Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.Erklärung des andern Briefs Pauli Cap. 8, 8. 9. [Spaltenumbruch]
welche sie keine rechte und ächte Liebe seyn würde.Und wer könte wohl im geringsten an dem Ge- bot der Gutthätigkeit zweifeln, da das Recht der Natur uns selbst darauf weiset, sonderlich nach dem von unserm Heilande selbst gebrauchten Ausspruche: Alles, was ihr wollet, daß euch die Leute thun sollen, das thut ihr ihnen: das ist das Gesetz und die Prophe- ten Matth. 7, 12. Und da das Gesetz der Na- tur in dem geoffenbarten Gesetze GOttes nach allen Stücken aufgekläret ist, so finden wir dar- innen, ausser dem fünften Gebot, welches sei- nem Nachdruck nach allerdinge hieher gehöret, auch sonst ausdrückliche Gebote von der Frey- gebigkeit gegen die Armen in Mose und in den Propheten, als Deut. 15, 11. Es werden alle- zeit Arme seyn im Lande. Darum gebiete ich dir, und sage, daß du deine Hand auf- thust deinem Bruder etc. Jes. 58, 7. Brich den hungrigen dein Brodt, und die, so im Elende sind, führe ins Haus: so du einen nackend siehest, so kleide ihn, und entzeuch dich nicht von deinem Fleisch etc. Siehe auch Matth. 25, 25. seqq. 1 Joh. 3, 18. Jac. 2, 15. 16. u. s. w. 3. Daß aber Paulus den Corinthiern nicht gebietet, was sie dißfals thun solten, sondern da- von nur eine bewegliche Vorstellung thut, zeiget er theils seine Demuth, theils seinen recht Ev- angelischen Sinn. Die Demuth darinnen, daß sie nicht dencken sollen, er suche einige Herr- schaft über sie und ihr Gewissen. Den Evan- gelischen Sinn darinn, daß er das, was sie zu thun schuldig waren, nicht so wol vermöge eines Gebots und auf eine gesetzliche Art, als aus ei- genem Triebe der freywilligen Liebe gethan wis- sen wolte. 4. Und eben hierinnen lieget ein Character eines rechtschaffnen Lehrers, daß er nemlich da- hin siehet, daß alle Pflichten des Christenthums, wenn sie auch noch so ernstlich geboten sind, auf eine Evangelische Art aus freywilligen Hertzen geleistet werden mögen: imgleichen daß er die Zuhörer dahin bringet, daß sie nichts, nur in Ansehung seiner, weil er es gesaget, thun, son- dern in allen Dingen auf GOtt und ihr Gewis- sen sehen. Denn es findet sich diese Schwach- heit bey vielen Gemüthern, daß sie, wenn sie ei- ne Liebe zu ihren Lehrern haben, bey ihnen an- gesehen seyn wollen, daß sie dieses und jenes, so er gerne siehet, zwar gerne thun, aber den Trieb ihres Thuns nicht so wol von dem Willen GOttes nach ihrem Gewissen, als von dem Willen des Lehrers hernehmen. Darum sie mit Fleiß immer auf GOtt zu führen sind, um desselben Willen aus dem Triebe ihres Ge- wissens nachzuleben. Daraus denn von sich selbst erfolget, daß sie auch dem Verlangen ihres Lehrers ein Genügen thun. V. 9. Denn ihr wisset (aus der von uns gesche- Anmerckungen. 1. Es kan dieser Ort nicht besser erläutert werden, als durch den Ort Phil. 2, 15. seqq. Ein ieglicher sey gesinnet, wie JEsus Chri- stus auch war. Welcher, ob er wol in göttlicher Gestalt war - - äusserte sich selbst, und nahm Knechts-Gestalt an. u. s. w. Denn Paulus stellet an beyden Orten den Stand der Erniedrigung CHristi vor. 2. Und also bestund der Reichthum CHristi eigentlich in der Fülle der göttlichen Herrlichkeit, damit die menschliche Natur also gesalbet war, daß in ihr die gantze Fülle der Gottheit leibhaftig wohnete Col. 1, 19. Die Ar- muth aber darinnen, daß er sich des völligen Gebrauchs derselben begeben hat, von seiner Geburt an bis auf den Stand der Erhöhung; doch also, daß er im Stande der Erniedrigung manche Strahlen seiner Gottheit hat hervor brechen lassen. 3. Und eben hierinnen hat sich eine grosse Weisheit GOttes geoffenbaret, nach welcher der Stand der Erniedrigung die rechte Propor- tion gehabt hat auf die Schwachheit der Men- schen. Denn ein solcher Stand der menschli- chen Natur CHristi, welcher ohne alle Erniedri- gung in lauter Klarheit sich gefunden hätte, der hatte sich zur Erlösung nicht geschickt, es würde auch die gefallene menschliche Natur auf die Art von ihrer falschen Höhe nicht seyn herunter zu bringen gewesen. Wie man denn an den Ju- den siehet, wie viel es ihnen geschadet, daß sie das, was in den Propheten von der an- dern Zukunft CHristi in seiner Herrlichkeit ste- het, von der ersten verstanden haben, und daher bey dem Meßia grosse äusserliche Vorzüge und Hoheit haben wolten. Wäre aber hingegen die Erniedrigung, welche der Apostel hie ein arm werden nennet, so groß gewesen, daß sie dabey keinen Abglantz von der ihm, vermöge der per- sönlichen Vereinigung beyder Naturen, beywoh- nenden göttlichen Majestät von sich gegeben hätte, so würde der Glaube nicht genugsamen Grund ge- habt haben, worauf er sich hätte verlassen sollen. 4. Der geistliche Reichthum, den uns unser Heyland durch seine Erniedrigung oder Armuth zuwege gebracht, bestehet überhaupt in der Wiederaufrichtung des Ebenbildes GOt- tes. Dazu zuvorderst gehöret die Beschenckung mit der verlohrnen und uns erworbnen Gerech- tig-
Erklaͤrung des andern Briefs Pauli Cap. 8, 8. 9. [Spaltenumbruch]
welche ſie keine rechte und aͤchte Liebe ſeyn wuͤrde.Und wer koͤnte wohl im geringſten an dem Ge- bot der Gutthaͤtigkeit zweifeln, da das Recht der Natur uns ſelbſt darauf weiſet, ſonderlich nach dem von unſerm Heilande ſelbſt gebrauchten Ausſpruche: Alles, was ihr wollet, daß euch die Leute thun ſollen, das thut ihr ihnen: das iſt das Geſetz und die Prophe- ten Matth. 7, 12. Und da das Geſetz der Na- tur in dem geoffenbarten Geſetze GOttes nach allen Stuͤcken aufgeklaͤret iſt, ſo finden wir dar- innen, auſſer dem fuͤnften Gebot, welches ſei- nem Nachdruck nach allerdinge hieher gehoͤret, auch ſonſt ausdruͤckliche Gebote von der Frey- gebigkeit gegen die Armen in Moſe und in den Propheten, als Deut. 15, 11. Es werden alle- zeit Arme ſeyn im Lande. Darum gebiete ich dir, und ſage, daß du deine Hand auf- thuſt deinem Bruder ꝛc. Jeſ. 58, 7. Brich den hungrigen dein Brodt, und die, ſo im Elende ſind, fuͤhre ins Haus: ſo du einen nackend ſieheſt, ſo kleide ihn, und entzeuch dich nicht von deinem Fleiſch ꝛc. Siehe auch Matth. 25, 25. ſeqq. 1 Joh. 3, 18. Jac. 2, 15. 16. u. ſ. w. 3. Daß aber Paulus den Corinthiern nicht gebietet, was ſie dißfals thun ſolten, ſondern da- von nur eine bewegliche Vorſtellung thut, zeiget er theils ſeine Demuth, theils ſeinen recht Ev- angeliſchen Sinn. Die Demuth darinnen, daß ſie nicht dencken ſollen, er ſuche einige Herr- ſchaft uͤber ſie und ihr Gewiſſen. Den Evan- geliſchen Sinn darinn, daß er das, was ſie zu thun ſchuldig waren, nicht ſo wol vermoͤge eines Gebots und auf eine geſetzliche Art, als aus ei- genem Triebe der freywilligen Liebe gethan wiſ- ſen wolte. 4. Und eben hierinnen lieget ein Character eines rechtſchaffnen Lehrers, daß er nemlich da- hin ſiehet, daß alle Pflichten des Chriſtenthums, wenn ſie auch noch ſo ernſtlich geboten ſind, auf eine Evangeliſche Art aus freywilligen Hertzen geleiſtet werden moͤgen: imgleichen daß er die Zuhoͤrer dahin bringet, daß ſie nichts, nur in Anſehung ſeiner, weil er es geſaget, thun, ſon- dern in allen Dingen auf GOtt und ihr Gewiſ- ſen ſehen. Denn es findet ſich dieſe Schwach- heit bey vielen Gemuͤthern, daß ſie, wenn ſie ei- ne Liebe zu ihren Lehrern haben, bey ihnen an- geſehen ſeyn wollen, daß ſie dieſes und jenes, ſo er gerne ſiehet, zwar gerne thun, aber den Trieb ihres Thuns nicht ſo wol von dem Willen GOttes nach ihrem Gewiſſen, als von dem Willen des Lehrers hernehmen. Darum ſie mit Fleiß immer auf GOtt zu fuͤhren ſind, um deſſelben Willen aus dem Triebe ihres Ge- wiſſens nachzuleben. Daraus denn von ſich ſelbſt erfolget, daß ſie auch dem Verlangen ihres Lehrers ein Genuͤgen thun. V. 9. Denn ihr wiſſet (aus der von uns geſche- Anmerckungen. 1. Es kan dieſer Ort nicht beſſer erlaͤutert werden, als durch den Ort Phil. 2, 15. ſeqq. Ein ieglicher ſey geſinnet, wie JEſus Chri- ſtus auch war. Welcher, ob er wol in göttlicher Geſtalt war ‒ ‒ aͤuſſerte ſich ſelbſt, und nahm Knechts-Geſtalt an. u. ſ. w. Denn Paulus ſtellet an beyden Orten den Stand der Erniedrigung CHriſti vor. 2. Und alſo beſtund der Reichthum CHriſti eigentlich in der Fuͤlle der goͤttlichen Herrlichkeit, damit die menſchliche Natur alſo geſalbet war, daß in ihr die gantze Fuͤlle der Gottheit leibhaftig wohnete Col. 1, 19. Die Ar- muth aber darinnen, daß er ſich des voͤlligen Gebrauchs derſelben begeben hat, von ſeiner Geburt an bis auf den Stand der Erhoͤhung; doch alſo, daß er im Stande der Erniedrigung manche Strahlen ſeiner Gottheit hat hervor brechen laſſen. 3. Und eben hierinnen hat ſich eine groſſe Weisheit GOttes geoffenbaret, nach welcher der Stand der Erniedrigung die rechte Propor- tion gehabt hat auf die Schwachheit der Men- ſchen. Denn ein ſolcher Stand der menſchli- chen Natur CHriſti, welcher ohne alle Erniedri- gung in lauter Klarheit ſich gefunden haͤtte, der hatte ſich zur Erloͤſung nicht geſchickt, es wuͤrde auch die gefallene menſchliche Natur auf die Art von ihrer falſchen Hoͤhe nicht ſeyn herunter zu bringen geweſen. Wie man denn an den Ju- den ſiehet, wie viel es ihnen geſchadet, daß ſie das, was in den Propheten von der an- dern Zukunft CHriſti in ſeiner Herrlichkeit ſte- het, von der erſten verſtanden haben, und daher bey dem Meßia groſſe aͤuſſerliche Vorzuͤge und Hoheit haben wolten. Waͤre aber hingegen die Erniedrigung, welche der Apoſtel hie ein arm werden nennet, ſo groß geweſen, daß ſie dabey keinen Abglantz von der ihm, vermoͤge der per- ſoͤnlichen Vereinigung beyder Naturen, beywoh- nenden goͤttlichen Majeſtaͤt von ſich gegeben haͤtte, ſo wuͤrde der Glaube nicht genugſamen Grund ge- habt haben, worauf er ſich haͤtte verlaſſen ſollen. 4. Der geiſtliche Reichthum, den uns unſer Heyland durch ſeine Erniedrigung oder Armuth zuwege gebracht, beſtehet uͤberhaupt in der Wiederaufrichtung des Ebenbildes GOt- tes. Dazu zuvorderſt gehoͤret die Beſchenckung mit der verlohrnen und uns erworbnen Gerech- tig-
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Erklaͤrung des andern Briefs Pauli Cap. 8, 8. 9.
welche ſie keine rechte und aͤchte Liebe ſeyn wuͤrde.
Und wer koͤnte wohl im geringſten an dem Ge-
bot der Gutthaͤtigkeit zweifeln, da das Recht
der Natur uns ſelbſt darauf weiſet, ſonderlich
nach dem von unſerm Heilande ſelbſt gebrauchten
Ausſpruche: Alles, was ihr wollet, daß
euch die Leute thun ſollen, das thut ihr
ihnen: das iſt das Geſetz und die Prophe-
ten Matth. 7, 12. Und da das Geſetz der Na-
tur in dem geoffenbarten Geſetze GOttes nach
allen Stuͤcken aufgeklaͤret iſt, ſo finden wir dar-
innen, auſſer dem fuͤnften Gebot, welches ſei-
nem Nachdruck nach allerdinge hieher gehoͤret,
auch ſonſt ausdruͤckliche Gebote von der Frey-
gebigkeit gegen die Armen in Moſe und in den
Propheten, als Deut. 15, 11. Es werden alle-
zeit Arme ſeyn im Lande. Darum gebiete
ich dir, und ſage, daß du deine Hand auf-
thuſt deinem Bruder ꝛc. Jeſ. 58, 7. Brich
den hungrigen dein Brodt, und die, ſo im
Elende ſind, fuͤhre ins Haus: ſo du einen
nackend ſieheſt, ſo kleide ihn, und entzeuch
dich nicht von deinem Fleiſch ꝛc. Siehe auch
Matth. 25, 25. ſeqq. 1 Joh. 3, 18. Jac. 2, 15.
16. u. ſ. w.
3. Daß aber Paulus den Corinthiern nicht
gebietet, was ſie dißfals thun ſolten, ſondern da-
von nur eine bewegliche Vorſtellung thut, zeiget
er theils ſeine Demuth, theils ſeinen recht Ev-
angeliſchen Sinn. Die Demuth darinnen,
daß ſie nicht dencken ſollen, er ſuche einige Herr-
ſchaft uͤber ſie und ihr Gewiſſen. Den Evan-
geliſchen Sinn darinn, daß er das, was ſie zu
thun ſchuldig waren, nicht ſo wol vermoͤge eines
Gebots und auf eine geſetzliche Art, als aus ei-
genem Triebe der freywilligen Liebe gethan wiſ-
ſen wolte.
4. Und eben hierinnen lieget ein Character
eines rechtſchaffnen Lehrers, daß er nemlich da-
hin ſiehet, daß alle Pflichten des Chriſtenthums,
wenn ſie auch noch ſo ernſtlich geboten ſind, auf
eine Evangeliſche Art aus freywilligen Hertzen
geleiſtet werden moͤgen: imgleichen daß er die
Zuhoͤrer dahin bringet, daß ſie nichts, nur in
Anſehung ſeiner, weil er es geſaget, thun, ſon-
dern in allen Dingen auf GOtt und ihr Gewiſ-
ſen ſehen. Denn es findet ſich dieſe Schwach-
heit bey vielen Gemuͤthern, daß ſie, wenn ſie ei-
ne Liebe zu ihren Lehrern haben, bey ihnen an-
geſehen ſeyn wollen, daß ſie dieſes und jenes,
ſo er gerne ſiehet, zwar gerne thun, aber den
Trieb ihres Thuns nicht ſo wol von dem Willen
GOttes nach ihrem Gewiſſen, als von dem
Willen des Lehrers hernehmen. Darum ſie
mit Fleiß immer auf GOtt zu fuͤhren ſind, um
deſſelben Willen aus dem Triebe ihres Ge-
wiſſens nachzuleben. Daraus denn von ſich
ſelbſt erfolget, daß ſie auch dem Verlangen ihres
Lehrers ein Genuͤgen thun.
V. 9.
Denn ihr wiſſet (aus der von uns geſche-
henen muͤndlichen Unterrichtung nach dem
Reichthum eurer Erkaͤntniß v. 7.) die Gnade
unſers HErrn JEſu CHriſti (die er uns er-
wieſen, wie zur Erloͤſung, alſo auch zum Exem-
pel der Nachfolge in der freywilligen und thaͤti-
gen Liebe gegen den Naͤchſten) daß, ob er wol
reich iſt (in goͤttlicher Geſtalt, und in der an-
genommenen menſchlichen Natur alle Fuͤlle der
goͤttlichen Herrlichkeit hatte, vermoͤge der per-
ſoͤnlichen Vereinigung der beyden Naturen)
ward er doch arm (er aͤuſſerte ſich derſelben
Herrlichkeit dem voͤlligen und beſtaͤndigen Ge-
brauche nach) um eurent (und aller Menſchen)
willen, auf daß ihr durch ſeine Armuth
reich wuͤrdet (durch den Stand der Erniedri-
gung, oder durch die darinnen geſchehene Erloͤ-
ſung verſoͤhnet, und als die verſoͤhnte Kinder mit
den Guͤtern des Heils geſegnet, und zu Erben
des ewigen Lebens gemachet wuͤrdet.)
Anmerckungen.
1. Es kan dieſer Ort nicht beſſer erlaͤutert
werden, als durch den Ort Phil. 2, 15. ſeqq.
Ein ieglicher ſey geſinnet, wie JEſus Chri-
ſtus auch war. Welcher, ob er wol in
göttlicher Geſtalt war ‒ ‒ aͤuſſerte ſich
ſelbſt, und nahm Knechts-Geſtalt an.
u. ſ. w. Denn Paulus ſtellet an beyden Orten
den Stand der Erniedrigung CHriſti vor.
2. Und alſo beſtund der Reichthum
CHriſti eigentlich in der Fuͤlle der goͤttlichen
Herrlichkeit, damit die menſchliche Natur alſo
geſalbet war, daß in ihr die gantze Fuͤlle der
Gottheit leibhaftig wohnete Col. 1, 19. Die Ar-
muth aber darinnen, daß er ſich des voͤlligen
Gebrauchs derſelben begeben hat, von ſeiner
Geburt an bis auf den Stand der Erhoͤhung;
doch alſo, daß er im Stande der Erniedrigung
manche Strahlen ſeiner Gottheit hat hervor
brechen laſſen.
3. Und eben hierinnen hat ſich eine groſſe
Weisheit GOttes geoffenbaret, nach welcher
der Stand der Erniedrigung die rechte Propor-
tion gehabt hat auf die Schwachheit der Men-
ſchen. Denn ein ſolcher Stand der menſchli-
chen Natur CHriſti, welcher ohne alle Erniedri-
gung in lauter Klarheit ſich gefunden haͤtte, der
hatte ſich zur Erloͤſung nicht geſchickt, es wuͤrde
auch die gefallene menſchliche Natur auf die Art
von ihrer falſchen Hoͤhe nicht ſeyn herunter zu
bringen geweſen. Wie man denn an den Ju-
den ſiehet, wie viel es ihnen geſchadet, daß
ſie das, was in den Propheten von der an-
dern Zukunft CHriſti in ſeiner Herrlichkeit ſte-
het, von der erſten verſtanden haben, und daher
bey dem Meßia groſſe aͤuſſerliche Vorzuͤge und
Hoheit haben wolten. Waͤre aber hingegen die
Erniedrigung, welche der Apoſtel hie ein arm
werden nennet, ſo groß geweſen, daß ſie dabey
keinen Abglantz von der ihm, vermoͤge der per-
ſoͤnlichen Vereinigung beyder Naturen, beywoh-
nenden goͤttlichen Majeſtaͤt von ſich gegeben haͤtte,
ſo wuͤrde der Glaube nicht genugſamen Grund ge-
habt haben, worauf er ſich haͤtte verlaſſen ſollen.
4. Der geiſtliche Reichthum, den uns
unſer Heyland durch ſeine Erniedrigung oder
Armuth zuwege gebracht, beſtehet uͤberhaupt in
der Wiederaufrichtung des Ebenbildes GOt-
tes. Dazu zuvorderſt gehoͤret die Beſchenckung
mit der verlohrnen und uns erworbnen Gerech-
tig-
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