Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.Cap. 1, 18-20. an die Epheser. [Spaltenumbruch]
15. Die Hoffnung des Berufs ist die Seligkeit, worauf uns der Beruf führet. Und also ist die Hoffnung von der verheissenen und ge- hoffeten Sache zu verstehen. Welche des- wegen eine Hoffnung heißt, weil sie die lebendi- ge Hoffnung im Glauben erhält und vermehret. Jn welchem Verstande es Tit. 2, 13. heißt: Warten auf die selige Hoffnung und Er- scheinung der Herrlichkeit des grossen GOttes und unsers Heilandes JEsu Chri- sti. Welcher auch, als Urheber, der Grund und das Object unserer Hoffnung, unsere Hoff- nung selbst genennet wird Col. 1, 27. 1 Tim. 1, 1. 16. Jn den Worten: der Reichthum des herrlichen Erbes, lieget ein grosser Nach- druck, nach der Fülle so wol des Affects in Paulo, als auch der Sache selbst. Denn da diese, nemlich die Seligkeit, so wichtig ist, daß sie über allen unsern ietzigen Begriff ge- het, so gebrauchet Paulus solche Worte davon. Und ist von den dreyen: ploutos tes doxes tes kleronomias, der Reichthum der Herrlich- keit des Erbes, das Haupt-Wort die Herr- lichkeit: als von welcher er saget, daß wir sie empfangen als ein Erbe, und zwar als ein so reiches Erbe, daß wir dadurch zum grössesten Reichthum an Heils-Gütern gelangen. Wie es denn heißt 2 Cor. 8, 9. Jhr wisset die Gna- de unsers HErrn JEsu Christi, daß ob er wohl reich ist, ward er doch arm um eu- rent willen, auf daß wir durch seine Ar- mnth reich würden. Dieses herrliche Erbe heißt oben v. 5. die Kindschaft, und Petrus nennet es 1 Ep. v. 4. ein unvergängliches, unbe- flecktes und unverwelckliches Erbe, das behalten wird im Himmel. Von diesem reichen Erbe sehe man unter andern Rom. 8, 17. 18. Joh. 17, 22. Offenb. 3, 21. Wer ein solches Erbe glaubet und erwartet, der kan das Zeitliche leichtlich verleugnen und verlieren, nach Hebr. 10, 34. 17. Dieses Erbe aber wird niemand zu theil, als den Heiligen, welche sich durch den Heiligen Geist, als den Geist der Kindschaft, heiligen und erneuren lassen. Daher es auch heißt das Erbe, das allen denen gegeben wird, die geheiliget werden. Act. 21, 32. Siehe auch c. 26, 18. und Col. 1, 12. da es heist das Erbtheil der Heiligen im Licht. Ohne Heiligung wird niemand den HErrn sehen Hebr. 12, 14. V. 19. 20. Und (daß ihr erkennen möget v. 18.) wel- Anmerckungen. 1. Es ist dieser Ort einer von den aller- [Spaltenumbruch] nachdrücklichsten in der gantzen heiligen Schrift, und sonderlich im gantzen neuen Testamente und in den Briefen Pauli: als darinnen er nach der Fülle seines Affects und nach dem Grunde eigner Erfahrung fast nicht Worte genug finden kan, womit er das, wovon sein Hertz so voll war, genugsam möchte ausdrucken. Er redet aber vom Glauben, als von der Haupt-Sache des gantzen Christenthums. Und da er aus eigner Erfahrung wuste, wie sehr und wie lange der Mensch der berufenden Gnade GOttes zu wi- derstehen pfleget, und was dazu gehöret, ehe die Seele aus dem geistlichen Tode zum Leben, aus dem Unglauben zum Glauben kömmt, und wie er so gar nichts aus eignen Kräften dazu thun könne, so bedienet er sich so vieler Worte, wel- che alle auf die göttliche Gnaden-Kraft gehen. 2. Es ist demnach zuvorderst das Haupt- werck zu mercken, worauf alle übrige gehen: welches ist glauben, zum Glauben kommen, oder, welches einerley ist, innerlich von Her- tzen, Muth, Sinn und allen Kräften geändert, oder gründlich bekehret werden, und in solcher Bekehrung und Wiedergeburt zum Glauben, als einem göttlichen Leben und göttlichen Lichte, gelangen, und also aus dem Reiche des Satans ins Reich GOttes versetzet werden. 3. Weil nun der Apostel aus eigner Er- fahrung, da er aus einem grimmigen Wolfe ein Schaf Christi, ja ein Hirte der Schafe und Apostel worden war, wohl wuste, wie solches so gar nicht aus seinen eignen Kräften geschehen, sondern allein der kräftigsten Gnaden Wirckung GOttes zuzuschreiben sey, und daß auch, ob- gleich keine ausserordentliche, doch eine gleich grosse, oder unendliche Kraft GOttes zur Erwe- ckung und Bekehrung aller andern in Sünden erstorbenen Menschen, sich erwiesen habe, und noch erweise: so bedienet er sich davon mehrer gar nachdrücklichen Worte. Und also stehet das Wort glauben, in Ansehung des göttlichen Ur- sprungs, oder der Kraft GOttes, dadurch der Glaube gewircket worden, mit einem sieben- fachen Nachdruck: da ein dreyfacher vor dem Worte vorher gehet, wenn es heißt: to uper- roallon megethos tes dunamenos eis emas, tous piseuontas, zu erkennen, welche da sey die überschwengliche Grösse seine Kraft an uns, die wir glauben: ein vierfacher folget: kata ten energeian tou kratous tes iskhuos autou, en energesen en khriso etc. nach der Wirckung seiner mächtigen Stärcke, oder der Macht der Stärcke, welche er gewircket hat in Christo u. s. f. 4. Es ist dem Apostel nicht genug, daß er saget, GOtt habe an den Glaubigen zu ihrer Bekehrung erwiesen dunamin, seine Kraft, dar- um setzet er das Wort megethos davor, und spricht: die Grösse der Kraft. Und da ihm dieses seinem Affecte nach noch zu wenig war, so setzet er zu dem Wort megethos noch vorher das vollwichtige Wort uperroallon, und spricht: Die überschwengliche Grösse seiner Kraft. 5. Und
Cap. 1, 18-20. an die Epheſer. [Spaltenumbruch]
15. Die Hoffnung des Berufs iſt die Seligkeit, worauf uns der Beruf fuͤhret. Und alſo iſt die Hoffnung von der verheiſſenen und ge- hoffeten Sache zu verſtehen. Welche des- wegen eine Hoffnung heißt, weil ſie die lebendi- ge Hoffnung im Glauben erhaͤlt und vermehret. Jn welchem Verſtande es Tit. 2, 13. heißt: Warten auf die ſelige Hoffnung und Er- ſcheinung der Herrlichkeit des groſſen GOttes und unſers Heilandes JEſu Chri- ſti. Welcher auch, als Urheber, der Grund und das Object unſerer Hoffnung, unſere Hoff- nung ſelbſt genennet wird Col. 1, 27. 1 Tim. 1, 1. 16. Jn den Worten: der Reichthum des herrlichen Erbes, lieget ein groſſer Nach- druck, nach der Fuͤlle ſo wol des Affects in Paulo, als auch der Sache ſelbſt. Denn da dieſe, nemlich die Seligkeit, ſo wichtig iſt, daß ſie uͤber allen unſern ietzigen Begriff ge- het, ſo gebrauchet Paulus ſolche Worte davon. Und iſt von den dreyen: πλοῦτος τῆς δόξης τῆς κληρονομίας, der Reichthum der Herrlich- keit des Erbes, das Haupt-Wort die Herr- lichkeit: als von welcher er ſaget, daß wir ſie empfangen als ein Erbe, und zwar als ein ſo reiches Erbe, daß wir dadurch zum groͤſſeſten Reichthum an Heils-Guͤtern gelangen. Wie es denn heißt 2 Cor. 8, 9. Jhr wiſſet die Gna- de unſers HErrn JEſu Chriſti, daß ob er wohl reich iſt, ward er doch arm um eu- rent willen, auf daß wir durch ſeine Ar- mnth reich wuͤrden. Dieſes herrliche Erbe heißt oben v. 5. die Kindſchaft, und Petrus nennet es 1 Ep. v. 4. ein unvergaͤngliches, unbe- flecktes und unverwelckliches Erbe, das behalten wird im Himmel. Von dieſem reichen Erbe ſehe man unter andern Rom. 8, 17. 18. Joh. 17, 22. Offenb. 3, 21. Wer ein ſolches Erbe glaubet und erwartet, der kan das Zeitliche leichtlich verleugnen und verlieren, nach Hebr. 10, 34. 17. Dieſes Erbe aber wird niemand zu theil, als den Heiligen, welche ſich durch den Heiligen Geiſt, als den Geiſt der Kindſchaft, heiligen und erneuren laſſen. Daher es auch heißt das Erbe, das allen denen gegeben wird, die geheiliget werden. Act. 21, 32. Siehe auch c. 26, 18. und Col. 1, 12. da es heiſt das Erbtheil der Heiligen im Licht. Ohne Heiligung wird niemand den HErrn ſehen Hebr. 12, 14. V. 19. 20. Und (daß ihr erkennen moͤget v. 18.) wel- Anmerckungen. 1. Es iſt dieſer Ort einer von den aller- [Spaltenumbruch] nachdruͤcklichſten in der gantzen heiligen Schrift, und ſonderlich im gantzen neuen Teſtamente und in den Briefen Pauli: als darinnen er nach der Fuͤlle ſeines Affects und nach dem Grunde eigner Erfahrung faſt nicht Worte genug finden kan, womit er das, wovon ſein Hertz ſo voll war, genugſam moͤchte ausdrucken. Er redet aber vom Glauben, als von der Haupt-Sache des gantzen Chriſtenthums. Und da er aus eigner Erfahrung wuſte, wie ſehr und wie lange der Menſch der berufenden Gnade GOttes zu wi- derſtehen pfleget, und was dazu gehoͤret, ehe die Seele aus dem geiſtlichen Tode zum Leben, aus dem Unglauben zum Glauben koͤmmt, und wie er ſo gar nichts aus eignen Kraͤften dazu thun koͤnne, ſo bedienet er ſich ſo vieler Worte, wel- che alle auf die goͤttliche Gnaden-Kraft gehen. 2. Es iſt demnach zuvorderſt das Haupt- werck zu mercken, worauf alle uͤbrige gehen: welches iſt glauben, zum Glauben kommen, oder, welches einerley iſt, innerlich von Her- tzen, Muth, Sinn und allen Kraͤften geaͤndert, oder gruͤndlich bekehret werden, und in ſolcher Bekehrung und Wiedergeburt zum Glauben, als einem goͤttlichen Leben und goͤttlichen Lichte, gelangen, und alſo aus dem Reiche des Satans ins Reich GOttes verſetzet werden. 3. Weil nun der Apoſtel aus eigner Er- fahrung, da er aus einem grimmigen Wolfe ein Schaf Chriſti, ja ein Hirte der Schafe und Apoſtel worden war, wohl wuſte, wie ſolches ſo gar nicht aus ſeinen eignen Kraͤften geſchehen, ſondern allein der kraͤftigſten Gnaden Wirckung GOttes zuzuſchreiben ſey, und daß auch, ob- gleich keine auſſerordentliche, doch eine gleich groſſe, oder unendliche Kraft GOttes zur Erwe- ckung und Bekehrung aller andern in Suͤnden erſtorbenen Menſchen, ſich erwieſen habe, und noch erweiſe: ſo bedienet er ſich davon mehrer gar nachdruͤcklichen Worte. Und alſo ſtehet das Wort glauben, in Anſehung des goͤttlichen Uꝛ- ſprungs, oder der Kraft GOttes, dadurch der Glaube gewircket worden, mit einem ſieben- fachen Nachdruck: da ein dreyfacher vor dem Worte vorher gehet, wenn es heißt: τὸ ὑπερ- ροάλλον μέγεϑος τῆς δυνάμενως ἐις ἡμᾶς, τοὺς πιςεύοντας, zu erkennen, welche da ſey die uͤberſchwengliche Groͤſſe ſeine Kraft an uns, die wir glauben: ein vierfacher folget: κατὰ τὴν ἐνέργειαν τοῦ κράτους τῆς ἰσχύος ἀυτοῦ, ἣν ἐνήργησεν ἐν χριςῷ ꝛc. nach der Wirckung ſeiner maͤchtigen Staͤrcke, oder der Macht der Staͤrcke, welche er gewircket hat in Chriſto u. ſ. f. 4. Es iſt dem Apoſtel nicht genug, daß er ſaget, GOtt habe an den Glaubigen zu ihrer Bekehrung erwieſen δύναμιν, ſeine Kraft, dar- um ſetzet er das Wort μέγεϑος davor, und ſpricht: die Groͤſſe der Kraft. Und da ihm dieſes ſeinem Affecte nach noch zu wenig war, ſo ſetzet er zu dem Wort μέγεϑος noch vorher das vollwichtige Wort ὑπερροάλλον, und ſpricht: Die uͤberſchwengliche Groͤſſe ſeiner Kraft. 5. Und
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Cap. 1, 18-20. an die Epheſer.
15. Die Hoffnung des Berufs iſt die
Seligkeit, worauf uns der Beruf fuͤhret. Und
alſo iſt die Hoffnung von der verheiſſenen und ge-
hoffeten Sache zu verſtehen. Welche des-
wegen eine Hoffnung heißt, weil ſie die lebendi-
ge Hoffnung im Glauben erhaͤlt und vermehret.
Jn welchem Verſtande es Tit. 2, 13. heißt:
Warten auf die ſelige Hoffnung und Er-
ſcheinung der Herrlichkeit des groſſen
GOttes und unſers Heilandes JEſu Chri-
ſti. Welcher auch, als Urheber, der Grund
und das Object unſerer Hoffnung, unſere Hoff-
nung ſelbſt genennet wird Col. 1, 27. 1 Tim.
1, 1.
16. Jn den Worten: der Reichthum
des herrlichen Erbes, lieget ein groſſer Nach-
druck, nach der Fuͤlle ſo wol des Affects in
Paulo, als auch der Sache ſelbſt. Denn da
dieſe, nemlich die Seligkeit, ſo wichtig iſt,
daß ſie uͤber allen unſern ietzigen Begriff ge-
het, ſo gebrauchet Paulus ſolche Worte davon.
Und iſt von den dreyen: πλοῦτος τῆς δόξης τῆς
κληρονομίας, der Reichthum der Herrlich-
keit des Erbes, das Haupt-Wort die Herr-
lichkeit: als von welcher er ſaget, daß wir ſie
empfangen als ein Erbe, und zwar als ein ſo
reiches Erbe, daß wir dadurch zum groͤſſeſten
Reichthum an Heils-Guͤtern gelangen. Wie
es denn heißt 2 Cor. 8, 9. Jhr wiſſet die Gna-
de unſers HErrn JEſu Chriſti, daß ob er
wohl reich iſt, ward er doch arm um eu-
rent willen, auf daß wir durch ſeine Ar-
mnth reich wuͤrden. Dieſes herrliche Erbe heißt
oben v. 5. die Kindſchaft, und Petrus nennet
es 1 Ep. v. 4. ein unvergaͤngliches, unbe-
flecktes und unverwelckliches Erbe, das
behalten wird im Himmel. Von dieſem
reichen Erbe ſehe man unter andern Rom. 8,
17. 18. Joh. 17, 22. Offenb. 3, 21. Wer ein
ſolches Erbe glaubet und erwartet, der kan das
Zeitliche leichtlich verleugnen und verlieren,
nach Hebr. 10, 34.
17. Dieſes Erbe aber wird niemand zu
theil, als den Heiligen, welche ſich durch den
Heiligen Geiſt, als den Geiſt der Kindſchaft,
heiligen und erneuren laſſen. Daher es auch
heißt das Erbe, das allen denen gegeben
wird, die geheiliget werden. Act. 21, 32.
Siehe auch c. 26, 18. und Col. 1, 12. da es heiſt
das Erbtheil der Heiligen im Licht. Ohne
Heiligung wird niemand den HErrn ſehen
Hebr. 12, 14.
V. 19. 20.
Und (daß ihr erkennen moͤget v. 18.) wel-
che da ſey die uͤberſchwengliche Groͤſſe ſei-
ner Kraft an uns (insgeſamt, zuvorderſt aber
an uns, die wir aus den Juden zu Chriſto bekeh-
ret ſind) die wir glauben nach der Wirckung
ſeiner maͤchtigen Staͤrcke: v. 20. welche er
gewircket hat in Chriſto, da er ihn von den
Todten auferwecket hat, und geſetzet zu ſei-
ner Rechten im Himmel.
Anmerckungen.
1. Es iſt dieſer Ort einer von den aller-
nachdruͤcklichſten in der gantzen heiligen Schrift,
und ſonderlich im gantzen neuen Teſtamente und
in den Briefen Pauli: als darinnen er nach der
Fuͤlle ſeines Affects und nach dem Grunde
eigner Erfahrung faſt nicht Worte genug finden
kan, womit er das, wovon ſein Hertz ſo voll war,
genugſam moͤchte ausdrucken. Er redet aber
vom Glauben, als von der Haupt-Sache des
gantzen Chriſtenthums. Und da er aus eigner
Erfahrung wuſte, wie ſehr und wie lange der
Menſch der berufenden Gnade GOttes zu wi-
derſtehen pfleget, und was dazu gehoͤret, ehe die
Seele aus dem geiſtlichen Tode zum Leben, aus
dem Unglauben zum Glauben koͤmmt, und wie
er ſo gar nichts aus eignen Kraͤften dazu thun
koͤnne, ſo bedienet er ſich ſo vieler Worte, wel-
che alle auf die goͤttliche Gnaden-Kraft gehen.
2. Es iſt demnach zuvorderſt das Haupt-
werck zu mercken, worauf alle uͤbrige gehen:
welches iſt glauben, zum Glauben kommen,
oder, welches einerley iſt, innerlich von Her-
tzen, Muth, Sinn und allen Kraͤften geaͤndert,
oder gruͤndlich bekehret werden, und in ſolcher
Bekehrung und Wiedergeburt zum Glauben,
als einem goͤttlichen Leben und goͤttlichen Lichte,
gelangen, und alſo aus dem Reiche des Satans
ins Reich GOttes verſetzet werden.
3. Weil nun der Apoſtel aus eigner Er-
fahrung, da er aus einem grimmigen Wolfe ein
Schaf Chriſti, ja ein Hirte der Schafe und
Apoſtel worden war, wohl wuſte, wie ſolches
ſo gar nicht aus ſeinen eignen Kraͤften geſchehen,
ſondern allein der kraͤftigſten Gnaden Wirckung
GOttes zuzuſchreiben ſey, und daß auch, ob-
gleich keine auſſerordentliche, doch eine gleich
groſſe, oder unendliche Kraft GOttes zur Erwe-
ckung und Bekehrung aller andern in Suͤnden
erſtorbenen Menſchen, ſich erwieſen habe, und
noch erweiſe: ſo bedienet er ſich davon mehrer gar
nachdruͤcklichen Worte. Und alſo ſtehet das
Wort glauben, in Anſehung des goͤttlichen Uꝛ-
ſprungs, oder der Kraft GOttes, dadurch
der Glaube gewircket worden, mit einem ſieben-
fachen Nachdruck: da ein dreyfacher vor dem
Worte vorher gehet, wenn es heißt: τὸ ὑπερ-
ροάλλον μέγεϑος τῆς δυνάμενως ἐις ἡμᾶς, τοὺς
πιςεύοντας, zu erkennen, welche da ſey die
uͤberſchwengliche Groͤſſe ſeine Kraft an uns,
die wir glauben: ein vierfacher folget: κατὰ
τὴν ἐνέργειαν τοῦ κράτους τῆς ἰσχύος ἀυτοῦ, ἣν
ἐνήργησεν ἐν χριςῷ ꝛc. nach der Wirckung
ſeiner maͤchtigen Staͤrcke, oder der Macht
der Staͤrcke, welche er gewircket hat in
Chriſto u. ſ. f.
4. Es iſt dem Apoſtel nicht genug, daß er
ſaget, GOtt habe an den Glaubigen zu ihrer
Bekehrung erwieſen δύναμιν, ſeine Kraft, dar-
um ſetzet er das Wort μέγεϑος davor, und
ſpricht: die Groͤſſe der Kraft. Und da ihm
dieſes ſeinem Affecte nach noch zu wenig war,
ſo ſetzet er zu dem Wort μέγεϑος noch vorher
das vollwichtige Wort ὑπερροάλλον, und
ſpricht: Die uͤberſchwengliche Groͤſſe ſeiner
Kraft.
5. Und
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