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Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.

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Erklärung des andern Briefs Pauli Cap. 9, v. 2-6.
[Spaltenumbruch]
V. 2.

Denn ich weiß euren guten Willen,
davon ich rühme bey denen aus Macedo-
nia, und sage: Achaja
(und darinnen Co-
rinthus mit den übrigen Gemeinen) ist (schon)
vor dem Jahre (da ich ihnen meinen ersten
Brief geschrieben habe) bereit gewesen (siehe
c. 8, 10. 11.) und euer Exempel hat viele
(zu einer guten Nachfolge unter den Macedoni-
ern) gereitzet.

V. 3.

Jch habe aber diese Brüder (deren
vorher c. 8, 16. 18. 22. gedacht ist) darum ge-
sandt, daß nicht unser Ruhm von euch zu-
nichte würde in dem Stücke, und daß ihr

(gegen meine Ankunft) bereit seyd, gleichwie
ich
(vorhin schon) gesaget habe.

V. 4.

Auf daß nicht, so die (gedachte Brüder)
aus Macedonia (nicht vorher abgingen, son-
dern erst) mit mir kämen, und euch unbe-
reit fünden, wir, will nicht sagen
(daß wir
nicht sagen) ihr (auf welche es doch am meisten
fallen würde) zuschanden würden mit sol-
chem Rühmen
(en te upostasei tes kaukhe-
seos, in dem vesten Grunde des gegen euch und
von euch bezeugten Vertrauens und Ruhms.)

V. 5.

Jch habe es aber für nöthig angesehen,
die Brüder zu ermahnen, daß sie zuvor
anzögen zu euch, zu verfertigen
(zusammen
zu bringen) diesen zuvor verheissenen (Gr.
vorher angekündigten, nemlich im ersten Briefe
c. 16, 1. 2. oder auch durch Titum versicherten)
Segen, daß er bereit sey, daß es sey ein Se-
gen
(williger und reichlicher Beytrag. Siehe
das Wort in diesem Verstande unter andern
1 Sam. 25, 27.) und nicht ein Geitz (ein so
gezwungener und karger Beytrag, der ein Zei-
chen sey eines Geitzes.)

Anmerckungen.
1. Das Wort Segen schicket sich sehr
wohl zu dieser Sache. Eigentlich wird der Se-
gen von GOtt gesaget, nemlich, daß GOtt die
Menschen segne, das ist, seine Gaben, die geist-
lichen und leiblichen, willig und reichlich mit-
theile. Und also lieget in diesem Worte nicht
allein der Nachdruck der willigen und reich-
lichen
Beysteuer, sondern auch dieses, daß der
Mensch dadurch zum Werckzeug GOttes ge-
brauchet wird, durch welchen GOtt den Dürf-
tigen seinen Segen mittheilet. Wie denn
GOTT zum Zweck der Mittheilung manchen
ein mehrers giebet, als sie selbst nöthig haben,
damit sie sich als seine Mittels-Personen andere
zu segnen sollen gebrauchen lassen. Welches
gewiß eine grosse Würde ist. Dannenhero
wohlhabende Leute darüber, daß sie Gelegen-
heit haben, den Dürftigen gutes zu thun, sich so
wohl freuen, und GOTT dafür dancken sollen,
als diejenigen, welche die Gaben empfangen.
[Spaltenumbruch] Wohl dem, der also andere in der That segnet!
denn der wird gewiß den rechten Segen dafür
reichlich ererben.
2. O wenn doch dieses alle wohlhabende
Leute recht bedächten, daß sie bey ihrem Wohl-
thun es mit lauter Segen zu thun haben. Denn
eines theils haben sie selbst ihren Vorrath, wo er
anders rechtmäßig erworben ist, als einen Se-
gen
von GOTT anzusehen: und andern theils
sollen sie gleichsam die segnende Hand GOt-
tes seyn,
durch welche GOtt wieder andere seg-
net. Und dazu kömmt denn noch dieses, daß sie
dagegen von GOTT noch mehr gesegnet werden
sollen, sonderlich an geistlichen Gütern. Wel-
cher Reicher dieses nicht also bedencket, daß er
sich also im Segnen gegen die Nothleidende er-
finden lasse, der wird gewiß an statt des Segens
den Fluch ererben. Denn es wird ein un-
barmhertzig Gericht ergehen über den, der
nicht Barmhertzigkeit gethan hat.
Jac. 2,
13. Denn da wird der HErr zu ihnen sagen:
Warlich, ich sage euch, was ihr nicht ge-
than habt einem unter diesen Geringsten,
das habt ihr mir auch nicht gethan. Und
sie werden in die ewige Pein gehen.
Matth.
25, 45.
3. Mancher Mensch verräth seinen Geitz
nicht eher, als durch seine vermeinte Freyge-
bigkeit:
wenn man siehet, wie er theils so gar
wenig,
welches gegen sein Vermögen und gegen
der Noth eines andern gar keine Proportion hat;
theils so gar unwillig, und gemeiniglich nur
des guten Namens willen, um nicht für geitzig
oder hart angesehen zu werden, giebet. Wel-
ches denn ein rechter Geitz ist; wie es Paulus
alhier nennet. Wer aber seiner Unbarmher-
tzigkeit wegen sich nicht einmal mehr vor Men-
schen schämet, der hat die menschliche Natur
selbst gleichsam schon ausgezogen, und fühlet
auch das fast nicht mehr in sich, was doch die
unvernünftigen Thiere gegen einander empfin-
den, wie man aus gewissen Merckmalen abneh-
men kan.
V. 6.

Jch meine aber das, wer da kärglich
säet, der wird auch kärglich erndten; und
wer da säet im Segen
(reichlich, doch nach
dem Vermögen, nach welchem auch ein weni-
ges viel, und hingegen ein mehrers nur ein weni-
ges seyn kan) der wird auch erndten im Se-
gen.

Anmerckungen.

1. Die Verheissung von der Wiederver-
geltung und diese selbst ist ein Zeichen der gar
grossen Liebe GOTTes gegen uns, und wie er
darinnen auch unserer Schwachheit zu Hülfe
komme. Denn wir sind von uns selbst schon
schuldig gutes zu thun, ohne die geringste Ab-
sicht auf die Belohnung zu haben; und sollen
froh seyn, wenn uns GOtt zu Werckzeugen ge-
brauchet von seiner milden Segens-Hand; zu-
mal wenn wir erwegen, daß GOTT zu dem
Ende uns ein mehrers zufliessen lassen, und wir

nichts
Erklaͤrung des andern Briefs Pauli Cap. 9, v. 2-6.
[Spaltenumbruch]
V. 2.

Denn ich weiß euren guten Willen,
davon ich ruͤhme bey denen aus Macedo-
nia, und ſage: Achaja
(und darinnen Co-
rinthus mit den uͤbrigen Gemeinen) iſt (ſchon)
vor dem Jahre (da ich ihnen meinen erſten
Brief geſchrieben habe) bereit geweſen (ſiehe
c. 8, 10. 11.) und euer Exempel hat viele
(zu einer guten Nachfolge unter den Macedoni-
ern) gereitzet.

V. 3.

Jch habe aber dieſe Bruͤder (deren
vorher c. 8, 16. 18. 22. gedacht iſt) darum ge-
ſandt, daß nicht unſer Ruhm von euch zu-
nichte wuͤrde in dem Stuͤcke, und daß ihr

(gegen meine Ankunft) bereit ſeyd, gleichwie
ich
(vorhin ſchon) geſaget habe.

V. 4.

Auf daß nicht, ſo die (gedachte Bruͤder)
aus Macedonia (nicht vorher abgingen, ſon-
dern erſt) mit mir kaͤmen, und euch unbe-
reit fuͤnden, wir, will nicht ſagen
(daß wir
nicht ſagen) ihr (auf welche es doch am meiſten
fallen wuͤrde) zuſchanden wuͤrden mit ſol-
chem Ruͤhmen
(ἐν τῇ ὑποϛάσει τῆς καυχή-
σεως, in dem veſten Grunde des gegen euch und
von euch bezeugten Vertrauens und Ruhms.)

V. 5.

Jch habe es aber fuͤr noͤthig angeſehen,
die Bruͤder zu ermahnen, daß ſie zuvor
anzoͤgen zu euch, zu verfertigen
(zuſammen
zu bringen) dieſen zuvor verheiſſenen (Gr.
vorher angekuͤndigten, nemlich im erſten Briefe
c. 16, 1. 2. oder auch durch Titum verſicherten)
Segen, daß er bereit ſey, daß es ſey ein Se-
gen
(williger und reichlicher Beytrag. Siehe
das Wort in dieſem Verſtande unter andern
1 Sam. 25, 27.) und nicht ein Geitz (ein ſo
gezwungener und karger Beytrag, der ein Zei-
chen ſey eines Geitzes.)

Anmerckungen.
1. Das Wort Segen ſchicket ſich ſehr
wohl zu dieſer Sache. Eigentlich wird der Se-
gen von GOtt geſaget, nemlich, daß GOtt die
Menſchen ſegne, das iſt, ſeine Gaben, die geiſt-
lichen und leiblichen, willig und reichlich mit-
theile. Und alſo lieget in dieſem Worte nicht
allein der Nachdruck der willigen und reich-
lichen
Beyſteuer, ſondern auch dieſes, daß der
Menſch dadurch zum Werckzeug GOttes ge-
brauchet wird, durch welchen GOtt den Duͤrf-
tigen ſeinen Segen mittheilet. Wie denn
GOTT zum Zweck der Mittheilung manchen
ein mehrers giebet, als ſie ſelbſt noͤthig haben,
damit ſie ſich als ſeine Mittels-Perſonen andere
zu ſegnen ſollen gebrauchen laſſen. Welches
gewiß eine groſſe Wuͤrde iſt. Dannenhero
wohlhabende Leute daruͤber, daß ſie Gelegen-
heit haben, den Duͤrftigen gutes zu thun, ſich ſo
wohl freuen, und GOTT dafuͤr dancken ſollen,
als diejenigen, welche die Gaben empfangen.
[Spaltenumbruch] Wohl dem, der alſo andere in der That ſegnet!
denn der wird gewiß den rechten Segen dafuͤr
reichlich ererben.
2. O wenn doch dieſes alle wohlhabende
Leute recht bedaͤchten, daß ſie bey ihrem Wohl-
thun es mit lauter Segen zu thun haben. Denn
eines theils haben ſie ſelbſt ihren Vorrath, wo er
anders rechtmaͤßig erworben iſt, als einen Se-
gen
von GOTT anzuſehen: und andern theils
ſollen ſie gleichſam die ſegnende Hand GOt-
tes ſeyn,
durch welche GOtt wieder andere ſeg-
net. Und dazu koͤmmt denn noch dieſes, daß ſie
dagegen von GOTT noch mehr geſegnet werden
ſollen, ſonderlich an geiſtlichen Guͤtern. Wel-
cher Reicher dieſes nicht alſo bedencket, daß er
ſich alſo im Segnen gegen die Nothleidende er-
finden laſſe, der wird gewiß an ſtatt des Segens
den Fluch ererben. Denn es wird ein un-
barmhertzig Gericht ergehen uͤber den, der
nicht Barmhertzigkeit gethan hat.
Jac. 2,
13. Denn da wird der HErr zu ihnen ſagen:
Warlich, ich ſage euch, was ihr nicht ge-
than habt einem unter dieſen Geringſten,
das habt ihr mir auch nicht gethan. Und
ſie werden in die ewige Pein gehen.
Matth.
25, 45.
3. Mancher Menſch verraͤth ſeinen Geitz
nicht eher, als durch ſeine vermeinte Freyge-
bigkeit:
wenn man ſiehet, wie er theils ſo gar
wenig,
welches gegen ſein Vermoͤgen und gegen
der Noth eines andern gar keine Proportion hat;
theils ſo gar unwillig, und gemeiniglich nur
des guten Namens willen, um nicht fuͤr geitzig
oder hart angeſehen zu werden, giebet. Wel-
ches denn ein rechter Geitz iſt; wie es Paulus
alhier nennet. Wer aber ſeiner Unbarmher-
tzigkeit wegen ſich nicht einmal mehr vor Men-
ſchen ſchaͤmet, der hat die menſchliche Natur
ſelbſt gleichſam ſchon ausgezogen, und fuͤhlet
auch das faſt nicht mehr in ſich, was doch die
unvernuͤnftigen Thiere gegen einander empfin-
den, wie man aus gewiſſen Merckmalen abneh-
men kan.
V. 6.

Jch meine aber das, wer da kaͤrglich
ſaͤet, der wird auch kaͤrglich erndten; und
wer da ſaͤet im Segen
(reichlich, doch nach
dem Vermoͤgen, nach welchem auch ein weni-
ges viel, und hingegen ein mehrers nur ein weni-
ges ſeyn kan) der wird auch erndten im Se-
gen.

Anmerckungen.

1. Die Verheiſſung von der Wiederver-
geltung und dieſe ſelbſt iſt ein Zeichen der gar
groſſen Liebe GOTTes gegen uns, und wie er
darinnen auch unſerer Schwachheit zu Huͤlfe
komme. Denn wir ſind von uns ſelbſt ſchon
ſchuldig gutes zu thun, ohne die geringſte Ab-
ſicht auf die Belohnung zu haben; und ſollen
froh ſeyn, wenn uns GOtt zu Werckzeugen ge-
brauchet von ſeiner milden Segens-Hand; zu-
mal wenn wir erwegen, daß GOTT zu dem
Ende uns ein mehrers zuflieſſen laſſen, und wir

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[430/0458] Erklaͤrung des andern Briefs Pauli Cap. 9, v. 2-6. V. 2. Denn ich weiß euren guten Willen, davon ich ruͤhme bey denen aus Macedo- nia, und ſage: Achaja (und darinnen Co- rinthus mit den uͤbrigen Gemeinen) iſt (ſchon) vor dem Jahre (da ich ihnen meinen erſten Brief geſchrieben habe) bereit geweſen (ſiehe c. 8, 10. 11.) und euer Exempel hat viele (zu einer guten Nachfolge unter den Macedoni- ern) gereitzet. V. 3. Jch habe aber dieſe Bruͤder (deren vorher c. 8, 16. 18. 22. gedacht iſt) darum ge- ſandt, daß nicht unſer Ruhm von euch zu- nichte wuͤrde in dem Stuͤcke, und daß ihr (gegen meine Ankunft) bereit ſeyd, gleichwie ich (vorhin ſchon) geſaget habe. V. 4. Auf daß nicht, ſo die (gedachte Bruͤder) aus Macedonia (nicht vorher abgingen, ſon- dern erſt) mit mir kaͤmen, und euch unbe- reit fuͤnden, wir, will nicht ſagen (daß wir nicht ſagen) ihr (auf welche es doch am meiſten fallen wuͤrde) zuſchanden wuͤrden mit ſol- chem Ruͤhmen (ἐν τῇ ὑποϛάσει τῆς καυχή- σεως, in dem veſten Grunde des gegen euch und von euch bezeugten Vertrauens und Ruhms.) V. 5. Jch habe es aber fuͤr noͤthig angeſehen, die Bruͤder zu ermahnen, daß ſie zuvor anzoͤgen zu euch, zu verfertigen (zuſammen zu bringen) dieſen zuvor verheiſſenen (Gr. vorher angekuͤndigten, nemlich im erſten Briefe c. 16, 1. 2. oder auch durch Titum verſicherten) Segen, daß er bereit ſey, daß es ſey ein Se- gen (williger und reichlicher Beytrag. Siehe das Wort in dieſem Verſtande unter andern 1 Sam. 25, 27.) und nicht ein Geitz (ein ſo gezwungener und karger Beytrag, der ein Zei- chen ſey eines Geitzes.) Anmerckungen. 1. Das Wort Segen ſchicket ſich ſehr wohl zu dieſer Sache. Eigentlich wird der Se- gen von GOtt geſaget, nemlich, daß GOtt die Menſchen ſegne, das iſt, ſeine Gaben, die geiſt- lichen und leiblichen, willig und reichlich mit- theile. Und alſo lieget in dieſem Worte nicht allein der Nachdruck der willigen und reich- lichen Beyſteuer, ſondern auch dieſes, daß der Menſch dadurch zum Werckzeug GOttes ge- brauchet wird, durch welchen GOtt den Duͤrf- tigen ſeinen Segen mittheilet. Wie denn GOTT zum Zweck der Mittheilung manchen ein mehrers giebet, als ſie ſelbſt noͤthig haben, damit ſie ſich als ſeine Mittels-Perſonen andere zu ſegnen ſollen gebrauchen laſſen. Welches gewiß eine groſſe Wuͤrde iſt. Dannenhero wohlhabende Leute daruͤber, daß ſie Gelegen- heit haben, den Duͤrftigen gutes zu thun, ſich ſo wohl freuen, und GOTT dafuͤr dancken ſollen, als diejenigen, welche die Gaben empfangen. Wohl dem, der alſo andere in der That ſegnet! denn der wird gewiß den rechten Segen dafuͤr reichlich ererben. 2. O wenn doch dieſes alle wohlhabende Leute recht bedaͤchten, daß ſie bey ihrem Wohl- thun es mit lauter Segen zu thun haben. Denn eines theils haben ſie ſelbſt ihren Vorrath, wo er anders rechtmaͤßig erworben iſt, als einen Se- gen von GOTT anzuſehen: und andern theils ſollen ſie gleichſam die ſegnende Hand GOt- tes ſeyn, durch welche GOtt wieder andere ſeg- net. Und dazu koͤmmt denn noch dieſes, daß ſie dagegen von GOTT noch mehr geſegnet werden ſollen, ſonderlich an geiſtlichen Guͤtern. Wel- cher Reicher dieſes nicht alſo bedencket, daß er ſich alſo im Segnen gegen die Nothleidende er- finden laſſe, der wird gewiß an ſtatt des Segens den Fluch ererben. Denn es wird ein un- barmhertzig Gericht ergehen uͤber den, der nicht Barmhertzigkeit gethan hat. Jac. 2, 13. Denn da wird der HErr zu ihnen ſagen: Warlich, ich ſage euch, was ihr nicht ge- than habt einem unter dieſen Geringſten, das habt ihr mir auch nicht gethan. Und ſie werden in die ewige Pein gehen. Matth. 25, 45. 3. Mancher Menſch verraͤth ſeinen Geitz nicht eher, als durch ſeine vermeinte Freyge- bigkeit: wenn man ſiehet, wie er theils ſo gar wenig, welches gegen ſein Vermoͤgen und gegen der Noth eines andern gar keine Proportion hat; theils ſo gar unwillig, und gemeiniglich nur des guten Namens willen, um nicht fuͤr geitzig oder hart angeſehen zu werden, giebet. Wel- ches denn ein rechter Geitz iſt; wie es Paulus alhier nennet. Wer aber ſeiner Unbarmher- tzigkeit wegen ſich nicht einmal mehr vor Men- ſchen ſchaͤmet, der hat die menſchliche Natur ſelbſt gleichſam ſchon ausgezogen, und fuͤhlet auch das faſt nicht mehr in ſich, was doch die unvernuͤnftigen Thiere gegen einander empfin- den, wie man aus gewiſſen Merckmalen abneh- men kan. V. 6. Jch meine aber das, wer da kaͤrglich ſaͤet, der wird auch kaͤrglich erndten; und wer da ſaͤet im Segen (reichlich, doch nach dem Vermoͤgen, nach welchem auch ein weni- ges viel, und hingegen ein mehrers nur ein weni- ges ſeyn kan) der wird auch erndten im Se- gen. Anmerckungen. 1. Die Verheiſſung von der Wiederver- geltung und dieſe ſelbſt iſt ein Zeichen der gar groſſen Liebe GOTTes gegen uns, und wie er darinnen auch unſerer Schwachheit zu Huͤlfe komme. Denn wir ſind von uns ſelbſt ſchon ſchuldig gutes zu thun, ohne die geringſte Ab- ſicht auf die Belohnung zu haben; und ſollen froh ſeyn, wenn uns GOtt zu Werckzeugen ge- brauchet von ſeiner milden Segens-Hand; zu- mal wenn wir erwegen, daß GOTT zu dem Ende uns ein mehrers zuflieſſen laſſen, und wir nichts

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729, S. 430. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht01_1729/458>, abgerufen am 16.07.2024.