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Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.

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Cap. 2, 12. an die Galater.
[Spaltenumbruch] von denen, die genennet sind die Beschnei-
dung nach dem Fleisch
(von den Jüden,
welche die Beschneidung, als ein Zeichen des
Bundes mit GOTT an ihrem Fleische hatten
1 B M 17, 11.) die mit der Hand geschiehet
(und also nur was äusserliches war, und ausser
dem Glauben an den Meßiam, und ausser der
Ordnung der Wiedergeburt, als einer Beschnei-
dung des Hertzens, darauf sie ihr Absehen hatte,
zur Seligkeit denen sich darauf verlassenden Jü-
den nichts helfen konte Rom. 2, 29.) daß ihr zu
derselben Zeit waret ohne Christo
(und also
ausser allem Heil Ap. Gesch. 4, 12.) Fremde
und ausser der Bürgerschaft Jsrael
(wel-
ches diesen Vorzug vor allen übrigen Völckern
hatte, daß es GOtt zu seinem besonders eigen-
thümlichen Volcke, dem er vor andern seinen
Willen geoffenbaret, erwehlet hatte) und
fremde von den Testamenten der Verheis-
sung
(die auf Christum den Erlöser ging) daher
ihr keine Hoffnung hattet
(nemlich keine
wahre und gewisse Hoffnung von der zukünftigen
Seligkeit und vorhergehenden herrlichen Auf-
erstehung von den Todten) und waret ohne
GOtt in der Welt
(also, daß ihr zwar wol da-
für hieltet, es müste ausser den so vielen selbst
erdichteten und gemachten falschen Göttern ein
einiger wahrer GOtt seyn, ihn doch aber nicht
recht erkanntet, noch ihm dienetet, und vielwe-
niger zur Seligkeit mit ihm in einer Gemein-
schaft stundet, und demnach in der That ohne
GOtt waret.)

Anmerckungen.
1. Der Apostel redet alhier von der zu
Christo bekehrten ihrem vormaligen sehr verderb-
ten und verdammlichen Zustande mit sehr nach-
drücklichen Worten. Dannenhero er nach den
Anfangs-Worten: gedencket daran, die
Worte: daß ihr, erstlich v. 11. setzet mit der
Anzeigung, wie sie als Heiden von den Juden
unterschieden gewesen; und gedachte Worte
hernach v. 12. wiederholet: daß ihr u. s. w.
und das verbum waret dazu setzet, und bezeuget,
wie sie ausser der Gemeinschaft des Jüdischen
Volckes auch ausser Christo und der Seligkeit
gewesen wären.
2. Um diesen unseligen Zustand so vielmehr
zu bedencken, haben wir hiebey zu erwegen, daß
alles dieses auch von unsern Vorfahren wahr
sey, und wie groß und herrlich das Licht sey, das
uns zur Seligkeit im Evangelio von Christo schon
vorlängst ist aufgegangen.
3. Die Heidenschaft hat sich erstlich ange-
hoben zu den Zeiten Abrahams, da GOtt durch
die Beschneidung ihn und seine Nachkommen
von allen andern Völckern zu dem Ende unter-
schieden hat, daß aus jenen der Meßias, oder
Heiland der Welt, entstehen solte, und sie da-
her, um die Zukunft und Gegenwart, auch das
Erlösungs-Werck des Meßiä zu erkennen, von
allen übrigen Nationen unterschieden werden
musten. Welcher Unterscheid denn hernach zu
den Zeiten Mosis durch eine besondere Verfas-
sung ihrer Republic und ihres Gottesdienstes
noch viel grösser worden ist. Es sind demnach
[Spaltenumbruch] Heiden nichts anders, als die von den Jüden auf
so mancherley Art unterschiedene übrige Völcker,
wie sie denn auch im Hebräischen [fremdsprachliches Material - fehlt] und im
Griechischen ta ethne, gentes, die Völcker
heissen.
4. Ob nun gleich GOtt das Jüdische Volck
von allen übrigen Völckern um des Meßiä wil-
len dergestalt unterschieden hat; so sind jene doch
damit keines weges von der Gnade GOttes und
ewigen Seligkeit so schlechthin ausgeschlossen
worden, sondern der Weg hiezu ist ihnen offen
gestanden. Denn sie haben sich bedienen kön-
nen theils der vom Noa und seinen Kindern auf
dem gantzen Erdboden anfangs ausgebreiteten
heilsamen Lehre vom wahren GOtt und dem
Heilande der Welt; als die sie billig in ihrer
Lauterkeit hätten bewahren und weiter fortpflan-
tzen sollen; theils des von der Jüdischen Nation
abstrahlenden herrlichen Glantzes der geoffenba-
reten wahren Religion. Welcher Mittel von
beyderley Art sich auch manche heilsamlich ge-
brauchet haben. Allein die allermeisten sind
dahin verfallen, daß sie ohne Christum, ohne
Hoffnung und ohne GOtt gewesen; wie sie der
Apostel alhier beschreibet.
5. Das Testament der Verheissung ist
eigentlich nur einfach gewesen, in so fern die
Verheissung der Erfüllung, und also das alte
Testament, dazu nebst den Verheissungen son-
derlich der Levitische GOttesdienst gehöret, dem
neuen entgegen gesetzet wird. Daß aber der
Apostel davon redet in der Zahl der Vielheit, und
spricht von den Testamenten, so siehet er damit
wohl ohne Zweifel nebst dem alten zugleich mit
auf das neue Testament, so auch ein Testament
der Verheissungen, nemlich der erfülleten, war,
und von welchem die Heiden, ehe die unter den
Juden schon vorher promulgirte neue Oecono-
mie
zu ihnen kam, auch entfremdet waren.
6. Es ist zwar an dem, daß auch die Heiden,
zum wenigsten viele unter ihnen, die Hoffnung
des ewigen Lebens gehabt haben: allein, weil sie
als Heiden keinen rechten Begriff vom ewigen
Leben selbst und von dem dazu gelegten Grunde
in Christo, auch von denen dazu verordneten
Gnaden-Mitteln hatten, und also noch vielwe-
niger in der rechten Heils-Ordnung stunden, und
folglich ihre Hoffnung von sehr schlechter Be-
schaffenheit war, also, daß sie bey derselben zu-
schanden werden musten: so hält der Apostel ih-
re Hoffnug für keine, nemlich wahre Hoff-
nung.
Desgleichen spricht der Apostel von den
Heiden 1 Thess. 4, 13. insonderheit in Ansehung
der von ihnen nicht erkanten seligen Auferstehung
von den Todten.
7. Hier hält der Apostel die Heiden für
Atheisten: da er denn das Wort Atheisten
in diesem Verstande nimmt, daß man den wah-
ren GOtt, ob man ihn gleich nicht verleugnet,
doch auch nicht einmal nach dem Lichte der Na-
tur recht erkant und gedienet hat, vielweniger
nach dem Lichte und der Gnade der Offenbarung
in einer seligen Gemeinschaft mit ihm gestanden
ist; sondern bey der abergläubischen Viel- und
Abgötterey so weit verfallen, daß theils die noch
übrige Erkäntniß von dem einigen wahren GOtt
da-
J i i i 2

Cap. 2, 12. an die Galater.
[Spaltenumbruch] von denen, die genennet ſind die Beſchnei-
dung nach dem Fleiſch
(von den Juͤden,
welche die Beſchneidung, als ein Zeichen des
Bundes mit GOTT an ihrem Fleiſche hatten
1 B M 17, 11.) die mit der Hand geſchiehet
(und alſo nur was aͤuſſerliches war, und auſſer
dem Glauben an den Meßiam, und auſſer der
Ordnung der Wiedergeburt, als einer Beſchnei-
dung des Hertzens, darauf ſie ihr Abſehen hatte,
zur Seligkeit denen ſich darauf verlaſſenden Juͤ-
den nichts helfen konte Rom. 2, 29.) daß ihr zu
derſelben Zeit waret ohne Chriſto
(und alſo
auſſer allem Heil Ap. Geſch. 4, 12.) Fremde
und auſſer der Buͤrgerſchaft Jſrael
(wel-
ches dieſen Vorzug vor allen uͤbrigen Voͤlckern
hatte, daß es GOtt zu ſeinem beſonders eigen-
thuͤmlichen Volcke, dem er vor andern ſeinen
Willen geoffenbaret, erwehlet hatte) und
fremde von den Teſtamenten der Verheiſ-
ſung
(die auf Chriſtum den Erloͤſer ging) daher
ihr keine Hoffnung hattet
(nemlich keine
wahre und gewiſſe Hoffnung von der zukuͤnftigen
Seligkeit und vorhergehenden herrlichen Auf-
erſtehung von den Todten) und waret ohne
GOtt in der Welt
(alſo, daß ihr zwar wol da-
fuͤr hieltet, es muͤſte auſſer den ſo vielen ſelbſt
erdichteten und gemachten falſchen Goͤttern ein
einiger wahrer GOtt ſeyn, ihn doch aber nicht
recht erkanntet, noch ihm dienetet, und vielwe-
niger zur Seligkeit mit ihm in einer Gemein-
ſchaft ſtundet, und demnach in der That ohne
GOtt waret.)

Anmerckungen.
1. Der Apoſtel redet alhier von der zu
Chriſto bekehrten ihrem vormaligen ſehr verderb-
ten und verdammlichen Zuſtande mit ſehr nach-
druͤcklichen Worten. Dannenhero er nach den
Anfangs-Worten: gedencket daran, die
Worte: daß ihr, erſtlich v. 11. ſetzet mit der
Anzeigung, wie ſie als Heiden von den Juden
unterſchieden geweſen; und gedachte Worte
hernach v. 12. wiederholet: daß ihr u. ſ. w.
und das verbum waret dazu ſetzet, und bezeuget,
wie ſie auſſer der Gemeinſchaft des Juͤdiſchen
Volckes auch auſſer Chriſto und der Seligkeit
geweſen waͤren.
2. Um dieſen unſeligen Zuſtand ſo vielmehr
zu bedencken, haben wir hiebey zu erwegen, daß
alles dieſes auch von unſern Vorfahren wahr
ſey, und wie groß und herrlich das Licht ſey, das
uns zur Seligkeit im Evangelio von Chriſto ſchon
vorlaͤngſt iſt aufgegangen.
3. Die Heidenſchaft hat ſich erſtlich ange-
hoben zu den Zeiten Abrahams, da GOtt durch
die Beſchneidung ihn und ſeine Nachkommen
von allen andern Voͤlckern zu dem Ende unter-
ſchieden hat, daß aus jenen der Meßias, oder
Heiland der Welt, entſtehen ſolte, und ſie da-
her, um die Zukunft und Gegenwart, auch das
Erloͤſungs-Werck des Meßiaͤ zu erkennen, von
allen uͤbrigen Nationen unterſchieden werden
muſten. Welcher Unterſcheid denn hernach zu
den Zeiten Moſis durch eine beſondere Verfaſ-
ſung ihrer Republic und ihres Gottesdienſtes
noch viel groͤſſer worden iſt. Es ſind demnach
[Spaltenumbruch] Heiden nichts anders, als die von den Juͤden auf
ſo mancherley Art unterſchiedene uͤbrige Voͤlcker,
wie ſie denn auch im Hebraͤiſchen [fremdsprachliches Material – fehlt] und im
Griechiſchen τὰ ἔϑνη, gentes, die Voͤlcker
heiſſen.
4. Ob nun gleich GOtt das Juͤdiſche Volck
von allen uͤbrigen Voͤlckern um des Meßiaͤ wil-
len dergeſtalt unterſchieden hat; ſo ſind jene doch
damit keines weges von der Gnade GOttes und
ewigen Seligkeit ſo ſchlechthin ausgeſchloſſen
worden, ſondern der Weg hiezu iſt ihnen offen
geſtanden. Denn ſie haben ſich bedienen koͤn-
nen theils der vom Noa und ſeinen Kindern auf
dem gantzen Erdboden anfangs ausgebreiteten
heilſamen Lehre vom wahren GOtt und dem
Heilande der Welt; als die ſie billig in ihrer
Lauterkeit haͤtten bewahren und weiter fortpflan-
tzen ſollen; theils des von der Juͤdiſchen Nation
abſtrahlenden herrlichen Glantzes der geoffenba-
reten wahren Religion. Welcher Mittel von
beyderley Art ſich auch manche heilſamlich ge-
brauchet haben. Allein die allermeiſten ſind
dahin verfallen, daß ſie ohne Chriſtum, ohne
Hoffnung und ohne GOtt geweſen; wie ſie der
Apoſtel alhier beſchreibet.
5. Das Teſtament der Verheiſſung iſt
eigentlich nur einfach geweſen, in ſo fern die
Verheiſſung der Erfuͤllung, und alſo das alte
Teſtament, dazu nebſt den Verheiſſungen ſon-
derlich der Levitiſche GOttesdienſt gehoͤret, dem
neuen entgegen geſetzet wird. Daß aber der
Apoſtel davon redet in der Zahl der Vielheit, und
ſpricht von den Teſtamenten, ſo ſiehet er damit
wohl ohne Zweifel nebſt dem alten zugleich mit
auf das neue Teſtament, ſo auch ein Teſtament
der Verheiſſungen, nemlich der erfuͤlleten, war,
und von welchem die Heiden, ehe die unter den
Juden ſchon vorher promulgirte neue Oecono-
mie
zu ihnen kam, auch entfremdet waren.
6. Es iſt zwar an dem, daß auch die Heiden,
zum wenigſten viele unter ihnen, die Hoffnung
des ewigen Lebens gehabt haben: allein, weil ſie
als Heiden keinen rechten Begriff vom ewigen
Leben ſelbſt und von dem dazu gelegten Grunde
in Chriſto, auch von denen dazu verordneten
Gnaden-Mitteln hatten, und alſo noch vielwe-
niger in der rechten Heils-Ordnung ſtunden, und
folglich ihre Hoffnung von ſehr ſchlechter Be-
ſchaffenheit war, alſo, daß ſie bey derſelben zu-
ſchanden werden muſten: ſo haͤlt der Apoſtel ih-
re Hoffnug fuͤr keine, nemlich wahre Hoff-
nung.
Desgleichen ſpricht der Apoſtel von den
Heiden 1 Theſſ. 4, 13. inſonderheit in Anſehung
der von ihnen nicht erkanten ſeligen Auferſtehung
von den Todten.
7. Hier haͤlt der Apoſtel die Heiden fuͤr
Atheiſten: da er denn das Wort Atheiſten
in dieſem Verſtande nimmt, daß man den wah-
ren GOtt, ob man ihn gleich nicht verleugnet,
doch auch nicht einmal nach dem Lichte der Na-
tur recht erkant und gedienet hat, vielweniger
nach dem Lichte und der Gnade der Offenbarung
in einer ſeligen Gemeinſchaft mit ihm geſtanden
iſt; ſondern bey der aberglaͤubiſchen Viel- und
Abgoͤtterey ſo weit verfallen, daß theils die noch
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J i i i 2
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[619/0647] Cap. 2, 12. an die Galater. von denen, die genennet ſind die Beſchnei- dung nach dem Fleiſch (von den Juͤden, welche die Beſchneidung, als ein Zeichen des Bundes mit GOTT an ihrem Fleiſche hatten 1 B M 17, 11.) die mit der Hand geſchiehet (und alſo nur was aͤuſſerliches war, und auſſer dem Glauben an den Meßiam, und auſſer der Ordnung der Wiedergeburt, als einer Beſchnei- dung des Hertzens, darauf ſie ihr Abſehen hatte, zur Seligkeit denen ſich darauf verlaſſenden Juͤ- den nichts helfen konte Rom. 2, 29.) daß ihr zu derſelben Zeit waret ohne Chriſto (und alſo auſſer allem Heil Ap. Geſch. 4, 12.) Fremde und auſſer der Buͤrgerſchaft Jſrael (wel- ches dieſen Vorzug vor allen uͤbrigen Voͤlckern hatte, daß es GOtt zu ſeinem beſonders eigen- thuͤmlichen Volcke, dem er vor andern ſeinen Willen geoffenbaret, erwehlet hatte) und fremde von den Teſtamenten der Verheiſ- ſung (die auf Chriſtum den Erloͤſer ging) daher ihr keine Hoffnung hattet (nemlich keine wahre und gewiſſe Hoffnung von der zukuͤnftigen Seligkeit und vorhergehenden herrlichen Auf- erſtehung von den Todten) und waret ohne GOtt in der Welt (alſo, daß ihr zwar wol da- fuͤr hieltet, es muͤſte auſſer den ſo vielen ſelbſt erdichteten und gemachten falſchen Goͤttern ein einiger wahrer GOtt ſeyn, ihn doch aber nicht recht erkanntet, noch ihm dienetet, und vielwe- niger zur Seligkeit mit ihm in einer Gemein- ſchaft ſtundet, und demnach in der That ohne GOtt waret.) Anmerckungen. 1. Der Apoſtel redet alhier von der zu Chriſto bekehrten ihrem vormaligen ſehr verderb- ten und verdammlichen Zuſtande mit ſehr nach- druͤcklichen Worten. Dannenhero er nach den Anfangs-Worten: gedencket daran, die Worte: daß ihr, erſtlich v. 11. ſetzet mit der Anzeigung, wie ſie als Heiden von den Juden unterſchieden geweſen; und gedachte Worte hernach v. 12. wiederholet: daß ihr u. ſ. w. und das verbum waret dazu ſetzet, und bezeuget, wie ſie auſſer der Gemeinſchaft des Juͤdiſchen Volckes auch auſſer Chriſto und der Seligkeit geweſen waͤren. 2. Um dieſen unſeligen Zuſtand ſo vielmehr zu bedencken, haben wir hiebey zu erwegen, daß alles dieſes auch von unſern Vorfahren wahr ſey, und wie groß und herrlich das Licht ſey, das uns zur Seligkeit im Evangelio von Chriſto ſchon vorlaͤngſt iſt aufgegangen. 3. Die Heidenſchaft hat ſich erſtlich ange- hoben zu den Zeiten Abrahams, da GOtt durch die Beſchneidung ihn und ſeine Nachkommen von allen andern Voͤlckern zu dem Ende unter- ſchieden hat, daß aus jenen der Meßias, oder Heiland der Welt, entſtehen ſolte, und ſie da- her, um die Zukunft und Gegenwart, auch das Erloͤſungs-Werck des Meßiaͤ zu erkennen, von allen uͤbrigen Nationen unterſchieden werden muſten. Welcher Unterſcheid denn hernach zu den Zeiten Moſis durch eine beſondere Verfaſ- ſung ihrer Republic und ihres Gottesdienſtes noch viel groͤſſer worden iſt. Es ſind demnach Heiden nichts anders, als die von den Juͤden auf ſo mancherley Art unterſchiedene uͤbrige Voͤlcker, wie ſie denn auch im Hebraͤiſchen _ und im Griechiſchen τὰ ἔϑνη, gentes, die Voͤlcker heiſſen. 4. Ob nun gleich GOtt das Juͤdiſche Volck von allen uͤbrigen Voͤlckern um des Meßiaͤ wil- len dergeſtalt unterſchieden hat; ſo ſind jene doch damit keines weges von der Gnade GOttes und ewigen Seligkeit ſo ſchlechthin ausgeſchloſſen worden, ſondern der Weg hiezu iſt ihnen offen geſtanden. Denn ſie haben ſich bedienen koͤn- nen theils der vom Noa und ſeinen Kindern auf dem gantzen Erdboden anfangs ausgebreiteten heilſamen Lehre vom wahren GOtt und dem Heilande der Welt; als die ſie billig in ihrer Lauterkeit haͤtten bewahren und weiter fortpflan- tzen ſollen; theils des von der Juͤdiſchen Nation abſtrahlenden herrlichen Glantzes der geoffenba- reten wahren Religion. Welcher Mittel von beyderley Art ſich auch manche heilſamlich ge- brauchet haben. Allein die allermeiſten ſind dahin verfallen, daß ſie ohne Chriſtum, ohne Hoffnung und ohne GOtt geweſen; wie ſie der Apoſtel alhier beſchreibet. 5. Das Teſtament der Verheiſſung iſt eigentlich nur einfach geweſen, in ſo fern die Verheiſſung der Erfuͤllung, und alſo das alte Teſtament, dazu nebſt den Verheiſſungen ſon- derlich der Levitiſche GOttesdienſt gehoͤret, dem neuen entgegen geſetzet wird. Daß aber der Apoſtel davon redet in der Zahl der Vielheit, und ſpricht von den Teſtamenten, ſo ſiehet er damit wohl ohne Zweifel nebſt dem alten zugleich mit auf das neue Teſtament, ſo auch ein Teſtament der Verheiſſungen, nemlich der erfuͤlleten, war, und von welchem die Heiden, ehe die unter den Juden ſchon vorher promulgirte neue Oecono- mie zu ihnen kam, auch entfremdet waren. 6. Es iſt zwar an dem, daß auch die Heiden, zum wenigſten viele unter ihnen, die Hoffnung des ewigen Lebens gehabt haben: allein, weil ſie als Heiden keinen rechten Begriff vom ewigen Leben ſelbſt und von dem dazu gelegten Grunde in Chriſto, auch von denen dazu verordneten Gnaden-Mitteln hatten, und alſo noch vielwe- niger in der rechten Heils-Ordnung ſtunden, und folglich ihre Hoffnung von ſehr ſchlechter Be- ſchaffenheit war, alſo, daß ſie bey derſelben zu- ſchanden werden muſten: ſo haͤlt der Apoſtel ih- re Hoffnug fuͤr keine, nemlich wahre Hoff- nung. Desgleichen ſpricht der Apoſtel von den Heiden 1 Theſſ. 4, 13. inſonderheit in Anſehung der von ihnen nicht erkanten ſeligen Auferſtehung von den Todten. 7. Hier haͤlt der Apoſtel die Heiden fuͤr Atheiſten: da er denn das Wort Atheiſten in dieſem Verſtande nimmt, daß man den wah- ren GOtt, ob man ihn gleich nicht verleugnet, doch auch nicht einmal nach dem Lichte der Na- tur recht erkant und gedienet hat, vielweniger nach dem Lichte und der Gnade der Offenbarung in einer ſeligen Gemeinſchaft mit ihm geſtanden iſt; ſondern bey der aberglaͤubiſchen Viel- und Abgoͤtterey ſo weit verfallen, daß theils die noch uͤbrige Erkaͤntniß von dem einigen wahren GOtt da- J i i i 2

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729, S. 619. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht01_1729/647>, abgerufen am 24.11.2024.