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Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.

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Erklärung des Briefs Pauli Cap. 3, v. 26.
[Spaltenumbruch]
5. Da nun ein gläubiger Christ des Mosai-
schen Zuchtmeisters gedachter massen los ist, und
zur direction seines Gewissens in allen Pflichten
an dem beständigen Moral-Gesetze eine vollkom-
mene Richtschnur hat: so hat er sich nach der
Freyheit, darein er durch Christum gesetzet ist, vor
allen neuen Zuchtmeistern und Gesetzen, dadurch
sein Gewissen bestricket wird, zu hüten. Selig
ist, der dißfals keine Noth vom päpstlichen Ge-
wissens-Zwange hat.
V. 26.

Denn ihr (Gläubige aus den Juden und
Heiden) seyd (ohne allen Unterscheid) GOttes
Kinder
(nemlich solche, welche den unmündi-
gen, so noch unter dem Zuchtmeister, dem Gese-
tze, stehen, entgegen gesetzet sind) durch den
Glauben an Christo JEsu.

Anmerckungen.
1. Daß der Apostel alhier eigentlich solche
Kinder verstehe, welche den erwachsenen, ja sol-
chen gleich sind, die die Administration ihrer vä-
terlichen Güter selbst führen, siehet man a) aus
der Sache selbst,
da er redet von dem Stande
der Kindschaft unter dem Gnaden-Bunde, und
damit den Glaubigen des Alten Testaments die
Gnade der Kindschaft nicht abspricht, sondern
hier nur von einem Vorzuge redet: b) aus dem
vorhergehenden und nachfolgenden
Con-
text:
da er die Kindschaft, von der er redet, dem
Stande der Unmündigen, so sich noch unter dem
Zuchtmeister, oder unter den Vormündern und
Pflegern, befinden, entgegen hält. v. 23. 24.
c. 4, 1. sqq.
2. Wenn aber der Apostel der Kind-
schaft
GOttes gedencket, so setzet er dabey die
Ordnung der Wiedergeburt zum Grunde.
Denn so wenig ohne die natürliche Zeugung und
Geburt ein leibliches Kind entstehet: so wenig
kan auch ohne die Wiedergebährung, (die von
GOtt geschiehet) und ohne die Wiedergeburt,
(so in dem Menschen entstehet) einer ein Kind
GOttes werden.
3. Und eben dieses zeiget Paulus an, wenn
er die Kindschaft GOttes mit dem Glauben
verknüpfet. Denn wenn wir wiedergebohren
werden, so bekommen wir den Glauben, als ein
göttliches Leben und göttliches Licht: also, daß
die Anzündung oder Schenckung des Glau-
bens
und die Wiedergebärung oder Wieder-
geburt
einerley ist; sintemal durch einen sol-
chen wahren und göttlichen Glauben, der ein
geistliches Leben und ein geistliches Licht in der
Seele ist, der inwendige alte Mensch zum neuen
wird, der mit geistlichen Kräften zum heiligen
Wandel ausgerüstet ist.
4. Wer sich demnach der Kindschaft Got-
tes getrösten will, der muß seiner neuen Geburt
aus GOtt versichert seyn, auch dabey an sich die
Eigenschaft der wahren Kinder im kindlichen
Gehorsam gegen GOtt erweisen.
5. Hieraus erkennet man gar leichtlich,
daß es ein anders sey, durch den Glauben ge-
recht werden,
und durch den Glauben ein
[Spaltenumbruch] Kind GOttes seyn.
Denn jenes geschiehet
durch eine richterliche Zurechnung der Gerech-
tigkeit Christi: aber zu der Kindschaft gehöret die
wirckliche Wiedergeburt, die nicht in einer Zu-
rechnung, sondern würcklichen Veränderung
des Hertzens bestehet.
6. Jndessen aber hat es der Glaube doch
auch bey der Kindschaft mit der Ergreifung und
vesten Zuversicht zu thun. Denn die Würde
der Kindschaft ist so hoch und so groß, daß, ob-
gleich der Mensch eine wahre Veränderung in
sich fühlet, er es bey dem Gefühle seiner noch
übrigen grossen Armuth am Geiste, dennoch
sich nicht heraus nehmen und zutrauen würde,
ein Kind GOttes zu seyn, wofern nicht GOtt
alle Gläubige im Evangelio dafür erkläret hätte.
Wenn denn nun der Gläubige solche gnädige
Bezeugung GOttes ergreiffet, und sich zueignet,
so ist er durch den Glauben GOttes Kind. Zu
dem so gehet der Glaube zugleich auch auf die
herrlichen Heils-Güter der Kinder GOttes,
und auf derselben Vollendung in dem ewigen
Erbe: daß es demnach auch daher mit so viel
mehrern Nachdruck heisset, daß man durch den
Glauben ein Kind GOttes ist. Man hat hie-
bey auch zu conferiren den Ort Joh. 1, 12. da es
heißt: Welche Christum aufnahmen, wel-
ches des Glaubens Eigenschaft ist, denen gab er
Macht, GOttes Kinder zu werden:
mit
dem Zusatze: die an seinen Namen gläu-
ben.
7. Jm übrigen ist die Constrnction wohl
zu mercken, wenn es heißt: dia tes piseos en
khriso Iesou, durch den Glauben an Christo
JEsu,
für: eis ton khrison Iesoun, an Chri-
stum JEsum.
Nun laufft es zwar in der Sa-
che selbst auf eines hinaus: aber es ist doch ein
mercklicher Unterscheid und Nachdruck in solcher
Construction. Welchen zu erkennen man mer-
cken muß, daß der Glaube die gedoppelte Haupt-
Eigenschaft habe, die eine des sehnlichen Ver-
langens,
nach welchem er im Hunger und
Durst nach der Gnade und Gerechtigkeit Chri-
sti stehet, und sich gleichsam in der Bewegung
befindet: die andere die zuversichtliche Ruhe in
dem ergriffenen und zugeeigneten Guten, oder
Christo selbst. Gleichwie es nun nach jener Ei-
genschaft heißt: an Christum glauben, der
Glaube an Christum;
so heißt es nach dieser:
Der Glaube an, oder auch in CHristo
JEsu.
8. Es will demnach Paulus, wenn er diese
letztere Redens-Art bey der Kindschaft GOttes
gebrauchet, damit anzeigen, daß ein Glaubiger,
wenn er sich für ein Kind GOttes hält, solches
thue mit einer zuversichtlichen Ruhe in der
schon zugeeigneten Gnade GOttes, die er in
Christo hat. Welcher Unterscheid der Constru-
ction
oder diese darüber gestellete Anmerckung,
auch vielen andern Stellen der H. Schrift, da
des Glaubens gedacht wird, ein feines Licht gie-
bet: Und also hat man gar nicht nöthig mit eini-
gen Philologis zu sagen, es werde das eis nur
schlechthin mit dem en verwechselt.
V. 27.
Erklaͤrung des Briefs Pauli Cap. 3, v. 26.
[Spaltenumbruch]
5. Da nun ein glaͤubiger Chriſt des Moſai-
ſchen Zuchtmeiſters gedachter maſſen los iſt, und
zur direction ſeines Gewiſſens in allen Pflichten
an dem beſtaͤndigen Moral-Geſetze eine vollkom-
mene Richtſchnur hat: ſo hat er ſich nach der
Freyheit, darein er durch Chriſtum geſetzet iſt, vor
allen neuen Zuchtmeiſtern und Geſetzen, dadurch
ſein Gewiſſen beſtricket wird, zu huͤten. Selig
iſt, der dißfals keine Noth vom paͤpſtlichen Ge-
wiſſens-Zwange hat.
V. 26.

Denn ihr (Glaͤubige aus den Juden und
Heiden) ſeyd (ohne allen Unterſcheid) GOttes
Kinder
(nemlich ſolche, welche den unmuͤndi-
gen, ſo noch unter dem Zuchtmeiſter, dem Geſe-
tze, ſtehen, entgegen geſetzet ſind) durch den
Glauben an Chriſto JEſu.

Anmerckungen.
1. Daß der Apoſtel alhier eigentlich ſolche
Kinder verſtehe, welche den erwachſenen, ja ſol-
chen gleich ſind, die die Adminiſtration ihrer vaͤ-
terlichen Guͤter ſelbſt fuͤhren, ſiehet man a) aus
der Sache ſelbſt,
da er redet von dem Stande
der Kindſchaft unter dem Gnaden-Bunde, und
damit den Glaubigen des Alten Teſtaments die
Gnade der Kindſchaft nicht abſpricht, ſondern
hier nur von einem Vorzuge redet: b) aus dem
vorhergehenden und nachfolgenden
Con-
text:
da er die Kindſchaft, von der er redet, dem
Stande der Unmuͤndigen, ſo ſich noch unter dem
Zuchtmeiſter, oder unter den Vormuͤndern und
Pflegern, befinden, entgegen haͤlt. v. 23. 24.
c. 4, 1. ſqq.
2. Wenn aber der Apoſtel der Kind-
ſchaft
GOttes gedencket, ſo ſetzet er dabey die
Ordnung der Wiedergeburt zum Grunde.
Denn ſo wenig ohne die natuͤrliche Zeugung und
Geburt ein leibliches Kind entſtehet: ſo wenig
kan auch ohne die Wiedergebaͤhrung, (die von
GOtt geſchiehet) und ohne die Wiedergeburt,
(ſo in dem Menſchen entſtehet) einer ein Kind
GOttes werden.
3. Und eben dieſes zeiget Paulus an, wenn
er die Kindſchaft GOttes mit dem Glauben
verknuͤpfet. Denn wenn wir wiedergebohren
werden, ſo bekommen wir den Glauben, als ein
goͤttliches Leben und goͤttliches Licht: alſo, daß
die Anzuͤndung oder Schenckung des Glau-
bens
und die Wiedergebaͤrung oder Wieder-
geburt
einerley iſt; ſintemal durch einen ſol-
chen wahren und goͤttlichen Glauben, der ein
geiſtliches Leben und ein geiſtliches Licht in der
Seele iſt, der inwendige alte Menſch zum neuen
wird, der mit geiſtlichen Kraͤften zum heiligen
Wandel ausgeruͤſtet iſt.
4. Wer ſich demnach der Kindſchaft Got-
tes getroͤſten will, der muß ſeiner neuen Geburt
aus GOtt verſichert ſeyn, auch dabey an ſich die
Eigenſchaft der wahren Kinder im kindlichen
Gehorſam gegen GOtt erweiſen.
5. Hieraus erkennet man gar leichtlich,
daß es ein anders ſey, durch den Glauben ge-
recht werden,
und durch den Glauben ein
[Spaltenumbruch] Kind GOttes ſeyn.
Denn jenes geſchiehet
durch eine richterliche Zurechnung der Gerech-
tigkeit Chriſti: aber zu der Kindſchaft gehoͤret die
wirckliche Wiedergeburt, die nicht in einer Zu-
rechnung, ſondern wuͤrcklichen Veraͤnderung
des Hertzens beſtehet.
6. Jndeſſen aber hat es der Glaube doch
auch bey der Kindſchaft mit der Ergreifung und
veſten Zuverſicht zu thun. Denn die Wuͤrde
der Kindſchaft iſt ſo hoch und ſo groß, daß, ob-
gleich der Menſch eine wahre Veraͤnderung in
ſich fuͤhlet, er es bey dem Gefuͤhle ſeiner noch
uͤbrigen groſſen Armuth am Geiſte, dennoch
ſich nicht heraus nehmen und zutrauen wuͤrde,
ein Kind GOttes zu ſeyn, wofern nicht GOtt
alle Glaͤubige im Evangelio dafuͤr erklaͤret haͤtte.
Wenn denn nun der Glaͤubige ſolche gnaͤdige
Bezeugung GOttes ergreiffet, und ſich zueignet,
ſo iſt er durch den Glauben GOttes Kind. Zu
dem ſo gehet der Glaube zugleich auch auf die
herrlichen Heils-Guͤter der Kinder GOttes,
und auf derſelben Vollendung in dem ewigen
Erbe: daß es demnach auch daher mit ſo viel
mehrern Nachdruck heiſſet, daß man durch den
Glauben ein Kind GOttes iſt. Man hat hie-
bey auch zu conferiren den Ort Joh. 1, 12. da es
heißt: Welche Chriſtum aufnahmen, wel-
ches des Glaubens Eigenſchaft iſt, denen gab er
Macht, GOttes Kinder zu werden:
mit
dem Zuſatze: die an ſeinen Namen glaͤu-
ben.
7. Jm uͤbrigen iſt die Conſtrnction wohl
zu mercken, wenn es heißt: διὰ τῆς πίςεως ἐν
χριςῷ Ἰησοῦ, durch den Glauben an Chriſto
JEſu,
fuͤr: εἰς τὸν χριςὸν Ιησοῦν, an Chri-
ſtum JEſum.
Nun laufft es zwar in der Sa-
che ſelbſt auf eines hinaus: aber es iſt doch ein
mercklicher Unterſcheid und Nachdruck in ſolcher
Conſtruction. Welchen zu erkennen man mer-
cken muß, daß der Glaube die gedoppelte Haupt-
Eigenſchaft habe, die eine des ſehnlichen Ver-
langens,
nach welchem er im Hunger und
Durſt nach der Gnade und Gerechtigkeit Chri-
ſti ſtehet, und ſich gleichſam in der Bewegung
befindet: die andere die zuverſichtliche Ruhe in
dem ergriffenen und zugeeigneten Guten, oder
Chriſto ſelbſt. Gleichwie es nun nach jener Ei-
genſchaft heißt: an Chriſtum glauben, der
Glaube an Chriſtum;
ſo heißt es nach dieſer:
Der Glaube an, oder auch in CHriſto
JEſu.
8. Es will demnach Paulus, wenn er dieſe
letztere Redens-Art bey der Kindſchaft GOttes
gebrauchet, damit anzeigen, daß ein Glaubiger,
wenn er ſich fuͤr ein Kind GOttes haͤlt, ſolches
thue mit einer zuverſichtlichen Ruhe in der
ſchon zugeeigneten Gnade GOttes, die er in
Chriſto hat. Welcher Unterſcheid der Conſtru-
ction
oder dieſe daruͤber geſtellete Anmerckung,
auch vielen andern Stellen der H. Schrift, da
des Glaubens gedacht wird, ein feines Licht gie-
bet: Und alſo hat man gar nicht noͤthig mit eini-
gen Philologis zu ſagen, es werde das εἰς nur
ſchlechthin mit dem ἐν verwechſelt.
V. 27.
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[524/0552] Erklaͤrung des Briefs Pauli Cap. 3, v. 26. 5. Da nun ein glaͤubiger Chriſt des Moſai- ſchen Zuchtmeiſters gedachter maſſen los iſt, und zur direction ſeines Gewiſſens in allen Pflichten an dem beſtaͤndigen Moral-Geſetze eine vollkom- mene Richtſchnur hat: ſo hat er ſich nach der Freyheit, darein er durch Chriſtum geſetzet iſt, vor allen neuen Zuchtmeiſtern und Geſetzen, dadurch ſein Gewiſſen beſtricket wird, zu huͤten. Selig iſt, der dißfals keine Noth vom paͤpſtlichen Ge- wiſſens-Zwange hat. V. 26. Denn ihr (Glaͤubige aus den Juden und Heiden) ſeyd (ohne allen Unterſcheid) GOttes Kinder (nemlich ſolche, welche den unmuͤndi- gen, ſo noch unter dem Zuchtmeiſter, dem Geſe- tze, ſtehen, entgegen geſetzet ſind) durch den Glauben an Chriſto JEſu. Anmerckungen. 1. Daß der Apoſtel alhier eigentlich ſolche Kinder verſtehe, welche den erwachſenen, ja ſol- chen gleich ſind, die die Adminiſtration ihrer vaͤ- terlichen Guͤter ſelbſt fuͤhren, ſiehet man a) aus der Sache ſelbſt, da er redet von dem Stande der Kindſchaft unter dem Gnaden-Bunde, und damit den Glaubigen des Alten Teſtaments die Gnade der Kindſchaft nicht abſpricht, ſondern hier nur von einem Vorzuge redet: b) aus dem vorhergehenden und nachfolgenden Con- text: da er die Kindſchaft, von der er redet, dem Stande der Unmuͤndigen, ſo ſich noch unter dem Zuchtmeiſter, oder unter den Vormuͤndern und Pflegern, befinden, entgegen haͤlt. v. 23. 24. c. 4, 1. ſqq. 2. Wenn aber der Apoſtel der Kind- ſchaft GOttes gedencket, ſo ſetzet er dabey die Ordnung der Wiedergeburt zum Grunde. Denn ſo wenig ohne die natuͤrliche Zeugung und Geburt ein leibliches Kind entſtehet: ſo wenig kan auch ohne die Wiedergebaͤhrung, (die von GOtt geſchiehet) und ohne die Wiedergeburt, (ſo in dem Menſchen entſtehet) einer ein Kind GOttes werden. 3. Und eben dieſes zeiget Paulus an, wenn er die Kindſchaft GOttes mit dem Glauben verknuͤpfet. Denn wenn wir wiedergebohren werden, ſo bekommen wir den Glauben, als ein goͤttliches Leben und goͤttliches Licht: alſo, daß die Anzuͤndung oder Schenckung des Glau- bens und die Wiedergebaͤrung oder Wieder- geburt einerley iſt; ſintemal durch einen ſol- chen wahren und goͤttlichen Glauben, der ein geiſtliches Leben und ein geiſtliches Licht in der Seele iſt, der inwendige alte Menſch zum neuen wird, der mit geiſtlichen Kraͤften zum heiligen Wandel ausgeruͤſtet iſt. 4. Wer ſich demnach der Kindſchaft Got- tes getroͤſten will, der muß ſeiner neuen Geburt aus GOtt verſichert ſeyn, auch dabey an ſich die Eigenſchaft der wahren Kinder im kindlichen Gehorſam gegen GOtt erweiſen. 5. Hieraus erkennet man gar leichtlich, daß es ein anders ſey, durch den Glauben ge- recht werden, und durch den Glauben ein Kind GOttes ſeyn. Denn jenes geſchiehet durch eine richterliche Zurechnung der Gerech- tigkeit Chriſti: aber zu der Kindſchaft gehoͤret die wirckliche Wiedergeburt, die nicht in einer Zu- rechnung, ſondern wuͤrcklichen Veraͤnderung des Hertzens beſtehet. 6. Jndeſſen aber hat es der Glaube doch auch bey der Kindſchaft mit der Ergreifung und veſten Zuverſicht zu thun. Denn die Wuͤrde der Kindſchaft iſt ſo hoch und ſo groß, daß, ob- gleich der Menſch eine wahre Veraͤnderung in ſich fuͤhlet, er es bey dem Gefuͤhle ſeiner noch uͤbrigen groſſen Armuth am Geiſte, dennoch ſich nicht heraus nehmen und zutrauen wuͤrde, ein Kind GOttes zu ſeyn, wofern nicht GOtt alle Glaͤubige im Evangelio dafuͤr erklaͤret haͤtte. Wenn denn nun der Glaͤubige ſolche gnaͤdige Bezeugung GOttes ergreiffet, und ſich zueignet, ſo iſt er durch den Glauben GOttes Kind. Zu dem ſo gehet der Glaube zugleich auch auf die herrlichen Heils-Guͤter der Kinder GOttes, und auf derſelben Vollendung in dem ewigen Erbe: daß es demnach auch daher mit ſo viel mehrern Nachdruck heiſſet, daß man durch den Glauben ein Kind GOttes iſt. Man hat hie- bey auch zu conferiren den Ort Joh. 1, 12. da es heißt: Welche Chriſtum aufnahmen, wel- ches des Glaubens Eigenſchaft iſt, denen gab er Macht, GOttes Kinder zu werden: mit dem Zuſatze: die an ſeinen Namen glaͤu- ben. 7. Jm uͤbrigen iſt die Conſtrnction wohl zu mercken, wenn es heißt: διὰ τῆς πίςεως ἐν χριςῷ Ἰησοῦ, durch den Glauben an Chriſto JEſu, fuͤr: εἰς τὸν χριςὸν Ιησοῦν, an Chri- ſtum JEſum. Nun laufft es zwar in der Sa- che ſelbſt auf eines hinaus: aber es iſt doch ein mercklicher Unterſcheid und Nachdruck in ſolcher Conſtruction. Welchen zu erkennen man mer- cken muß, daß der Glaube die gedoppelte Haupt- Eigenſchaft habe, die eine des ſehnlichen Ver- langens, nach welchem er im Hunger und Durſt nach der Gnade und Gerechtigkeit Chri- ſti ſtehet, und ſich gleichſam in der Bewegung befindet: die andere die zuverſichtliche Ruhe in dem ergriffenen und zugeeigneten Guten, oder Chriſto ſelbſt. Gleichwie es nun nach jener Ei- genſchaft heißt: an Chriſtum glauben, der Glaube an Chriſtum; ſo heißt es nach dieſer: Der Glaube an, oder auch in CHriſto JEſu. 8. Es will demnach Paulus, wenn er dieſe letztere Redens-Art bey der Kindſchaft GOttes gebrauchet, damit anzeigen, daß ein Glaubiger, wenn er ſich fuͤr ein Kind GOttes haͤlt, ſolches thue mit einer zuverſichtlichen Ruhe in der ſchon zugeeigneten Gnade GOttes, die er in Chriſto hat. Welcher Unterſcheid der Conſtru- ction oder dieſe daruͤber geſtellete Anmerckung, auch vielen andern Stellen der H. Schrift, da des Glaubens gedacht wird, ein feines Licht gie- bet: Und alſo hat man gar nicht noͤthig mit eini- gen Philologis zu ſagen, es werde das εἰς nur ſchlechthin mit dem ἐν verwechſelt. V. 27.

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729, S. 524. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht01_1729/552>, abgerufen am 24.11.2024.