017F;t an dem in-<lb/>
wendigen Men&#x017F;chen.</hi> Siehe hievon ein<lb/>
mehrers Rom. 7, 22. da gezeiget i&#x017F;t, daß Pau-<lb/>
lus nicht vom neuen Men&#x017F;chen, &#x017F;ondern nur<lb/>
von der durch einige vorlaufende Gnade aus dem<lb/>
Su&#x0364;nden-Schlafe erweckten, aber noch nicht er-<lb/>
neuerten Seele redet, wenn er &#x017F;pricht: <hi rendition="#fr">Jch<lb/>
habe Lu&#x017F;t an GOttes Ge&#x017F;etz nach dem in-<lb/>
wendigen Men&#x017F;chen.</hi></item><lb/>
                <item>3. Zum <hi rendition="#fr">a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;erlichen Men&#x017F;chen</hi> geho&#x0364;ret<lb/>
nicht allein der Leib und &#x017F;eine Gliedma&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;on-<lb/>
dern auch dasjenige Ge&#x017F;cha&#x0364;fte der Seelen, wel-<lb/>
ches &#x017F;ie durch die Gliedma&#x017F;&#x017F;en der Sinne in-<lb/>
nerlich und a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;erlich verrichtet, oder in &#x017F;o fern<lb/>
&#x017F;ie dazu der &#x017F;innlichen Glieder und Geva&#x0364;&#x017F;&#x017F;e ge-<lb/>
brauchet. Denn obgleich die Seele, &#x017F;o fern<lb/>
&#x017F;ie ein un&#x017F;terblicher Gei&#x017F;t i&#x017F;t, ihre pur gei&#x017F;tliche<lb/>
Kra&#x0364;fte bey der Entkra&#x0364;ftung des Leibes, welche<lb/>
durch Kranckheiten, Tru&#x0364;b&#x017F;al und Alter ge&#x017F;chie-<lb/>
het, gar nicht verlieret, &#x017F;ondern &#x017F;ie vielmehr<lb/>
ge&#x017F;ta&#x0364;rcket findet: So wird &#x017F;ie doch durch das<lb/>
Abnehmen der Leibes-Kra&#x0364;fte in ihren &#x017F;innlichen<lb/>
Verrichtungen gar &#x017F;ehr gehindert, in&#x017F;onderheit<lb/>
an dem Geda&#x0364;chtniß; als welches oft am er&#x017F;ten<lb/>
ge&#x017F;chwa&#x0364;cht zu werden pfleget.</item><lb/>
                <item>4. Gleichwie es nun recht&#x017F;chaffnen Chri-<lb/>
&#x017F;ten bey &#x017F;olcher mercklichen Abnahme des Leibes<lb/>
und Entkra&#x0364;ftung des Geda&#x0364;chtni&#x017F;&#x017F;es ein gro&#x017F;&#x017F;er<lb/>
Tro&#x017F;t i&#x017F;t, wenn &#x017F;ie dabey ver&#x017F;ichert &#x017F;ind, daß<lb/>
ihrem innern Men&#x017F;chen, oder der Seele dadurch<lb/>
nichts abgehet, &#x017F;ondern die&#x017F;elbe immer mehr<lb/>
und mehr erneuert wird: &#x017F;o &#x017F;oll es die bloß<lb/>
buch&#x017F;ta&#x0364;blichen Chri&#x017F;ten billig &#x017F;chrecken, wenn<lb/>
&#x017F;ie erwegen, wie &#x017F;ehr &#x017F;chlecht es um ihren in-<lb/>
wendigen Men&#x017F;chen &#x017F;tehe, und wie er keines we-<lb/>
ges ein neuer Men&#x017F;ch &#x017F;ey, und da alles, was<lb/>
&#x017F;ie vom Chri&#x017F;tenthum haben, mei&#x017F;ten theils al-<lb/>
lein auf ihr Geda&#x0364;chtniß anko&#x0364;mmt, die&#x017F;es aber<lb/>
obgedachter ma&#x017F;&#x017F;en mit zum a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;erlichen Men-<lb/><cb/>
&#x017F;chen geho&#x0364;ret; wie leicht ihnen eine Kranckheit<lb/>
oder das Alter ihren Vorrath vom Chri&#x017F;ten-<lb/>
thum hinweg nehmen ko&#x0364;nne, da es keine tiefere<lb/>
Wurtzel bey ihnen gefa&#x017F;&#x017F;et hat, als im Geda&#x0364;cht-<lb/>
niß und einigen damit verknu&#x0364;pften leeren Bil-<lb/>
dern ihrer <hi rendition="#aq">imagination.</hi></item>
              </list>
            </div>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b">V. 17.</hi> </head><lb/>
            <p><hi rendition="#fr">Denn</hi> (wie &#x017F;ollen wir unter den Leiden<lb/>
wollen mu&#x0364;de werden, und den Muth &#x017F;incken<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en?) <hi rendition="#fr">un&#x017F;ere Tru&#x0364;b&#x017F;al, die zeitlich und<lb/>
leicht i&#x017F;t, &#x017F;chaffet</hi> (bringet der Ordnung nach<lb/>
mit &#x017F;ich) <hi rendition="#fr">eine ewige und u&#x0364;ber alle Ma&#x017F;&#x017F;e<lb/>
wichtige Herrlichkeit.</hi></p><lb/>
            <div n="4">
              <head> <hi rendition="#b">Anmerckungen.</hi> </head><lb/>
              <p>1. Es &#x017F;ind die&#x017F;e Apo&#x017F;toli&#x017F;chen Worte auf<lb/>
beyden Seiten, der <hi rendition="#fr">Tru&#x0364;b&#x017F;al</hi> und der <hi rendition="#fr">Herrlich-<lb/>
keit,</hi> &#x017F;ehr <hi rendition="#aq">emphati</hi>&#x017F;ch, oder von be&#x017F;onderm Nach-<lb/>
druck, &#x017F;onderlich wenn man beydes im Gegen-<lb/>
&#x017F;atze erweget. Denn gleichwie er der <hi rendition="#fr">Tru&#x0364;b&#x017F;al</hi><lb/>
theils die <hi rendition="#fr">Ku&#x0364;rtze,</hi> theils auch die <hi rendition="#fr">Leichtigkeit</hi><lb/>
zu&#x017F;chreibet, und &#x017F;aget, daß &#x017F;ie &#x017F;o kurtz als leich-<lb/>
te &#x017F;ey: &#x017F;o leget er hingegen der <hi rendition="#fr">Herrlichkeit</hi><lb/>
an &#x017F;tatt der Ku&#x0364;rtze eine <hi rendition="#fr">ewige Dauerung,</hi> und<lb/>
an &#x017F;tatt der Leichtigkeit ein <hi rendition="#fr">u&#x0364;ber all die ma&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en gro&#x017F;&#x017F;es Gewichte</hi> bey, &#x03BA;&#x03B1;&#x03D1;&#x1FBD; &#x1F51;&#x03C0;&#x03B5;&#x03C1;&#x03B2;&#x03BF;&#x03BB;&#x1F74;&#x03BD;<lb/>
&#x03B5;&#x1F30;&#x03C2; &#x1F51;&#x03C0;&#x03B5;&#x03C1;&#x03B2;&#x03BF;&#x03BB;&#x1F74;&#x03BD; &#x03B2;&#x03AC;&#x03C1;&#x03BF;&#x03C2;: Daß man al&#x017F;o &#x017F;iehet,<lb/>
es habe der Apo&#x017F;tel das Hertz im Glauben davon<lb/>
&#x017F;ehr voll gehabt.</p><lb/>
              <p>2. Ha&#x0364;lt auch nun gleich manches Leiden<lb/>
etwas la&#x0364;nger an, al&#x017F;o daß eine damit beladene<lb/>
Seele auch wol mit David &#x017F;agen muß: <hi rendition="#fr">HErr,<lb/>
wie lange? wie lange?</hi> &#xA75B;c. P&#x017F;alm. 13. &#x017F;o i&#x017F;t<lb/>
es doch gegen die Ewigkeit nur wie ein Augen-<lb/>
blick. Und laß denn auch manche Tru&#x0364;b&#x017F;al an<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;chwer und hart genug &#x017F;eyn; &#x017F;o machet es<lb/>
doch der HErr leichte und &#x017F;ehr ertra&#x0364;glich; zu-<lb/>
mal wenn es eigentliche Leiden um CHri&#x017F;ti wil-<lb/>
len &#x017F;ind; als davon die Rede i&#x017F;t. Wie denn<lb/>
GOtt allezeit die gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;e&#x017F;ten Wunder darinnen<lb/>
bewie&#x017F;en hat, daß er den getreuen Bekennern<lb/>
und wircklichen Blut-Zeugen auch in der That<lb/>
durch die Macht und Kraft &#x017F;einer beywohnen-<lb/>
den Gnade zu erfahren gegeben, was Paulus<lb/>
von &#x017F;ich in allen Leiden &#x017F;chreibet Rom. 8, 37.<lb/><hi rendition="#fr">Jn dem allen u&#x0364;berwinden wir weit um<lb/>
des willen, der uns geliebet hat.</hi> Jmglei-<lb/>
chen Phil. 2, 13. <hi rendition="#fr">Jch vermag alles durch<lb/>
den, der mich ma&#x0364;chtig machet, Chri&#x017F;tum.</hi><lb/>
Und nach die&#x017F;em Grunde konte er auch &#x017F;agen:<lb/><hi rendition="#fr">Jch halte dafu&#x0364;r, daß die&#x017F;er Zeit Leiden<lb/>
nicht werth &#x017F;ey der Herrlichkeit, die an<lb/>
uns &#x017F;oll offenbaret werden.</hi> Siehe auch<lb/>
Matth. 5, 12. 1 Pet. 1, 6. <hi rendition="#aq">&#x017F;eqq. &amp;c.</hi></p>
            </div>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b">V. 18.</hi> </head><lb/>
            <p> <hi rendition="#fr">Uns, die wir nicht &#x017F;ehen auf das<lb/>
Sichtbare, &#x017F;ondern auf das Un&#x017F;ichtbare.<lb/>
Denn was &#x017F;ichtbar i&#x017F;t, das i&#x017F;t zeitlich; was<lb/>
aber un&#x017F;ichtbar i&#x017F;t, das i&#x017F;t ewig.</hi> </p><lb/>
            <div n="4">
              <head> <hi rendition="#b">Anmerckungen.</hi> </head><lb/>
              <p>1. Wir Men&#x017F;chen &#x017F;ind von Natur &#x017F;o ver-<lb/>
derbet, daß wir nur auf das Sichtbare &#x017F;ehen,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">B b b 3</fw><fw place="bottom" type="catch">wel-</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[381/0409] Cap. 4, v. 16-18. an die Corinthier. erneuret, (und alſo das durch die erſte Bekeh- rung darinnen angefangene Werck GOttes bis zur endlichen Vollendung fortgeſetzet. Siehe Eph. 4, 23. Col. 3, 10. 1 Pet. 3, 4.) Anmerckungen. 1. Ein anders iſt der aͤuſſerliche Menſch, ein anders der alte. Der aͤuſſerliche iſt der Leib mit allen innerlichen und aͤuſſerlichen Glie- dern und ſinnlichen Kraͤften; und wird er alſo genannt im Gegenſatze auf die Seele, weil er, da dieſe innerlich und unſichtbar iſt, aͤuſſerlich in die Augen und uͤbrige Sinne faͤllt. Der al- te Menſch aber iſt die Erb-Suͤnde mit allem, was dazu gehoͤret. 2. Und hieraus folget denn auch von ſich ſelbſt, daß ein anders ſey der innere Menſch, ein anders der neue. Denn da der innere iſt die Seele, ſo iſt der neue zwar auch die See- le, aber nicht in Anſehung ihres Weſens, ſon- dern ihrer neuen Beſchaffenheit, die ſie aus der Gnade zu ihrer groſſen Veraͤnderung uͤber- kommen hat. Und darum wird alhier vom in- nern Menſchen geſaget, daß er erneuret werde: gleichwie Eph. 3, 16. Paulus wuͤnſchet, daß GOTT den Epheſern Kraft gebe, nach dem Reichthum ſeiner Herrlichkeit, ſtarck zu werden durch ſeinen Geiſt an dem in- wendigen Menſchen. Siehe hievon ein mehrers Rom. 7, 22. da gezeiget iſt, daß Pau- lus nicht vom neuen Menſchen, ſondern nur von der durch einige vorlaufende Gnade aus dem Suͤnden-Schlafe erweckten, aber noch nicht er- neuerten Seele redet, wenn er ſpricht: Jch habe Luſt an GOttes Geſetz nach dem in- wendigen Menſchen. 3. Zum aͤuſſerlichen Menſchen gehoͤret nicht allein der Leib und ſeine Gliedmaſſen, ſon- dern auch dasjenige Geſchaͤfte der Seelen, wel- ches ſie durch die Gliedmaſſen der Sinne in- nerlich und aͤuſſerlich verrichtet, oder in ſo fern ſie dazu der ſinnlichen Glieder und Gevaͤſſe ge- brauchet. Denn obgleich die Seele, ſo fern ſie ein unſterblicher Geiſt iſt, ihre pur geiſtliche Kraͤfte bey der Entkraͤftung des Leibes, welche durch Kranckheiten, Truͤbſal und Alter geſchie- het, gar nicht verlieret, ſondern ſie vielmehr geſtaͤrcket findet: So wird ſie doch durch das Abnehmen der Leibes-Kraͤfte in ihren ſinnlichen Verrichtungen gar ſehr gehindert, inſonderheit an dem Gedaͤchtniß; als welches oft am erſten geſchwaͤcht zu werden pfleget. 4. Gleichwie es nun rechtſchaffnen Chri- ſten bey ſolcher mercklichen Abnahme des Leibes und Entkraͤftung des Gedaͤchtniſſes ein groſſer Troſt iſt, wenn ſie dabey verſichert ſind, daß ihrem innern Menſchen, oder der Seele dadurch nichts abgehet, ſondern dieſelbe immer mehr und mehr erneuert wird: ſo ſoll es die bloß buchſtaͤblichen Chriſten billig ſchrecken, wenn ſie erwegen, wie ſehr ſchlecht es um ihren in- wendigen Menſchen ſtehe, und wie er keines we- ges ein neuer Menſch ſey, und da alles, was ſie vom Chriſtenthum haben, meiſten theils al- lein auf ihr Gedaͤchtniß ankoͤmmt, dieſes aber obgedachter maſſen mit zum aͤuſſerlichen Men- ſchen gehoͤret; wie leicht ihnen eine Kranckheit oder das Alter ihren Vorrath vom Chriſten- thum hinweg nehmen koͤnne, da es keine tiefere Wurtzel bey ihnen gefaſſet hat, als im Gedaͤcht- niß und einigen damit verknuͤpften leeren Bil- dern ihrer imagination. V. 17. Denn (wie ſollen wir unter den Leiden wollen muͤde werden, und den Muth ſincken laſſen?) unſere Truͤbſal, die zeitlich und leicht iſt, ſchaffet (bringet der Ordnung nach mit ſich) eine ewige und uͤber alle Maſſe wichtige Herrlichkeit. Anmerckungen. 1. Es ſind dieſe Apoſtoliſchen Worte auf beyden Seiten, der Truͤbſal und der Herrlich- keit, ſehr emphatiſch, oder von beſonderm Nach- druck, ſonderlich wenn man beydes im Gegen- ſatze erweget. Denn gleichwie er der Truͤbſal theils die Kuͤrtze, theils auch die Leichtigkeit zuſchreibet, und ſaget, daß ſie ſo kurtz als leich- te ſey: ſo leget er hingegen der Herrlichkeit an ſtatt der Kuͤrtze eine ewige Dauerung, und an ſtatt der Leichtigkeit ein uͤber all die maſ- ſen groſſes Gewichte bey, καϑ᾽ ὑπερβολὴν εἰς ὑπερβολὴν βάρος: Daß man alſo ſiehet, es habe der Apoſtel das Hertz im Glauben davon ſehr voll gehabt. 2. Haͤlt auch nun gleich manches Leiden etwas laͤnger an, alſo daß eine damit beladene Seele auch wol mit David ſagen muß: HErr, wie lange? wie lange? ꝛc. Pſalm. 13. ſo iſt es doch gegen die Ewigkeit nur wie ein Augen- blick. Und laß denn auch manche Truͤbſal an ſich ſchwer und hart genug ſeyn; ſo machet es doch der HErr leichte und ſehr ertraͤglich; zu- mal wenn es eigentliche Leiden um CHriſti wil- len ſind; als davon die Rede iſt. Wie denn GOtt allezeit die groͤſſeſten Wunder darinnen bewieſen hat, daß er den getreuen Bekennern und wircklichen Blut-Zeugen auch in der That durch die Macht und Kraft ſeiner beywohnen- den Gnade zu erfahren gegeben, was Paulus von ſich in allen Leiden ſchreibet Rom. 8, 37. Jn dem allen uͤberwinden wir weit um des willen, der uns geliebet hat. Jmglei- chen Phil. 2, 13. Jch vermag alles durch den, der mich maͤchtig machet, Chriſtum. Und nach dieſem Grunde konte er auch ſagen: Jch halte dafuͤr, daß dieſer Zeit Leiden nicht werth ſey der Herrlichkeit, die an uns ſoll offenbaret werden. Siehe auch Matth. 5, 12. 1 Pet. 1, 6. ſeqq. &c. V. 18. Uns, die wir nicht ſehen auf das Sichtbare, ſondern auf das Unſichtbare. Denn was ſichtbar iſt, das iſt zeitlich; was aber unſichtbar iſt, das iſt ewig. Anmerckungen. 1. Wir Menſchen ſind von Natur ſo ver- derbet, daß wir nur auf das Sichtbare ſehen, wel- B b b 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht01_1729
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht01_1729/409
Zitationshilfe: Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729, S. 381. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht01_1729/409>, abgerufen am 24.11.2024.