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Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.

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Cap. 2, v. 15. 16. an die Römer.
[Spaltenumbruch]
V. 15.

Damit, daß sie beweisen (in dem, daß sie
des Gesetzes-Werck thun, nach v. 14.) des Ge-
setzes Werck sey beschrieben in ihren Her-
tzen
(ihrem Gewissen nach dem Verstande und
Willen tief eingepräget, vermöge der ersten
Schöpfung, da nach dem Sünden-Fall das
Licht und Recht der Natur in dem Menschen
noch übrig geblieben) sintemal ihr Gewissen
sie überzeuget
(von dem was recht und unrecht,
was zu thun und zu lassen) dazu auch die Ge-
dancken
(und ihre Gewissens-Sprüche und
Schlüsse) die sich unter einander verklagen
oder entschuldigen
(sich unter einander ver-
klagen oder entschuldigen, nemlich die guten
und rechten klagen die bösen und unrechten
an, und entschuldigen oder rechtfertigen sich
auch wider jene; und zwar dergestalt, daß die
Anklage lauter Unruhe, die Rechtfertigung aber
einige Beruhigung, mit sich führet.)

Anmerckungen.
1. Es läßt sich dieser Vers gar füglich in
drey Sätze, die eine förmliche Schluß-Rede
ausmachen, resolviren, nemlich also:
a. Wer dem Triebe seines Gewissens, als ei-
nem ins Hertz geschriebenen Gesetze zum Gu-
ten folget, der hat Gewissens-Ruhe: Wer
ihm widerstehet, der hat Anklage und Unru-
he davon.
b. Nun aber saget es das Gewissen diesem, daß
er dem Triebe zum Guten gefolget, und je-
nem, daß er ihm widerstanden habe.
c. Darum hat dieser Ruhe, und jener Anklage
und Unruhe davon.
2. Der erste Satz hat seinen Grund in
den Worten, daß des Gesetzes Werck in des
Menschen Hertz geschrieben sey:
als wel-
ches ein axioma, oder eine gewisse General-Re-
gel von den Handlungen des Menschen in sich
hält. Der andere Satz lieget in den Wor-
ten von der Bezeugung des Gewissens; als
welches einem bald saget, ob man der gedach-
ten Regel gefolget oder nicht. Der dritte in
den Worten von den sich unter einander ent-
weder selbst verklagenden und beunruhigen-
den, oder entschuldigenden und rechtfertigen-
den Gedancken oder Aussprüchen, des Gewis-
sens, da es heißt: du hast die Unruhe und
Verdammniß selbst verdienet: oder: du hast
Ruhe, und dir wird keine Verdammniß wi-
derfahren: so weit nemlich das Licht der Natur
in dieser Erkäntniß reichet: als welches derge-
stalt mangelhaft ist, daß, wenn ein höhers Licht
in dem Menschen aufgehet, er Ursache findet,
seinen zuvor ihn rechtfertigenden und beruhi-
genden Ausspruch in eine ihn beunruhigende
Anklage zu verwandeln; sintemal er alsdenn
sein tiefes Verderben erst recht einsiehet.
3. Es verrichtet demnach das Gewissen in
dem Menschen ein dreyfaches Amt.
a. Das Amt eines Gesetzgebers, oder des Ge-
setzes, welches saget, was zu thun oder zu lassen
sey.
b. Das Amt eines Zeugen, welcher bezeuget,
was gethan, oder gelassen sey. Da denn der
[Spaltenumbruch] Zeuge nach geschehener Mißhandelung zu-
gleich einen Ankläger abgibt.
c. Das Amt eines Richters, da der Ausspruch
zur Absolution oder Condemnation gegeben
wird.
4. Das von GOtt durch Mosen promul-
gi
rte Sitten-Gesetz ist nichts anders, als das
eigentliche, aber mehr aufgeklärte und erläuterte
Natur-Gesetz: sintemal desselben Werck, oder
das, worauf es gehet, vermöge des Natur-Gese-
tzes dem Menschen ins Hertz geschrieben ist.
5. Was demnach die Naturalisten haben,
das haben die Christen noch viel besser, richti-
ger und vollkomner. Denn als Menschen ha-
ben sie das Natur-Gesetze, worauf die gedach-
ten Naturalisten nur allein bestehen: und als
Christen haben sie am Moral-Gesetze die vortref-
lichste Aufklärung und Erläuterung von eben
diesem Gesetze. Und über das bekommen sie noch
dazu aus dem Evangelio die Krast, nach diesem
also erläuterten Gesetze mit aller Willigkeit ihres
Hertzens einher zu gehen.
6. Wo ein ins Hertze, oder in das Gewis-
sen des Menschen eingeschriebenes Gesetze ist, da
muß nothwendig der, der es eingeschrieben hat,
das ist GOtt, voraus gesetzet seyn. Und folg-
lich ist es ein sehr irriger Satz einiger falschen
Philosophorum, welche sagen, das Gesetz der
Natur sey durch die Natur selbst bevestiget, und
würde statt finden, wenn auch gleich kein GOtt
wäre.
7. Kan das Gewissen einen nach der bösen
That verklagen und beunruhigen, so muß gewiß
die Freyheit, eine Sache zu thun und zu lassen,
auch dieses oder jenes zu thun, der Seelen we-
sentlich seyn: sintemal ohne Freyheit des Wil-
lens auch keine eigne Anklage und Beunruhi-
gung des Gewissens statt finden könte.
V. 16.

Auf den Tag, da GOtt (nebst dem,
was offenbar worden ist, auch) das Verbor-
gene der Menschen
(ihre Gedancken, Rath-
schläge, herrschende Begierden und Afsecten,
auch das, was sie zwar äusserlich auf eine gro-
be Art ausgeübet, aber doch verdecket und vor
Menschen verläugnet haben, und damit also
auch dem menschlichen Gerichte entgangen sind)
durch JEsum Christum (als den künftigen
Richter aller Welt, ans Licht ziehen und) rich-
ten wird, laut meines Evangelii
(meiner
gantzen Apostolischen Lehre, welche zwar vom
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Namen hat; aber doch alle übrige Lehren, wel-
che zum Rathe GOttes von dem Grunde, der
Ordnung, und der endlichen Ausführung, oder
Vollendung unsers Heyls gehören, mit in sich
fasset: dazu denn insonderheit die Lehre von dem
durch den Sohn GOttes zu haltenden jüngsten
Gericht gehöret. Siehe Matth. 25, 31. Joh.
5, 22. Ap. Gesch. 14, 31. Röm. 14, 10. 11. 1 Cor.
4, 5. 2 Cor. 5, 10. etc.)

Anmerckungen.
1. Die ersten Worte dieses Versiculs:
auf den Tag, en emera, an dem Tage u. s. w.
las-
F
Cap. 2, v. 15. 16. an die Roͤmer.
[Spaltenumbruch]
V. 15.

Damit, daß ſie beweiſen (in dem, daß ſie
des Geſetzes-Werck thun, nach v. 14.) des Ge-
ſetzes Werck ſey beſchrieben in ihren Her-
tzen
(ihrem Gewiſſen nach dem Verſtande und
Willen tief eingepraͤget, vermoͤge der erſten
Schoͤpfung, da nach dem Suͤnden-Fall das
Licht und Recht der Natur in dem Menſchen
noch uͤbrig geblieben) ſintemal ihr Gewiſſen
ſie uͤberzeuget
(von dem was recht und unrecht,
was zu thun und zu laſſen) dazu auch die Ge-
dancken
(und ihre Gewiſſens-Spruͤche und
Schluͤſſe) die ſich unter einander verklagen
oder entſchuldigen
(ſich unter einander ver-
klagen oder entſchuldigen, nemlich die guten
und rechten klagen die boͤſen und unrechten
an, und entſchuldigen oder rechtfertigen ſich
auch wider jene; und zwar dergeſtalt, daß die
Anklage lauter Unruhe, die Rechtfertigung aber
einige Beruhigung, mit ſich fuͤhret.)

Anmerckungen.
1. Es laͤßt ſich dieſer Vers gar fuͤglich in
drey Saͤtze, die eine foͤrmliche Schluß-Rede
ausmachen, reſolviren, nemlich alſo:
a. Wer dem Triebe ſeines Gewiſſens, als ei-
nem ins Hertz geſchriebenen Geſetze zum Gu-
ten folget, der hat Gewiſſens-Ruhe: Wer
ihm widerſtehet, der hat Anklage und Unru-
he davon.
b. Nun aber ſaget es das Gewiſſen dieſem, daß
er dem Triebe zum Guten gefolget, und je-
nem, daß er ihm widerſtanden habe.
c. Darum hat dieſer Ruhe, und jener Anklage
und Unruhe davon.
2. Der erſte Satz hat ſeinen Grund in
den Worten, daß des Geſetzes Werck in des
Menſchen Hertz geſchrieben ſey:
als wel-
ches ein axioma, oder eine gewiſſe General-Re-
gel von den Handlungen des Menſchen in ſich
haͤlt. Der andere Satz lieget in den Wor-
ten von der Bezeugung des Gewiſſens; als
welches einem bald ſaget, ob man der gedach-
ten Regel gefolget oder nicht. Der dritte in
den Worten von den ſich unter einander ent-
weder ſelbſt verklagenden und beunruhigen-
den, oder entſchuldigenden und rechtfertigen-
den Gedancken oder Ausſpruͤchen, des Gewiſ-
ſens, da es heißt: du haſt die Unruhe und
Verdammniß ſelbſt verdienet: oder: du haſt
Ruhe, und dir wird keine Verdammniß wi-
derfahren: ſo weit nemlich das Licht der Natur
in dieſer Erkaͤntniß reichet: als welches derge-
ſtalt mangelhaft iſt, daß, wenn ein hoͤhers Licht
in dem Menſchen aufgehet, er Urſache findet,
ſeinen zuvor ihn rechtfertigenden und beruhi-
genden Ausſpruch in eine ihn beunruhigende
Anklage zu verwandeln; ſintemal er alsdenn
ſein tiefes Verderben erſt recht einſiehet.
3. Es verrichtet demnach das Gewiſſen in
dem Menſchen ein dreyfaches Amt.
a. Das Amt eines Geſetzgebers, oder des Ge-
ſetzes, welches ſaget, was zu thun oder zu laſſen
ſey.
b. Das Amt eines Zeugen, welcher bezeuget,
was gethan, oder gelaſſen ſey. Da denn der
[Spaltenumbruch] Zeuge nach geſchehener Mißhandelung zu-
gleich einen Anklaͤger abgibt.
c. Das Amt eines Richters, da der Ausſpruch
zur Abſolution oder Condemnation gegeben
wird.
4. Das von GOtt durch Moſen promul-
gi
rte Sitten-Geſetz iſt nichts anders, als das
eigentliche, aber mehr aufgeklaͤrte und erlaͤuterte
Natur-Geſetz: ſintemal deſſelben Werck, oder
das, worauf es gehet, vermoͤge des Natur-Geſe-
tzes dem Menſchen ins Hertz geſchrieben iſt.
5. Was demnach die Naturaliſten haben,
das haben die Chriſten noch viel beſſer, richti-
ger und vollkomner. Denn als Menſchen ha-
ben ſie das Natur-Geſetze, worauf die gedach-
ten Naturaliſten nur allein beſtehen: und als
Chriſten haben ſie am Moral-Geſetze die vortref-
lichſte Aufklaͤrung und Erlaͤuterung von eben
dieſem Geſetze. Und uͤber das bekommen ſie noch
dazu aus dem Evangelio die Kraſt, nach dieſem
alſo erlaͤuterten Geſetze mit aller Willigkeit ihres
Hertzens einher zu gehen.
6. Wo ein ins Hertze, oder in das Gewiſ-
ſen des Menſchen eingeſchriebenes Geſetze iſt, da
muß nothwendig der, der es eingeſchrieben hat,
das iſt GOtt, voraus geſetzet ſeyn. Und folg-
lich iſt es ein ſehr irriger Satz einiger falſchen
Philoſophorum, welche ſagen, das Geſetz der
Natur ſey durch die Natur ſelbſt beveſtiget, und
wuͤrde ſtatt finden, wenn auch gleich kein GOtt
waͤre.
7. Kan das Gewiſſen einen nach der boͤſen
That verklagen und beunruhigen, ſo muß gewiß
die Freyheit, eine Sache zu thun und zu laſſen,
auch dieſes oder jenes zu thun, der Seelen we-
ſentlich ſeyn: ſintemal ohne Freyheit des Wil-
lens auch keine eigne Anklage und Beunruhi-
gung des Gewiſſens ſtatt finden koͤnte.
V. 16.

Auf den Tag, da GOtt (nebſt dem,
was offenbar worden iſt, auch) das Verbor-
gene der Menſchen
(ihre Gedancken, Rath-
ſchlaͤge, herrſchende Begierden und Afſecten,
auch das, was ſie zwar aͤuſſerlich auf eine gro-
be Art ausgeuͤbet, aber doch verdecket und vor
Menſchen verlaͤugnet haben, und damit alſo
auch dem menſchlichen Gerichte entgangen ſind)
durch JEſum Chriſtum (als den kuͤnftigen
Richter aller Welt, ans Licht ziehen und) rich-
ten wird, laut meines Evangelii
(meiner
gantzen Apoſtoliſchen Lehre, welche zwar vom
Evangelio, als dem Haupt Stuͤcke, billig den
Namen hat; aber doch alle uͤbrige Lehren, wel-
che zum Rathe GOttes von dem Grunde, der
Ordnung, und der endlichen Ausfuͤhrung, oder
Vollendung unſers Heyls gehoͤren, mit in ſich
faſſet: dazu denn inſonderheit die Lehre von dem
durch den Sohn GOttes zu haltenden juͤngſten
Gericht gehoͤret. Siehe Matth. 25, 31. Joh.
5, 22. Ap. Geſch. 14, 31. Roͤm. 14, 10. 11. 1 Cor.
4, 5. 2 Cor. 5, 10. ꝛc.)

Anmerckungen.
1. Die erſten Worte dieſes Verſiculs:
auf den Tag, ἐν ἡμέρᾳ, an dem Tage u. ſ. w.
laſ-
F
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[41/0069] Cap. 2, v. 15. 16. an die Roͤmer. V. 15. Damit, daß ſie beweiſen (in dem, daß ſie des Geſetzes-Werck thun, nach v. 14.) des Ge- ſetzes Werck ſey beſchrieben in ihren Her- tzen (ihrem Gewiſſen nach dem Verſtande und Willen tief eingepraͤget, vermoͤge der erſten Schoͤpfung, da nach dem Suͤnden-Fall das Licht und Recht der Natur in dem Menſchen noch uͤbrig geblieben) ſintemal ihr Gewiſſen ſie uͤberzeuget (von dem was recht und unrecht, was zu thun und zu laſſen) dazu auch die Ge- dancken (und ihre Gewiſſens-Spruͤche und Schluͤſſe) die ſich unter einander verklagen oder entſchuldigen (ſich unter einander ver- klagen oder entſchuldigen, nemlich die guten und rechten klagen die boͤſen und unrechten an, und entſchuldigen oder rechtfertigen ſich auch wider jene; und zwar dergeſtalt, daß die Anklage lauter Unruhe, die Rechtfertigung aber einige Beruhigung, mit ſich fuͤhret.) Anmerckungen. 1. Es laͤßt ſich dieſer Vers gar fuͤglich in drey Saͤtze, die eine foͤrmliche Schluß-Rede ausmachen, reſolviren, nemlich alſo: a. Wer dem Triebe ſeines Gewiſſens, als ei- nem ins Hertz geſchriebenen Geſetze zum Gu- ten folget, der hat Gewiſſens-Ruhe: Wer ihm widerſtehet, der hat Anklage und Unru- he davon. b. Nun aber ſaget es das Gewiſſen dieſem, daß er dem Triebe zum Guten gefolget, und je- nem, daß er ihm widerſtanden habe. c. Darum hat dieſer Ruhe, und jener Anklage und Unruhe davon. 2. Der erſte Satz hat ſeinen Grund in den Worten, daß des Geſetzes Werck in des Menſchen Hertz geſchrieben ſey: als wel- ches ein axioma, oder eine gewiſſe General-Re- gel von den Handlungen des Menſchen in ſich haͤlt. Der andere Satz lieget in den Wor- ten von der Bezeugung des Gewiſſens; als welches einem bald ſaget, ob man der gedach- ten Regel gefolget oder nicht. Der dritte in den Worten von den ſich unter einander ent- weder ſelbſt verklagenden und beunruhigen- den, oder entſchuldigenden und rechtfertigen- den Gedancken oder Ausſpruͤchen, des Gewiſ- ſens, da es heißt: du haſt die Unruhe und Verdammniß ſelbſt verdienet: oder: du haſt Ruhe, und dir wird keine Verdammniß wi- derfahren: ſo weit nemlich das Licht der Natur in dieſer Erkaͤntniß reichet: als welches derge- ſtalt mangelhaft iſt, daß, wenn ein hoͤhers Licht in dem Menſchen aufgehet, er Urſache findet, ſeinen zuvor ihn rechtfertigenden und beruhi- genden Ausſpruch in eine ihn beunruhigende Anklage zu verwandeln; ſintemal er alsdenn ſein tiefes Verderben erſt recht einſiehet. 3. Es verrichtet demnach das Gewiſſen in dem Menſchen ein dreyfaches Amt. a. Das Amt eines Geſetzgebers, oder des Ge- ſetzes, welches ſaget, was zu thun oder zu laſſen ſey. b. Das Amt eines Zeugen, welcher bezeuget, was gethan, oder gelaſſen ſey. Da denn der Zeuge nach geſchehener Mißhandelung zu- gleich einen Anklaͤger abgibt. c. Das Amt eines Richters, da der Ausſpruch zur Abſolution oder Condemnation gegeben wird. 4. Das von GOtt durch Moſen promul- girte Sitten-Geſetz iſt nichts anders, als das eigentliche, aber mehr aufgeklaͤrte und erlaͤuterte Natur-Geſetz: ſintemal deſſelben Werck, oder das, worauf es gehet, vermoͤge des Natur-Geſe- tzes dem Menſchen ins Hertz geſchrieben iſt. 5. Was demnach die Naturaliſten haben, das haben die Chriſten noch viel beſſer, richti- ger und vollkomner. Denn als Menſchen ha- ben ſie das Natur-Geſetze, worauf die gedach- ten Naturaliſten nur allein beſtehen: und als Chriſten haben ſie am Moral-Geſetze die vortref- lichſte Aufklaͤrung und Erlaͤuterung von eben dieſem Geſetze. Und uͤber das bekommen ſie noch dazu aus dem Evangelio die Kraſt, nach dieſem alſo erlaͤuterten Geſetze mit aller Willigkeit ihres Hertzens einher zu gehen. 6. Wo ein ins Hertze, oder in das Gewiſ- ſen des Menſchen eingeſchriebenes Geſetze iſt, da muß nothwendig der, der es eingeſchrieben hat, das iſt GOtt, voraus geſetzet ſeyn. Und folg- lich iſt es ein ſehr irriger Satz einiger falſchen Philoſophorum, welche ſagen, das Geſetz der Natur ſey durch die Natur ſelbſt beveſtiget, und wuͤrde ſtatt finden, wenn auch gleich kein GOtt waͤre. 7. Kan das Gewiſſen einen nach der boͤſen That verklagen und beunruhigen, ſo muß gewiß die Freyheit, eine Sache zu thun und zu laſſen, auch dieſes oder jenes zu thun, der Seelen we- ſentlich ſeyn: ſintemal ohne Freyheit des Wil- lens auch keine eigne Anklage und Beunruhi- gung des Gewiſſens ſtatt finden koͤnte. V. 16. Auf den Tag, da GOtt (nebſt dem, was offenbar worden iſt, auch) das Verbor- gene der Menſchen (ihre Gedancken, Rath- ſchlaͤge, herrſchende Begierden und Afſecten, auch das, was ſie zwar aͤuſſerlich auf eine gro- be Art ausgeuͤbet, aber doch verdecket und vor Menſchen verlaͤugnet haben, und damit alſo auch dem menſchlichen Gerichte entgangen ſind) durch JEſum Chriſtum (als den kuͤnftigen Richter aller Welt, ans Licht ziehen und) rich- ten wird, laut meines Evangelii (meiner gantzen Apoſtoliſchen Lehre, welche zwar vom Evangelio, als dem Haupt Stuͤcke, billig den Namen hat; aber doch alle uͤbrige Lehren, wel- che zum Rathe GOttes von dem Grunde, der Ordnung, und der endlichen Ausfuͤhrung, oder Vollendung unſers Heyls gehoͤren, mit in ſich faſſet: dazu denn inſonderheit die Lehre von dem durch den Sohn GOttes zu haltenden juͤngſten Gericht gehoͤret. Siehe Matth. 25, 31. Joh. 5, 22. Ap. Geſch. 14, 31. Roͤm. 14, 10. 11. 1 Cor. 4, 5. 2 Cor. 5, 10. ꝛc.) Anmerckungen. 1. Die erſten Worte dieſes Verſiculs: auf den Tag, ἐν ἡμέρᾳ, an dem Tage u. ſ. w. laſ- F

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht01_1729/69>, abgerufen am 24.11.2024.