Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.Cap. 6, 9. 10. an die Corinthier. [Spaltenumbruch]
sehen, und wüste sie von ihnen nichts. Und dißist eben einer der ersten und richtigsten Characte- rum mit von den rechtschaffen Knechten und Kin- dern GOttes. Wie sie denn auch selbst solche rohe und eitle Welt-Menschen nicht mehr also kennen, daß sie eines Sinnes mit ihnen wären, mit ihnen vertraulich umgingen, und sich ihrer Sünden theilhaftig machten. Nein, es ist eine grosse Scheidung zwischen ihnen; ob wol diese jenen in Liebe noch immer in so ferne zugethan bleiben, daß sie ihrer Seelen Bestes wünschen, und nach Gelegenheit zu befördern suchen. Aus- ser dem heißt es hie: Mir ist die Welt ge- creutziget, und ich der Welt. Gal. 6, 14. 2. Und doch bekant: zuvorderst GOtt und den auserwehlten Engeln: und denn allen wahren Knechten und Kindern GOttes. Von denen ein eintziger mit seinem wohlgegründeten Beyfall im Gewichte der Wahrheit alle leichtsin- nige Censoresaufwieget. Ja sie werden man- chen Feinden selbst in ihrem Gewissen dergestalt nach ihrer Unschuld bekant, daß von derselben offenhertzigen Bekäntniß sie nichts zurücke hält, als ihre eitle eigne Ehre, daß sie in ihrem Ver- fahren nicht wollen gefehlet und unrecht gethan haben. Und was saget die Nachwelt nicht da- zu? Wie siehet man nicht schon vorlängst ein, wer in dieser und jener Sache aus feindseligem Sinne für schuldig gehalten worden, aber un- schuldig gewesen? Auf welche Art es auch noch künftig ergehen wird, so lange diese Welt stehet; am nachdrücklichsten aber an jenem grossen Tage des Gerichts. 3. Als die Sterbenden: die fast täglich in Todes-Gefahr stehen, auch wol als schon dem Tode übergebne angesehen werden: Und siehe! eine verwunderungswürdige Sache, wir leben, und werden von GOtt wunderba- rer Weise errettet und erhalten. Man sehe, was der Apostel hievon oben c. 4, 10. 11. auch 1 Cor. 15, 31. bezeuget hat. Hieher gehöret auch son- derlich der Ort Ap. Gesch. 14, 19. 20. Sie stei- nigten Paulum, und schleifeten ihn zur Stadt hinaus, und meinten, er wäre ge- storben. Da ihn aber die Jünger um- ringeten, stund er auf, und ging in die Stadt etc. 4. Wenn es mit iemanden auch bey der leiblichen schweren Kranckheit dahin kömmt, daß es heißt: als ein Sterbender, aber auch durch die Hülfe GOttes: und siehe, ich lebe: oder man iemals in solchem Zustande gewesen ist, oder darein noch kommen möchte; so sehe man ja zu, daß man mit Paulo sagen möge: CHristus ist mein Leben! Jch lebe, doch nun nicht ich, sondern CHristus lebet in mir. Phil. 1, 21. Gal. 2, 20. 5. Jn den letzten Worten: Als die Ge- züchtigten etc. wird sonderlich gesehen auf Ps. 118, 18. da es heißt: Der HErr züchtiget mich wol, aber er giebet mich dem Tode nicht. Da denn züchtigen so viel ist, als ei- nen härter angreifen, oder lassen angegriffen werden, also daß es scheinet, es gehet mit einem zum Ende. V. 10. Als die Traurigen, aber allezeit frö- Anmerckungen. 1. Von der Traurigkeit der Knechte und Kinder GOttes ist zu mercken, wenn und wor- über sie würcklich traurig sind; und wenn sie es nicht sind, aber doch dafür angesehen werden. 2. Sie sind traurig, oder betrübt zuvor- derst alsdenn, wenn sie aus dem Stande der Gnaden sich nach ihrem Taufbunde haben gese- tzet gefunden, und angefangen ihr geistliches Elend recht zu erkennen, und nach dem Stande der Gnaden wieder zu trachten. Und weil sie auch noch in diesem die Erbsünde zu mancherley Versuchungen an sich behalten, und von derosel- ben Reitzungen und Bewegungen, ob sie ihnen auch gleich zur völligen Herrschaft keinen Platz geben, doch manchmal übereilet werden, hinge- gen auch ein grosses Unvermögen an dieser und je- ner geistlichen Kraft oder geistlichen Gabe bey dieser und jener Gelegenheit in sich befinden; und gewahr werden, wie es hie und da auch im Gu- ten selbst bey ihnen versehen sey: so kommen sie daher in das Gefühle der Armuth am Geiste, werden darüber oft sehr bekümmert und so nie- dergeschlagen, daß sie genug zu thun haben sich mit dem Evangelio wieder aufzurichten, und in GOtt zu stärcken; zumal wenn sie noch nicht ge- nugsam geübet und bevestiget sind. Wie denn dieses eine von den rechten Eigenschaften der Kinder GOttes ist, daß sie sich über ihre Schwachheits-Sünden mehr betrüben, als die Gottlosen über ihre herrschende Todt-Sünden. 3. Zu dieser innerlichen und eignen Ur- sache der Traurigkeit kömmt die äusserliche und fremde, wenn sie so viele Aergernisse in der Welt, dadurch der Name GOttes verunehret wird, sehen, und es ihnen daher gehet, wie dem gerechten Loth in dem heillosen Sodom: als von welchem Petrus 2 Ep. c. 2, 7. schreibet: GOtt hat erlöset den gerechten Loth, welchem die schändliche Leute alles Leid thäten mit ihrem unzüchtigen Wandel: denn dieweil er gerecht war, und unter ihnen wohnete, daß ers sehen und hören muste, quäleten sie die gerechte Seele von Tage zu Tage mit ihren ungerechten Wercken. Dazu kömmt, wenn der Name GOttes und seine Wahrheit in seinen Knechten und Kindern unter vielem Miß- brauche der heiligen Schrift, und unter dem Vorwand des Eifers für die reine Lehre verun- ehret und geschändet wird: auch wenn manche, die den Namen gehabt, daß sie leben, ja auch wol würcklich ein geistliches Leben in sich gehabt haben, todt sind Apoc. 3, 1. oder mit Dema GOtt wieder absterben, und in die Welt zurück gehen, sich in alle Eitelkeit der Welt wieder ein- flechten und überwinden lassen: da sie denn die Welt ihres entweder gehabten guten Anfangs, oder F f f
Cap. 6, 9. 10. an die Corinthier. [Spaltenumbruch]
ſehen, und wuͤſte ſie von ihnen nichts. Und dißiſt eben einer der erſten und richtigſten Characte- rum mit von den rechtſchaffen Knechten und Kin- dern GOttes. Wie ſie denn auch ſelbſt ſolche rohe und eitle Welt-Menſchen nicht mehr alſo kennen, daß ſie eines Sinnes mit ihnen waͤren, mit ihnen vertraulich umgingen, und ſich ihrer Suͤnden theilhaftig machten. Nein, es iſt eine groſſe Scheidung zwiſchen ihnen; ob wol dieſe jenen in Liebe noch immer in ſo ferne zugethan bleiben, daß ſie ihrer Seelen Beſtes wuͤnſchen, und nach Gelegenheit zu befoͤrdern ſuchen. Auſ- ſer dem heißt es hie: Mir iſt die Welt ge- creutziget, und ich der Welt. Gal. 6, 14. 2. Und doch bekant: zuvorderſt GOtt und den auserwehlten Engeln: und denn allen wahren Knechten und Kindern GOttes. Von denen ein eintziger mit ſeinem wohlgegruͤndeten Beyfall im Gewichte der Wahrheit alle leichtſin- nige Cenſoresaufwieget. Ja ſie werden man- chen Feinden ſelbſt in ihrem Gewiſſen dergeſtalt nach ihrer Unſchuld bekant, daß von derſelben offenhertzigen Bekaͤntniß ſie nichts zuruͤcke haͤlt, als ihre eitle eigne Ehre, daß ſie in ihrem Ver- fahren nicht wollen gefehlet und unrecht gethan haben. Und was ſaget die Nachwelt nicht da- zu? Wie ſiehet man nicht ſchon vorlaͤngſt ein, wer in dieſer und jener Sache aus feindſeligem Sinne fuͤr ſchuldig gehalten worden, aber un- ſchuldig geweſen? Auf welche Art es auch noch kuͤnftig ergehen wird, ſo lange dieſe Welt ſtehet; am nachdruͤcklichſten aber an jenem groſſen Tage des Gerichts. 3. Als die Sterbenden: die faſt taͤglich in Todes-Gefahr ſtehen, auch wol als ſchon dem Tode uͤbergebne angeſehen werden: Und ſiehe! eine verwunderungswuͤrdige Sache, wir leben, und werden von GOtt wunderba- rer Weiſe errettet und erhalten. Man ſehe, was der Apoſtel hievon oben c. 4, 10. 11. auch 1 Cor. 15, 31. bezeuget hat. Hieher gehoͤret auch ſon- derlich der Ort Ap. Geſch. 14, 19. 20. Sie ſtei- nigten Paulum, und ſchleifeten ihn zur Stadt hinaus, und meinten, er waͤre ge- ſtorben. Da ihn aber die Juͤnger um- ringeten, ſtund er auf, und ging in die Stadt ꝛc. 4. Wenn es mit iemanden auch bey der leiblichen ſchweren Kranckheit dahin koͤmmt, daß es heißt: als ein Sterbender, aber auch durch die Huͤlfe GOttes: und ſiehe, ich lebe: oder man iemals in ſolchem Zuſtande geweſen iſt, oder darein noch kommen moͤchte; ſo ſehe man ja zu, daß man mit Paulo ſagen moͤge: CHriſtus iſt mein Leben! Jch lebe, doch nun nicht ich, ſondern CHriſtus lebet in mir. Phil. 1, 21. Gal. 2, 20. 5. Jn den letzten Worten: Als die Ge- zuͤchtigten ꝛc. wird ſonderlich geſehen auf Pſ. 118, 18. da es heißt: Der HErr zuͤchtiget mich wol, aber er giebet mich dem Tode nicht. Da denn zuͤchtigen ſo viel iſt, als ei- nen haͤrter angreifen, oder laſſen angegriffen werden, alſo daß es ſcheinet, es gehet mit einem zum Ende. V. 10. Als die Traurigen, aber allezeit froͤ- Anmerckungen. 1. Von der Traurigkeit der Knechte und Kinder GOttes iſt zu mercken, wenn und wor- uͤber ſie wuͤrcklich traurig ſind; und wenn ſie es nicht ſind, aber doch dafuͤr angeſehen werden. 2. Sie ſind traurig, oder betruͤbt zuvor- derſt alsdenn, wenn ſie aus dem Stande der Gnaden ſich nach ihrem Taufbunde haben geſe- tzet gefunden, und angefangen ihr geiſtliches Elend recht zu erkennen, und nach dem Stande der Gnaden wieder zu trachten. Und weil ſie auch noch in dieſem die Erbſuͤnde zu mancherley Verſuchungen an ſich behalten, und von deroſel- ben Reitzungen und Bewegungen, ob ſie ihnen auch gleich zur voͤlligen Herrſchaft keinen Platz geben, doch manchmal uͤbereilet werden, hinge- gen auch ein groſſes Unvermoͤgen an dieſer und je- ner geiſtlichen Kraft oder geiſtlichen Gabe bey dieſer und jener Gelegenheit in ſich befinden; und gewahr werden, wie es hie und da auch im Gu- ten ſelbſt bey ihnen verſehen ſey: ſo kommen ſie daher in das Gefuͤhle der Armuth am Geiſte, werden daruͤber oft ſehr bekuͤmmert und ſo nie- dergeſchlagen, daß ſie genug zu thun haben ſich mit dem Evangelio wieder aufzurichten, und in GOtt zu ſtaͤrcken; zumal wenn ſie noch nicht ge- nugſam geuͤbet und beveſtiget ſind. Wie denn dieſes eine von den rechten Eigenſchaften der Kinder GOttes iſt, daß ſie ſich uͤber ihre Schwachheits-Suͤnden mehr betruͤben, als die Gottloſen uͤber ihre herrſchende Todt-Suͤnden. 3. Zu dieſer innerlichen und eignen Ur- ſache der Traurigkeit koͤmmt die aͤuſſerliche und fremde, wenn ſie ſo viele Aergerniſſe in der Welt, dadurch der Name GOttes verunehret wird, ſehen, und es ihnen daher gehet, wie dem gerechten Loth in dem heilloſen Sodom: als von welchem Petrus 2 Ep. c. 2, 7. ſchreibet: GOtt hat erloͤſet den gerechten Loth, welchem die ſchaͤndliche Leute alles Leid thaͤten mit ihrem unzuͤchtigen Wandel: denn dieweil er gerecht war, und unter ihnen wohnete, daß ers ſehen und hoͤren muſte, quaͤleten ſie die gerechte Seele von Tage zu Tage mit ihren ungerechten Wercken. Dazu koͤmmt, wenn der Name GOttes und ſeine Wahrheit in ſeinen Knechten und Kindern unter vielem Miß- brauche der heiligen Schrift, und unter dem Vorwand des Eifers fuͤr die reine Lehre verun- ehret und geſchaͤndet wird: auch wenn manche, die den Namen gehabt, daß ſie leben, ja auch wol wuͤrcklich ein geiſtliches Leben in ſich gehabt haben, todt ſind Apoc. 3, 1. oder mit Dema GOtt wieder abſterben, und in die Welt zuruͤck gehen, ſich in alle Eitelkeit der Welt wieder ein- flechten und uͤberwinden laſſen: da ſie denn die Welt ihres entweder gehabten guten Anfangs, oder F f f
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Cap. 6, 9. 10. an die Corinthier.
ſehen, und wuͤſte ſie von ihnen nichts. Und diß
iſt eben einer der erſten und richtigſten Characte-
rum mit von den rechtſchaffen Knechten und Kin-
dern GOttes. Wie ſie denn auch ſelbſt ſolche
rohe und eitle Welt-Menſchen nicht mehr alſo
kennen, daß ſie eines Sinnes mit ihnen waͤren,
mit ihnen vertraulich umgingen, und ſich ihrer
Suͤnden theilhaftig machten. Nein, es iſt eine
groſſe Scheidung zwiſchen ihnen; ob wol dieſe
jenen in Liebe noch immer in ſo ferne zugethan
bleiben, daß ſie ihrer Seelen Beſtes wuͤnſchen,
und nach Gelegenheit zu befoͤrdern ſuchen. Auſ-
ſer dem heißt es hie: Mir iſt die Welt ge-
creutziget, und ich der Welt. Gal. 6, 14.
2. Und doch bekant: zuvorderſt GOtt
und den auserwehlten Engeln: und denn allen
wahren Knechten und Kindern GOttes. Von
denen ein eintziger mit ſeinem wohlgegruͤndeten
Beyfall im Gewichte der Wahrheit alle leichtſin-
nige Cenſoresaufwieget. Ja ſie werden man-
chen Feinden ſelbſt in ihrem Gewiſſen dergeſtalt
nach ihrer Unſchuld bekant, daß von derſelben
offenhertzigen Bekaͤntniß ſie nichts zuruͤcke haͤlt,
als ihre eitle eigne Ehre, daß ſie in ihrem Ver-
fahren nicht wollen gefehlet und unrecht gethan
haben. Und was ſaget die Nachwelt nicht da-
zu? Wie ſiehet man nicht ſchon vorlaͤngſt ein,
wer in dieſer und jener Sache aus feindſeligem
Sinne fuͤr ſchuldig gehalten worden, aber un-
ſchuldig geweſen? Auf welche Art es auch noch
kuͤnftig ergehen wird, ſo lange dieſe Welt ſtehet;
am nachdruͤcklichſten aber an jenem groſſen Tage
des Gerichts.
3. Als die Sterbenden: die faſt taͤglich
in Todes-Gefahr ſtehen, auch wol als ſchon
dem Tode uͤbergebne angeſehen werden: Und
ſiehe! eine verwunderungswuͤrdige Sache,
wir leben, und werden von GOtt wunderba-
rer Weiſe errettet und erhalten. Man ſehe, was
der Apoſtel hievon oben c. 4, 10. 11. auch 1 Cor.
15, 31. bezeuget hat. Hieher gehoͤret auch ſon-
derlich der Ort Ap. Geſch. 14, 19. 20. Sie ſtei-
nigten Paulum, und ſchleifeten ihn zur
Stadt hinaus, und meinten, er waͤre ge-
ſtorben. Da ihn aber die Juͤnger um-
ringeten, ſtund er auf, und ging in die
Stadt ꝛc.
4. Wenn es mit iemanden auch bey der
leiblichen ſchweren Kranckheit dahin koͤmmt, daß
es heißt: als ein Sterbender, aber auch durch
die Huͤlfe GOttes: und ſiehe, ich lebe: oder
man iemals in ſolchem Zuſtande geweſen iſt, oder
darein noch kommen moͤchte; ſo ſehe man ja zu,
daß man mit Paulo ſagen moͤge: CHriſtus iſt
mein Leben! Jch lebe, doch nun nicht ich,
ſondern CHriſtus lebet in mir. Phil. 1, 21.
Gal. 2, 20.
5. Jn den letzten Worten: Als die Ge-
zuͤchtigten ꝛc. wird ſonderlich geſehen auf Pſ.
118, 18. da es heißt: Der HErr zuͤchtiget
mich wol, aber er giebet mich dem Tode
nicht. Da denn zuͤchtigen ſo viel iſt, als ei-
nen haͤrter angreifen, oder laſſen angegriffen
werden, alſo daß es ſcheinet, es gehet mit einem
zum Ende.
V. 10.
Als die Traurigen, aber allezeit froͤ-
lich: als die Armen; aber die doch viel reich
machen: als die nichts inne haben, und
doch alles haben.
Anmerckungen.
1. Von der Traurigkeit der Knechte und
Kinder GOttes iſt zu mercken, wenn und wor-
uͤber ſie wuͤrcklich traurig ſind; und wenn
ſie es nicht ſind, aber doch dafuͤr angeſehen
werden.
2. Sie ſind traurig, oder betruͤbt zuvor-
derſt alsdenn, wenn ſie aus dem Stande der
Gnaden ſich nach ihrem Taufbunde haben geſe-
tzet gefunden, und angefangen ihr geiſtliches
Elend recht zu erkennen, und nach dem Stande
der Gnaden wieder zu trachten. Und weil ſie
auch noch in dieſem die Erbſuͤnde zu mancherley
Verſuchungen an ſich behalten, und von deroſel-
ben Reitzungen und Bewegungen, ob ſie ihnen
auch gleich zur voͤlligen Herrſchaft keinen Platz
geben, doch manchmal uͤbereilet werden, hinge-
gen auch ein groſſes Unvermoͤgen an dieſer und je-
ner geiſtlichen Kraft oder geiſtlichen Gabe bey
dieſer und jener Gelegenheit in ſich befinden; und
gewahr werden, wie es hie und da auch im Gu-
ten ſelbſt bey ihnen verſehen ſey: ſo kommen ſie
daher in das Gefuͤhle der Armuth am Geiſte,
werden daruͤber oft ſehr bekuͤmmert und ſo nie-
dergeſchlagen, daß ſie genug zu thun haben ſich
mit dem Evangelio wieder aufzurichten, und in
GOtt zu ſtaͤrcken; zumal wenn ſie noch nicht ge-
nugſam geuͤbet und beveſtiget ſind. Wie denn
dieſes eine von den rechten Eigenſchaften der
Kinder GOttes iſt, daß ſie ſich uͤber ihre
Schwachheits-Suͤnden mehr betruͤben, als die
Gottloſen uͤber ihre herrſchende Todt-Suͤnden.
3. Zu dieſer innerlichen und eignen Ur-
ſache der Traurigkeit koͤmmt die aͤuſſerliche
und fremde, wenn ſie ſo viele Aergerniſſe in der
Welt, dadurch der Name GOttes verunehret
wird, ſehen, und es ihnen daher gehet, wie dem
gerechten Loth in dem heilloſen Sodom: als von
welchem Petrus 2 Ep. c. 2, 7. ſchreibet: GOtt
hat erloͤſet den gerechten Loth, welchem
die ſchaͤndliche Leute alles Leid thaͤten mit
ihrem unzuͤchtigen Wandel: denn dieweil
er gerecht war, und unter ihnen wohnete,
daß ers ſehen und hoͤren muſte, quaͤleten
ſie die gerechte Seele von Tage zu Tage mit
ihren ungerechten Wercken. Dazu koͤmmt,
wenn der Name GOttes und ſeine Wahrheit in
ſeinen Knechten und Kindern unter vielem Miß-
brauche der heiligen Schrift, und unter dem
Vorwand des Eifers fuͤr die reine Lehre verun-
ehret und geſchaͤndet wird: auch wenn manche,
die den Namen gehabt, daß ſie leben, ja auch
wol wuͤrcklich ein geiſtliches Leben in ſich gehabt
haben, todt ſind Apoc. 3, 1. oder mit Dema
GOtt wieder abſterben, und in die Welt zuruͤck
gehen, ſich in alle Eitelkeit der Welt wieder ein-
flechten und uͤberwinden laſſen: da ſie denn die
Welt ihres entweder gehabten guten Anfangs,
oder
F f f
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