Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.Cap. 1, v. 1. 2. an die Colosser. [Spaltenumbruch]
auch daher hin und wieder nur allein, oder inder einzelen Zahl redet, Timotheus aber nicht: Dessen bezeugete Beystimmung iedoch den Co- lossern zu so viel mehrer Uberzeugung dienen kon- te. Daß er zu dieser Zeit noch ein junger Mann gewesen, das ist aus seinem, den an ihn geschriebenen Briefen vorgesetzten Lebens-Lauf zu ersehen. 2. Wenn man von Kindheit auf also den HERRN fürchtet und also mit GOTTES Wort umgehet, wie Timotheus, so kan einer bald ein Mann werden in CHristo, ob man gleich dem natürlichen Alter nach noch ein Jüng- ling ist. Hat man doch hingegen Männer und Alte, welche theils gar noch nicht zur Kindschaft GOTTes gelanget, theils nur erst geistliche Milch-Kinder worden sind. Ein rechtschaffner Studiosus und Candidatus Theologiae muß billig bey Zeiten ein solcher Timotheus seyn, wenn er dafür will angesehen werden, daß er von seinen jüngern und mehrern Jahren her mit dem gött- lichen Worte zum Zweck des Lehr-Amts wür- diglich umgegangen sey. 3. Wie wohl thut es einem rechtschaffnen Knechte GOTTes nicht, wenn er einen so ge- treuen Beystand an einem Collegen hat, wie Paulus am Timotheo. Hingegen muß man- cher erfahren, was Paulo selbst an andern be- gegnet ist, sonderlich am Alexandro dem Schmid, der ihm viel böses bewiesen und sei- nen Worten sehr widerstanden hat. 1 Tim. 1, 20. 2 Tim. 4, 14. Was man denn an Menschen vom Beystand nicht hat, das hat man desto mehr an und von GOTT. 4. Candidati Theologiae und angehende Prediger haben vor allen Dingen dahin zu se- hen, daß sie von ihrer Bestellung zum Lehr-Am- te des Willens GOttes versichert seyn mö- gen. Nun dürfen sie zwar auf eine unmittel- bare Berusung nicht warten, wie Paulus über- kommen hat: allein wenn eine mittelbare gött- lich seyn soll, so gehöret ein mehrers darzu, als man gemeiniglich dafür hält: Vor allen Din- gen die geistliche Tüchtigkeit, daß man nicht nur zum geistlichen Leben, das aus GOTT ist, sondern darinn auch schon zu einigem Al- ter oder Erfahrung gelanget und also zuvorderst ein Schaf CHristi worden sey, wenn man will einen Hirten abgeben. Jst das nicht, so ist der Beruf nicht göttlich, wenn er einem gleich bey aller Passivität, oder ohne alle Mit- wirckung, zugekommen wäre. Der Wille GOttes ist nicht allein wohlgefällig, bey den Würdigen, sondern auch zuläßig, bey den Unwürdigen. Welcher zuläßige Wille GOt- tes aber hernach die Rechenschaft fordert. Was noch sonst bey diesem ersten Verse zu erinnern wäre, das sehe man bey der Inscription der ü- brigen Briefe. V. 2. Den Heiligen zu Colossen, und den Anmerckungen. 1. Heilige hat man nicht erst im Him- mel zu suchen und zu finden, sondern schon auf Erden. Wer alhier nicht ein Heiliger wird, der wird es dort nimmermehr werden. 2. Ein Heiliger seyn, heißt dergestalt durch den Tod CHristi versöhnet seyn, daß man auch die Versöhnung in der Ordnung der wahren Bekehrung zur Rechtfertigung hat angenommen, und die Früchte davon in der täglichen Erneuerung zeiget. Solche Heili- ge waren die Colosser. 3. Zu dieser Heiligung und Heiligkeit kömmt man nicht anders, als durch CHri- stum JEsum: darum die Colosser, die ihrer Natur nach Unheilige waren, Heilige genennet werden in CHristo JEsu. 4. Der Apostel nennet die Colosser nicht besonders die Erleuchteten, weil die wahre Heiligung die Erleuchtung mit sich führet und in sich hält, und diese ohne jene niemals statt findet. 5. Wer diesen Brief also lesen will, daß er sich alles uns darinnen angepriesene Heil recht applicire, der hat sich zuvorderst zu prüfen, ob er auch ein Heiliger in CHristo sey, oder doch durch seine Gnade noch werden wolle, und zwar ohne fernern Aufschub. Jst keines von beyden, so lieset er den Brief nur zu seinem Ge- richte. 6. Es will zwar die rechte Application wahrhaftige Heiligen haben: Da doch aber diese von unterschiedlichen Stuffen sind, auch darin die Colosser ohn Zweifel sehr unterschie- den waren, so hat sich kein angefochtenes und blödes Gewissen selbst aus der Zahl der Heiligen auszuschliessen. Was ein solcher von Heiligkeit nicht in sich selbst hat, das hat er in CHristo. Genug, wenn er ihm nur von gantzem Hertzen ergeben ist. Es kömmt ohne das alles auf CHristum an, und auf den Glau- ben an ihn, durch dessen Anzündung in uns die wahre Heiligung sich anhebet, und durch dessen Ubung wir aus seiner Fülle schöpfen Gnade um Gnade, und also zu immer mehrer Heiligkeit gelangen. 7. Die Heiligung aber ist von der Hei- ligkeit also unterschieden, daß die Heiligung bestehet auf GOttes Seiten theils in der Ver- söhnung CHristi, theils in der Zurechnung dersel- ben und in der Wirckung des Heiligen Geistes, bey welcher die Zurechnung statt findet: auf un- serer Seite in der Treue, womit wir das durch die Wirckung des Heiligen Geistes empfangene geistliche Leben und das damit überkommene Gnaden-Geschenck der Gerechtigkeit und der übrigen Heils-Güter wohl anwenden: daraus denn die wahre, ob gleich noch unvollkommene, Heiligkeit entstehet. 8. Der andere Ehren-Name der Chri- sten ist, daß sie gläubige Brüder sind in Chri- sto. Da denn zuvorderst die Verbindung zwi- schen diesem und jenem, daß sie Heilige genennet werden, wohl zu mercken ist: nemlich diese Ei- genschaften sind von einander unzertrennlich. Wer B b b b b
Cap. 1, v. 1. 2. an die Coloſſer. [Spaltenumbruch]
auch daher hin und wieder nur allein, oder inder einzelen Zahl redet, Timotheus aber nicht: Deſſen bezeugete Beyſtimmung iedoch den Co- loſſern zu ſo viel mehrer Uberzeugung dienen kon- te. Daß er zu dieſer Zeit noch ein junger Mann geweſen, das iſt aus ſeinem, den an ihn geſchriebenen Briefen vorgeſetzten Lebens-Lauf zu erſehen. 2. Wenn man von Kindheit auf alſo den HERRN fuͤrchtet und alſo mit GOTTES Wort umgehet, wie Timotheus, ſo kan einer bald ein Mann werden in CHriſto, ob man gleich dem natuͤrlichen Alter nach noch ein Juͤng- ling iſt. Hat man doch hingegen Maͤnner und Alte, welche theils gar noch nicht zur Kindſchaft GOTTes gelanget, theils nur erſt geiſtliche Milch-Kinder worden ſind. Ein rechtſchaffner Studioſus und Candidatus Theologiæ muß billig bey Zeiten ein ſolcher Timotheus ſeyn, wenn er dafuͤr will angeſehen werden, daß er von ſeinen juͤngern und mehrern Jahren her mit dem goͤtt- lichen Worte zum Zweck des Lehr-Amts wuͤr- diglich umgegangen ſey. 3. Wie wohl thut es einem rechtſchaffnen Knechte GOTTes nicht, wenn er einen ſo ge- treuen Beyſtand an einem Collegen hat, wie Paulus am Timotheo. Hingegen muß man- cher erfahren, was Paulo ſelbſt an andern be- gegnet iſt, ſonderlich am Alexandro dem Schmid, der ihm viel boͤſes bewieſen und ſei- nen Worten ſehr widerſtanden hat. 1 Tim. 1, 20. 2 Tim. 4, 14. Was man denn an Menſchen vom Beyſtand nicht hat, das hat man deſto mehr an und von GOTT. 4. Candidati Theologiæ und angehende Prediger haben vor allen Dingen dahin zu ſe- hen, daß ſie von ihrer Beſtellung zum Lehr-Am- te des Willens GOttes verſichert ſeyn moͤ- gen. Nun duͤrfen ſie zwar auf eine unmittel- bare Beruſung nicht warten, wie Paulus uͤber- kommen hat: allein wenn eine mittelbare goͤtt- lich ſeyn ſoll, ſo gehoͤret ein mehrers darzu, als man gemeiniglich dafuͤr haͤlt: Vor allen Din- gen die geiſtliche Tuͤchtigkeit, daß man nicht nur zum geiſtlichen Leben, das aus GOTT iſt, ſondern darinn auch ſchon zu einigem Al- ter oder Erfahrung gelanget und alſo zuvorderſt ein Schaf CHriſti worden ſey, wenn man will einen Hirten abgeben. Jſt das nicht, ſo iſt der Beruf nicht goͤttlich, wenn er einem gleich bey aller Paſſivitaͤt, oder ohne alle Mit- wirckung, zugekommen waͤre. Der Wille GOttes iſt nicht allein wohlgefaͤllig, bey den Wuͤrdigen, ſondern auch zulaͤßig, bey den Unwuͤrdigen. Welcher zulaͤßige Wille GOt- tes aber hernach die Rechenſchaft fordert. Was noch ſonſt bey dieſem erſten Verſe zu erinnern waͤre, das ſehe man bey der Inſcription der uͤ- brigen Briefe. V. 2. Den Heiligen zu Coloſſen, und den Anmerckungen. 1. Heilige hat man nicht erſt im Him- mel zu ſuchen und zu finden, ſondern ſchon auf Erden. Wer alhier nicht ein Heiliger wird, der wird es dort nimmermehr werden. 2. Ein Heiliger ſeyn, heißt dergeſtalt durch den Tod CHriſti verſoͤhnet ſeyn, daß man auch die Verſoͤhnung in der Ordnung der wahren Bekehrung zur Rechtfertigung hat angenommen, und die Fruͤchte davon in der taͤglichen Erneuerung zeiget. Solche Heili- ge waren die Coloſſer. 3. Zu dieſer Heiligung und Heiligkeit koͤmmt man nicht anders, als durch CHri- ſtum JEſum: darum die Coloſſer, die ihrer Natur nach Unheilige waren, Heilige genennet werden in CHriſto JEſu. 4. Der Apoſtel nennet die Coloſſer nicht beſonders die Erleuchteten, weil die wahre Heiligung die Erleuchtung mit ſich fuͤhret und in ſich haͤlt, und dieſe ohne jene niemals ſtatt findet. 5. Wer dieſen Brief alſo leſen will, daß er ſich alles uns darinnen angeprieſene Heil recht applicire, der hat ſich zuvorderſt zu pruͤfen, ob er auch ein Heiliger in CHriſto ſey, oder doch durch ſeine Gnade noch werden wolle, und zwar ohne fernern Aufſchub. Jſt keines von beyden, ſo lieſet er den Brief nur zu ſeinem Ge- richte. 6. Es will zwar die rechte Application wahrhaftige Heiligen haben: Da doch aber dieſe von unterſchiedlichen Stuffen ſind, auch darin die Coloſſer ohn Zweifel ſehr unterſchie- den waren, ſo hat ſich kein angefochtenes und bloͤdes Gewiſſen ſelbſt aus der Zahl der Heiligen auszuſchlieſſen. Was ein ſolcher von Heiligkeit nicht in ſich ſelbſt hat, das hat er in CHriſto. Genug, wenn er ihm nur von gantzem Hertzen ergeben iſt. Es koͤmmt ohne das alles auf CHriſtum an, und auf den Glau- ben an ihn, durch deſſen Anzuͤndung in uns die wahre Heiligung ſich anhebet, und durch deſſen Ubung wir aus ſeiner Fuͤlle ſchoͤpfen Gnade um Gnade, und alſo zu immer mehrer Heiligkeit gelangen. 7. Die Heiligung aber iſt von der Hei- ligkeit alſo unterſchieden, daß die Heiligung beſtehet auf GOttes Seiten theils in der Ver- ſoͤhnung CHriſti, theils in der Zurechnung derſel- ben und in der Wirckung des Heiligen Geiſtes, bey welcher die Zurechnung ſtatt findet: auf un- ſerer Seite in der Treue, womit wir das durch die Wirckung des Heiligen Geiſtes empfangene geiſtliche Leben und das damit uͤberkommene Gnaden-Geſchenck der Gerechtigkeit und der uͤbrigen Heils-Guͤter wohl anwenden: daraus denn die wahre, ob gleich noch unvollkommene, Heiligkeit entſtehet. 8. Der andere Ehren-Name der Chri- ſten iſt, daß ſie glaͤubige Bruͤder ſind in Chri- ſto. Da denn zuvorderſt die Verbindung zwi- ſchen dieſem und jenem, daß ſie Heilige genennet werden, wohl zu mercken iſt: nemlich dieſe Ei- genſchaften ſind von einander unzertrennlich. Wer B b b b b
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Cap. 1, v. 1. 2. an die Coloſſer.
auch daher hin und wieder nur allein, oder in
der einzelen Zahl redet, Timotheus aber nicht:
Deſſen bezeugete Beyſtimmung iedoch den Co-
loſſern zu ſo viel mehrer Uberzeugung dienen kon-
te. Daß er zu dieſer Zeit noch ein junger
Mann geweſen, das iſt aus ſeinem, den an ihn
geſchriebenen Briefen vorgeſetzten Lebens-Lauf
zu erſehen.
2. Wenn man von Kindheit auf alſo den
HERRN fuͤrchtet und alſo mit GOTTES
Wort umgehet, wie Timotheus, ſo kan einer
bald ein Mann werden in CHriſto, ob man
gleich dem natuͤrlichen Alter nach noch ein Juͤng-
ling iſt. Hat man doch hingegen Maͤnner und
Alte, welche theils gar noch nicht zur Kindſchaft
GOTTes gelanget, theils nur erſt geiſtliche
Milch-Kinder worden ſind. Ein rechtſchaffner
Studioſus und Candidatus Theologiæ muß billig
bey Zeiten ein ſolcher Timotheus ſeyn, wenn er
dafuͤr will angeſehen werden, daß er von ſeinen
juͤngern und mehrern Jahren her mit dem goͤtt-
lichen Worte zum Zweck des Lehr-Amts wuͤr-
diglich umgegangen ſey.
3. Wie wohl thut es einem rechtſchaffnen
Knechte GOTTes nicht, wenn er einen ſo ge-
treuen Beyſtand an einem Collegen hat, wie
Paulus am Timotheo. Hingegen muß man-
cher erfahren, was Paulo ſelbſt an andern be-
gegnet iſt, ſonderlich am Alexandro dem
Schmid, der ihm viel boͤſes bewieſen und ſei-
nen Worten ſehr widerſtanden hat. 1 Tim. 1, 20.
2 Tim. 4, 14. Was man denn an Menſchen
vom Beyſtand nicht hat, das hat man deſto mehr
an und von GOTT.
4. Candidati Theologiæ und angehende
Prediger haben vor allen Dingen dahin zu ſe-
hen, daß ſie von ihrer Beſtellung zum Lehr-Am-
te des Willens GOttes verſichert ſeyn moͤ-
gen. Nun duͤrfen ſie zwar auf eine unmittel-
bare Beruſung nicht warten, wie Paulus uͤber-
kommen hat: allein wenn eine mittelbare goͤtt-
lich ſeyn ſoll, ſo gehoͤret ein mehrers darzu, als
man gemeiniglich dafuͤr haͤlt: Vor allen Din-
gen die geiſtliche Tuͤchtigkeit, daß man nicht
nur zum geiſtlichen Leben, das aus GOTT
iſt, ſondern darinn auch ſchon zu einigem Al-
ter oder Erfahrung gelanget und alſo zuvorderſt
ein Schaf CHriſti worden ſey, wenn man
will einen Hirten abgeben. Jſt das nicht, ſo
iſt der Beruf nicht goͤttlich, wenn er einem
gleich bey aller Paſſivitaͤt, oder ohne alle Mit-
wirckung, zugekommen waͤre. Der Wille
GOttes iſt nicht allein wohlgefaͤllig, bey den
Wuͤrdigen, ſondern auch zulaͤßig, bey den
Unwuͤrdigen. Welcher zulaͤßige Wille GOt-
tes aber hernach die Rechenſchaft fordert. Was
noch ſonſt bey dieſem erſten Verſe zu erinnern
waͤre, das ſehe man bey der Inſcription der uͤ-
brigen Briefe.
V. 2.
Den Heiligen zu Coloſſen, und den
glaͤubigen Bruͤdern in CHriſto: Gnade
ſey mit euch, und Friede von GOTT un-
ſerm Vater und dem HErrn JESU
CHriſto.
Anmerckungen.
1. Heilige hat man nicht erſt im Him-
mel zu ſuchen und zu finden, ſondern ſchon auf
Erden. Wer alhier nicht ein Heiliger wird,
der wird es dort nimmermehr werden.
2. Ein Heiliger ſeyn, heißt dergeſtalt
durch den Tod CHriſti verſoͤhnet ſeyn, daß
man auch die Verſoͤhnung in der Ordnung der
wahren Bekehrung zur Rechtfertigung hat
angenommen, und die Fruͤchte davon in der
taͤglichen Erneuerung zeiget. Solche Heili-
ge waren die Coloſſer.
3. Zu dieſer Heiligung und Heiligkeit
koͤmmt man nicht anders, als durch CHri-
ſtum JEſum: darum die Coloſſer, die ihrer
Natur nach Unheilige waren, Heilige genennet
werden in CHriſto JEſu.
4. Der Apoſtel nennet die Coloſſer nicht
beſonders die Erleuchteten, weil die wahre
Heiligung die Erleuchtung mit ſich fuͤhret und
in ſich haͤlt, und dieſe ohne jene niemals ſtatt
findet.
5. Wer dieſen Brief alſo leſen will, daß
er ſich alles uns darinnen angeprieſene Heil
recht applicire, der hat ſich zuvorderſt zu pruͤfen,
ob er auch ein Heiliger in CHriſto ſey, oder
doch durch ſeine Gnade noch werden wolle, und
zwar ohne fernern Aufſchub. Jſt keines von
beyden, ſo lieſet er den Brief nur zu ſeinem Ge-
richte.
6. Es will zwar die rechte Application
wahrhaftige Heiligen haben: Da doch aber
dieſe von unterſchiedlichen Stuffen ſind, auch
darin die Coloſſer ohn Zweifel ſehr unterſchie-
den waren, ſo hat ſich kein angefochtenes
und bloͤdes Gewiſſen ſelbſt aus der Zahl der
Heiligen auszuſchlieſſen. Was ein ſolcher von
Heiligkeit nicht in ſich ſelbſt hat, das hat er
in CHriſto. Genug, wenn er ihm nur von
gantzem Hertzen ergeben iſt. Es koͤmmt ohne
das alles auf CHriſtum an, und auf den Glau-
ben an ihn, durch deſſen Anzuͤndung in uns die
wahre Heiligung ſich anhebet, und durch deſſen
Ubung wir aus ſeiner Fuͤlle ſchoͤpfen Gnade um
Gnade, und alſo zu immer mehrer Heiligkeit
gelangen.
7. Die Heiligung aber iſt von der Hei-
ligkeit alſo unterſchieden, daß die Heiligung
beſtehet auf GOttes Seiten theils in der Ver-
ſoͤhnung CHriſti, theils in der Zurechnung derſel-
ben und in der Wirckung des Heiligen Geiſtes,
bey welcher die Zurechnung ſtatt findet: auf un-
ſerer Seite in der Treue, womit wir das durch
die Wirckung des Heiligen Geiſtes empfangene
geiſtliche Leben und das damit uͤberkommene
Gnaden-Geſchenck der Gerechtigkeit und der
uͤbrigen Heils-Guͤter wohl anwenden: daraus
denn die wahre, ob gleich noch unvollkommene,
Heiligkeit entſtehet.
8. Der andere Ehren-Name der Chri-
ſten iſt, daß ſie glaͤubige Bruͤder ſind in Chri-
ſto. Da denn zuvorderſt die Verbindung zwi-
ſchen dieſem und jenem, daß ſie Heilige genennet
werden, wohl zu mercken iſt: nemlich dieſe Ei-
genſchaften ſind von einander unzertrennlich.
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