Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.Erklärung des Briefs Pauli Cap. 1, v. 19. 20. [Spaltenumbruch]
5. Und da diese drey ersten Worte eigent- lich nur mit dem Wörtlein eis emas, an uns, construiret werden, so zeiget er darauf an, zu welchem an uns gethanen Wercke GOtt solche überschwängliche Grösse seiner Kraft beweise, nemlich zum Wercke des Glaubens. Da er denn das Wort piseuontas dazu setzet, und dieses mit den folgenden Worten construiret: tous piseuon- tas kata ten energeian tou kratous tes iskhuos a'utou, en energesen &c. Da er nun hätte sagen können: Wir glauben kata ten iskhun autou, nach seiner Stärcke, so setzet er das Wort kratos vorher, und da es sonst hätte heissen sol- len: kata to kratos tes iskhuos, nach der Macht seiner Stärcke, oder nach der Stärcke sei- nes Vermögens, so giebet er beyden Worten noch einen grössern Nachdruck, wenn er das Wort energeian, die Wirckung vorher setzet, und spricht: kata ten energeian tou kratous tes iskhuos autou, nach der Wirckung seiner mächtigen Stärcke, anzuzeigen, daß die gött- liche Kraft und Stärcke zur Anzündung des Glaubens in ihre rechte Wirckung trete. 6. Diesem sechsfachen Nachdrucke giebet der Apostel darauf noch ein neues und das grösse- ste Gewichte, wenn er die an den Menschen bey der Bekehrung und Schenckung des Glaubens erwiesene Kraft erläutert mit dem herrlichen Ex- empel des durch eine unendliche Kraft nach der menschlichen Natur aus den Todten erweckten und zur Rechten GOttes erhabenen Sohnes GOttes, wenn er spricht: Welche (mächtige Stärcke) er gewircket hat in CHristo, da er ihn von den Todten erwecket hat, und gesetzet zu seiner Rechten im Himmel, und hat alle Dinge unter seine Füsse gethan. 7. Da nun der vielfache Nachdruck dieses Orts kürtzlich erwogen ist; so haben wir nun da- hin zu sehen, wie er der Erkäntniß und der Aus- übung nach wohl anzulegen sey. Es liegen dar- innen, und fliessen daraus unter andern sonderlich folgende Lehren: a. Daß die menschliche Natur durch den Sünden-Fall äusserst u. so gar verderbt sey, daß sie sich zur Seligkeit im allerge- ringsten nicht selbst helfen könne, son- dern daß es dißfalls alles auf die kräfti- ge Gnaden-Wirckung GOttes ankom- me; daß auch dem menschlichen Geschlecht nicht anders habe geholfen werden können, als durch das Mittler-Amt des Sohnes GOt- tes, nach welchem er sich selbst für dasselbe zur Versöhnung in den Tod gegeben, aber zur Versicherung von der Gültigkeit dieses Todes wieder auferwecket worden und auferstanden sey. Daß aber der Sohn GOttes, gleichwie er durch die herrliche Kraft des Vaters erwe- cket worden, also auch durch seine eigne Kraft auferstanden sey, erhellet a. aus seiner wah- ren Gottheit, nach welcher die Erweckungs- Kraft des Vaters auch seine eigne ist: ro. aus diesen Stellen der heiligen Schrift Joh. 2, 19. u. f. 10, 17. 18. 11, 25. g. aus dem Wunder- Werck der erweckten Todten; als wodurch er seine Macht über den Tod bewiesen hat: von welcher es d. heißt: Jch habe die Schlüs- [Spaltenumbruch] sel der Höllen und des Todes. Offenb. 1, 18. b. Daß nicht allein das Reich der Natur, sondern auch das Reich der Gnaden, ein Reich der Allmacht GOttes sey: sintemal GOTT in diesem bey der Erweckung des Glaubens eine solche unendliche Macht und Kraft beweiset. c. Daß die Anzündung des Glaubens eine rechte geistliche Erweckung, und sich zum Glauben bringen lassen, und würcklich anfan- gen zu glauben, eine rechte geistliche Aufer- stehung sey: darum der Apostel anzeiget, daß in der Wirckung des Glaubens eben dieselbe göttliche Kraft bewiesen sey, welche sich in der Auferweckung CHristi hervor gethan. Das heißt denn nach c. 2, 5. 6. zwar todt gewe- sen, aber mit CHristo lebendig gemacht, mit ihm auferwecket und samt ihm ins himmlische Wesen versetzet seyn. Siehe auch Col. 3, 1. d. Daß die geistliche Erweckung, wodurch der Mensch zum Glauben gebracht wird, eine mehrere und nachdrücklichere Wirckung der göttlichen Kraft erfodere, als die leibliche Erweckung der Todten. Denn da der HErr JEsus die leiblichen Todten, z. E. den Lazarum, mit einem Worte auferwe- cket hat: so hat er gegen die geistlich todte Juden etliche Jahre hindurch gantze Reden gehalten, und sie dennoch aus ihrem geistlichen Tode nicht erwecken können, da sie sich nicht haben erwecken lassen. Da aber andere gleich- wol erwecket und zum Glauben gebracht wor- den, so ist daraus eben die Grösse der göttli- chen Kraft, welche Paulus mit so vielen Wor- ten beschreibet, zu erkennen. e. Daß die Gnade und Kraft, womit GOtt die Bekehrung des Menschen wircket, zwar an sich selbst unendlich sey, und sich aufs kräftigste äussere: allein daß sie deßwe- gen doch dem Menschen die Freyheit zum Widerstande lasse, und ihn keines we- ges zwinge. Denn wofern dieses wäre, so könte ihr niemand widerstehen. Wo ihr aber niemand widerstehen könte, gleichwie ihr der todte Cörper zur Lebendigmachung nicht wi- derstehen kan; so würden wir vor der Wider- stehung nicht so nachdrücklich gewarnet wer- den, und so wäre die Bekehrung nicht ein sol- ches sonderbares Werck GOttes, wie es Paulus mit so vielen Worten beschrieben hat. f. Daß wir also alhier diejenige Evangeli- sche Lehre gegründet finden, welche in der Mitten stehet zwischen den beyden Haupt-Jrrthümern der Pelagianer und Socinianer von den zur Bekehrung, oder zum Glauben hinlänglichen Natur-Kräften: und derer, welche ein absolutum decretum, und Vermöge desselben eine solche Gnaden-Wir- ckung statuiren, welcher der Mensch nicht wi- derstehen könne. Denn gleichwie von diesem das Gegentheil aus diesem Texte erhellet, so ist aus demselben auch nicht weniger zu erken- nen, wie gar unvermögend der Mensch in geist-
Erklaͤrung des Briefs Pauli Cap. 1, v. 19. 20. [Spaltenumbruch]
5. Und da dieſe drey erſten Worte eigent- lich nur mit dem Woͤrtlein εἰς ἡμᾶς, an uns, conſtruiret werden, ſo zeiget er darauf an, zu welchem an uns gethanen Wercke GOtt ſolche uͤberſchwaͤngliche Groͤſſe ſeiner Kraft beweiſe, nemlich zum Wercke des Glaubens. Da er denn das Wort πιςεύοντας dazu ſetzet, und dieſes mit den folgenden Worten conſtruiret: τοὺς πιςεύον- τας κατὰ τὴν ἐνέργειαν τοῦ κράτους τῆς ἰσχύος α᾽υτοῦ, ἣν ἐνήργησεν &c. Da er nun haͤtte ſagen koͤnnen: Wir glauben κατὰ τὴν ἰσχὺν ἀυτοῦ, nach ſeiner Staͤrcke, ſo ſetzet er das Wort κράτος vorher, und da es ſonſt haͤtte heiſſen ſol- len: κατὰ τὸ κράτος τῆς ἰσχύος, nach der Macht ſeiner Staͤrcke, oder nach der Staͤrcke ſei- nes Vermoͤgens, ſo giebet er beyden Worten noch einen groͤſſern Nachdruck, wenn er das Wort ἐνέργειαν, die Wirckung vorher ſetzet, und ſpricht: κατὰ τὴν ἐνέργειαν τοῦ κράτους τῆς ἰσχύος ἀυτοῦ, nach der Wirckung ſeiner maͤchtigen Staͤrcke, anzuzeigen, daß die goͤtt- liche Kraft und Staͤrcke zur Anzuͤndung des Glaubens in ihre rechte Wirckung trete. 6. Dieſem ſechsfachen Nachdrucke giebet der Apoſtel darauf noch ein neues und das groͤſſe- ſte Gewichte, wenn er die an den Menſchen bey der Bekehrung und Schenckung des Glaubens erwieſene Kraft erlaͤutert mit dem herrlichen Ex- empel des durch eine unendliche Kraft nach der menſchlichen Natur aus den Todten erweckten und zur Rechten GOttes erhabenen Sohnes GOttes, wenn er ſpricht: Welche (maͤchtige Staͤrcke) er gewircket hat in CHriſto, da er ihn von den Todten erwecket hat, und geſetzet zu ſeiner Rechten im Himmel, und hat alle Dinge unter ſeine Fuͤſſe gethan. 7. Da nun der vielfache Nachdruck dieſes Orts kuͤrtzlich erwogen iſt; ſo haben wir nun da- hin zu ſehen, wie er der Erkaͤntniß und der Aus- uͤbung nach wohl anzulegen ſey. Es liegen dar- innen, und flieſſen daraus unter andern ſonderlich folgende Lehren: a. Daß die menſchliche Natur durch den Suͤnden-Fall aͤuſſerſt u. ſo gar verderbt ſey, daß ſie ſich zur Seligkeit im allerge- ringſten nicht ſelbſt helfen koͤnne, ſon- dern daß es dißfalls alles auf die kraͤfti- ge Gnaden-Wirckung GOttes ankom- me; daß auch dem menſchlichen Geſchlecht nicht anders habe geholfen werden koͤnnen, als durch das Mittler-Amt des Sohnes GOt- tes, nach welchem er ſich ſelbſt fuͤr daſſelbe zur Verſoͤhnung in den Tod gegeben, aber zur Verſicherung von der Guͤltigkeit dieſes Todes wieder auferwecket worden und auferſtanden ſey. Daß aber der Sohn GOttes, gleichwie er durch die herrliche Kraft des Vaters erwe- cket worden, alſo auch durch ſeine eigne Kraft auferſtanden ſey, erhellet α. aus ſeiner wah- ren Gottheit, nach welcher die Erweckungs- Kraft des Vaters auch ſeine eigne iſt: ρο. aus dieſen Stellen der heiligen Schrift Joh. 2, 19. u. f. 10, 17. 18. 11, 25. γ. aus dem Wunder- Werck der erweckten Todten; als wodurch er ſeine Macht uͤber den Tod bewieſen hat: von welcher es δ. heißt: Jch habe die Schluͤſ- [Spaltenumbruch] ſel der Hoͤllen und des Todes. Offenb. 1, 18. b. Daß nicht allein das Reich der Natur, ſondern auch das Reich der Gnaden, ein Reich der Allmacht GOttes ſey: ſintemal GOTT in dieſem bey der Erweckung des Glaubens eine ſolche unendliche Macht und Kraft beweiſet. c. Daß die Anzuͤndung des Glaubens eine rechte geiſtliche Erweckung, und ſich zum Glauben bringen laſſen, und wuͤrcklich anfan- gen zu glauben, eine rechte geiſtliche Aufer- ſtehung ſey: darum der Apoſtel anzeiget, daß in der Wirckung des Glaubens eben dieſelbe goͤttliche Kraft bewieſen ſey, welche ſich in der Auferweckung CHriſti hervor gethan. Das heißt denn nach c. 2, 5. 6. zwar todt gewe- ſen, aber mit CHriſto lebendig gemacht, mit ihm auferwecket und ſamt ihm ins himmliſche Weſen verſetzet ſeyn. Siehe auch Col. 3, 1. d. Daß die geiſtliche Erweckung, wodurch der Menſch zum Glauben gebracht wird, eine mehrere und nachdruͤcklichere Wirckung der goͤttlichen Kraft erfodere, als die leibliche Erweckung der Todten. Denn da der HErr JEſus die leiblichen Todten, z. E. den Lazarum, mit einem Worte auferwe- cket hat: ſo hat er gegen die geiſtlich todte Juden etliche Jahre hindurch gantze Reden gehalten, und ſie dennoch aus ihrem geiſtlichen Tode nicht erwecken koͤnnen, da ſie ſich nicht haben erwecken laſſen. Da aber andere gleich- wol erwecket und zum Glauben gebracht wor- den, ſo iſt daraus eben die Groͤſſe der goͤttli- chen Kraft, welche Paulus mit ſo vielen Wor- ten beſchreibet, zu erkennen. e. Daß die Gnade und Kraft, womit GOtt die Bekehrung des Menſchen wircket, zwar an ſich ſelbſt unendlich ſey, und ſich aufs kraͤftigſte aͤuſſere: allein daß ſie deßwe- gen doch dem Menſchen die Freyheit zum Widerſtande laſſe, und ihn keines we- ges zwinge. Denn wofern dieſes waͤre, ſo koͤnte ihr niemand widerſtehen. Wo ihr aber niemand widerſtehen koͤnte, gleichwie ihr der todte Coͤrper zur Lebendigmachung nicht wi- derſtehen kan; ſo wuͤrden wir vor der Wider- ſtehung nicht ſo nachdruͤcklich gewarnet wer- den, und ſo waͤre die Bekehrung nicht ein ſol- ches ſonderbares Werck GOttes, wie es Paulus mit ſo vielen Worten beſchrieben hat. f. Daß wir alſo alhier diejenige Evangeli- ſche Lehre gegruͤndet finden, welche in der Mitten ſtehet zwiſchen den beyden Haupt-Jrrthuͤmern der Pelagianer und Socinianer von den zur Bekehrung, oder zum Glauben hinlaͤnglichen Natur-Kraͤften: und derer, welche ein abſolutum decretum, und Vermoͤge deſſelben eine ſolche Gnaden-Wir- ckung ſtatuiren, welcher der Menſch nicht wi- derſtehen koͤnne. Denn gleichwie von dieſem das Gegentheil aus dieſem Texte erhellet, ſo iſt aus demſelben auch nicht weniger zu erken- nen, wie gar unvermoͤgend der Menſch in geiſt-
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Erklaͤrung des Briefs Pauli Cap. 1, v. 19. 20.
5. Und da dieſe drey erſten Worte eigent-
lich nur mit dem Woͤrtlein εἰς ἡμᾶς, an uns,
conſtruiret werden, ſo zeiget er darauf an, zu
welchem an uns gethanen Wercke GOtt ſolche
uͤberſchwaͤngliche Groͤſſe ſeiner Kraft beweiſe,
nemlich zum Wercke des Glaubens. Da er denn
das Wort πιςεύοντας dazu ſetzet, und dieſes mit
den folgenden Worten conſtruiret: τοὺς πιςεύον-
τας κατὰ τὴν ἐνέργειαν τοῦ κράτους τῆς ἰσχύος
α᾽υτοῦ, ἣν ἐνήργησεν &c. Da er nun haͤtte ſagen
koͤnnen: Wir glauben κατὰ τὴν ἰσχὺν ἀυτοῦ,
nach ſeiner Staͤrcke, ſo ſetzet er das Wort
κράτος vorher, und da es ſonſt haͤtte heiſſen ſol-
len: κατὰ τὸ κράτος τῆς ἰσχύος, nach der
Macht ſeiner Staͤrcke, oder nach der Staͤrcke ſei-
nes Vermoͤgens, ſo giebet er beyden Worten
noch einen groͤſſern Nachdruck, wenn er das
Wort ἐνέργειαν, die Wirckung vorher ſetzet, und
ſpricht: κατὰ τὴν ἐνέργειαν τοῦ κράτους τῆς
ἰσχύος ἀυτοῦ, nach der Wirckung ſeiner
maͤchtigen Staͤrcke, anzuzeigen, daß die goͤtt-
liche Kraft und Staͤrcke zur Anzuͤndung des
Glaubens in ihre rechte Wirckung trete.
6. Dieſem ſechsfachen Nachdrucke giebet
der Apoſtel darauf noch ein neues und das groͤſſe-
ſte Gewichte, wenn er die an den Menſchen bey
der Bekehrung und Schenckung des Glaubens
erwieſene Kraft erlaͤutert mit dem herrlichen Ex-
empel des durch eine unendliche Kraft nach der
menſchlichen Natur aus den Todten erweckten
und zur Rechten GOttes erhabenen Sohnes
GOttes, wenn er ſpricht: Welche (maͤchtige
Staͤrcke) er gewircket hat in CHriſto, da er ihn
von den Todten erwecket hat, und geſetzet zu
ſeiner Rechten im Himmel, und hat alle Dinge
unter ſeine Fuͤſſe gethan.
7. Da nun der vielfache Nachdruck dieſes
Orts kuͤrtzlich erwogen iſt; ſo haben wir nun da-
hin zu ſehen, wie er der Erkaͤntniß und der Aus-
uͤbung nach wohl anzulegen ſey. Es liegen dar-
innen, und flieſſen daraus unter andern ſonderlich
folgende Lehren:
a. Daß die menſchliche Natur durch den
Suͤnden-Fall aͤuſſerſt u. ſo gar verderbt
ſey, daß ſie ſich zur Seligkeit im allerge-
ringſten nicht ſelbſt helfen koͤnne, ſon-
dern daß es dißfalls alles auf die kraͤfti-
ge Gnaden-Wirckung GOttes ankom-
me; daß auch dem menſchlichen Geſchlecht
nicht anders habe geholfen werden koͤnnen,
als durch das Mittler-Amt des Sohnes GOt-
tes, nach welchem er ſich ſelbſt fuͤr daſſelbe zur
Verſoͤhnung in den Tod gegeben, aber zur
Verſicherung von der Guͤltigkeit dieſes Todes
wieder auferwecket worden und auferſtanden
ſey. Daß aber der Sohn GOttes, gleichwie
er durch die herrliche Kraft des Vaters erwe-
cket worden, alſo auch durch ſeine eigne Kraft
auferſtanden ſey, erhellet α. aus ſeiner wah-
ren Gottheit, nach welcher die Erweckungs-
Kraft des Vaters auch ſeine eigne iſt: ρο. aus
dieſen Stellen der heiligen Schrift Joh. 2, 19.
u. f. 10, 17. 18. 11, 25. γ. aus dem Wunder-
Werck der erweckten Todten; als wodurch
er ſeine Macht uͤber den Tod bewieſen hat:
von welcher es δ. heißt: Jch habe die Schluͤſ-
ſel der Hoͤllen und des Todes. Offenb.
1, 18.
b. Daß nicht allein das Reich der Natur,
ſondern auch das Reich der Gnaden, ein
Reich der Allmacht GOttes ſey: ſintemal
GOTT in dieſem bey der Erweckung des
Glaubens eine ſolche unendliche Macht und
Kraft beweiſet.
c. Daß die Anzuͤndung des Glaubens eine
rechte geiſtliche Erweckung, und ſich zum
Glauben bringen laſſen, und wuͤrcklich anfan-
gen zu glauben, eine rechte geiſtliche Aufer-
ſtehung ſey: darum der Apoſtel anzeiget, daß
in der Wirckung des Glaubens eben dieſelbe
goͤttliche Kraft bewieſen ſey, welche ſich in der
Auferweckung CHriſti hervor gethan. Das
heißt denn nach c. 2, 5. 6. zwar todt gewe-
ſen, aber mit CHriſto lebendig gemacht,
mit ihm auferwecket und ſamt ihm ins
himmliſche Weſen verſetzet ſeyn. Siehe
auch Col. 3, 1.
d. Daß die geiſtliche Erweckung, wodurch
der Menſch zum Glauben gebracht wird, eine
mehrere und nachdruͤcklichere Wirckung
der goͤttlichen Kraft erfodere, als die
leibliche Erweckung der Todten. Denn
da der HErr JEſus die leiblichen Todten, z.
E. den Lazarum, mit einem Worte auferwe-
cket hat: ſo hat er gegen die geiſtlich todte
Juden etliche Jahre hindurch gantze Reden
gehalten, und ſie dennoch aus ihrem geiſtlichen
Tode nicht erwecken koͤnnen, da ſie ſich nicht
haben erwecken laſſen. Da aber andere gleich-
wol erwecket und zum Glauben gebracht wor-
den, ſo iſt daraus eben die Groͤſſe der goͤttli-
chen Kraft, welche Paulus mit ſo vielen Wor-
ten beſchreibet, zu erkennen.
e. Daß die Gnade und Kraft, womit GOtt
die Bekehrung des Menſchen wircket, zwar
an ſich ſelbſt unendlich ſey, und ſich aufs
kraͤftigſte aͤuſſere: allein daß ſie deßwe-
gen doch dem Menſchen die Freyheit zum
Widerſtande laſſe, und ihn keines we-
ges zwinge. Denn wofern dieſes waͤre, ſo
koͤnte ihr niemand widerſtehen. Wo ihr aber
niemand widerſtehen koͤnte, gleichwie ihr der
todte Coͤrper zur Lebendigmachung nicht wi-
derſtehen kan; ſo wuͤrden wir vor der Wider-
ſtehung nicht ſo nachdruͤcklich gewarnet wer-
den, und ſo waͤre die Bekehrung nicht ein ſol-
ches ſonderbares Werck GOttes, wie es
Paulus mit ſo vielen Worten beſchrieben
hat.
f. Daß wir alſo alhier diejenige Evangeli-
ſche Lehre gegruͤndet finden, welche in
der Mitten ſtehet zwiſchen den beyden
Haupt-Jrrthuͤmern der Pelagianer und
Socinianer von den zur Bekehrung, oder zum
Glauben hinlaͤnglichen Natur-Kraͤften: und
derer, welche ein abſolutum decretum, und
Vermoͤge deſſelben eine ſolche Gnaden-Wir-
ckung ſtatuiren, welcher der Menſch nicht wi-
derſtehen koͤnne. Denn gleichwie von dieſem
das Gegentheil aus dieſem Texte erhellet, ſo
iſt aus demſelben auch nicht weniger zu erken-
nen, wie gar unvermoͤgend der Menſch in
geiſt-
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