Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.Cap. 5, v. 18. 19. an die Epheser. [Spaltenumbruch]
Worten und Geberden an den Aposteln gemiß-deutet. 13. Gleichwie die leibliche Uberladung al- lerhand Unfug und Schaden nach sich ziehet: also thut sich hingegen die geistliche zu allem gu- ten und sonderlich zu vielem Lobe GOttes her- vor: sintemal wessen das Hertz voll ist, davon gehet der Mund über Matth. 12, 34. Und eben dieses zeiget der Apostel mit nachfolgenden Wor- ten an: V. 19. Und redet unter einander (zur gemein- Anmerckungen. 1. Mit den dreyen Worten, von Psal- men, Lob-Gesängen und Liedern, siehet der Apostel auf alle Gattungen der geistlichen Lie- der, und sind dieselbe mehr nach der Art und Weise, wie sie componiret und abgesungen wer- den, als nach der Materie unterschieden. Denn es sind viele Psalmen, die eben dasjenige in sich halten, welches eigentlich die Materie der Lieder sind. Der Art und Weise nach hatten sie, und haben noch, diesen Unterscheid, daß sie entweder in einer gebundenen Rede, das ist, Versen, oder ungebundenen, entweder mit, oder ohne, instrumente, mit einem, oder mit mehren, Choren abgesungen werden. 2. Es redet der Apostel nicht allein von dem öffentlichen, sondern auch von dem Privat- Gottes-Dienste, und also auch von einer sol- chen Haus-Kirche, da theils ein Haus-Vater mit den Seinigen, theils Christliche Freunde unter einander sich erbauen. Es ist auch der Gläubigen ihre Art, daß sie sich gerne also un- ter einander aufmuntern, und solcher gestalt von der lebendigen Hoffnung zeugen, die in ih- nen ist von dem ewigen Leben: wer solches für verdächtig und für unzuläßig hält, der ist nicht wehrt, daß er den Namen CHristi führe, als der Paulo gleichsam ins Angesicht widerspricht, und den frommen Seelen die Freyheit zum Guten nicht einräumet, welche leider zur Frechheit den Gottlosen bey üppigen Gelagen verstattet wird. 3. Die Music, so wol die instrumenta- le, als vocale, ist eine sehr edle Wissenschaft und Ubung, und gewiß eine rechte Gabe GOt- tes in der Natur, welche durch die Materie und [Spaltenumbruch] Andacht der singenden und spielenden geheili- get wird. Unter was für einem grossen Miß- brauch aber beyderley Art liege, das ist leider am Tage. 4. Welcher gestalt natürliche Künste und Wissenschaften durch die Gnade GOttes gehei- liget und zum Lobe GOttes angewendet werden können, siehet man an der Music. Einen gu- ten Vers schreiben und es geschickt zum Absin- gen einer gewissen Form und Melodey componi- ren; deßgleichen es darnach geschickt absingen, und dazu ein angenehmes instrument fertig spie- len können, ist eine sehr schöne Wissenschaft und Natur-Gabe: welche da sie so gar durch- dringend in die Sinne fällt, und dadurch die Seele in allerhand Bewegungen bringet, so wird sie geheiliget, wo das Hertz des Heiligen Geistes voll ist, oder sich doch erfüllen läßt. 5. Es hat unsere Evangelische Kirche einen recht grossen und gewiß recht unschätzbaren Schatz an so vielen und so vortreflichen geistli- chen Liedern, die nicht alle zu zehlen sind, und deren von Jahren zu Jahren immer mehrere ge- machet werden: zumal nachdem schon von meh- rer Zeit her die teutsche Poesie sehr excoliret worden, und in der Reinigkeit und Anmuthig- keit zu einer grossen Vollkommenheit gedieen ist. Und sind solche Lieder, sonderlich die gewöhn- lichsten, vielen Leuten, die nicht lesen können, an statt der Bibel. Nur ist zu bedauren, daß sie dieselben in vielen Stücken nicht recht verste- hen, und auch daher ohne Verstand absingen. Dannenhero öffentliche Lehrer wohl thun, wenn sie in den Eingängen ihrer Predigten, o- der auch sonsten, denn und wenn ein gantzes Lied durchgehen, es recht aussprechen, und mit einer erbaulichen paraphrasi recht erklären. Welches gewißlich den grössesten Nutzen schaf- fet, auch bey denen, welche lesen können, und dennoch manches nicht recht verstehen. 6. Es ist kein gut Zeichen bey dem öffent- lichen Gottes-Dienste, daß manche Leute dazu so gar spät kommen, wenn die Lieder meisten- theils abgesungen sind: da doch dieselben ein rechtes Haupt-Stück des Dienstes GOTTes seyn sollen: und eigentlich zu reden, bey Anhö- rung der Predigt GOTT mehr uns dienet mit seinem Wort, als wir ihm dienen: dahinge- gen das Singen eine wirckliche Bedienung und Verehrung GOttes ist. 7. Es gereichet dem Namen CHristi zur Schande, wenn Leute, die auf seinen theure- sten Namen getauft sind, weltliche, ja rechte Sauf-Lieder singen, und damit bezeugen, daß ihr Hertz des bösen Geistes voll sey. 8. Man hat sich ja in acht zu nehmen, daß man es so wol bey dem musicalischen instrumen- te, als bey der Stimme nicht lasse auf den blos- sen Laut ankommen, sondern daß das Hertz, o- der die Andacht das beste und der Grund aller solcher Ubung sey. Denn sonst ist ja der Mensch selbst nichts anders, als ein thönend Ertz und ei- ne klingende Schelle. 1 Cor. 13, 1. 9. Und da es geschehen kan, und pflegt, daß einer, der nach der Kunst singet und spielet, sich selbst in seine Stimme und Wissenschaft ver- O o o o 3
Cap. 5, v. 18. 19. an die Epheſer. [Spaltenumbruch]
Worten und Geberden an den Apoſteln gemiß-deutet. 13. Gleichwie die leibliche Uberladung al- lerhand Unfug und Schaden nach ſich ziehet: alſo thut ſich hingegen die geiſtliche zu allem gu- ten und ſonderlich zu vielem Lobe GOttes her- vor: ſintemal weſſen das Hertz voll iſt, davon gehet der Mund uͤber Matth. 12, 34. Und eben dieſes zeiget der Apoſtel mit nachfolgenden Wor- ten an: V. 19. Und redet unter einander (zur gemein- Anmerckungen. 1. Mit den dreyen Worten, von Pſal- men, Lob-Geſaͤngen und Liedern, ſiehet der Apoſtel auf alle Gattungen der geiſtlichen Lie- der, und ſind dieſelbe mehr nach der Art und Weiſe, wie ſie componiret und abgeſungen wer- den, als nach der Materie unterſchieden. Denn es ſind viele Pſalmen, die eben dasjenige in ſich halten, welches eigentlich die Materie der Lieder ſind. Der Art und Weiſe nach hatten ſie, und haben noch, dieſen Unterſcheid, daß ſie entweder in einer gebundenen Rede, das iſt, Verſen, oder ungebundenen, entweder mit, oder ohne, inſtrumente, mit einem, oder mit mehren, Choren abgeſungen werden. 2. Es redet der Apoſtel nicht allein von dem oͤffentlichen, ſondern auch von dem Privat- Gottes-Dienſte, und alſo auch von einer ſol- chen Haus-Kirche, da theils ein Haus-Vater mit den Seinigen, theils Chriſtliche Freunde unter einander ſich erbauen. Es iſt auch der Glaͤubigen ihre Art, daß ſie ſich gerne alſo un- ter einander aufmuntern, und ſolcher geſtalt von der lebendigen Hoffnung zeugen, die in ih- nen iſt von dem ewigen Leben: wer ſolches fuͤr verdaͤchtig und fuͤr unzulaͤßig haͤlt, der iſt nicht wehrt, daß er den Namen CHriſti fuͤhre, als der Paulo gleichſam ins Angeſicht widerſpricht, und den frommen Seelen die Freyheit zum Guten nicht einraͤumet, welche leider zur Frechheit den Gottloſen bey uͤppigen Gelagen verſtattet wird. 3. Die Muſic, ſo wol die inſtrumenta- le, als vocale, iſt eine ſehr edle Wiſſenſchaft und Ubung, und gewiß eine rechte Gabe GOt- tes in der Natur, welche durch die Materie und [Spaltenumbruch] Andacht der ſingenden und ſpielenden geheili- get wird. Unter was fuͤr einem groſſen Miß- brauch aber beyderley Art liege, das iſt leider am Tage. 4. Welcher geſtalt natuͤrliche Kuͤnſte und Wiſſenſchaften durch die Gnade GOttes gehei- liget und zum Lobe GOttes angewendet werden koͤnnen, ſiehet man an der Muſic. Einen gu- ten Vers ſchreiben und es geſchickt zum Abſin- gen einer gewiſſen Form und Melodey componi- ren; deßgleichen es darnach geſchickt abſingen, und dazu ein angenehmes inſtrument fertig ſpie- len koͤnnen, iſt eine ſehr ſchoͤne Wiſſenſchaft und Natur-Gabe: welche da ſie ſo gar durch- dringend in die Sinne faͤllt, und dadurch die Seele in allerhand Bewegungen bringet, ſo wird ſie geheiliget, wo das Hertz des Heiligen Geiſtes voll iſt, oder ſich doch erfuͤllen laͤßt. 5. Es hat unſere Evangeliſche Kirche einen recht groſſen und gewiß recht unſchaͤtzbaren Schatz an ſo vielen und ſo vortreflichen geiſtli- chen Liedern, die nicht alle zu zehlen ſind, und deren von Jahren zu Jahren immer mehrere ge- machet werden: zumal nachdem ſchon von meh- rer Zeit her die teutſche Poeſie ſehr excoliret worden, und in der Reinigkeit und Anmuthig- keit zu einer groſſen Vollkommenheit gedieen iſt. Und ſind ſolche Lieder, ſonderlich die gewoͤhn- lichſten, vielen Leuten, die nicht leſen koͤnnen, an ſtatt der Bibel. Nur iſt zu bedauren, daß ſie dieſelben in vielen Stuͤcken nicht recht verſte- hen, und auch daher ohne Verſtand abſingen. Dannenhero oͤffentliche Lehrer wohl thun, wenn ſie in den Eingaͤngen ihrer Predigten, o- der auch ſonſten, denn und wenn ein gantzes Lied durchgehen, es recht ausſprechen, und mit einer erbaulichen paraphraſi recht erklaͤren. Welches gewißlich den groͤſſeſten Nutzen ſchaf- fet, auch bey denen, welche leſen koͤnnen, und dennoch manches nicht recht verſtehen. 6. Es iſt kein gut Zeichen bey dem oͤffent- lichen Gottes-Dienſte, daß manche Leute dazu ſo gar ſpaͤt kommen, wenn die Lieder meiſten- theils abgeſungen ſind: da doch dieſelben ein rechtes Haupt-Stuͤck des Dienſtes GOTTes ſeyn ſollen: und eigentlich zu reden, bey Anhoͤ- rung der Predigt GOTT mehr uns dienet mit ſeinem Wort, als wir ihm dienen: dahinge- gen das Singen eine wirckliche Bedienung und Verehrung GOttes iſt. 7. Es gereichet dem Namen CHriſti zur Schande, wenn Leute, die auf ſeinen theure- ſten Namen getauft ſind, weltliche, ja rechte Sauf-Lieder ſingen, und damit bezeugen, daß ihr Hertz des boͤſen Geiſtes voll ſey. 8. Man hat ſich ja in acht zu nehmen, daß man es ſo wol bey dem muſicaliſchen inſtrumen- te, als bey der Stimme nicht laſſe auf den bloſ- ſen Laut ankommen, ſondern daß das Hertz, o- der die Andacht das beſte und der Grund aller ſolcher Ubung ſey. Denn ſonſt iſt ja der Menſch ſelbſt nichts anders, als ein thoͤnend Ertz und ei- ne klingende Schelle. 1 Cor. 13, 1. 9. Und da es geſchehen kan, und pflegt, daß einer, der nach der Kunſt ſinget und ſpielet, ſich ſelbſt in ſeine Stimme und Wiſſenſchaft ver- O o o o 3
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Cap. 5, v. 18. 19. an die Epheſer.
Worten und Geberden an den Apoſteln gemiß-
deutet.
13. Gleichwie die leibliche Uberladung al-
lerhand Unfug und Schaden nach ſich ziehet:
alſo thut ſich hingegen die geiſtliche zu allem gu-
ten und ſonderlich zu vielem Lobe GOttes her-
vor: ſintemal weſſen das Hertz voll iſt, davon
gehet der Mund uͤber Matth. 12, 34. Und eben
dieſes zeiget der Apoſtel mit nachfolgenden Wor-
ten an:
V. 19.
Und redet unter einander (zur gemein-
ſchaftlichen Erbauung) von (mit, oder durch)
Pſalmen (Davids, und anderer vom Geiſte
GOttes getriebenen Maͤnner, es ſey mit, oder
ohne Seiten-Spiel, oder muſicaliſche inſtru-
mente,) und Lob-Geſaͤngen, (wodurch be-
ſondere Wohlthaten GOttes erzehlet und ge-
ruͤhmet werden, alſo daß GOTT daruͤber hoch
geprieſen wird,) und geiſtlichen Liedern,
(darinnen Glaubens-Lehren und Lebens-Pflich-
ten abgehandelt und allerhand Aufmunterungen
gegeben werden: die alſo geiſtlich ſind, in Anſe-
hung der geiſtlichen Materie und des geiſtlichen
Triebes und Sinnes,) ſinget und ſpielet
dem HErrn in eurem Hertzen, (alſo daß
Leib und Seele ſich erwecke und erhebe zum Lo-
be GOttes und ſich darinnen mit einer gehoͤri-
gen Harmonie uͤbe.)
Anmerckungen.
1. Mit den dreyen Worten, von Pſal-
men, Lob-Geſaͤngen und Liedern, ſiehet der
Apoſtel auf alle Gattungen der geiſtlichen Lie-
der, und ſind dieſelbe mehr nach der Art und
Weiſe, wie ſie componiret und abgeſungen wer-
den, als nach der Materie unterſchieden. Denn
es ſind viele Pſalmen, die eben dasjenige in
ſich halten, welches eigentlich die Materie der
Lieder ſind. Der Art und Weiſe nach hatten
ſie, und haben noch, dieſen Unterſcheid, daß
ſie entweder in einer gebundenen Rede, das iſt,
Verſen, oder ungebundenen, entweder mit,
oder ohne, inſtrumente, mit einem, oder mit
mehren, Choren abgeſungen werden.
2. Es redet der Apoſtel nicht allein von
dem oͤffentlichen, ſondern auch von dem Privat-
Gottes-Dienſte, und alſo auch von einer ſol-
chen Haus-Kirche, da theils ein Haus-Vater
mit den Seinigen, theils Chriſtliche Freunde
unter einander ſich erbauen. Es iſt auch der
Glaͤubigen ihre Art, daß ſie ſich gerne alſo un-
ter einander aufmuntern, und ſolcher geſtalt
von der lebendigen Hoffnung zeugen, die in ih-
nen iſt von dem ewigen Leben: wer ſolches fuͤr
verdaͤchtig und fuͤr unzulaͤßig haͤlt, der iſt nicht
wehrt, daß er den Namen CHriſti fuͤhre, als der
Paulo gleichſam ins Angeſicht widerſpricht, und
den frommen Seelen die Freyheit zum Guten
nicht einraͤumet, welche leider zur Frechheit den
Gottloſen bey uͤppigen Gelagen verſtattet wird.
3. Die Muſic, ſo wol die inſtrumenta-
le, als vocale, iſt eine ſehr edle Wiſſenſchaft
und Ubung, und gewiß eine rechte Gabe GOt-
tes in der Natur, welche durch die Materie und
Andacht der ſingenden und ſpielenden geheili-
get wird. Unter was fuͤr einem groſſen Miß-
brauch aber beyderley Art liege, das iſt leider
am Tage.
4. Welcher geſtalt natuͤrliche Kuͤnſte und
Wiſſenſchaften durch die Gnade GOttes gehei-
liget und zum Lobe GOttes angewendet werden
koͤnnen, ſiehet man an der Muſic. Einen gu-
ten Vers ſchreiben und es geſchickt zum Abſin-
gen einer gewiſſen Form und Melodey componi-
ren; deßgleichen es darnach geſchickt abſingen,
und dazu ein angenehmes inſtrument fertig ſpie-
len koͤnnen, iſt eine ſehr ſchoͤne Wiſſenſchaft
und Natur-Gabe: welche da ſie ſo gar durch-
dringend in die Sinne faͤllt, und dadurch die
Seele in allerhand Bewegungen bringet, ſo
wird ſie geheiliget, wo das Hertz des Heiligen
Geiſtes voll iſt, oder ſich doch erfuͤllen laͤßt.
5. Es hat unſere Evangeliſche Kirche einen
recht groſſen und gewiß recht unſchaͤtzbaren
Schatz an ſo vielen und ſo vortreflichen geiſtli-
chen Liedern, die nicht alle zu zehlen ſind, und
deren von Jahren zu Jahren immer mehrere ge-
machet werden: zumal nachdem ſchon von meh-
rer Zeit her die teutſche Poeſie ſehr excoliret
worden, und in der Reinigkeit und Anmuthig-
keit zu einer groſſen Vollkommenheit gedieen iſt.
Und ſind ſolche Lieder, ſonderlich die gewoͤhn-
lichſten, vielen Leuten, die nicht leſen koͤnnen,
an ſtatt der Bibel. Nur iſt zu bedauren, daß
ſie dieſelben in vielen Stuͤcken nicht recht verſte-
hen, und auch daher ohne Verſtand abſingen.
Dannenhero oͤffentliche Lehrer wohl thun,
wenn ſie in den Eingaͤngen ihrer Predigten, o-
der auch ſonſten, denn und wenn ein gantzes
Lied durchgehen, es recht ausſprechen, und mit
einer erbaulichen paraphraſi recht erklaͤren.
Welches gewißlich den groͤſſeſten Nutzen ſchaf-
fet, auch bey denen, welche leſen koͤnnen, und
dennoch manches nicht recht verſtehen.
6. Es iſt kein gut Zeichen bey dem oͤffent-
lichen Gottes-Dienſte, daß manche Leute dazu
ſo gar ſpaͤt kommen, wenn die Lieder meiſten-
theils abgeſungen ſind: da doch dieſelben ein
rechtes Haupt-Stuͤck des Dienſtes GOTTes
ſeyn ſollen: und eigentlich zu reden, bey Anhoͤ-
rung der Predigt GOTT mehr uns dienet mit
ſeinem Wort, als wir ihm dienen: dahinge-
gen das Singen eine wirckliche Bedienung und
Verehrung GOttes iſt.
7. Es gereichet dem Namen CHriſti zur
Schande, wenn Leute, die auf ſeinen theure-
ſten Namen getauft ſind, weltliche, ja rechte
Sauf-Lieder ſingen, und damit bezeugen, daß
ihr Hertz des boͤſen Geiſtes voll ſey.
8. Man hat ſich ja in acht zu nehmen, daß
man es ſo wol bey dem muſicaliſchen inſtrumen-
te, als bey der Stimme nicht laſſe auf den bloſ-
ſen Laut ankommen, ſondern daß das Hertz, o-
der die Andacht das beſte und der Grund aller
ſolcher Ubung ſey. Denn ſonſt iſt ja der Menſch
ſelbſt nichts anders, als ein thoͤnend Ertz und ei-
ne klingende Schelle. 1 Cor. 13, 1.
9. Und da es geſchehen kan, und pflegt,
daß einer, der nach der Kunſt ſinget und ſpielet,
ſich ſelbſt in ſeine Stimme und Wiſſenſchaft
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