Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.Erklärung des Briefs Pauli Cap. 3, 19-21. [Spaltenumbruch]
er uns liebet, alle unsere Erkäntniß weit über-steiget. Daher die Griechischen Worte eigent- lich also zu übersetzen sind: und zu erkennen die Liebe Christi, die das Erkäntniß über- trifft. 4. Nun möchte es zwar als eine Contradi- ction können angesehen werden, daß man das erkennen solle, was doch die Erkäntniß überstei- get: allein ein anders ist, etwas Stückweise, ein anders es völlig erkennen. 1 Cor. 13. Und dieses, daß eine Sache ihrer Tiefe und Höhe, Weite und Breite nach, über unsern Begriff ge- he, wird eben dadurch erkant, wenn wir wahr- nehmen, wie daß unsere Erkäntniß zwar richtig sey, aber doch noch sehr unvollkommen bleibe. Wie es einem also auch in vielen natürlichen Wissenschaften ergehet, daß man nemlich durch deroselben Erkäntniß, und durch den Wachs- thum darinnen immer mehr erkennet, was einem noch fehlet. 5. Es ist gewiß an dem, daß, ob gleich das Geheimniß der allgemeinen Liebe GOttes in Christo noch so deutlich und so reichlich in der heiligen Schrift vorgetragen ist, wir dennoch von dem, was uns buchstäblich bezeuget worden, und was wir auch gläubig annehmen, das al- lerwenigste, ja wol gar nichts, recht völlig durch- schauen, sondern bey einer heiligen und demüthi- gen Bewunderung müssen stehen bleiben. 6. Durch die Fülle verstehet der Apostel al- lerley Gnaden-Gaben, welche GOtt im rei- chen Masse austheilet: daher sie GOttes-Fül- le genennet werden. 7. Diese Fülle war in Christo Col. 1, 19. 2, 3. 9.: als aus dessen Fülle wir zu nehmen haben Gnade um Gnade Joh. 1, 16. Nun waren die Gläubigen bereits gesalbet, ja in Christo gesegnet mit allerley geistlichen Segen in himmlischen Gütern Eph. 1, 3. Da es aber im Christenthum auf den rechten Wachsthum und auf die Beharrung ankömmt, so gehet Pauli Wunsch dahin. 8. Gleichwie aber Pauli Wunsch auf ei- ne mehrere Fülle gerichtet war: also solte auch die angewünschte göttliche Kraft und Stärckung am inwendigen Menschen v. 16. die Einwoh- nung Christi im Hertzen v. 17. die Einwurtze- lung und immer vestere Gründung in der Liebe Christi ein solches mehres Maß der Gnaden- Fülle nach sich ziehen, ja schon mit sich führen. 9. Wer die rechte Art des Evangelischen Christenthums recht einsiehet, der erkennet, daß es darinnen mehr auf ein Nehmen im Glau- chen ankomme, als auf ein Geben und leisten in der Liebe. Denn iemehr man nimmt aus der Fülle GOttes, ie mehr kan man geben. Wer demnach sein Christenthum nicht allein auf eine thätige, sondern auch auf eine recht evangelische und recht leichte dabey auch angenehme Art füh- ren will, der muß zuvorderst im glaubigen Nehmen recht geschäftig seyn, und aus der un- erschöpflichen GOttes-Fülle unaufhörlich schö- pfen. Wie denn auch daher Paulus die Ephe- sier, ehe er sie in den letztern Capiteln zu ihren Pflichten ermahnet, vorher zu der rechten Gna- den-Fülle führet. 10. Und diß ist auch eines der vornehmsten Kennzeichen eines rechtschafnen evangelischen Lehrers, wenn er die von Natur zu allem Gu- ten erstorbenen Seelen in der Ordnung wahrer Hertzens-Aenderung zu der lautern Quelle des Evangelii führet, und zeiget, wie sie daher alle geistliche Kräfte zur Leistung ihrer äusserlichen und innnerlichen Christenthums-Pflichten zu- vorderst zu nehmen haben. Denn gewißlich mit einem fast nur bloß gesetzlichen Fodern und Trei- ben ist es nicht ausgemachet: eben so wenig, als der Heils-Ordnung gemäß ist, wenn man die geistlichen Heils-Schätze ohne die gehörige Heils- Ordnung den Seelen anpreiset: als wodurch sie nur auf Muthwillen gezogen werden, und die evangelische Freyheit in Frechheit verkehret wird. 11. Jm übrigen ist alhier noch zu mercken, daß die Redens-Art erfüllet werden eis pan to pleroma tou theou, zu aller GOttes-Fülle, zugleich die selige Frucht anzeiget, welche aus solcher Fülle entstehet, nemlich die nähere Gleichförmigkeit und Gemeinschaft mit Christo. V. 20. 21. Dem aber, der überschwenglich thun Anmerckungen. 1. Mit dieser doxologie endiget der Apo- stel sein Gebet und Wunsch also, daß er sich selbst und die Ephesier damit im Glauben von der Erhörung stärcket. 2. Die Erfahrung lehret es die gläubigen Christen, daß GOtt nicht selten hierin und darin ein mehrers thut, als sie von ihm gehoffet, und daher zu bitten sich unterstanden haben. Wo- durch sie denn nicht wenig beschämet, aber auch im Glauben gestärcket werden. 3. Wenn hingegen manches Gebet nicht also erhöret wird, als wir es wünschen, so haben wir uns die ietztgedachte überflüßige Erhörung dabey vorzustellen, und zu glauben, daß wir ent- weder nicht recht gebetet haben, oder daß das ge- betene uns nicht nützlich sey, GOtt aber doch das Gebet auf eine andere Art erhöre. 4. Von dem Nachdruck der Redens-Art in Christo JEsu seyn, ist öfter gedacht. Es wird damit nemlich die genaueste Vereinigung und Gemeinschaft Christi und der Gläubigen angezeiget; als nach welcher GOtt den gantzen geistlichen Leib Christi, als das Haupt selbst, an- siehet. 5. Es kan von niemanden die Ehre GOt- tes recht befordert werden, als von dem, der in Christo JEsu ist. 6. Ein
Erklaͤrung des Briefs Pauli Cap. 3, 19-21. [Spaltenumbruch]
er uns liebet, alle unſere Erkaͤntniß weit uͤber-ſteiget. Daher die Griechiſchen Worte eigent- lich alſo zu uͤberſetzen ſind: und zu erkennen die Liebe Chriſti, die das Erkaͤntniß uͤber- trifft. 4. Nun moͤchte es zwar als eine Contradi- ction koͤnnen angeſehen werden, daß man das erkennen ſolle, was doch die Erkaͤntniß uͤberſtei- get: allein ein anders iſt, etwas Stuͤckweiſe, ein anders es voͤllig erkennen. 1 Cor. 13. Und dieſes, daß eine Sache ihrer Tiefe und Hoͤhe, Weite und Breite nach, uͤber unſern Begriff ge- he, wird eben dadurch erkant, wenn wir wahr- nehmen, wie daß unſere Erkaͤntniß zwar richtig ſey, aber doch noch ſehr unvollkommen bleibe. Wie es einem alſo auch in vielen natuͤrlichen Wiſſenſchaften ergehet, daß man nemlich durch deroſelben Erkaͤntniß, und durch den Wachs- thum darinnen immer mehr erkennet, was einem noch fehlet. 5. Es iſt gewiß an dem, daß, ob gleich das Geheimniß der allgemeinen Liebe GOttes in Chriſto noch ſo deutlich und ſo reichlich in der heiligen Schrift vorgetragen iſt, wir dennoch von dem, was uns buchſtaͤblich bezeuget worden, und was wir auch glaͤubig annehmen, das al- lerwenigſte, ja wol gar nichts, recht voͤllig durch- ſchauen, ſondern bey einer heiligen und demuͤthi- gen Bewunderung muͤſſen ſtehen bleiben. 6. Durch die Fuͤlle verſtehet der Apoſtel al- lerley Gnaden-Gaben, welche GOtt im rei- chen Maſſe austheilet: daher ſie GOttes-Fuͤl- le genennet werden. 7. Dieſe Fuͤlle war in Chriſto Col. 1, 19. 2, 3. 9.: als aus deſſen Fuͤlle wir zu nehmen haben Gnade um Gnade Joh. 1, 16. Nun waren die Glaͤubigen bereits geſalbet, ja in Chriſto geſegnet mit allerley geiſtlichen Segen in himmliſchen Guͤtern Eph. 1, 3. Da es aber im Chriſtenthum auf den rechten Wachsthum und auf die Beharrung ankoͤmmt, ſo gehet Pauli Wunſch dahin. 8. Gleichwie aber Pauli Wunſch auf ei- ne mehrere Fuͤlle gerichtet war: alſo ſolte auch die angewuͤnſchte goͤttliche Kraft und Staͤrckung am inwendigen Menſchen v. 16. die Einwoh- nung Chriſti im Hertzen v. 17. die Einwurtze- lung und immer veſtere Gruͤndung in der Liebe Chriſti ein ſolches mehres Maß der Gnaden- Fuͤlle nach ſich ziehen, ja ſchon mit ſich fuͤhren. 9. Wer die rechte Art des Evangeliſchen Chriſtenthums recht einſiehet, der erkennet, daß es darinnen mehr auf ein Nehmen im Glau- chen ankomme, als auf ein Geben und leiſten in der Liebe. Denn iemehr man nimmt aus der Fuͤlle GOttes, ie mehr kan man geben. Wer demnach ſein Chriſtenthum nicht allein auf eine thaͤtige, ſondern auch auf eine recht evangeliſche und recht leichte dabey auch angenehme Art fuͤh- ren will, der muß zuvorderſt im glaubigen Nehmen recht geſchaͤftig ſeyn, und aus der un- erſchoͤpflichen GOttes-Fuͤlle unaufhoͤrlich ſchoͤ- pfen. Wie denn auch daher Paulus die Ephe- ſier, ehe er ſie in den letztern Capiteln zu ihren Pflichten ermahnet, vorher zu der rechten Gna- den-Fuͤlle fuͤhret. 10. Und diß iſt auch eines der vornehmſten Kennzeichen eines rechtſchafnen evangeliſchen Lehrers, wenn er die von Natur zu allem Gu- ten erſtorbenen Seelen in der Ordnung wahrer Hertzens-Aenderung zu der lautern Quelle des Evangelii fuͤhret, und zeiget, wie ſie daher alle geiſtliche Kraͤfte zur Leiſtung ihrer aͤuſſerlichen und innnerlichen Chriſtenthums-Pflichten zu- vorderſt zu nehmen haben. Denn gewißlich mit einem faſt nur bloß geſetzlichen Fodern und Trei- ben iſt es nicht ausgemachet: eben ſo wenig, als der Heils-Ordnung gemaͤß iſt, wenn man die geiſtlichen Heils-Schaͤtze ohne die gehoͤrige Heils- Ordnung den Seelen anpreiſet: als wodurch ſie nur auf Muthwillen gezogen werden, und die evangeliſche Freyheit in Frechheit verkehret wird. 11. Jm uͤbrigen iſt alhier noch zu mercken, daß die Redens-Art erfuͤllet werden ἐις πᾶν τὸ πλήρωμα τοῦ θεοῦ, zu aller GOttes-Fuͤlle, zugleich die ſelige Frucht anzeiget, welche aus ſolcher Fuͤlle entſtehet, nemlich die naͤhere Gleichfoͤrmigkeit und Gemeinſchaft mit Chriſto. V. 20. 21. Dem aber, der uͤberſchwenglich thun Anmerckungen. 1. Mit dieſer doxologie endiget der Apo- ſtel ſein Gebet und Wunſch alſo, daß er ſich ſelbſt und die Epheſier damit im Glauben von der Erhoͤrung ſtaͤrcket. 2. Die Erfahrung lehret es die glaͤubigen Chriſten, daß GOtt nicht ſelten hierin und darin ein mehrers thut, als ſie von ihm gehoffet, und daher zu bitten ſich unterſtanden haben. Wo- durch ſie denn nicht wenig beſchaͤmet, aber auch im Glauben geſtaͤrcket werden. 3. Wenn hingegen manches Gebet nicht alſo erhoͤret wird, als wir es wuͤnſchen, ſo haben wir uns die ietztgedachte uͤberfluͤßige Erhoͤrung dabey vorzuſtellen, und zu glauben, daß wir ent- weder nicht recht gebetet haben, oder daß das ge- betene uns nicht nuͤtzlich ſey, GOtt aber doch das Gebet auf eine andere Art erhoͤre. 4. Von dem Nachdruck der Redens-Art in Chriſto JEſu ſeyn, iſt oͤfter gedacht. Es wird damit nemlich die genaueſte Vereinigung und Gemeinſchaft Chriſti und der Glaͤubigen angezeiget; als nach welcher GOtt den gantzen geiſtlichen Leib Chriſti, als das Haupt ſelbſt, an- ſiehet. 5. Es kan von niemanden die Ehre GOt- tes recht befordert werden, als von dem, der in Chriſto JEſu iſt. 6. Ein
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Erklaͤrung des Briefs Pauli Cap. 3, 19-21.
er uns liebet, alle unſere Erkaͤntniß weit uͤber-
ſteiget. Daher die Griechiſchen Worte eigent-
lich alſo zu uͤberſetzen ſind: und zu erkennen
die Liebe Chriſti, die das Erkaͤntniß uͤber-
trifft.
4. Nun moͤchte es zwar als eine Contradi-
ction koͤnnen angeſehen werden, daß man das
erkennen ſolle, was doch die Erkaͤntniß uͤberſtei-
get: allein ein anders iſt, etwas Stuͤckweiſe,
ein anders es voͤllig erkennen. 1 Cor. 13. Und
dieſes, daß eine Sache ihrer Tiefe und Hoͤhe,
Weite und Breite nach, uͤber unſern Begriff ge-
he, wird eben dadurch erkant, wenn wir wahr-
nehmen, wie daß unſere Erkaͤntniß zwar richtig
ſey, aber doch noch ſehr unvollkommen bleibe.
Wie es einem alſo auch in vielen natuͤrlichen
Wiſſenſchaften ergehet, daß man nemlich durch
deroſelben Erkaͤntniß, und durch den Wachs-
thum darinnen immer mehr erkennet, was einem
noch fehlet.
5. Es iſt gewiß an dem, daß, ob gleich
das Geheimniß der allgemeinen Liebe GOttes
in Chriſto noch ſo deutlich und ſo reichlich in der
heiligen Schrift vorgetragen iſt, wir dennoch von
dem, was uns buchſtaͤblich bezeuget worden,
und was wir auch glaͤubig annehmen, das al-
lerwenigſte, ja wol gar nichts, recht voͤllig durch-
ſchauen, ſondern bey einer heiligen und demuͤthi-
gen Bewunderung muͤſſen ſtehen bleiben.
6. Durch die Fuͤlle verſtehet der Apoſtel al-
lerley Gnaden-Gaben, welche GOtt im rei-
chen Maſſe austheilet: daher ſie GOttes-Fuͤl-
le genennet werden.
7. Dieſe Fuͤlle war in Chriſto Col. 1, 19.
2, 3. 9.: als aus deſſen Fuͤlle wir zu nehmen
haben Gnade um Gnade Joh. 1, 16. Nun
waren die Glaͤubigen bereits geſalbet, ja in
Chriſto geſegnet mit allerley geiſtlichen Segen in
himmliſchen Guͤtern Eph. 1, 3. Da es aber
im Chriſtenthum auf den rechten Wachsthum
und auf die Beharrung ankoͤmmt, ſo gehet Pauli
Wunſch dahin.
8. Gleichwie aber Pauli Wunſch auf ei-
ne mehrere Fuͤlle gerichtet war: alſo ſolte auch
die angewuͤnſchte goͤttliche Kraft und Staͤrckung
am inwendigen Menſchen v. 16. die Einwoh-
nung Chriſti im Hertzen v. 17. die Einwurtze-
lung und immer veſtere Gruͤndung in der Liebe
Chriſti ein ſolches mehres Maß der Gnaden-
Fuͤlle nach ſich ziehen, ja ſchon mit ſich fuͤhren.
9. Wer die rechte Art des Evangeliſchen
Chriſtenthums recht einſiehet, der erkennet, daß
es darinnen mehr auf ein Nehmen im Glau-
chen ankomme, als auf ein Geben und leiſten in
der Liebe. Denn iemehr man nimmt aus der
Fuͤlle GOttes, ie mehr kan man geben. Wer
demnach ſein Chriſtenthum nicht allein auf eine
thaͤtige, ſondern auch auf eine recht evangeliſche
und recht leichte dabey auch angenehme Art fuͤh-
ren will, der muß zuvorderſt im glaubigen
Nehmen recht geſchaͤftig ſeyn, und aus der un-
erſchoͤpflichen GOttes-Fuͤlle unaufhoͤrlich ſchoͤ-
pfen. Wie denn auch daher Paulus die Ephe-
ſier, ehe er ſie in den letztern Capiteln zu ihren
Pflichten ermahnet, vorher zu der rechten Gna-
den-Fuͤlle fuͤhret.
10. Und diß iſt auch eines der vornehmſten
Kennzeichen eines rechtſchafnen evangeliſchen
Lehrers, wenn er die von Natur zu allem Gu-
ten erſtorbenen Seelen in der Ordnung wahrer
Hertzens-Aenderung zu der lautern Quelle des
Evangelii fuͤhret, und zeiget, wie ſie daher alle
geiſtliche Kraͤfte zur Leiſtung ihrer aͤuſſerlichen
und innnerlichen Chriſtenthums-Pflichten zu-
vorderſt zu nehmen haben. Denn gewißlich mit
einem faſt nur bloß geſetzlichen Fodern und Trei-
ben iſt es nicht ausgemachet: eben ſo wenig, als
der Heils-Ordnung gemaͤß iſt, wenn man die
geiſtlichen Heils-Schaͤtze ohne die gehoͤrige Heils-
Ordnung den Seelen anpreiſet: als wodurch
ſie nur auf Muthwillen gezogen werden, und
die evangeliſche Freyheit in Frechheit verkehret
wird.
11. Jm uͤbrigen iſt alhier noch zu mercken,
daß die Redens-Art erfuͤllet werden ἐις πᾶν
τὸ πλήρωμα τοῦ θεοῦ, zu aller GOttes-Fuͤlle,
zugleich die ſelige Frucht anzeiget, welche aus
ſolcher Fuͤlle entſtehet, nemlich die naͤhere
Gleichfoͤrmigkeit und Gemeinſchaft mit Chriſto.
V. 20. 21.
Dem aber, der uͤberſchwenglich thun
kan uͤber alles, das wir bitten und verſte-
hen, nach der Kraft, die da in uns wir-
cket (davon wir alſo bereits Erfahrung haben,
und ſo viel weniger an dem, was wir noch nicht
erfahren, aber uns verheiſſen iſt, zweifeln duͤr-
fen) dem ſey Ehre in der Gemeine, die da
in Chriſto JEſu iſt, zu aller Zeit (_
Pſalm 10, 6. von einem Geſchlecht zum andern)
von Ewigkeit zu Ewigkeit) in die unendli-
che Ewigkeit. Amen!)
Anmerckungen.
1. Mit dieſer doxologie endiget der Apo-
ſtel ſein Gebet und Wunſch alſo, daß er ſich
ſelbſt und die Epheſier damit im Glauben von der
Erhoͤrung ſtaͤrcket.
2. Die Erfahrung lehret es die glaͤubigen
Chriſten, daß GOtt nicht ſelten hierin und darin
ein mehrers thut, als ſie von ihm gehoffet, und
daher zu bitten ſich unterſtanden haben. Wo-
durch ſie denn nicht wenig beſchaͤmet, aber auch
im Glauben geſtaͤrcket werden.
3. Wenn hingegen manches Gebet nicht
alſo erhoͤret wird, als wir es wuͤnſchen, ſo haben
wir uns die ietztgedachte uͤberfluͤßige Erhoͤrung
dabey vorzuſtellen, und zu glauben, daß wir ent-
weder nicht recht gebetet haben, oder daß das ge-
betene uns nicht nuͤtzlich ſey, GOtt aber doch das
Gebet auf eine andere Art erhoͤre.
4. Von dem Nachdruck der Redens-Art
in Chriſto JEſu ſeyn, iſt oͤfter gedacht. Es
wird damit nemlich die genaueſte Vereinigung
und Gemeinſchaft Chriſti und der Glaͤubigen
angezeiget; als nach welcher GOtt den gantzen
geiſtlichen Leib Chriſti, als das Haupt ſelbſt, an-
ſiehet.
5. Es kan von niemanden die Ehre GOt-
tes recht befordert werden, als von dem, der in
Chriſto JEſu iſt.
6. Ein
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