Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.

Bild:
<< vorherige Seite
Erklärung des Briefs Pauli Cap. 3, v. 23. 24.
[Spaltenumbruch] nem so reichen und weiten Verstande, daß da-
mit CHristus selbst und alle Glaubens-Lehren
und Glaubens-Geheimnisse nebst dem actu des
Glaubens selbst bezeichnet werden: sintemal
darunter eine solche genaue Verknüpfung ist,
daß eines ohne das übrige nicht seyn kan.
2. Wie die Alten, so unter dem Gesetz
verschlossen behalten worden auf den Glauben,
nach dieser Oeconomie sich gesehnet haben, sehe
man bezeuget von dem glaubigen Abraham Joh.
8, 56. auch von vielen Königen und Propheten
Luc. 10, 24. und von allen Gläubigen, sonder-
lich Patriarchen Hebr. 11, 13. seqq. 39. 40.
3. Ob nun gleich diese neue Oeconomie
vorlängst angegangen ist, so stehen doch alle un-
bekehrte Menschen, auch unter den Christen,
noch unter dem Gesetz und unter dessen Fluche,
so lange bis sie sich in der Ordnung wahrer Be-
kehrung zum Glauben und im Glauben zu Chri-
sto bringen lassen, und also von ihm und in ihm
des Segens theilhaftig werden.
4. Jm übrigen dienet nicht wenig zur Er-
läuterung dieses Orts, was Paulus Rom. 16,
25. 26. bezeuget, da er die Ankunft des Glau-
bens nennet die Predigt von CHristo, durch
welche das Geheimniß offenbaret worden,
so von der Welt her verschwiegen gewe-
sen, nun aber kund gemacht durch der
Propheten Schrift aus Befehl des ewi-
gen GOttes, den Gehorsam des Glaubens
aufzurichten unter allen Heiden.
Da wir
sehen, wie daß die Glaubens-Lehren, und Glau-
bens-Geheimnisse einen Gehorsam des Glau-
bens
erfodern.
V. 24.

Also (nach solcher vorigen Beschaffenheit,
da wir unter der Sünde und unter dem uns des-
wegen verdammenden Gesetze bey wenigerm
Masse des Glaubens auf des Glaubens rechte
ausgewickelte und völlige Oeeonomie verwahret
und verschlossen gehalten worden,) ist das
Gesetz
(mit seinem befehlen und treiben) un-
ser Zuchtmeister gewesen,
(uns in der äus-
serlichen Zucht und guten Ordnung zu halten,)
auf CHristum, (bis auf gedachte neue durch
CHristum aufgerichtete Oeconomie,) daß wir
(so denn bey mehrerm Lichte des Evangelii,)
durch den Glauben gerecht würden.

Anmerckungen.
1. Ein solcher Zuchtmeister, der alhier
Paedagogus heißt, und eigentlich einen Anfüh-
rer unmündiger Kinder
bedeutet, hat es ei-
gentlich mit unerwachsenen jungen Kindern zu
thun, und sein Amt bestehet theils in der Ab-
haltung vom Bösen, theils in der Anhaltung
zum Guten, so viel ihr Alter fassen kan. Da
er sich denn bey ihnen ihres kindischen Muth-
willens halber eines theils mehrer Schärfe ge-
brauchet, als bey Erwachsenen nöthig ist: an-
dern theils aber auch ihnen mehr einräumet,
oder zu gute hält, als man jenen thut.
2. Die Gläubigen des Alten Testaments
waren den unmündigen und noch kleinern Kin-
dern gleich. Denn ob gleich unter ihnen eini-
[Spaltenumbruch] ge grosse Glaubens-Helden waren; so ist doch
von denen eigentlich die Rede nicht, sondern
von der ordentlichen Beschaffenheit der Gläu-
bigen: als bey welchen sich am Verstande noch
viele Unwissenheit in den Geheimnissen GOttes,
am Willen aber noch viel ungebrochenes wildes
Wesen befunde. Wie denn durch Kinder,
welche dieser Leute ihren Zustand vorstellen, nicht
eben solche verstanden werden, welche noch in
mehrer Unschuld ihres ersten Alters stehen, als
welche auch den Paedagogis noch nicht unterge-
ben sind, sondern solche, bey welchen mit den
Jahren der eigene Wille in mehrern Ausbrü-
chen sich reget, und die eines Zuchtmeisters zu
einer genauen, und nach Befinden oft etwas
schärfern Aufsicht bedürfen, und dadurch in den
Schrancken gehalten werden müssen, bis sie
zu rechten Jahren kommen. Also waren die
Gläubigen des Alten Testaments, dem ordent-
lichen Zustande nach, beschaffen, ausser denen,
welche zu einem besondern Masse des Glaubens
gelanget, oder auch andern theils von solcher
Beschaffenheit waren, als solche Kinder, die
gar aus der Art schlagen, und gleichsam alle
Bande der Zucht zerreissen und von sich wer-
fen.
3. Das Gesetz, welches die Zuchtmei-
sterschaft
geführet, ist überhaupt das gantze
Gesetz,
in seiner gantzen Oeconomie, nicht al-
lein das Ceremonial-sondern auch das Moral-
Gesetze, ja das Civil-Gesetze selbst, als welches
eigentlich nur auf das Jüdische Volck ging,
und mit der Jüdischen Kirche und Republic,
welche zu und theils gleich nach den Zeiten
CHristi ihre Endschaft erreichet hat, aufhören
solte.
4. Ob nun wol die gläubigen Jsraeliten
nicht ohne Glauben waren, sintemal sie sonst
auch nicht glaubig genennet werden könten; so
hatten sie doch das Evangelium von CHristo
nur noch erst in Verheissungen, und dunckeler
Erkäntniß, und wurden dabey unter der schar-
fen Zucht des vielfachen Gesetzes in ihren
Schrancken gehalten.
5. Es solte die Zuchtmeisterschaft nicht im-
mer währen, sondern zur rechten Zeit aufhören:
wie denn auch die Paedagogie bey Kindern nur
auf die Zeit ihrer Minderjährigkeit gehet. Durch
CHristum aber und unter ihm geschiehet dem
Gesetze so viel weniger Abbruch, so viel gewis-
ser und heilsamer es durch ihn erfüllet ist, und
so viel reichlicher CHristus seine Glieder durch
seinen Geist salbet, und sie dadurch wie willig,
also auch tüchtig und treue machet, ihm, dem
Gesetzgeber zu dienen, und also nach dem Ge-
setze selbst einher zu gehen.
6. Ob gleich die Oeconomie des Evange-
lii mit CHristo vorlängst eingetreten ist: so ist
doch noch ietzo und allezeit das Gesetz der Zucht-
meister auf CHristum, in dem Verstande, daß
der Mensch CHristum nicht recht hoch und werth
achtet, noch die gläubige Zuflucht zu ihm nimt,
es sey denn, daß er die Zucht des Gesetzes zur
Erkäntniß seiner Sünden vorher recht gefühlet
habe.
7. Wer
Erklaͤrung des Briefs Pauli Cap. 3, v. 23. 24.
[Spaltenumbruch] nem ſo reichen und weiten Verſtande, daß da-
mit CHriſtus ſelbſt und alle Glaubens-Lehren
und Glaubens-Geheimniſſe nebſt dem actu des
Glaubens ſelbſt bezeichnet werden: ſintemal
darunter eine ſolche genaue Verknuͤpfung iſt,
daß eines ohne das uͤbrige nicht ſeyn kan.
2. Wie die Alten, ſo unter dem Geſetz
verſchloſſen behalten worden auf den Glauben,
nach dieſer Oeconomie ſich geſehnet haben, ſehe
man bezeuget von dem glaubigen Abraham Joh.
8, 56. auch von vielen Koͤnigen und Propheten
Luc. 10, 24. und von allen Glaͤubigen, ſonder-
lich Patriarchen Hebr. 11, 13. ſeqq. 39. 40.
3. Ob nun gleich dieſe neue Oeconomie
vorlaͤngſt angegangen iſt, ſo ſtehen doch alle un-
bekehrte Menſchen, auch unter den Chriſten,
noch unter dem Geſetz und unter deſſen Fluche,
ſo lange bis ſie ſich in der Ordnung wahrer Be-
kehrung zum Glauben und im Glauben zu Chri-
ſto bringen laſſen, und alſo von ihm und in ihm
des Segens theilhaftig werden.
4. Jm uͤbrigen dienet nicht wenig zur Er-
laͤuterung dieſes Orts, was Paulus Rom. 16,
25. 26. bezeuget, da er die Ankunft des Glau-
bens nennet die Predigt von CHriſto, durch
welche das Geheimniß offenbaret worden,
ſo von der Welt her verſchwiegen gewe-
ſen, nun aber kund gemacht durch der
Propheten Schrift aus Befehl des ewi-
gen GOttes, den Gehorſam des Glaubens
aufzurichten unter allen Heiden.
Da wir
ſehen, wie daß die Glaubens-Lehren, und Glau-
bens-Geheimniſſe einen Gehorſam des Glau-
bens
erfodern.
V. 24.

Alſo (nach ſolcher vorigen Beſchaffenheit,
da wir unter der Suͤnde und unter dem uns des-
wegen verdammenden Geſetze bey wenigerm
Maſſe des Glaubens auf des Glaubens rechte
ausgewickelte und voͤllige Oeeonomie verwahret
und verſchloſſen gehalten worden,) iſt das
Geſetz
(mit ſeinem befehlen und treiben) un-
ſer Zuchtmeiſter geweſen,
(uns in der aͤuſ-
ſerlichen Zucht und guten Ordnung zu halten,)
auf CHriſtum, (bis auf gedachte neue durch
CHriſtum aufgerichtete Oeconomie,) daß wir
(ſo denn bey mehrerm Lichte des Evangelii,)
durch den Glauben gerecht wuͤrden.

Anmerckungen.
1. Ein ſolcher Zuchtmeiſter, der alhier
Pædagogus heißt, und eigentlich einen Anfuͤh-
rer unmuͤndiger Kinder
bedeutet, hat es ei-
gentlich mit unerwachſenen jungen Kindern zu
thun, und ſein Amt beſtehet theils in der Ab-
haltung vom Boͤſen, theils in der Anhaltung
zum Guten, ſo viel ihr Alter faſſen kan. Da
er ſich denn bey ihnen ihres kindiſchen Muth-
willens halber eines theils mehrer Schaͤrfe ge-
brauchet, als bey Erwachſenen noͤthig iſt: an-
dern theils aber auch ihnen mehr einraͤumet,
oder zu gute haͤlt, als man jenen thut.
2. Die Glaͤubigen des Alten Teſtaments
waren den unmuͤndigen und noch kleinern Kin-
dern gleich. Denn ob gleich unter ihnen eini-
[Spaltenumbruch] ge groſſe Glaubens-Helden waren; ſo iſt doch
von denen eigentlich die Rede nicht, ſondern
von der ordentlichen Beſchaffenheit der Glaͤu-
bigen: als bey welchen ſich am Verſtande noch
viele Unwiſſenheit in den Geheimniſſen GOttes,
am Willen aber noch viel ungebrochenes wildes
Weſen befunde. Wie denn durch Kinder,
welche dieſer Leute ihren Zuſtand vorſtellen, nicht
eben ſolche verſtanden werden, welche noch in
mehrer Unſchuld ihres erſten Alters ſtehen, als
welche auch den Pædagogis noch nicht unterge-
ben ſind, ſondern ſolche, bey welchen mit den
Jahren der eigene Wille in mehrern Ausbruͤ-
chen ſich reget, und die eines Zuchtmeiſters zu
einer genauen, und nach Befinden oft etwas
ſchaͤrfern Aufſicht beduͤrfen, und dadurch in den
Schrancken gehalten werden muͤſſen, bis ſie
zu rechten Jahren kommen. Alſo waren die
Glaͤubigen des Alten Teſtaments, dem ordent-
lichen Zuſtande nach, beſchaffen, auſſer denen,
welche zu einem beſondern Maſſe des Glaubens
gelanget, oder auch andern theils von ſolcher
Beſchaffenheit waren, als ſolche Kinder, die
gar aus der Art ſchlagen, und gleichſam alle
Bande der Zucht zerreiſſen und von ſich wer-
fen.
3. Das Geſetz, welches die Zuchtmei-
ſterſchaft
gefuͤhret, iſt uͤberhaupt das gantze
Geſetz,
in ſeiner gantzen Oeconomie, nicht al-
lein das Ceremonial-ſondern auch das Moral-
Geſetze, ja das Civil-Geſetze ſelbſt, als welches
eigentlich nur auf das Juͤdiſche Volck ging,
und mit der Juͤdiſchen Kirche und Republic,
welche zu und theils gleich nach den Zeiten
CHriſti ihre Endſchaft erreichet hat, aufhoͤren
ſolte.
4. Ob nun wol die glaͤubigen Jſraeliten
nicht ohne Glauben waren, ſintemal ſie ſonſt
auch nicht glaubig genennet werden koͤnten; ſo
hatten ſie doch das Evangelium von CHriſto
nur noch erſt in Verheiſſungen, und dunckeler
Erkaͤntniß, und wurden dabey unter der ſchar-
fen Zucht des vielfachen Geſetzes in ihren
Schrancken gehalten.
5. Es ſolte die Zuchtmeiſterſchaft nicht im-
mer waͤhren, ſondern zur rechten Zeit aufhoͤren:
wie denn auch die Pædagogie bey Kindern nur
auf die Zeit ihrer Minderjaͤhrigkeit gehet. Durch
CHriſtum aber und unter ihm geſchiehet dem
Geſetze ſo viel weniger Abbruch, ſo viel gewiſ-
ſer und heilſamer es durch ihn erfuͤllet iſt, und
ſo viel reichlicher CHriſtus ſeine Glieder durch
ſeinen Geiſt ſalbet, und ſie dadurch wie willig,
alſo auch tuͤchtig und treue machet, ihm, dem
Geſetzgeber zu dienen, und alſo nach dem Ge-
ſetze ſelbſt einher zu gehen.
6. Ob gleich die Oeconomie des Evange-
lii mit CHriſto vorlaͤngſt eingetreten iſt: ſo iſt
doch noch ietzo und allezeit das Geſetz der Zucht-
meiſter auf CHriſtum, in dem Verſtande, daß
der Menſch CHriſtum nicht recht hoch und werth
achtet, noch die glaͤubige Zuflucht zu ihm nimt,
es ſey denn, daß er die Zucht des Geſetzes zur
Erkaͤntniß ſeiner Suͤnden vorher recht gefuͤhlet
habe.
7. Wer
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <list>
                <item><pb facs="#f0550" n="522"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Erkla&#x0364;rung des Briefs Pauli <hi rendition="#et">Cap. 3, v. 23. 24.</hi></hi></fw><lb/><cb/>
nem &#x017F;o reichen und weiten Ver&#x017F;tande, daß da-<lb/>
mit CHri&#x017F;tus &#x017F;elb&#x017F;t und alle Glaubens-Lehren<lb/>
und Glaubens-Geheimni&#x017F;&#x017F;e neb&#x017F;t dem <hi rendition="#aq">actu</hi> des<lb/>
Glaubens &#x017F;elb&#x017F;t bezeichnet werden: &#x017F;intemal<lb/>
darunter eine &#x017F;olche genaue Verknu&#x0364;pfung i&#x017F;t,<lb/>
daß eines ohne das u&#x0364;brige nicht &#x017F;eyn kan.</item><lb/>
                <item>2. Wie die Alten, &#x017F;o unter dem Ge&#x017F;etz<lb/>
ver&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en behalten worden auf den Glauben,<lb/>
nach die&#x017F;er <hi rendition="#aq">Oeconomi</hi>e &#x017F;ich ge&#x017F;ehnet haben, &#x017F;ehe<lb/>
man bezeuget von dem glaubigen Abraham Joh.<lb/>
8, 56. auch von vielen Ko&#x0364;nigen und Propheten<lb/>
Luc. 10, 24. und von allen Gla&#x0364;ubigen, &#x017F;onder-<lb/>
lich Patriarchen Hebr. 11, 13. <hi rendition="#aq">&#x017F;eqq.</hi> 39. 40.</item><lb/>
                <item>3. Ob nun gleich die&#x017F;e neue <hi rendition="#aq">Oeconomi</hi>e<lb/>
vorla&#x0364;ng&#x017F;t angegangen i&#x017F;t, &#x017F;o &#x017F;tehen doch alle un-<lb/>
bekehrte Men&#x017F;chen, auch unter den Chri&#x017F;ten,<lb/>
noch unter dem Ge&#x017F;etz und unter de&#x017F;&#x017F;en Fluche,<lb/>
&#x017F;o lange bis &#x017F;ie &#x017F;ich in der Ordnung wahrer Be-<lb/>
kehrung zum Glauben und im Glauben zu Chri-<lb/>
&#x017F;to bringen la&#x017F;&#x017F;en, und al&#x017F;o von ihm und in ihm<lb/>
des Segens theilhaftig werden.</item><lb/>
                <item>4. Jm u&#x0364;brigen dienet nicht wenig zur Er-<lb/>
la&#x0364;uterung die&#x017F;es Orts, was Paulus Rom. 16,<lb/>
25. 26. bezeuget, da er die Ankunft des Glau-<lb/>
bens nennet die Predigt von CHri&#x017F;to, <hi rendition="#fr">durch<lb/>
welche das Geheimniß offenbaret worden,<lb/>
&#x017F;o von der Welt her ver&#x017F;chwiegen gewe-<lb/>
&#x017F;en, nun aber kund gemacht durch der<lb/>
Propheten Schrift aus Befehl des ewi-<lb/>
gen GOttes, den Gehor&#x017F;am des Glaubens<lb/>
aufzurichten unter allen Heiden.</hi> Da wir<lb/>
&#x017F;ehen, wie daß die Glaubens-Lehren, und Glau-<lb/>
bens-Geheimni&#x017F;&#x017F;e einen <hi rendition="#fr">Gehor&#x017F;am des Glau-<lb/>
bens</hi> erfodern.</item>
              </list>
            </div>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>V. 24.</head><lb/>
            <p><hi rendition="#fr">Al&#x017F;o</hi> (nach &#x017F;olcher vorigen Be&#x017F;chaffenheit,<lb/>
da wir unter der Su&#x0364;nde und unter dem uns des-<lb/>
wegen verdammenden Ge&#x017F;etze bey wenigerm<lb/>
Ma&#x017F;&#x017F;e des Glaubens auf des Glaubens rechte<lb/>
ausgewickelte und vo&#x0364;llige <hi rendition="#aq">Oeeonomi</hi>e verwahret<lb/>
und ver&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en gehalten worden,) <hi rendition="#fr">i&#x017F;t das<lb/>
Ge&#x017F;etz</hi> (mit &#x017F;einem befehlen und treiben) <hi rendition="#fr">un-<lb/>
&#x017F;er Zuchtmei&#x017F;ter gewe&#x017F;en,</hi> (uns in der a&#x0364;u&#x017F;-<lb/>
&#x017F;erlichen Zucht und guten Ordnung zu halten,)<lb/><hi rendition="#fr">auf CHri&#x017F;tum,</hi> (bis auf gedachte neue durch<lb/>
CHri&#x017F;tum aufgerichtete <hi rendition="#aq">Oeconomi</hi>e,) <hi rendition="#fr">daß wir</hi><lb/>
(&#x017F;o denn bey mehrerm Lichte des Evangelii,)<lb/><hi rendition="#fr">durch den Glauben gerecht wu&#x0364;rden.</hi></p><lb/>
            <div n="4">
              <head> <hi rendition="#b">Anmerckungen.</hi> </head><lb/>
              <list>
                <item>1. Ein &#x017F;olcher Zuchtmei&#x017F;ter, der alhier<lb/><hi rendition="#aq">Pædagogus</hi> heißt, und eigentlich <hi rendition="#fr">einen Anfu&#x0364;h-<lb/>
rer unmu&#x0364;ndiger Kinder</hi> bedeutet, hat es ei-<lb/>
gentlich mit unerwach&#x017F;enen jungen Kindern zu<lb/>
thun, und &#x017F;ein Amt be&#x017F;tehet theils in der Ab-<lb/>
haltung vom Bo&#x0364;&#x017F;en, theils in der Anhaltung<lb/>
zum Guten, &#x017F;o viel ihr Alter fa&#x017F;&#x017F;en kan. Da<lb/>
er &#x017F;ich denn bey ihnen ihres kindi&#x017F;chen Muth-<lb/>
willens halber eines theils mehrer Scha&#x0364;rfe ge-<lb/>
brauchet, als bey Erwach&#x017F;enen no&#x0364;thig i&#x017F;t: an-<lb/>
dern theils aber auch ihnen mehr einra&#x0364;umet,<lb/>
oder zu gute ha&#x0364;lt, als man jenen thut.</item><lb/>
                <item>2. Die <hi rendition="#fr">Gla&#x0364;ubigen</hi> des Alten Te&#x017F;taments<lb/>
waren den <hi rendition="#fr">unmu&#x0364;ndigen</hi> und noch kleinern Kin-<lb/>
dern gleich. Denn ob gleich unter ihnen eini-<lb/><cb/>
ge gro&#x017F;&#x017F;e Glaubens-Helden waren; &#x017F;o i&#x017F;t doch<lb/>
von denen eigentlich die Rede nicht, &#x017F;ondern<lb/>
von der ordentlichen Be&#x017F;chaffenheit der Gla&#x0364;u-<lb/>
bigen: als bey welchen &#x017F;ich am Ver&#x017F;tande noch<lb/>
viele Unwi&#x017F;&#x017F;enheit in den Geheimni&#x017F;&#x017F;en GOttes,<lb/>
am Willen aber noch viel ungebrochenes wildes<lb/>
We&#x017F;en befunde. Wie denn durch Kinder,<lb/>
welche die&#x017F;er Leute ihren Zu&#x017F;tand vor&#x017F;tellen, nicht<lb/>
eben &#x017F;olche ver&#x017F;tanden werden, welche noch in<lb/>
mehrer Un&#x017F;chuld ihres er&#x017F;ten Alters &#x017F;tehen, als<lb/>
welche auch den <hi rendition="#aq">Pædagogis</hi> noch nicht unterge-<lb/>
ben &#x017F;ind, &#x017F;ondern &#x017F;olche, bey welchen mit den<lb/>
Jahren der eigene Wille in mehrern Ausbru&#x0364;-<lb/>
chen &#x017F;ich reget, und die eines Zuchtmei&#x017F;ters zu<lb/>
einer genauen, und nach Befinden oft etwas<lb/>
&#x017F;cha&#x0364;rfern Auf&#x017F;icht bedu&#x0364;rfen, und dadurch in den<lb/>
Schrancken gehalten werden mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, bis &#x017F;ie<lb/>
zu rechten Jahren kommen. Al&#x017F;o waren die<lb/>
Gla&#x0364;ubigen des Alten Te&#x017F;taments, dem ordent-<lb/>
lichen Zu&#x017F;tande nach, be&#x017F;chaffen, au&#x017F;&#x017F;er denen,<lb/>
welche zu einem be&#x017F;ondern Ma&#x017F;&#x017F;e des Glaubens<lb/>
gelanget, oder auch andern theils von &#x017F;olcher<lb/>
Be&#x017F;chaffenheit waren, als &#x017F;olche Kinder, die<lb/>
gar aus der Art &#x017F;chlagen, und gleich&#x017F;am alle<lb/>
Bande der Zucht zerrei&#x017F;&#x017F;en und von &#x017F;ich wer-<lb/>
fen.</item><lb/>
                <item>3. Das <hi rendition="#fr">Ge&#x017F;etz,</hi> welches die <hi rendition="#fr">Zuchtmei-<lb/>
&#x017F;ter&#x017F;chaft</hi> gefu&#x0364;hret, i&#x017F;t u&#x0364;berhaupt das <hi rendition="#fr">gantze<lb/>
Ge&#x017F;etz,</hi> in &#x017F;einer gantzen <hi rendition="#aq">Oeconomi</hi>e, nicht al-<lb/>
lein das Ceremonial-&#x017F;ondern auch das Moral-<lb/>
Ge&#x017F;etze, ja das Civil-Ge&#x017F;etze &#x017F;elb&#x017F;t, als welches<lb/>
eigentlich nur auf das Ju&#x0364;di&#x017F;che Volck ging,<lb/>
und mit der Ju&#x0364;di&#x017F;chen Kirche und Republic,<lb/>
welche zu und theils gleich nach den Zeiten<lb/>
CHri&#x017F;ti ihre End&#x017F;chaft erreichet hat, aufho&#x0364;ren<lb/>
&#x017F;olte.</item><lb/>
                <item>4. Ob nun wol die gla&#x0364;ubigen J&#x017F;raeliten<lb/>
nicht ohne Glauben waren, &#x017F;intemal &#x017F;ie &#x017F;on&#x017F;t<lb/>
auch nicht glaubig genennet werden ko&#x0364;nten; &#x017F;o<lb/>
hatten &#x017F;ie doch das Evangelium von CHri&#x017F;to<lb/>
nur noch er&#x017F;t in Verhei&#x017F;&#x017F;ungen, und dunckeler<lb/>
Erka&#x0364;ntniß, und wurden dabey unter der &#x017F;char-<lb/>
fen Zucht des vielfachen Ge&#x017F;etzes in ihren<lb/>
Schrancken gehalten.</item><lb/>
                <item>5. Es &#x017F;olte die Zuchtmei&#x017F;ter&#x017F;chaft nicht im-<lb/>
mer wa&#x0364;hren, &#x017F;ondern zur rechten Zeit aufho&#x0364;ren:<lb/>
wie denn auch die <hi rendition="#aq">Pædagogi</hi>e bey Kindern nur<lb/>
auf die Zeit ihrer Minderja&#x0364;hrigkeit gehet. Durch<lb/>
CHri&#x017F;tum aber und unter ihm ge&#x017F;chiehet dem<lb/>
Ge&#x017F;etze &#x017F;o viel weniger Abbruch, &#x017F;o viel gewi&#x017F;-<lb/>
&#x017F;er und heil&#x017F;amer es durch ihn erfu&#x0364;llet i&#x017F;t, und<lb/>
&#x017F;o viel reichlicher CHri&#x017F;tus &#x017F;eine Glieder durch<lb/>
&#x017F;einen Gei&#x017F;t &#x017F;albet, und &#x017F;ie dadurch wie willig,<lb/>
al&#x017F;o auch tu&#x0364;chtig und treue machet, ihm, dem<lb/>
Ge&#x017F;etzgeber zu dienen, und al&#x017F;o nach dem Ge-<lb/>
&#x017F;etze &#x017F;elb&#x017F;t einher zu gehen.</item><lb/>
                <item>6. Ob gleich die <hi rendition="#aq">Oeconomi</hi>e des Evange-<lb/>
lii mit CHri&#x017F;to vorla&#x0364;ng&#x017F;t eingetreten i&#x017F;t: &#x017F;o i&#x017F;t<lb/>
doch noch ietzo und allezeit das Ge&#x017F;etz der Zucht-<lb/>
mei&#x017F;ter auf CHri&#x017F;tum, in dem Ver&#x017F;tande, daß<lb/>
der Men&#x017F;ch CHri&#x017F;tum nicht recht hoch und werth<lb/>
achtet, noch die gla&#x0364;ubige Zuflucht zu ihm nimt,<lb/>
es &#x017F;ey denn, daß er die Zucht des Ge&#x017F;etzes zur<lb/>
Erka&#x0364;ntniß &#x017F;einer Su&#x0364;nden vorher recht gefu&#x0364;hlet<lb/>
habe.</item>
              </list><lb/>
              <fw place="bottom" type="catch">7. Wer</fw><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[522/0550] Erklaͤrung des Briefs Pauli Cap. 3, v. 23. 24. nem ſo reichen und weiten Verſtande, daß da- mit CHriſtus ſelbſt und alle Glaubens-Lehren und Glaubens-Geheimniſſe nebſt dem actu des Glaubens ſelbſt bezeichnet werden: ſintemal darunter eine ſolche genaue Verknuͤpfung iſt, daß eines ohne das uͤbrige nicht ſeyn kan. 2. Wie die Alten, ſo unter dem Geſetz verſchloſſen behalten worden auf den Glauben, nach dieſer Oeconomie ſich geſehnet haben, ſehe man bezeuget von dem glaubigen Abraham Joh. 8, 56. auch von vielen Koͤnigen und Propheten Luc. 10, 24. und von allen Glaͤubigen, ſonder- lich Patriarchen Hebr. 11, 13. ſeqq. 39. 40. 3. Ob nun gleich dieſe neue Oeconomie vorlaͤngſt angegangen iſt, ſo ſtehen doch alle un- bekehrte Menſchen, auch unter den Chriſten, noch unter dem Geſetz und unter deſſen Fluche, ſo lange bis ſie ſich in der Ordnung wahrer Be- kehrung zum Glauben und im Glauben zu Chri- ſto bringen laſſen, und alſo von ihm und in ihm des Segens theilhaftig werden. 4. Jm uͤbrigen dienet nicht wenig zur Er- laͤuterung dieſes Orts, was Paulus Rom. 16, 25. 26. bezeuget, da er die Ankunft des Glau- bens nennet die Predigt von CHriſto, durch welche das Geheimniß offenbaret worden, ſo von der Welt her verſchwiegen gewe- ſen, nun aber kund gemacht durch der Propheten Schrift aus Befehl des ewi- gen GOttes, den Gehorſam des Glaubens aufzurichten unter allen Heiden. Da wir ſehen, wie daß die Glaubens-Lehren, und Glau- bens-Geheimniſſe einen Gehorſam des Glau- bens erfodern. V. 24. Alſo (nach ſolcher vorigen Beſchaffenheit, da wir unter der Suͤnde und unter dem uns des- wegen verdammenden Geſetze bey wenigerm Maſſe des Glaubens auf des Glaubens rechte ausgewickelte und voͤllige Oeeonomie verwahret und verſchloſſen gehalten worden,) iſt das Geſetz (mit ſeinem befehlen und treiben) un- ſer Zuchtmeiſter geweſen, (uns in der aͤuſ- ſerlichen Zucht und guten Ordnung zu halten,) auf CHriſtum, (bis auf gedachte neue durch CHriſtum aufgerichtete Oeconomie,) daß wir (ſo denn bey mehrerm Lichte des Evangelii,) durch den Glauben gerecht wuͤrden. Anmerckungen. 1. Ein ſolcher Zuchtmeiſter, der alhier Pædagogus heißt, und eigentlich einen Anfuͤh- rer unmuͤndiger Kinder bedeutet, hat es ei- gentlich mit unerwachſenen jungen Kindern zu thun, und ſein Amt beſtehet theils in der Ab- haltung vom Boͤſen, theils in der Anhaltung zum Guten, ſo viel ihr Alter faſſen kan. Da er ſich denn bey ihnen ihres kindiſchen Muth- willens halber eines theils mehrer Schaͤrfe ge- brauchet, als bey Erwachſenen noͤthig iſt: an- dern theils aber auch ihnen mehr einraͤumet, oder zu gute haͤlt, als man jenen thut. 2. Die Glaͤubigen des Alten Teſtaments waren den unmuͤndigen und noch kleinern Kin- dern gleich. Denn ob gleich unter ihnen eini- ge groſſe Glaubens-Helden waren; ſo iſt doch von denen eigentlich die Rede nicht, ſondern von der ordentlichen Beſchaffenheit der Glaͤu- bigen: als bey welchen ſich am Verſtande noch viele Unwiſſenheit in den Geheimniſſen GOttes, am Willen aber noch viel ungebrochenes wildes Weſen befunde. Wie denn durch Kinder, welche dieſer Leute ihren Zuſtand vorſtellen, nicht eben ſolche verſtanden werden, welche noch in mehrer Unſchuld ihres erſten Alters ſtehen, als welche auch den Pædagogis noch nicht unterge- ben ſind, ſondern ſolche, bey welchen mit den Jahren der eigene Wille in mehrern Ausbruͤ- chen ſich reget, und die eines Zuchtmeiſters zu einer genauen, und nach Befinden oft etwas ſchaͤrfern Aufſicht beduͤrfen, und dadurch in den Schrancken gehalten werden muͤſſen, bis ſie zu rechten Jahren kommen. Alſo waren die Glaͤubigen des Alten Teſtaments, dem ordent- lichen Zuſtande nach, beſchaffen, auſſer denen, welche zu einem beſondern Maſſe des Glaubens gelanget, oder auch andern theils von ſolcher Beſchaffenheit waren, als ſolche Kinder, die gar aus der Art ſchlagen, und gleichſam alle Bande der Zucht zerreiſſen und von ſich wer- fen. 3. Das Geſetz, welches die Zuchtmei- ſterſchaft gefuͤhret, iſt uͤberhaupt das gantze Geſetz, in ſeiner gantzen Oeconomie, nicht al- lein das Ceremonial-ſondern auch das Moral- Geſetze, ja das Civil-Geſetze ſelbſt, als welches eigentlich nur auf das Juͤdiſche Volck ging, und mit der Juͤdiſchen Kirche und Republic, welche zu und theils gleich nach den Zeiten CHriſti ihre Endſchaft erreichet hat, aufhoͤren ſolte. 4. Ob nun wol die glaͤubigen Jſraeliten nicht ohne Glauben waren, ſintemal ſie ſonſt auch nicht glaubig genennet werden koͤnten; ſo hatten ſie doch das Evangelium von CHriſto nur noch erſt in Verheiſſungen, und dunckeler Erkaͤntniß, und wurden dabey unter der ſchar- fen Zucht des vielfachen Geſetzes in ihren Schrancken gehalten. 5. Es ſolte die Zuchtmeiſterſchaft nicht im- mer waͤhren, ſondern zur rechten Zeit aufhoͤren: wie denn auch die Pædagogie bey Kindern nur auf die Zeit ihrer Minderjaͤhrigkeit gehet. Durch CHriſtum aber und unter ihm geſchiehet dem Geſetze ſo viel weniger Abbruch, ſo viel gewiſ- ſer und heilſamer es durch ihn erfuͤllet iſt, und ſo viel reichlicher CHriſtus ſeine Glieder durch ſeinen Geiſt ſalbet, und ſie dadurch wie willig, alſo auch tuͤchtig und treue machet, ihm, dem Geſetzgeber zu dienen, und alſo nach dem Ge- ſetze ſelbſt einher zu gehen. 6. Ob gleich die Oeconomie des Evange- lii mit CHriſto vorlaͤngſt eingetreten iſt: ſo iſt doch noch ietzo und allezeit das Geſetz der Zucht- meiſter auf CHriſtum, in dem Verſtande, daß der Menſch CHriſtum nicht recht hoch und werth achtet, noch die glaͤubige Zuflucht zu ihm nimt, es ſey denn, daß er die Zucht des Geſetzes zur Erkaͤntniß ſeiner Suͤnden vorher recht gefuͤhlet habe. 7. Wer

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht01_1729
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht01_1729/550
Zitationshilfe: Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729, S. 522. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht01_1729/550>, abgerufen am 16.07.2024.