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Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.

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Cap. 3, 20. 21. an die Römer.
[Spaltenumbruch] oder den Juden und Heyden, zur Seligkeit sey;
so stellet er ihnen ihren äusserst verderbten natür-
lichen Zustand nacheinander vor, und ziehet
nun daraus diesen Haupt-Schluß, daß sie sol-
cher gestalt alle ohne Unterscheid dem Ge-
richte der Verdammniß unterworfen wä-
ren,
und also der Busse und des Glaubens an
Christum, aller Welt Heiland, nothwendig ge-
brauchten.
2. Es ist aber wohl zu mercken, daß, da
der Apostel unsere Rechtfertigung oder Ge-
rechtmachung
vor GOtt in sensu forensi, oder
in einem solchen Verstande, als zu den Gerich-
ten, oder zu der gerichtlichen Absolution und
Lossprechung, gehöret, vorstellen wolte, er da-
zu mit diesem Satze den Grund leget. Denn
das Griechische Wort upodikos, welches der sel.
Lutherus durch schuldig übersetzet hat, bedeu-
tet einen solchen reum, oder Beschuldigten,
der als ein Delinquent vor Gericht gestellet
wird, um daselbst den Ausspruch von seiner
wohlverdienten Strafe anzuhören. Für einen
solchen reum nun, oder Delinquenten, soll sich
das gantze menschliche Geschlecht, und also dar-
innen ein ieder Mensch, erkennen, also, daß er in
Erkäntniß seiner grossen Schuld sich zur Uber-
nehmung der gerechten Strafe vor dem Gerichte
GOttes darstelle, und in dieser Ordnung, nach
Anweisung des Evangelii, aus der dargereich-
ten Kraft zum Mittler und Versöhner greiffe,
um durch ihn vor dem Gerichte GOttes zu be-
stehen. Siehe auch Ezech. 16, 62. 63. da es in
Ansehung der Juden heißt: Jch will meinen
Bund mit dir aufrichten, daß du erfahren
solt, daß ich der HErr sey: auf daß du
daran gedenckest, und dich schämest, und
vor Schanden nicht mehr deinen Mund
auf thun dürfest, wenn ich dir alles verge-
ben werde, was du gethan hast, spricht
der HErr HErr.
3. Wenn man die Worte: GOtt schul-
dig werden,
oder vor das Gericht GOt-
tes gestellet,
und dem unterworfen werden,
recht auf sich appliciret, so kommen zwey Ge-
richte
zusammen, das Unter-Gericht unsers
Gewissens,
und das Ober-Gericht GOt-
tes;
sintemal man nach dem Gewissen vor
GOttes Gericht gestellet wird, und solcher ge-
stalt in der That erfähret, daß die Rechtferti-
gung vor GOtt ein actus forensis, eine gericht-
liche Handlung ist, davon ein ieglicher Glaubi-
ger bey sich die eigene Erfahrung hat.
V. 20.

Darum (muß nemlich, wie vorher gehet,
aller Mund verstopfet werden, und alle Welt
GOtt schuldig seyn) daß (oder dieweil) kein
Fleisch
(kein Mensch, er sey wer er wolle) durch
des Gesetzes Werck
(durch die Wercke, wel-
che das Gesetze vorschreibet und fodert) vor
ihm
(vor seinem Gerichte, welches von Rechts-
wegen alles vollkommen haben will, wie es die
erste gute Schöpfung mit sich bringet, nach dem
kläglichen Sünden-Fall, da alles im äussersten
Verderben lieget) gerecht seyn (und also ohne
einen Mittler bestehen mag. Denn durch
[Spaltenumbruch] das Gesetz kömmt
(nunmehro nach dem Sün-
den-Falle, da man in dem Sünden-Elende lie-
get, es doch aber nicht recht erkennet, einem ie-
den Menschen, der es recht gebrauchet) Er-
käntniß der Sünden.
(wie es denn auch in
den zuvor angeführten Schrift-Stellen dem
Menschen seinen bösen Grund recht aufdecket,
und ihn auch sonst von der Sünde, derselben
Herrschaft, Schuld und Strafe, dergestalt über-
zeuget, daß es ihm das Urtheil der Verdammniß
spricht, und ihn also keines weges rechtfertiget
und absolviret.

Anmerckungen.
1. Fleisch heißt alhier der Mensch, wie er
nach seinem sichtbaren Theile benennet und nur
bloß nach der verderbten Natur betrachtet wird.
Was v. 19. hiesse alle Welt, das heißt hie al-
les Fleisch.
Davon GOtt vor der Sündfluth
den Ausspruch that: Die Menschen wollen
sich meinen Geist nicht mehr strafen lassen:
denn sie sind Fleisch. GOtt sahe auf Er-
den, und siehe! sie war verderbet. Denn
alles Fleisch hatte seinen Weg verderbet
auf Erden.
1 B. Mos. 6, 3. 12. 13. Und also
war in dem Fleische, oder in der menschlichen
Natur der Seelen nach der fleischliche Sinn,
der der Tod und eine Feindschaft wider GOtt
ist, Röm. 8, 6. 7. welchen ein ieder vom Fleische
oder natürlicher Weise gebohren an sich hat.
Joh. 3, 6.
2. Wer vor GOtt, dem gerechtesten und
heiligsten Wesen, bestehen und mit ihm eine se-
lige Gemeinschaft haben will, der muß eine der
göttlichen Natur gleichförmige Gerechtigkeit
haben. Hat er sie nicht von Natur; so muß er
sie von einem Mittler haben. Und dis ists,
worauf uns Paulus führet, daß er uns Chri-
stum anpreiset.
3. Und dabey thut uns das Gesetz den grös-
sesten Dienst darinnen, daß es uns die Sünde
nach ihrer Tiefe und Breite und nach ihrer rech-
ten Argheit und Grösse wohl aufdecket, um die
Nothwendigkeit des Mittlers so viel mehr zu er-
kennen. Man sehe davon auch c. 4, 15. 7, 7.
Die Sünde erkante ich nicht ohne durchs
Gesetz,
u. s. w. 1 Cor. 15, 56. Die Kraft der
Sünde ist das Gesetz.
Man conferire hie-
bey auch Gal. 2, 16.
V. 21.

Nun aber (da die Oeconomie des Neuen
Testaments angegangen) ist ohne Zuthun des
Gesetzes die Gerechtigkeit, die vor GOtt
gilt,
(die Glaubens-Gerechtigkeit v. 22., die da-
her im Griechischen eine Gerechtigkeit GOttes
heißt, weil GOtt dieselbe in Christo uns zube-
reitet hat, und hat erwerben lassen, auch aus
Gnaden schencket, und die von der Beschaffen-
heit ist, daß wir damit, als mit dem rechten Eh-
ren-Kleide, an statt des in Adam anerschaffenen
göttlichen Ebenbildes vor GOtt bestehen können)
offenbaret, (nemlich in der wircklichen Erfül-
lung und Darstellung des Versöhn-Opfers
JEsu Christi, also daß diese reale Offenbarung
auch eine mehrere Erkäntniß bringet, als zur

Zeit
G 2
Cap. 3, 20. 21. an die Roͤmer.
[Spaltenumbruch] oder den Juden und Heyden, zur Seligkeit ſey;
ſo ſtellet er ihnen ihren aͤuſſerſt verderbten natuͤr-
lichen Zuſtand nacheinander vor, und ziehet
nun daraus dieſen Haupt-Schluß, daß ſie ſol-
cher geſtalt alle ohne Unterſcheid dem Ge-
richte der Verdammniß unterworfen waͤ-
ren,
und alſo der Buſſe und des Glaubens an
Chriſtum, aller Welt Heiland, nothwendig ge-
brauchten.
2. Es iſt aber wohl zu mercken, daß, da
der Apoſtel unſere Rechtfertigung oder Ge-
rechtmachung
vor GOtt in ſenſu forenſi, oder
in einem ſolchen Verſtande, als zu den Gerich-
ten, oder zu der gerichtlichen Abſolution und
Losſprechung, gehoͤret, vorſtellen wolte, er da-
zu mit dieſem Satze den Grund leget. Denn
das Griechiſche Wort ὑπόδικος, welches der ſel.
Lutherus durch ſchuldig uͤberſetzet hat, bedeu-
tet einen ſolchen reum, oder Beſchuldigten,
der als ein Delinquent vor Gericht geſtellet
wird, um daſelbſt den Ausſpruch von ſeiner
wohlverdienten Strafe anzuhoͤren. Fuͤr einen
ſolchen reum nun, oder Delinquenten, ſoll ſich
das gantze menſchliche Geſchlecht, und alſo dar-
innen ein ieder Menſch, erkennen, alſo, daß er in
Erkaͤntniß ſeiner groſſen Schuld ſich zur Uber-
nehmung der gerechten Strafe vor dem Gerichte
GOttes darſtelle, und in dieſer Ordnung, nach
Anweiſung des Evangelii, aus der dargereich-
ten Kraft zum Mittler und Verſoͤhner greiffe,
um durch ihn vor dem Gerichte GOttes zu be-
ſtehen. Siehe auch Ezech. 16, 62. 63. da es in
Anſehung der Juden heißt: Jch will meinen
Bund mit dir aufrichten, daß du erfahren
ſolt, daß ich der HErr ſey: auf daß du
daran gedenckeſt, und dich ſchaͤmeſt, und
vor Schanden nicht mehr deinen Mund
auf thun duͤrfeſt, wenn ich dir alles verge-
ben werde, was du gethan haſt, ſpricht
der HErr HErr.
3. Wenn man die Worte: GOtt ſchul-
dig werden,
oder vor das Gericht GOt-
tes geſtellet,
und dem unterworfen werden,
recht auf ſich appliciret, ſo kommen zwey Ge-
richte
zuſammen, das Unter-Gericht unſers
Gewiſſens,
und das Ober-Gericht GOt-
tes;
ſintemal man nach dem Gewiſſen vor
GOttes Gericht geſtellet wird, und ſolcher ge-
ſtalt in der That erfaͤhret, daß die Rechtferti-
gung vor GOtt ein actus forenſis, eine gericht-
liche Handlung iſt, davon ein ieglicher Glaubi-
ger bey ſich die eigene Erfahrung hat.
V. 20.

Darum (muß nemlich, wie vorher gehet,
aller Mund verſtopfet werden, und alle Welt
GOtt ſchuldig ſeyn) daß (oder dieweil) kein
Fleiſch
(kein Menſch, er ſey wer er wolle) durch
des Geſetzes Werck
(durch die Wercke, wel-
che das Geſetze vorſchreibet und fodert) vor
ihm
(vor ſeinem Gerichte, welches von Rechts-
wegen alles vollkommen haben will, wie es die
erſte gute Schoͤpfung mit ſich bringet, nach dem
klaͤglichen Suͤnden-Fall, da alles im aͤuſſerſten
Verderben lieget) gerecht ſeyn (und alſo ohne
einen Mittler beſtehen mag. Denn durch
[Spaltenumbruch] das Geſetz koͤmmt
(nunmehro nach dem Suͤn-
den-Falle, da man in dem Suͤnden-Elende lie-
get, es doch aber nicht recht erkennet, einem ie-
den Menſchen, der es recht gebrauchet) Er-
kaͤntniß der Suͤnden.
(wie es denn auch in
den zuvor angefuͤhrten Schrift-Stellen dem
Menſchen ſeinen boͤſen Grund recht aufdecket,
und ihn auch ſonſt von der Suͤnde, derſelben
Herrſchaft, Schuld und Strafe, dergeſtalt uͤber-
zeuget, daß es ihm das Urtheil der Verdammniß
ſpricht, und ihn alſo keines weges rechtfertiget
und abſolviret.

Anmerckungen.
1. Fleiſch heißt alhier der Menſch, wie er
nach ſeinem ſichtbaren Theile benennet und nur
bloß nach der verderbten Natur betrachtet wird.
Was v. 19. hieſſe alle Welt, das heißt hie al-
les Fleiſch.
Davon GOtt vor der Suͤndfluth
den Ausſpruch that: Die Menſchen wollen
ſich meinen Geiſt nicht mehr ſtrafen laſſen:
denn ſie ſind Fleiſch. GOtt ſahe auf Er-
den, und ſiehe! ſie war verderbet. Denn
alles Fleiſch hatte ſeinen Weg verderbet
auf Erden.
1 B. Moſ. 6, 3. 12. 13. Und alſo
war in dem Fleiſche, oder in der menſchlichen
Natur der Seelen nach der fleiſchliche Sinn,
der der Tod und eine Feindſchaft wider GOtt
iſt, Roͤm. 8, 6. 7. welchen ein ieder vom Fleiſche
oder natuͤrlicher Weiſe gebohren an ſich hat.
Joh. 3, 6.
2. Wer vor GOtt, dem gerechteſten und
heiligſten Weſen, beſtehen und mit ihm eine ſe-
lige Gemeinſchaft haben will, der muß eine der
goͤttlichen Natur gleichfoͤrmige Gerechtigkeit
haben. Hat er ſie nicht von Natur; ſo muß er
ſie von einem Mittler haben. Und dis iſts,
worauf uns Paulus fuͤhret, daß er uns Chri-
ſtum anpreiſet.
3. Und dabey thut uns das Geſetz den groͤſ-
ſeſten Dienſt darinnen, daß es uns die Suͤnde
nach ihrer Tiefe und Breite und nach ihrer rech-
ten Argheit und Groͤſſe wohl aufdecket, um die
Nothwendigkeit des Mittlers ſo viel mehr zu er-
kennen. Man ſehe davon auch c. 4, 15. 7, 7.
Die Suͤnde erkante ich nicht ohne durchs
Geſetz,
u. ſ. w. 1 Cor. 15, 56. Die Kraft der
Suͤnde iſt das Geſetz.
Man conferire hie-
bey auch Gal. 2, 16.
V. 21.

Nun aber (da die Oeconomie des Neuen
Teſtaments angegangen) iſt ohne Zuthun des
Geſetzes die Gerechtigkeit, die vor GOtt
gilt,
(die Glaubens-Gerechtigkeit v. 22., die da-
her im Griechiſchen eine Gerechtigkeit GOttes
heißt, weil GOtt dieſelbe in Chriſto uns zube-
reitet hat, und hat erwerben laſſen, auch aus
Gnaden ſchencket, und die von der Beſchaffen-
heit iſt, daß wir damit, als mit dem rechten Eh-
ren-Kleide, an ſtatt des in Adam anerſchaffenen
goͤttlichen Ebenbildes vor GOtt beſtehen koͤnnen)
offenbaret, (nemlich in der wircklichen Erfuͤl-
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[51/0079] Cap. 3, 20. 21. an die Roͤmer. oder den Juden und Heyden, zur Seligkeit ſey; ſo ſtellet er ihnen ihren aͤuſſerſt verderbten natuͤr- lichen Zuſtand nacheinander vor, und ziehet nun daraus dieſen Haupt-Schluß, daß ſie ſol- cher geſtalt alle ohne Unterſcheid dem Ge- richte der Verdammniß unterworfen waͤ- ren, und alſo der Buſſe und des Glaubens an Chriſtum, aller Welt Heiland, nothwendig ge- brauchten. 2. Es iſt aber wohl zu mercken, daß, da der Apoſtel unſere Rechtfertigung oder Ge- rechtmachung vor GOtt in ſenſu forenſi, oder in einem ſolchen Verſtande, als zu den Gerich- ten, oder zu der gerichtlichen Abſolution und Losſprechung, gehoͤret, vorſtellen wolte, er da- zu mit dieſem Satze den Grund leget. Denn das Griechiſche Wort ὑπόδικος, welches der ſel. Lutherus durch ſchuldig uͤberſetzet hat, bedeu- tet einen ſolchen reum, oder Beſchuldigten, der als ein Delinquent vor Gericht geſtellet wird, um daſelbſt den Ausſpruch von ſeiner wohlverdienten Strafe anzuhoͤren. Fuͤr einen ſolchen reum nun, oder Delinquenten, ſoll ſich das gantze menſchliche Geſchlecht, und alſo dar- innen ein ieder Menſch, erkennen, alſo, daß er in Erkaͤntniß ſeiner groſſen Schuld ſich zur Uber- nehmung der gerechten Strafe vor dem Gerichte GOttes darſtelle, und in dieſer Ordnung, nach Anweiſung des Evangelii, aus der dargereich- ten Kraft zum Mittler und Verſoͤhner greiffe, um durch ihn vor dem Gerichte GOttes zu be- ſtehen. Siehe auch Ezech. 16, 62. 63. da es in Anſehung der Juden heißt: Jch will meinen Bund mit dir aufrichten, daß du erfahren ſolt, daß ich der HErr ſey: auf daß du daran gedenckeſt, und dich ſchaͤmeſt, und vor Schanden nicht mehr deinen Mund auf thun duͤrfeſt, wenn ich dir alles verge- ben werde, was du gethan haſt, ſpricht der HErr HErr. 3. Wenn man die Worte: GOtt ſchul- dig werden, oder vor das Gericht GOt- tes geſtellet, und dem unterworfen werden, recht auf ſich appliciret, ſo kommen zwey Ge- richte zuſammen, das Unter-Gericht unſers Gewiſſens, und das Ober-Gericht GOt- tes; ſintemal man nach dem Gewiſſen vor GOttes Gericht geſtellet wird, und ſolcher ge- ſtalt in der That erfaͤhret, daß die Rechtferti- gung vor GOtt ein actus forenſis, eine gericht- liche Handlung iſt, davon ein ieglicher Glaubi- ger bey ſich die eigene Erfahrung hat. V. 20. Darum (muß nemlich, wie vorher gehet, aller Mund verſtopfet werden, und alle Welt GOtt ſchuldig ſeyn) daß (oder dieweil) kein Fleiſch (kein Menſch, er ſey wer er wolle) durch des Geſetzes Werck (durch die Wercke, wel- che das Geſetze vorſchreibet und fodert) vor ihm (vor ſeinem Gerichte, welches von Rechts- wegen alles vollkommen haben will, wie es die erſte gute Schoͤpfung mit ſich bringet, nach dem klaͤglichen Suͤnden-Fall, da alles im aͤuſſerſten Verderben lieget) gerecht ſeyn (und alſo ohne einen Mittler beſtehen mag. Denn durch das Geſetz koͤmmt (nunmehro nach dem Suͤn- den-Falle, da man in dem Suͤnden-Elende lie- get, es doch aber nicht recht erkennet, einem ie- den Menſchen, der es recht gebrauchet) Er- kaͤntniß der Suͤnden. (wie es denn auch in den zuvor angefuͤhrten Schrift-Stellen dem Menſchen ſeinen boͤſen Grund recht aufdecket, und ihn auch ſonſt von der Suͤnde, derſelben Herrſchaft, Schuld und Strafe, dergeſtalt uͤber- zeuget, daß es ihm das Urtheil der Verdammniß ſpricht, und ihn alſo keines weges rechtfertiget und abſolviret. Anmerckungen. 1. Fleiſch heißt alhier der Menſch, wie er nach ſeinem ſichtbaren Theile benennet und nur bloß nach der verderbten Natur betrachtet wird. Was v. 19. hieſſe alle Welt, das heißt hie al- les Fleiſch. Davon GOtt vor der Suͤndfluth den Ausſpruch that: Die Menſchen wollen ſich meinen Geiſt nicht mehr ſtrafen laſſen: denn ſie ſind Fleiſch. GOtt ſahe auf Er- den, und ſiehe! ſie war verderbet. Denn alles Fleiſch hatte ſeinen Weg verderbet auf Erden. 1 B. Moſ. 6, 3. 12. 13. Und alſo war in dem Fleiſche, oder in der menſchlichen Natur der Seelen nach der fleiſchliche Sinn, der der Tod und eine Feindſchaft wider GOtt iſt, Roͤm. 8, 6. 7. welchen ein ieder vom Fleiſche oder natuͤrlicher Weiſe gebohren an ſich hat. Joh. 3, 6. 2. Wer vor GOtt, dem gerechteſten und heiligſten Weſen, beſtehen und mit ihm eine ſe- lige Gemeinſchaft haben will, der muß eine der goͤttlichen Natur gleichfoͤrmige Gerechtigkeit haben. Hat er ſie nicht von Natur; ſo muß er ſie von einem Mittler haben. Und dis iſts, worauf uns Paulus fuͤhret, daß er uns Chri- ſtum anpreiſet. 3. Und dabey thut uns das Geſetz den groͤſ- ſeſten Dienſt darinnen, daß es uns die Suͤnde nach ihrer Tiefe und Breite und nach ihrer rech- ten Argheit und Groͤſſe wohl aufdecket, um die Nothwendigkeit des Mittlers ſo viel mehr zu er- kennen. Man ſehe davon auch c. 4, 15. 7, 7. Die Suͤnde erkante ich nicht ohne durchs Geſetz, u. ſ. w. 1 Cor. 15, 56. Die Kraft der Suͤnde iſt das Geſetz. Man conferire hie- bey auch Gal. 2, 16. V. 21. Nun aber (da die Oeconomie des Neuen Teſtaments angegangen) iſt ohne Zuthun des Geſetzes die Gerechtigkeit, die vor GOtt gilt, (die Glaubens-Gerechtigkeit v. 22., die da- her im Griechiſchen eine Gerechtigkeit GOttes heißt, weil GOtt dieſelbe in Chriſto uns zube- reitet hat, und hat erwerben laſſen, auch aus Gnaden ſchencket, und die von der Beſchaffen- heit iſt, daß wir damit, als mit dem rechten Eh- ren-Kleide, an ſtatt des in Adam anerſchaffenen goͤttlichen Ebenbildes vor GOtt beſtehen koͤnnen) offenbaret, (nemlich in der wircklichen Erfuͤl- lung und Darſtellung des Verſoͤhn-Opfers JEſu Chriſti, alſo daß dieſe reale Offenbarung auch eine mehrere Erkaͤntniß bringet, als zur Zeit G 2

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht01_1729/79>, abgerufen am 21.11.2024.