Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.Erklärung des andern Briefs Pauli Cap. 6, 8. 9. [Spaltenumbruch]
der Ehre wehrt ist, oft an seinem guten Namendurch allerhand Lästerungen verunehret und ge- schändet. Dazu zuweilen auch wol noch härte- re Injurien und Beschimpfungen kommen: wie denn der Apostel deswegen vorher unter andern auch der Schläge und Gefängnisse gedencket. Allein gleichwie ein Kind GOttes aus der Ehre sich kein Eigenthum machet: so siehet es noch vielweniger die Schande als sein eigen an: als davon die Ursache nicht bey ihm lieget, sondern bey schändlichen Menschen; und bestehet jene auch mehr in dem irrigen Wesen thörichter und lasterhafter Leute, als in der Sache selbst. 3. Das gute und böse Gerüchte ist von der Ehre und Schande nur in sofern unterschie- den, daß es mehr auf den Namen gehet, und dieses mehr auf die Person selbst, und beydes in gewissen Fällen mit einander überein kömmt. Laudatur ab his, culpatur ab illis, heißt es al- hie. Und dazu hält sich das Gemüth eines wah- ren Christen indifferent. Jm guten Gerüchte und Lobe erhebet es sich nicht: Und im bösen, bey dem Grunde eines guten Gewissens, betrübet es sich nicht. Man hat aber hieraus dieses zu lernen, daß man sich an das böse Gerüchte ande- rer nicht gleich stosse, sondern erst nach der Ursa- che sich erkundige. Wird doch wol mancher von den Welt-Kindern selbst in dieser und jener Sa- che, darinnen er unschuldig ist, übel beurthei- let: Wie solte es denn einem Kinde GOttes, welches der Welt nichts mehr recht machen kan, auch auf gewisse Art nichts mehr recht machen, oder mit ihr sündigen will, nicht noch viel eher begegnen? 4. Und da es heißt: Als die Verführer, und doch wahrhaftig, stellen wir uns zuvor- derst billig die theuerste Person unsers aller un- schuldigsten Heilandes vor: als von dem es hieß zu Pilato: Herr, wir haben gedacht, daß dieser Verführer sprach, da er noch lebete, ich will nach dreyen Tagen wieder aufer- stehen etc. Jmgleichen Joh. 7, 12. Es war ein groß Gemurmel von ihm unter dem Volcke. Etliche sprachen: Er ist fromm. Die andern aber sprachen: Nein, sondern er verführet das Volck. Siehe auch c 9, 16. c. 10, 19. 20. 21. Matth. 21, 45. 46. 5. Es ist aber wohl zu mercken, von wel- chen solche Lästerungen wider CHristum und Paulum hergerühret? Diese waren die Schrift- gelehrten und Pharisäer, und also die fleisch- lich gesinneten Lehrer; als welche das unwis- sende und meist lasterhafte Volck mit dazu auf- brachten. Und also ging es auch Paulo ausser dem Jüdischen Lande. Denn weil dazumal schon von mehrern Zeiten her fast alle Provintzien des gantzen sehr weiten Römischen Reichs allent- halben mit Juden sehr erfüllet waren; so wider- setzte sich keine Nation dem Evangelio von CHri- sto so sehr, als die Jüdische, und darunter in- sonderheit ihre unbekehrte Lehrer: als welche in so grossen Vorurtheilen wider die Person und das Reich des Meßiä bey ihrer Blindheit nicht wolten gefehlet haben, noch vielweniger aber vermöge des Glaubens an Christum ihren Sinn und ihr Leben ändern. Dannenhero nahmen [Spaltenumbruch] sie nicht allein die Jüden, ihre Zuhörer, sondern auch die Heiden mit vielen Lästerungen wider die Apostel und wider die christliche Religion ein. 6. Es geschiehet aber auch in diesem Stü- cke nichts neues unter der Sonnen. Wie es zu CHristi Zeiten ging: also ist es von der Apostel Zeit her in allen Seculis gegangen, und also ge- het es noch: nemlich die grössesten und schwere- sten Lästerungen wider die Knechte und Kinder GOttes und wider die von ihnen mit Worten bezeugete und mit der That bekräftigte Wahr- heit, kommen von fleischlich gesinneten Lehrern her. Denn diesen ist es unerträglich, wenn sie, als Finsterniß, vom Lichte bestrafet werden, und wenn die Bestrafung auch nur mit der That ohne Worte geschiehet: wenn nemlich ein rechtschaff- ner Wandel ihrem ungöttlichen Wesen entgegen stehet. Und da wissen sie sich nicht besser zu schü- tzen, als wenn sie CHristum in seinen Gliedern recht feindselig angreifen, und die ungeheuchel- te Gottseligkeit einer Heucheley, die richtige Lehre und Lehrart aber der Jrthümer, der Ver- führung, ja gar der Ketzerey und Schwärmerey beschuldigen, und sich dazu allerhand Spott- Namen bedienen. Und also gehet es noch in der Evangelischen Kirche auf manchen academischen Cathedern und andern solchen Stühlen, da das Gesetz übel gedeutet und verkehret wird. Da doch, wenn man es beym Lichte der Wahrheit besichet, diejenigen, welche unschuldige für Verführer ausrufen, es gemeiniglich selbst sind, unter dem Schein und Vorwand der Wahrheit und Orthodoxie, wie es an den Feinden CHri- sti und der Apostel auch also zu sehen ist. 7. Aber doch wahrhaftig, heißt es: Dieses Zeugniß ist den aufrichtigen Knechten und Kindern GOttes vors erste im Gewissen und vor GOtt genug: und denn kömmt die Uber- zeugung so vieler anderer Menschen nach und nach dazu: und hingegen wird der Unfug ihrer Feinde auch vor Menschen offenbar, also daß die damit gesuchte und bey einigen erhaltene Ehre, auch schon zu einigem Vorgerichte über sie, oft in Schande verwandelt wird. Wie denn Paulus von solchen saget: Gleichwie Jannes und Jambres Mose widerstunden, also wider- stehen auch diese der Wahrheit. Es sind Menschen von zerrütteten Sinnen, un- tüchtig im Glauben: aber sie werdens die Länge nicht treiben. Denn ihre Thorheit wird offenbar werden iederman, gleichwie auch jener war. 2 Tim. 3, 8. 9. V. 9. Als die Unbekanten, und doch be- Anmerckungen. 1. Als die Unbekanten: welche, so be- kant sie auch sonst ihrer Person nach sind, die Welt, sonderlich die Pharisäische, in blinden und unbekehrten Lehrern, nicht mehr für die ih- rigen, die zu ihnen gehören, erkennen will: ge- gen welche sie thut, als hätte sie dieselbe nie ge- sehen,
Erklaͤrung des andern Briefs Pauli Cap. 6, 8. 9. [Spaltenumbruch]
der Ehre wehrt iſt, oft an ſeinem guten Namendurch allerhand Laͤſterungen verunehret und ge- ſchaͤndet. Dazu zuweilen auch wol noch haͤrte- re Injurien und Beſchimpfungen kommen: wie denn der Apoſtel deswegen vorher unter andern auch der Schlaͤge und Gefaͤngniſſe gedencket. Allein gleichwie ein Kind GOttes aus der Ehre ſich kein Eigenthum machet: ſo ſiehet es noch vielweniger die Schande als ſein eigen an: als davon die Urſache nicht bey ihm lieget, ſondern bey ſchaͤndlichen Menſchen; und beſtehet jene auch mehr in dem irrigen Weſen thoͤrichter und laſterhafter Leute, als in der Sache ſelbſt. 3. Das gute und boͤſe Geruͤchte iſt von der Ehre und Schande nur in ſofern unterſchie- den, daß es mehr auf den Namen gehet, und dieſes mehr auf die Perſon ſelbſt, und beydes in gewiſſen Faͤllen mit einander uͤberein koͤmmt. Laudatur ab his, culpatur ab illis, heißt es al- hie. Und dazu haͤlt ſich das Gemuͤth eines wah- ren Chriſten indifferent. Jm guten Geruͤchte und Lobe erhebet es ſich nicht: Und im boͤſen, bey dem Grunde eines guten Gewiſſens, betruͤbet es ſich nicht. Man hat aber hieraus dieſes zu lernen, daß man ſich an das boͤſe Geruͤchte ande- rer nicht gleich ſtoſſe, ſondern erſt nach der Urſa- che ſich erkundige. Wird doch wol mancher von den Welt-Kindern ſelbſt in dieſer und jener Sa- che, darinnen er unſchuldig iſt, uͤbel beurthei- let: Wie ſolte es denn einem Kinde GOttes, welches der Welt nichts mehr recht machen kan, auch auf gewiſſe Art nichts mehr recht machen, oder mit ihr ſuͤndigen will, nicht noch viel eher begegnen? 4. Und da es heißt: Als die Verfuͤhrer, und doch wahrhaftig, ſtellen wir uns zuvor- derſt billig die theuerſte Perſon unſers aller un- ſchuldigſten Heilandes vor: als von dem es hieß zu Pilato: Herr, wir haben gedacht, daß dieſer Verfuͤhrer ſprach, da er noch lebete, ich will nach dreyen Tagen wieder aufer- ſtehen ꝛc. Jmgleichen Joh. 7, 12. Es war ein groß Gemurmel von ihm unter dem Volcke. Etliche ſprachen: Er iſt fromm. Die andern aber ſprachen: Nein, ſondern er verfuͤhret das Volck. Siehe auch c 9, 16. c. 10, 19. 20. 21. Matth. 21, 45. 46. 5. Es iſt aber wohl zu mercken, von wel- chen ſolche Laͤſterungen wider CHriſtum und Paulum hergeruͤhret? Dieſe waren die Schrift- gelehrten und Phariſaͤer, und alſo die fleiſch- lich geſinneten Lehrer; als welche das unwiſ- ſende und meiſt laſterhafte Volck mit dazu auf- brachten. Und alſo ging es auch Paulo auſſer dem Juͤdiſchen Lande. Denn weil dazumal ſchon von mehrern Zeiten her faſt alle Provintzien des gantzen ſehr weiten Roͤmiſchen Reichs allent- halben mit Juden ſehr erfuͤllet waren; ſo wider- ſetzte ſich keine Nation dem Evangelio von CHri- ſto ſo ſehr, als die Juͤdiſche, und darunter in- ſonderheit ihre unbekehrte Lehrer: als welche in ſo groſſen Vorurtheilen wider die Perſon und das Reich des Meßiaͤ bey ihrer Blindheit nicht wolten gefehlet haben, noch vielweniger aber vermoͤge des Glaubens an Chriſtum ihren Sinn und ihr Leben aͤndern. Dannenhero nahmen [Spaltenumbruch] ſie nicht allein die Juͤden, ihre Zuhoͤrer, ſondern auch die Heiden mit vielen Laͤſterungen wider die Apoſtel und wider die chriſtliche Religion ein. 6. Es geſchiehet aber auch in dieſem Stuͤ- cke nichts neues unter der Sonnen. Wie es zu CHriſti Zeiten ging: alſo iſt es von der Apoſtel Zeit her in allen Seculis gegangen, und alſo ge- het es noch: nemlich die groͤſſeſten und ſchwere- ſten Laͤſterungen wider die Knechte und Kinder GOttes und wider die von ihnen mit Worten bezeugete und mit der That bekraͤftigte Wahr- heit, kommen von fleiſchlich geſinneten Lehrern her. Denn dieſen iſt es unertraͤglich, wenn ſie, als Finſterniß, vom Lichte beſtrafet werden, und wenn die Beſtrafung auch nur mit der That ohne Worte geſchiehet: wenn nemlich ein rechtſchaff- ner Wandel ihrem ungoͤttlichen Weſen entgegen ſtehet. Und da wiſſen ſie ſich nicht beſſer zu ſchuͤ- tzen, als wenn ſie CHriſtum in ſeinen Gliedern recht feindſelig angreifen, und die ungeheuchel- te Gottſeligkeit einer Heucheley, die richtige Lehre und Lehrart aber der Jrthuͤmer, der Ver- fuͤhrung, ja gar der Ketzerey und Schwaͤrmerey beſchuldigen, und ſich dazu allerhand Spott- Namen bedienen. Und alſo gehet es noch in der Evangeliſchen Kirche auf manchen academiſchen Cathedern und andern ſolchen Stuͤhlen, da das Geſetz uͤbel gedeutet und verkehret wird. Da doch, wenn man es beym Lichte der Wahrheit beſichet, diejenigen, welche unſchuldige fuͤr Verfuͤhrer ausrufen, es gemeiniglich ſelbſt ſind, unter dem Schein und Vorwand der Wahrheit und Orthodoxie, wie es an den Feinden CHri- ſti und der Apoſtel auch alſo zu ſehen iſt. 7. Aber doch wahrhaftig, heißt es: Dieſes Zeugniß iſt den aufrichtigen Knechten und Kindern GOttes vors erſte im Gewiſſen und vor GOtt genug: und denn koͤmmt die Uber- zeugung ſo vieler anderer Menſchen nach und nach dazu: und hingegen wird der Unfug ihrer Feinde auch vor Menſchen offenbar, alſo daß die damit geſuchte und bey einigen erhaltene Ehre, auch ſchon zu einigem Vorgerichte uͤber ſie, oft in Schande verwandelt wird. Wie denn Paulus von ſolchen ſaget: Gleichwie Jannes und Jambres Moſe widerſtunden, alſo wider- ſtehen auch dieſe der Wahrheit. Es ſind Menſchen von zerruͤtteten Sinnen, un- tuͤchtig im Glauben: aber ſie werdens die Laͤnge nicht treiben. Denn ihre Thorheit wird offenbar werden iederman, gleichwie auch jener war. 2 Tim. 3, 8. 9. V. 9. Als die Unbekanten, und doch be- Anmerckungen. 1. Als die Unbekanten: welche, ſo be- kant ſie auch ſonſt ihrer Perſon nach ſind, die Welt, ſonderlich die Phariſaͤiſche, in blinden und unbekehrten Lehrern, nicht mehr fuͤr die ih- rigen, die zu ihnen gehoͤren, erkennen will: ge- gen welche ſie thut, als haͤtte ſie dieſelbe nie ge- ſehen,
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Erklaͤrung des andern Briefs Pauli Cap. 6, 8. 9.
der Ehre wehrt iſt, oft an ſeinem guten Namen
durch allerhand Laͤſterungen verunehret und ge-
ſchaͤndet. Dazu zuweilen auch wol noch haͤrte-
re Injurien und Beſchimpfungen kommen: wie
denn der Apoſtel deswegen vorher unter andern
auch der Schlaͤge und Gefaͤngniſſe gedencket.
Allein gleichwie ein Kind GOttes aus der Ehre
ſich kein Eigenthum machet: ſo ſiehet es noch
vielweniger die Schande als ſein eigen an: als
davon die Urſache nicht bey ihm lieget, ſondern
bey ſchaͤndlichen Menſchen; und beſtehet jene
auch mehr in dem irrigen Weſen thoͤrichter und
laſterhafter Leute, als in der Sache ſelbſt.
3. Das gute und boͤſe Geruͤchte iſt von
der Ehre und Schande nur in ſofern unterſchie-
den, daß es mehr auf den Namen gehet, und
dieſes mehr auf die Perſon ſelbſt, und beydes in
gewiſſen Faͤllen mit einander uͤberein koͤmmt.
Laudatur ab his, culpatur ab illis, heißt es al-
hie. Und dazu haͤlt ſich das Gemuͤth eines wah-
ren Chriſten indifferent. Jm guten Geruͤchte
und Lobe erhebet es ſich nicht: Und im boͤſen,
bey dem Grunde eines guten Gewiſſens, betruͤbet
es ſich nicht. Man hat aber hieraus dieſes zu
lernen, daß man ſich an das boͤſe Geruͤchte ande-
rer nicht gleich ſtoſſe, ſondern erſt nach der Urſa-
che ſich erkundige. Wird doch wol mancher von
den Welt-Kindern ſelbſt in dieſer und jener Sa-
che, darinnen er unſchuldig iſt, uͤbel beurthei-
let: Wie ſolte es denn einem Kinde GOttes,
welches der Welt nichts mehr recht machen kan,
auch auf gewiſſe Art nichts mehr recht machen,
oder mit ihr ſuͤndigen will, nicht noch viel eher
begegnen?
4. Und da es heißt: Als die Verfuͤhrer,
und doch wahrhaftig, ſtellen wir uns zuvor-
derſt billig die theuerſte Perſon unſers aller un-
ſchuldigſten Heilandes vor: als von dem es hieß
zu Pilato: Herr, wir haben gedacht, daß
dieſer Verfuͤhrer ſprach, da er noch lebete,
ich will nach dreyen Tagen wieder aufer-
ſtehen ꝛc. Jmgleichen Joh. 7, 12. Es war
ein groß Gemurmel von ihm unter dem
Volcke. Etliche ſprachen: Er iſt fromm.
Die andern aber ſprachen: Nein, ſondern
er verfuͤhret das Volck. Siehe auch c 9, 16.
c. 10, 19. 20. 21. Matth. 21, 45. 46.
5. Es iſt aber wohl zu mercken, von wel-
chen ſolche Laͤſterungen wider CHriſtum und
Paulum hergeruͤhret? Dieſe waren die Schrift-
gelehrten und Phariſaͤer, und alſo die fleiſch-
lich geſinneten Lehrer; als welche das unwiſ-
ſende und meiſt laſterhafte Volck mit dazu auf-
brachten. Und alſo ging es auch Paulo auſſer
dem Juͤdiſchen Lande. Denn weil dazumal
ſchon von mehrern Zeiten her faſt alle Provintzien
des gantzen ſehr weiten Roͤmiſchen Reichs allent-
halben mit Juden ſehr erfuͤllet waren; ſo wider-
ſetzte ſich keine Nation dem Evangelio von CHri-
ſto ſo ſehr, als die Juͤdiſche, und darunter in-
ſonderheit ihre unbekehrte Lehrer: als welche in
ſo groſſen Vorurtheilen wider die Perſon und
das Reich des Meßiaͤ bey ihrer Blindheit nicht
wolten gefehlet haben, noch vielweniger aber
vermoͤge des Glaubens an Chriſtum ihren Sinn
und ihr Leben aͤndern. Dannenhero nahmen
ſie nicht allein die Juͤden, ihre Zuhoͤrer, ſondern
auch die Heiden mit vielen Laͤſterungen wider die
Apoſtel und wider die chriſtliche Religion ein.
6. Es geſchiehet aber auch in dieſem Stuͤ-
cke nichts neues unter der Sonnen. Wie es zu
CHriſti Zeiten ging: alſo iſt es von der Apoſtel
Zeit her in allen Seculis gegangen, und alſo ge-
het es noch: nemlich die groͤſſeſten und ſchwere-
ſten Laͤſterungen wider die Knechte und Kinder
GOttes und wider die von ihnen mit Worten
bezeugete und mit der That bekraͤftigte Wahr-
heit, kommen von fleiſchlich geſinneten Lehrern
her. Denn dieſen iſt es unertraͤglich, wenn ſie,
als Finſterniß, vom Lichte beſtrafet werden, und
wenn die Beſtrafung auch nur mit der That ohne
Worte geſchiehet: wenn nemlich ein rechtſchaff-
ner Wandel ihrem ungoͤttlichen Weſen entgegen
ſtehet. Und da wiſſen ſie ſich nicht beſſer zu ſchuͤ-
tzen, als wenn ſie CHriſtum in ſeinen Gliedern
recht feindſelig angreifen, und die ungeheuchel-
te Gottſeligkeit einer Heucheley, die richtige
Lehre und Lehrart aber der Jrthuͤmer, der Ver-
fuͤhrung, ja gar der Ketzerey und Schwaͤrmerey
beſchuldigen, und ſich dazu allerhand Spott-
Namen bedienen. Und alſo gehet es noch in der
Evangeliſchen Kirche auf manchen academiſchen
Cathedern und andern ſolchen Stuͤhlen, da
das Geſetz uͤbel gedeutet und verkehret wird. Da
doch, wenn man es beym Lichte der Wahrheit
beſichet, diejenigen, welche unſchuldige fuͤr
Verfuͤhrer ausrufen, es gemeiniglich ſelbſt ſind,
unter dem Schein und Vorwand der Wahrheit
und Orthodoxie, wie es an den Feinden CHri-
ſti und der Apoſtel auch alſo zu ſehen iſt.
7. Aber doch wahrhaftig, heißt es:
Dieſes Zeugniß iſt den aufrichtigen Knechten
und Kindern GOttes vors erſte im Gewiſſen
und vor GOtt genug: und denn koͤmmt die Uber-
zeugung ſo vieler anderer Menſchen nach und
nach dazu: und hingegen wird der Unfug ihrer
Feinde auch vor Menſchen offenbar, alſo daß die
damit geſuchte und bey einigen erhaltene Ehre,
auch ſchon zu einigem Vorgerichte uͤber ſie, oft in
Schande verwandelt wird. Wie denn Paulus
von ſolchen ſaget: Gleichwie Jannes und
Jambres Moſe widerſtunden, alſo wider-
ſtehen auch dieſe der Wahrheit. Es ſind
Menſchen von zerruͤtteten Sinnen, un-
tuͤchtig im Glauben: aber ſie werdens die
Laͤnge nicht treiben. Denn ihre Thorheit
wird offenbar werden iederman, gleichwie
auch jener war. 2 Tim. 3, 8. 9.
V. 9.
Als die Unbekanten, und doch be-
kant: als die Sterbenden, und ſiehe wir
leben: als die Gezuͤchtigten, und doch nicht
ertoͤdtet.
Anmerckungen.
1. Als die Unbekanten: welche, ſo be-
kant ſie auch ſonſt ihrer Perſon nach ſind, die
Welt, ſonderlich die Phariſaͤiſche, in blinden
und unbekehrten Lehrern, nicht mehr fuͤr die ih-
rigen, die zu ihnen gehoͤren, erkennen will: ge-
gen welche ſie thut, als haͤtte ſie dieſelbe nie ge-
ſehen,
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